L 1 U 4783/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1310/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4783/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.03.2011 Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztengeld und Verletztenrente) hat.

Der 1961 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Versicherungsangestellter bei der A. Konzern AG in K. beschäftigt. Ausweislich der Unfallanzeige vom 25.11.2011 sei er auf dem Weg zum Auto in der Tiefgarage im Hause der A. auf nassem Boden ausgerutscht und gestürzt. Dabei habe er sich am Rücken verletzt und sei daraufhin nach Hause gefahren. Nach Zunahme der Schmerzen sei er am nächsten Arbeitstag zum Arzt gegangen. Unfallzeugen wurden in der Unfallanzeige nicht benannt.

Der in der Unfallanzeige als erstbehandelnder Arzt angegebene Orthopäde Dr. S. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 14.02.2012 mit, dass beim Kläger am 21.06.2010 bei Bandscheibenvorfall L3/4 links eine Nukletomie L3/4 durch Prof. Dr. S. in P. durchgeführt worden sei. Im weiteren Verlauf habe der Kläger über anhaltende Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) mit gelegentlicher Ausstrahlung in das Bein links geklagt. Bezüglich des Unfalls vom 03.04.2011 (richtig wohl: 04.03.2011) habe sich der Kläger bei ihm erstmalig am 16.03.2011 ambulant vorgestellt und angegeben, bei der Arbeit in der Tiefgarage in einer Wasserpfütze ausgerutscht und auf den Steiß bzw. die LWS gestürzt zu sein. Anschließend habe er Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung auch in das Bein rechts berichtet. Zum Untersuchungszeitpunkt hätten weder eine radikuläre Symptomatik noch sensomotorische Defizite vorgelegen. Er habe eine symptomatische konservative Therapie durchgeführt. Der Kläger sei weiterhin regelmäßig in orthopädischer Behandlung wegen eines Postnukleotomiesyndroms bei vorgenannter Operation mit somatoformer Schmerzstörung. Die letzte klinische Untersuchung sei am 09.02.2012 erfolgt; dabei habe sich eine 3/6 Fußheberschwäche rechts und eine entsprechende diffuse Hyposensibilität ergeben. Zudem habe sich ein positiv endgradiges Nervendehnzeichen rechts gezeigt. Ein durchgeführtes MRT der LWS habe zum Vor-MRT keine wesentliche Befundveränderung gezeigt. Insbesondere habe kein frischer Prolaps vorgelegen, welcher die genannte Symptomatik mechanisch erklären könne.

Die Beklagte forderte die Leistungsunterlagen der privaten Krankenversicherung des Klägers (A. K. AG) an. Aus diesen geht hervor, dass der Kläger wegen der Diagnose Lumboischialgie zuletzt vor dem 04.03.2011 im Zeitraum vom 03.01. bis 14.01.2011 Krankentagegeld bezogen hatte. Unter der Diagnose einer Radikulopathie waren vom 25.01.2011 bis zum 03.03.2011 sowohl eine Heilmittelbehandlung als auch eine krankengymnastische Behandlung erfolgt.

Die Beklagte zog auch die Dr. S. vorliegenden Befundberichte bei. Mit Befundbericht vom 15.04.2010 teilte Prof. Dr. G. diesem mit, der Kläger habe ihm gegenüber am 15.04.2010 berichtet, dass er etwa vor einem halben Jahr vom Lendenwirbelsäulenbereich in die linke Hüfte ausstrahlende Schmerzen empfunden habe. Zudem sei ein Taubheitsgefühl im linken Fuß aufgetreten. Jetzt bestehe seit einigen Wochen auch im rechten Fuß ein Taubheitsgefühl am unteren Außenrand. Es bestünden Provokationsbeschwerden bei Drehung und Vornüberbeugen.

Der Neurologe und Psychiater Dr. R. teilte mit Bericht vom 24.11.2011 mit, dass der Kläger 2009 einen Motorradunfall erlitten habe; ein Viertel Jahr später habe die LWS-Problematik angefangen. Im Juli 2010 seien von Prof. Dr. S. ein Bandscheibenvorfall im LWS-Bereich operiert und Spinalkanalstenosen ausgefräst worden. Seitdem habe der Kläger Probleme im rechten Bein: Schmerzen und Gefühlsstörungen bis in den Vorfuß. Er sei von Dezember bis März 2011 arbeiten gewesen, habe dann einen Unfall gehabt und leide seither wieder vermehrt unter Schmerzen. Seither sei er auch krankgeschrieben. Vor drei Wochen sei er morgens aufgewacht und habe eine Fußheberschwäche rechts bemerkt, welche schon besser werde.

Der Beratungsarzt der Beklagten, der Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Handchirurgie Dr. S., äußerte sich auf Anfrage der Beklagten am 21.05.2012 dahingehend, er stimme der Auffassung der Beklagten zu, dass lediglich am 16.03.2011 eine unfallbedingte Behandlung notwendig gewesen sei, die weitere Behandlung nicht mehr auf das Ereignis vom 04.03.2011 zurückzuführen sei, Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Ereignisses vom 04.03.2011 nicht vorgelegen habe, die geschilderten Beschwerden bereits vor dem Ereignis bestanden hätten und eine Zusammenhangsbegutachtung nicht erforderlich sei.

Mit Bescheid vom 22.08.2012 lehnte die Beklagte sowohl die Übernahme von Heilbehandlungskosten über den 15.03.2011 hinaus als auch die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.03.2011 ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie eine folgenlos ausgeheilte Prellung der Lendenwirbelsäule und des Steißes an. Eine Anerkennung lehnte sie ab für eine vorbestehende Lumbago und einen Zustand nach operativer Entfernung eines Bandscheibenvorfalls L3/4 links im Jahr 2010 mit Missempfindungen beider Füße und Fußheberparese rechts bei degenerativ veränderter Wirbelsäule und Polyneuropathie. Traumatische strukturelle Verletzungen der Lendenwirbelsäule seien nicht festgestellt worden. Der behandelnde Arzt Dr. S. habe die Beschwerden auf den Zustand nach operativ beseitigtem Bandscheibenvorfall im Vorjahr zurückgeführt. Im Bereich der LWS hätten bereits längere Zeit vor dem Unfall Beschwerden bestanden und es seien Missempfindungen im Bereich beider Beine beklagt worden. Der radiologische Befund sei im Vergleich zum Zustand vor dem 04.03.2011 unverändert gewesen. Als Unfallfolge vom 04.03.2011 sei daher lediglich eine Prellung der Lendenwirbelsäule nachgewiesen, welche nach spätestens drei bis vier Wochen folgenlos ausheile. Bei der ersten ärztlichen Vorstellung nach dem Unfall, am 16.03.2011, hätte bereits die Vorerkrankung im Vordergrund gestanden, weshalb der Unfall eine Behandlungsbedürftigkeit bis lediglich zum 15.03.2011 verursacht habe.

Mit dem hiergegen am 31.08.2012 erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor, die geklagten Beschwerden seien dem Sturz ursächlich zuzurechnen. Seit dem Unfall sei der Kläger erwerbsunfähig krankgeschrieben. Zwischenzeitlich sei aufgrund dieser unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit auch eine Rente bewilligt worden.

Hierauf zog die Beklagte weitere medizinische Unterlagen des Dr. S. und ein für die D. R. B. aufgrund einer Untersuchung vom 07.09.2012 erstattetes Gutachten des Orthopäden Dr. H. zur Erwerbsfähigkeit bei. Dieser legte dar, dass es nach im Juni 2010 erfolgter operativer Versorgung der Bandscheibenerkrankung mit Fußheberschwäche zur Ausbildung von anhaltenden, zunehmenden Schmerzen mit bleibender bzw. zunehmender Schwäche der Fuß- und Großzehenhebermuskulatur des rechten Beines gekommen sei. Der Kläger klage über massive Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, sowohl in Ruhe als auch bei Belastung. Bei der Untersuchung habe sich ein Zustand nach Bandscheibenoperation mit Ausbildung eines sogenannten Postnukleotomiesyndroms gefunden. Es hätten sich eine Fuß- und Großzehenheberschwäche rechts und mindestens schmerzbedingt deutliche Bewegungs- und Kraftminderungen im Bereich des gesamten rechten Beines gefunden. Die Erwerbsfähigkeit als Versicherungskaufmann im Außendienst betrage seit März 2011 unter drei Stunden. Eine geregelte Erwerbstätigkeit sei nicht mehr denkbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, durch den Sturz vom 04.03.2011 sei keine strukturelle Schädigung der LWS eingetreten, ebenfalls keine richtungsweisende Veränderung der Vorerkrankungen. Der Sturz habe nur zu einer Prellung der LWS und des Steißbeines geführt. Eine derartige Verletzung heile binnen weniger Tage bis Wochen aus. Eine stationäre Untersuchung zur Klärung der Ursache der anhaltenden Fußheberschwäche im S. K. K. vom 23.02. bis 24.02.2012 habe eine verkürzte rechte Nervenwurzel L4 links nach Bandscheibenoperation ergeben, ohne dass jedoch die Ursache für die beklagten Beschwerden eindeutig habe festgestellt werden können. Die ab dem 16.03.2011 bestehenden Beschwerden hätten nicht mehr im Zusammenhang mit dem Sturz vom 04.03.2011 gestanden, sondern seien auf die bekannten Vorerkrankungen zurückzuführen.

Hiergegen hat der Kläger am 10.04.2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei gestürzt und habe sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Aufgrund der ärztlichen Behandlung, welche bei Dr. S. durchgeführt worden sei, sei ein Dauerschaden an der Lendenwirbelsäule eingetreten. Er sei weiterhin unfallbedingt erkrankt und könne einer Beschäftigung nicht nachgehen. Er habe aufgrund krankheitsbedingter Beschwerden, welche auf den Unfall zurückzuführen seien, seine Arbeit bei der A. V. aufgeben müssen und einen Aufhebungsvertrag geschlossen.

Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf den Inhalt ihrer Akten und die angefochtenen Bescheide entgegen getreten.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.10.2013 abgewiesen und sich in den Gründen gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Darlegungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid angeschlossen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass der erstbehandelnde Arzt Dr. S. am 16.03.2011 einen Unfallfolgenbefund nicht habe erheben können. Eine radikuläre Symptomatik oder sensomotorische Defizite habe er am 16.03.2011 nicht beschreiben können. Demgegenüber habe er umfänglich auf den Vorbefund und die wegen Postnukleotomiesyndroms weiterhin erforderliche regelmäßige orthopädische Behandlung hingewiesen. Befunde, welche konkret in Abgrenzung zu den bereits vor dem 04.03.2011 erhobenen Befunden durch den Arbeitsunfall vom 04.03.2011 wesentlich verursacht oder Richtung gebend bzw. einmalig verschlimmert worden seien, seien hiernach nicht ersichtlich. Auch der Kläger selbst habe lediglich allgemein dargelegt, dass ein Dauerschaden an der Lendenwirbelsäule eingetreten und er unfallbedingt erkrankt sei bzw. einer Beschäftigung nicht nachgehen könne.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 08.10.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.11.2013 Berufung eingelegt, welche er trotz entsprechender Ankündigung und mehrfacher Erinnerung nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.10.2013 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.03.2011 Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in Form von Verletztengeld und Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie erhält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und beruft sich ergänzend auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie der Verwaltungsakte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 22.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2013, mit welchem die Beklagte das Ereignis vom 04.03.2011 zwar als Arbeitsunfall anerkannt, aber die Gewährung von Heilbehandlung über den 15.03.2011 hinaus, von Verletztengeld und von Verletztenrente abgelehnt hat. Das SG hat den das bisherige Vorbringen des Klägers zutreffend dahingehend ausgelegt (§ 123 SGG), dass dieser Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.03.2011 in Gestalt von Verletztengeld und – insbesondere – Verletztenrente begehrt. Demgegenüber wird vom Kläger nicht die Erstattung von ab dem 16.03.2011 angefallenen Heilbehandlungskosten begehrt, nachdem weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass Heilbehandlungskosten wegen der Unfallfolgen vom Kläger selbst getragen werden mussten oder noch müssen.

Die Berufung ist nicht begründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die nachgewiesenen und von der Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache der Arbeitsunfall vom 04.03.2011 ist, eine bereits am 16.03.2011 ausgeheilte Prellung der LWS und des Steißes, begründen weder einen Anspruch auf Verletztengeld noch auf Verletztenrente. Die darüber hinaus beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen sind nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalls und daher nicht leistungsbegründend.

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte wegen nachgewiesener Gesundheitsschäden, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Versicherungsfall ist, Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Nach § 45 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld geleistet, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten. Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -, BSGE 94, 269). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 8/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 860).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen sind weitere Gesundheitsstörungen als die bereits als Unfallfolgen anerkannten schon am 16.03.2011 ausgeheilten Prellungen der LWS und des Steißes, deren wesentliche Ursache wahrscheinlich das Unfallereignis vom 04.03.2011 ist, nicht nachgewiesen. Bereits am 16.03.2011, dem Zeitpunkt der erstmaligen orthopädischen Untersuchung des Klägers nach dem angeschuldigten Ereignis, hat Dr. S., dessen Schreiben vom 14.02.2012 der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, Unfallfolgen nicht (mehr) feststellen können. Weder Prellmarken noch Blutergüsse hat er im Erstbefund beschrieben, noch eine radikuläre Symptomatik oder sensomotorische Defizite feststellen können. Auch ein von Dr. S. veranlasstes MRT der LWS hat eine wesentliche Befundänderung gegenüber dem letzten vor dem Unfall gemachten MRT nicht ergeben.

Auch eine richtunggebende Verschlimmerung vorbestehender Gesundheitsstörungen ist durch den Unfall vom 04.03.2011 nicht eingetreten. Die vom Kläger am 16.03.2011 geschilderten Symptome in Gestalt von Schmerzen der LWS mit Ausstrahlung auch in das Bein rechts haben in vergleichbarer Ausprägung schon vor dem Unfall bestanden und sind ohne Unterbrechung von Dr. S. behandelt worden, wovon der Senat gestützt auf dessen Angaben, das von der A. V. beigezogene Leistungsverzeichnis und den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. R. vom 24.11.2011 überzeugt ist. Hiernach bestanden seit einem im Sommer 2010 von Prof. Dr. S. operierten Bandscheibenvorfall Probleme im rechten Bein in Gestalt von Schmerzen und Gefühlsstörungen bis in den Vorfuß. Diagnostisch sind diese, wie von Dr. H. in seinem für die D. R. B. am 10.09.2012 erstatteten und vom Senat im Urkundsbeweis verwerteten Gutachten ausgeführt, als Postnukleotomiesyndrom nach Bandscheibenoperation L 4/5 mit anhaltenden Schmerzen im Bereich der LWS und einer zunehmende Schwäche der Fuß- und Großzehenhebermuskulatur des rechten Beines einzuordnen. Auch Dr. S. hat diese Diagnose gestellt. Veranlassung für die im Juni 2010 durchgeführte Operation hatten im April 2010 bereits seit ca. ½ Jahr bestehende vom Lendenwirbelsäulenbereich in die linke Hüfte ausstrahlende Schmerzen mit Taubheitsgefühl im linken Fuß und etwas später auch im rechten Fuß gegeben, wie vom Kläger am 15.04.2010 gegenüber dem Direktor der N. K.des S. K. K., Prof. Dr. G., berichtet. Angesichts dessen ist dem Senat die von Dr. S. am 21.05.2012 getroffene und vorliegend im Urkundsbeweis verwertete Kausalitätsbeurteilung trotz ihrer Kürze nachvollziehbar.

Wegen der am 04.03.2011 erlittenen Prellungen der LWS und des Steißes hat der Kläger weder Anspruch auf Verletztengeld, noch auf Verletztenrente. Nachdem der Kläger nach dem Unfall seinen Orthopäden erst beinahe zwei Wochen später, am 16.03.2011, aufgesucht hat und erlittene Prellungen bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar gewesen sind, sind nicht diese die wesentliche Ursache für die ab März 2011 bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers, sondern das Postnukleotomiesyndrom L 3/4. Ebenfalls begründen solche Bagatellverletzungen ihrer Art und Schwere nach keine MdE von wenigstens 20 v.H. Auch hierfür stützt der Senat seine Überzeugung auf die Stellungnahme von Dr. S. vom 21.03.2012.

Hiernach bestehen die geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht, weshalb seine Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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