L 1 AS 4642/14 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 4126/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4642/14 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.08.2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.08.2014. In der Sache streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger neben den von dem Beklagten übernommenen Schuldzinsen i.H.v. monatlich 105,01 EUR für ein zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung aufgenommenes Darlehen im Zeitraum vom 01.09.2013 bis zum 28.02.2014 auch Anspruch auf Übernahme der Tilgungsleistungen von monatlich 24,99 EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat.

Der 1973 geborene Kläger, der seit September 2011 im SGB II-Leistungsbezug steht, bewohnt seit Oktober 2001 eine 46 m² große 2-Zimmer-Wohnung in B. F., welche er 2001 zu einem Kaufpreis von 46.000 EUR erworben hat. Über die im September 2011 noch bestehende Restschuld von 28.000 EUR nahm der Kläger ein Darlehen bei der V. F.-T. eG auf, welches am 30.09.2011 zur Auszahlung kam, und eine Laufzeit mit Sollzinsbindung bis zum 30.09.2021 hat. Die Anfangstilgung betrug nach dem Tilgungsplan vom 06.10.2011 0,97 %. Zum Ende des Sollzinsbindungszeitraumes beträgt die Restschuld voraussichtlich noch 24.554,57 EUR. Im hier streitigen Zeitraum betrug bei einer Gesamt-Ratenhöhe von 130,00 EUR monatlich der durchschnittliche Schuldzinsanteil an der Rate 105,01 EUR und der Tilgungsanteil 24,99 EUR.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 22.08.2013 gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 03.09.2013 für den hier streitigen Zeitraum neben dem vollen Regelbedarf von 382,00 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 105,48 EUR. Mit dem Widerspruch vom 01.10.2013 forderte der Kläger darüber hinaus die Berücksichtigung von Nebenkosten für seine Wohnung und Tilgungskosten für die Hypothek. Mit Änderungsbescheid vom 31.10.2013 gewährte der Beklagte dem Kläger für den streitigen Zeitraum nach Berücksichtigung der Nebenkosten höhere Leistungen von insgesamt monatlich 624,12 EUR, (382,00 EUR für den Regelbedarf und nunmehr 242,12 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, im Einzelnen: 105,01 EUR Schuldzinsen, 11,11 EUR anteilige Grundsteuer, 126,00 EUR Hausgeld).

Im Übrigen, bezüglich der Tilgungsleistungen, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2013 zurück. Mit der hiergegen am 28.11.2013 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.06.2008 die Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Beklagten begehrt. Der Beklagte ist dem entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass dem Kläger wegen der Nichtübernahme keine Wohnungslosigkeit drohe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.08.2014 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.06.2008 – B 14/11b 67/06 R) seien Tilgungskosten als Bestandteil der Finanzierung einer selbst genutzten Eigentumswohnung nur zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige anderenfalls zur Aufgabe der Wohnung gezwungen sei, wobei auch Anstrengungen zu unternehmen seien, die Tilgungskosten durch Aussetzung oder Streckung der Tilgung möglichst niedrig zu halten. Nachgehend habe das BSG seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass Tilgungsleistungen nur in besonderen Ausnahmefällen zu übernehmen seien, wenn nur noch eine Restschuld abzutragen – also die Finanzierung bereits weit gehend abgeschlossen sei – und der Aspekt der privaten Vermögensbildung in den Hintergrund trete (BSG Urteil vom 07.07.2011 – B 14 AS 79/10 R – und vom 16.02.2012 – B 4 AS 14/11 R). Eine Zulassung der Berufung hat das SG abgelehnt.

Gegen das am 15.10.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.11.2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen sei. Im vorliegenden Fall habe die V. F.-T. es abgelehnt, die Darlehensrate zu reduzieren oder auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites liege darin, dass der er eine Übernahme der Gesamtkosten für Zinsen und Tilgung in Höhe von monatlich 130,00 EUR begehre und andererseits der Beklagte eine Mietobergrenze i.H.v. 330,00 EUR festgesetzt habe, so dass er nur knapp 40 % der Kosten für eine vergleichbare Mietwohnung für einen Einpersonenhaushalt begehre.

Der Beklagte ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da vorliegend der Beschwerdewert von 149,94 EUR (monatlich 24,99 EUR für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 28.02.2014, d.h. 6 x 24,99 EUR) den gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigt und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das SG hat in seinem Urteil vom 25.08.2014 die Berufung nicht zugelassen, weshalb die Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts bedarf.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen.

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Berufung nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine grundsätzliche Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) oder deren Klärung durch eine höherinstanzliche Entscheidung zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit; vgl. BSG v. 11.10.2013 – B 10 EG 20/13 B; 26.09.2013 – B 14 AS 148/13 B, juris). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt (vgl. z. B. BSG v. 07.04.2012 - B 13 R 347/10 B, juris).

Hier hat der anwaltlich vertretene Kläger keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert. Unabhängig davon ist die Rechtslage aufgrund der zur Berücksichtigung von Tilgungsleistungen zur Finanzierung von Wohneigentum als Unterkunftsbedarf i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergangenen Rechtsprechung des BSG auch eindeutig. Das BSG hat bereits mehrfach klargestellt, dass zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung Tilgungsraten grundsätzlich nicht gehören (vgl. BSG, Urteil vom 04. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 78, juris, Rn. 17, m.w.N.: "gefestigte Rechtsprechung [ ] von der abzurücken kein Anlass besteht"), da Leistungen nach dem SGB II auf den Schutz der Existenzsicherung beschränkt sind und nicht der Vermögensbildung dienen sollen, und dass Ausnahmen von diesem Grundsatz im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt sind, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (BSG, a.a.O., unter Verweis auf Urteile vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 48 Rn. 18 und vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R – juris, Rn. 23). Bereits diese Voraussetzung aber ist, wie das SG verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, vorliegend bei einer Restschuld in Höhe von mehr als der Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises der Wohnung nicht erfüllt gewesen. Es kam für die Entscheidung des SG deshalb auch nicht mehr darauf an, ob – wie vom BSG im Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 67/06 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 13, juris, Rn. 27 entschiedenen Fall - ohne Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums gedroht hat und ob der Kläger, wie er in seiner Beschwerdebegründung behauptet hat, alles unternommen hat, die Tilgungskosten (etwa auch durch Hinwirken auf Aussetzung oder Streckung) möglichst gering zu halten. Abgesehen davon handelt es sich bei dem entsprechenden Vortrag um auf den Einzelfall bezogenen Tatsachenvortrag; nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage.

Ob, wie der Kläger offenbar meint, ein Wirtschaftlichkeitsvergleich dazu führen kann, dass Kosten, die bereits dem Grunde nach keine Unterkunftskosten darstellen, dennoch als solche übernommen werden müssen, lässt sich unter Heranziehung des Gesetzes und der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig (negativ) beantworten, weshalb es an einer Klärungsbedürftigkeit fehlt. Zum einen hat das BSG mehrfach klargestellt, dass Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Tilgungsraten zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich nicht gehören, nur in engen Grenzen anzuerkennen und auf Fallkonstellationen beschränkt sind, in denen die Finanzierung bereits weitgehend abgeschlossen ist. Zum anderen schließen auch die Gesetzessystematik und daraus abzuleitende Prüfungsreihenfolge ein solches Ergebnis aus. Die Prüfung der Frage, ob es sich bei geleisteten Zahlungen für eine Wohnung (hier: Tilgungsleistungen) um grundsätzlich berücksichtigungsfähige Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt, ist von der in einem weiteren, nachgelagerten, Schritt durchzuführenden Angemessenheitsprüfung zu trennen. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind. Bei der Definition der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen geht es zunächst darum, diejenigen Kosten zu bestimmen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung einer Eigentumswohnung anfallen. Erst in einem weiteren Schritt ist dann – im Rahmen der Angemessenheitsprüfung – zu klären, ob bzw. in welcher Höhe eine Übernahme dieser grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Kosten durch den Träger der Grundsicherung als gerechtfertigt anzusehen ist (vgl. BSG Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 61/10 R – SozR4-4200 § 22 Nr. 44 Rn. 14-20, insbesondere Rn. 15). Aus dieser Systematik folgt, dass ein Wirtschaftlichkeitsvergleich aus dem Blickwinkel des Beklagten, der die Höhe ihm jeweils entstehender Kosten in Bezug setzt, im Einzelfall zwar dazu führen kann, dass er unangemessen hohe (berücksichtigungsfähige) Kosten der Unterkunft und Heizung übernehmen muss (vgl. etwa BSG Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 60/12 R – BSGE, 114, 1-11, juris, Rn. 30, zum Wirtschaftlichkeitsvergleich bei überhöhten Heizkosten) aber nicht dazu, dass bereits dem Grunde nach nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen im Einzelfall doch übernommen werden müssten.

Weder ist zum Zulassungsgrund der Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) noch bezüglich eines eventuellen Verfahrensfehlers des SG (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) vom Kläger vorgetragen worden, noch sind Anhaltspunkte für derartige Zulassungsgründe ersichtlich. Das SG hat seiner Entscheidung keinen Rechtssatz zugrunde gelegt, der mit der Rechtsprechung der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmt. Eine Divergenz liegt daher nicht vor. Auch Verfahrensfehler im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Das Urteil des SG vom 25.08.2014 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved