Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 592/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nach-teilsausgleiches "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Stra-ßenverkehr - erhebliche Gehbehinderung -) i.S. des Sozialgesetzbuchs - Rehabilita-tion und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) streitig.
Bei der am 19.01.1964 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt Karlsruhe (LRA) zuletzt seit dem 14.05.2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt (Bescheid vom 15.09.2008). Dem zugrunde lag eine versorgungsärztliche Stellung-nahme von Dr. B ...
Am 18.12.2012 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Neufeststellung.
Mit Bescheid vom 28.02.2013 stellte das LRA einen GdB von 50 seit 18.12.2012 un-ter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
seelische Störung, Kopfschmerzsyndrom Teil-GdB 30 Bronchialasthma Teil-GdB 20 degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten Teil-GdB 30 Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks Teil-GdB 10.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.03.2013 Widerspruch ein und stellte zugleich den Antrag, ihr den Nachteilsausgleich "G" zuzuerkennen. Hierzu holte das LRA einen Befundbericht des Orthopäden Dr. B. sowie des Facharztes für Allgemeinmedi-zin/Internisten Dr. A. ein. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 29.06.2013 lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des gesundheitli-chen Merkzeichens "G" ab (Bescheid vom 14.08.2013).
Gegen die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichens "G" legte die Klägerin am 12.09.2013 Widerspruch ein. Eine Lungenentzündung sowie ein Magengeschwür seien nicht berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch ge-gen den Bescheid vom 28.02.2013 auf Feststellung eines höheren GdB zurück. Der festgestellte GdB von 50 entspreche den in den beigezogenen Befunden dargestell-ten Organ- und Funktionsstörungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.08.2013 auf Zuerkennung des Merkzeichens "G", ge-stützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K., zurück.
Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2013 zu verpflichten, bei ihr einen höheren Grad der Behinderung als 50 festzustellen, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 zu verurteilen, ihr ab dem 23.03.2013 den Nachteilsausgleich "G" zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 14.11.2014 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtli-cher Richter, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Pro-zessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 3 SGG im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB als 50 be-reits unzulässig (dazu 1.), im Hinblick auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" unbegründet (dazu 2.). Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
1. Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist bereits unzulässig.
a) Eine Klage ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.09.2013 hat die Klägerin nicht binnen eines Monats und folglich verfristet Klage erhoben.
b) Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 hat inhaltlich keine Regelung über den GdB der Klägerin getroffen. Dem Widerspruchsbescheid liegt eine Entscheidung über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "G" zugrunde. Folglich kann das Begehren auf Feststellung eines höheren GdB nicht mit einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 - mangels Identität des Streitgegenstands im Vorverfahren - verfolgt wer-den.
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 war infolge dessen als unzu-lässig abzuweisen.
2. Daneben hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Der angefochtene Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 12.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches "G".
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewe-gungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unent-geltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitli-chen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenver-kehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometer, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, U.v. 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausreichend, wenn diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann.
Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S.2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung eines behinder-ten Menschen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - infolge einer Ein-schränkung des Gehvermögens - annehmen zu können. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Fak-toren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trai-ningsstand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persön-lichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 33). Von all diesen Faktoren filtern die versorgungsmedizinischen Grundsätze der Anlage zu § 2 VersMedV diejenigen her-aus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des be-hinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze beschreiben dabei Re-gelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Er-kenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind, um die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen kön-nen (BSG, U.v. 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - juris).
Die in Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführten Fallgruppen liegen hier nicht vor.
a) Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Stra-ßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschrän-kung des Gehvermögen gründen, da bei der Klägerin keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbel-säule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV). Denn nach den überzeugenden Feststel-lungen der Sachverständigen ist, in Übereinstimmung mit den sonstigen medizini-schen Ermittlungen und Feststellungen, das Wirbelsäulenleiden lediglich mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Weitere orthopädische Leiden, die sich auf die Geh-fähigkeit auswirken, liegen nicht vor. Demzufolge sind bei der Klägerin auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Ver-schlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV).
b) Zwar kann nach Teil D Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2 VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens "G" auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch ist für deren Vorliegen hier nichts ersichtlich. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfä-higkeit ist insbesondere bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung we-nigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (vgl. Teil D Nr. 1a Satz 4 der Anlage zu § 2 VersMedV). Funktionsbeeinträchtigungen dieser Art liegen bei der Klägerin nach den medizinischen Feststellungen nicht vor.
c) An hirnorganischen Anfällen mit mittlerer Anfallshäufigkeit oder häufigen hypoglykä-mischen Schocks bei Diabetes mellitus i.S. des Teils D Nr. 1e der Anlage zu § 2 VersMedV leidet die Klägerin ebenso wenig, wie an Störungen der Orientierungsfä-higkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (Teil D Nr. 1f der Anlage zu § 2 VersMedV).
d) Nach den medizinischen Ermittlungen bestehen bei der Klägerin auch keine Behin-derungen, die nicht unter die in Teil D Nr. 1 der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispiele fallen, sich aber vergleichbar - auch in Kombination mit anderen Be-hinderungen - auf die Gehfähigkeit auswirken.
Dies gilt namentlich hinsichtlich der bei der Klägerin diagnostizierte psychischen Er-krankung, bei der es sich nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. R. um die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt und der Beklagte als see-lische Störung einstuft. Denn die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Gehvermö-gens erreicht keinen Schweregrad, der - ggf. in Kombination mit orthopädischen Be-einträchtigungen - etwa mit den in Teil D Nr. 1e und f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispielen der hirnorganischen Anfälle oder der Störung der Orien-tierungsfähigkeit vergleichbar wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 39). In der Auskunft des behandelnden Facharztes für Neu-rologie und Psychiatrie Dr. R. vom 19.11.2013 bzw. 18.02.2014 werden Besserun-gen im Rahmen der depressiven Erkrankung beschrieben. Trotz bestehender psy-chischer sich auf die Gehfähigkeit auswirkender Beeinträchtigungen sei die Klägerin in der Lage, ihren eigenen Widerstand selbständig zu überwinden und selbständig Wegstrecken zu Fuß - etwa zu Ärzten oder Besuchen bei Bekannten - zu Fuß zu-rückzulegen zu können. Zwar beschreibt Dr. R. eine Verschlechterung im Februar 2014 sowie Schwankungen bezüglich der seelischen Störung, die allerdings die Vo-raussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht begründen kann. Hindern ausschließ-lich Angstzustände eine Bewegung auf der Straße, so ist das Merkzeichen "G" nicht zuzuerkennen (vgl. LSG Hamburg, U.v. 3.7.2012 - L 3 SB 6/09 - juris, Rn. 24).
Vor diesem Hintergrund lässt sich zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin eine der genannten Regelbeispiele vergleichbare Beeinträchtigungen des Gehver-mögens, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen kann, nicht feststellen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nach-teilsausgleiches "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Stra-ßenverkehr - erhebliche Gehbehinderung -) i.S. des Sozialgesetzbuchs - Rehabilita-tion und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) streitig.
Bei der am 19.01.1964 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt Karlsruhe (LRA) zuletzt seit dem 14.05.2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt (Bescheid vom 15.09.2008). Dem zugrunde lag eine versorgungsärztliche Stellung-nahme von Dr. B ...
Am 18.12.2012 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Neufeststellung.
Mit Bescheid vom 28.02.2013 stellte das LRA einen GdB von 50 seit 18.12.2012 un-ter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
seelische Störung, Kopfschmerzsyndrom Teil-GdB 30 Bronchialasthma Teil-GdB 20 degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten Teil-GdB 30 Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks Teil-GdB 10.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.03.2013 Widerspruch ein und stellte zugleich den Antrag, ihr den Nachteilsausgleich "G" zuzuerkennen. Hierzu holte das LRA einen Befundbericht des Orthopäden Dr. B. sowie des Facharztes für Allgemeinmedi-zin/Internisten Dr. A. ein. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 29.06.2013 lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des gesundheitli-chen Merkzeichens "G" ab (Bescheid vom 14.08.2013).
Gegen die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichens "G" legte die Klägerin am 12.09.2013 Widerspruch ein. Eine Lungenentzündung sowie ein Magengeschwür seien nicht berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch ge-gen den Bescheid vom 28.02.2013 auf Feststellung eines höheren GdB zurück. Der festgestellte GdB von 50 entspreche den in den beigezogenen Befunden dargestell-ten Organ- und Funktionsstörungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.08.2013 auf Zuerkennung des Merkzeichens "G", ge-stützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K., zurück.
Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2013 zu verpflichten, bei ihr einen höheren Grad der Behinderung als 50 festzustellen, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 zu verurteilen, ihr ab dem 23.03.2013 den Nachteilsausgleich "G" zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 14.11.2014 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtli-cher Richter, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Pro-zessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 3 SGG im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB als 50 be-reits unzulässig (dazu 1.), im Hinblick auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" unbegründet (dazu 2.). Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
1. Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist bereits unzulässig.
a) Eine Klage ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.09.2013 hat die Klägerin nicht binnen eines Monats und folglich verfristet Klage erhoben.
b) Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 hat inhaltlich keine Regelung über den GdB der Klägerin getroffen. Dem Widerspruchsbescheid liegt eine Entscheidung über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "G" zugrunde. Folglich kann das Begehren auf Feststellung eines höheren GdB nicht mit einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 - mangels Identität des Streitgegenstands im Vorverfahren - verfolgt wer-den.
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 war infolge dessen als unzu-lässig abzuweisen.
2. Daneben hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Der angefochtene Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 12.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches "G".
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewe-gungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unent-geltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitli-chen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenver-kehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometer, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, U.v. 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausreichend, wenn diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann.
Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S.2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung eines behinder-ten Menschen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - infolge einer Ein-schränkung des Gehvermögens - annehmen zu können. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Fak-toren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trai-ningsstand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persön-lichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 33). Von all diesen Faktoren filtern die versorgungsmedizinischen Grundsätze der Anlage zu § 2 VersMedV diejenigen her-aus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des be-hinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze beschreiben dabei Re-gelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Er-kenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind, um die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen kön-nen (BSG, U.v. 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - juris).
Die in Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführten Fallgruppen liegen hier nicht vor.
a) Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Stra-ßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschrän-kung des Gehvermögen gründen, da bei der Klägerin keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbel-säule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV). Denn nach den überzeugenden Feststel-lungen der Sachverständigen ist, in Übereinstimmung mit den sonstigen medizini-schen Ermittlungen und Feststellungen, das Wirbelsäulenleiden lediglich mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Weitere orthopädische Leiden, die sich auf die Geh-fähigkeit auswirken, liegen nicht vor. Demzufolge sind bei der Klägerin auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Ver-schlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV).
b) Zwar kann nach Teil D Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2 VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens "G" auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch ist für deren Vorliegen hier nichts ersichtlich. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfä-higkeit ist insbesondere bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung we-nigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (vgl. Teil D Nr. 1a Satz 4 der Anlage zu § 2 VersMedV). Funktionsbeeinträchtigungen dieser Art liegen bei der Klägerin nach den medizinischen Feststellungen nicht vor.
c) An hirnorganischen Anfällen mit mittlerer Anfallshäufigkeit oder häufigen hypoglykä-mischen Schocks bei Diabetes mellitus i.S. des Teils D Nr. 1e der Anlage zu § 2 VersMedV leidet die Klägerin ebenso wenig, wie an Störungen der Orientierungsfä-higkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (Teil D Nr. 1f der Anlage zu § 2 VersMedV).
d) Nach den medizinischen Ermittlungen bestehen bei der Klägerin auch keine Behin-derungen, die nicht unter die in Teil D Nr. 1 der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispiele fallen, sich aber vergleichbar - auch in Kombination mit anderen Be-hinderungen - auf die Gehfähigkeit auswirken.
Dies gilt namentlich hinsichtlich der bei der Klägerin diagnostizierte psychischen Er-krankung, bei der es sich nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. R. um die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt und der Beklagte als see-lische Störung einstuft. Denn die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Gehvermö-gens erreicht keinen Schweregrad, der - ggf. in Kombination mit orthopädischen Be-einträchtigungen - etwa mit den in Teil D Nr. 1e und f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispielen der hirnorganischen Anfälle oder der Störung der Orien-tierungsfähigkeit vergleichbar wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 39). In der Auskunft des behandelnden Facharztes für Neu-rologie und Psychiatrie Dr. R. vom 19.11.2013 bzw. 18.02.2014 werden Besserun-gen im Rahmen der depressiven Erkrankung beschrieben. Trotz bestehender psy-chischer sich auf die Gehfähigkeit auswirkender Beeinträchtigungen sei die Klägerin in der Lage, ihren eigenen Widerstand selbständig zu überwinden und selbständig Wegstrecken zu Fuß - etwa zu Ärzten oder Besuchen bei Bekannten - zu Fuß zu-rückzulegen zu können. Zwar beschreibt Dr. R. eine Verschlechterung im Februar 2014 sowie Schwankungen bezüglich der seelischen Störung, die allerdings die Vo-raussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht begründen kann. Hindern ausschließ-lich Angstzustände eine Bewegung auf der Straße, so ist das Merkzeichen "G" nicht zuzuerkennen (vgl. LSG Hamburg, U.v. 3.7.2012 - L 3 SB 6/09 - juris, Rn. 24).
Vor diesem Hintergrund lässt sich zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin eine der genannten Regelbeispiele vergleichbare Beeinträchtigungen des Gehver-mögens, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen kann, nicht feststellen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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