L 2 U 87/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 133/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 87/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Ein verheirateter Versicherter kann auch auf dem Weg von der Geliebten zur Arbeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Entscheidend ist der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse und nicht das förmliche rechtliche Band.
2.) In der Trennungsphase einer Ehe und der damit einhergehenden Verlegung des Lebensmittelpunktes beurteilt sich die Dauerhaftigkeit der Verlegung grundsätzlich durch einen vom Unfallzeitpunkt aus in die Zukunft gerichteten Blick (Anschluss an BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R).
3.) Der Weg von der Geliebten zur Arbeit kann grundsätzlich auch nach den Kriterien der Rechtsprechung zum sog. dritten Ort versichert sein. Entscheidend ist bei wertender Betrachtungsweise, ob mit dem Weg ein eigenwirtschaftlicher Besuch abgeschlossen wird (unversichert) oder die finale Handlungstendenz auf das Erreichen des Arbeitsortes gerichtet ist.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. März 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 9. Mai 2012 um einen Arbeitsunfall handelt. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines tödlichen Wegeunfalls als Arbeitsunfall.

Die Klägerin ist die Witwe des im Jahr 1962 geborenen Versicherten M Z der seit Januar 1999 im Rahmen seiner Tätigkeit als Hausmeister bei der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft N mit Sitz in der S in B bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert war. Seine Hausmeistertätigkeiten übte der Versicherte – ohne an feste Arbeitszeiten gebunden zu sein - in mehreren von ihm betreuten Mietobjekten im B Stadtgebiet, Ortsteil N, aus (Spromenade, Lstraße, Ostraße, Istraße, Bstraße, Bstraße, M Straße, S Straße) die er entweder mit seinem privaten Pkw oder mit seinem Motorrad ansteuerte. Zudem verrichtete er für die Wohnungsbaugenossenschaft diverse Besorgungen.

Am 9. Mai 2012 verunglückte der Versicherte gegen 8.30 Uhr bei einem Unfall in der G-Straße kurz hinter der Einfahrt zur Istraße in Fahrtrichtung zur Tstraße in B tödlich mit seinem Motorrad, als er mit einem aus einer Grundstückseinfahrt herausfahrenden Kleinbus kollidierte. Bei sich führte er diverse Schlüssel zu den von ihm betreuten Objekten.

Zum Unfallzeitpunkt lebte der Versicherte von seiner Ehefrau getrennt und führte eine Beziehung mit der Zeugin T G in deren Wohnung in der W Straße in B Behördlich gemeldet war der Versicherte in der Ehewohnung in der S in B.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2012 zeigte der Arbeitgeber des Versicherten den Unfall bei der Beklagten an.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2013 übersandt wurde, ohne dass die Klägerin diesen zuvor erhalten haben will, lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei dem Unfall des Versicherten um einen gesetzlich versicherten Wegeunfall gehandelt habe. Nach Lage der Unfallstelle und Fahrtrichtung zur Unfallzeit habe die Möglichkeit bestanden, dass sich der Versicherte auf dem Weg zur Genossenschaft, zu einem der Betreuungsobjekte oder zur eigenen Wohnung befunden habe. Der Ausgangspunkt des Weges sei jedoch ebenso wie das Ziel völlig unklar. Anhaltspunkte hätten sich weder aus den Angaben des Arbeitgebers, noch aus den Akten der Staatsanwaltschaft ergeben.

Mit Schreiben vom 22. April 2013 teilte die Klägerin der Beklagten über ihren Verfahrensbevollmächtigten mit, dass ihr verstorbener Ehemann am 9. Mai 2012 auf dem Weg von der Wohnung seiner Freundin T G die – anders als zunächst angegeben - in der W Straße in B liegt, zu seinem Arbeitsort bzw. einem der von ihm betreuten Objekte verunglückt sei. Nach den ihr vorliegenden Informationen sei ihr Ehemann auf dem Weg in die Sallee gewesen.

Gegen den Bescheid vom 13. Februar 2013 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 2013, per Fax abgesandt am 23. Juli 2013, Widerspruch ein. Die Klägerin habe den mit Schreiben vom 20. Februar 2013 versandten Bescheid vom 13. Februar 2013 nicht erhalten. Zur Begründung bezog er sich auf sein Schreiben vom 22. April 2013.

Die Beklagte schrieb daraufhin unter dem 29. Juli 2013 die Wohnungsgenossenschaft N Sallee, an und bat um Überprüfung des von der Klägerin geschilderten Sachverhalts. Der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin übersandte im Folgenden eine an ihn gerichtete E-Mail der Wohnungsgenossenschaft N vom 31. Juli 2013, in der der Vorstand S mitgeteilt hatte, keine gesicherten Angaben dazu machen zu können, welchen Weg der Versicherte zum Zeitpunkt des Unglücks zurückgelegt habe und ob es sich dabei um einen Weg im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gehandelt habe. Aufgrund des Unfallzeitpunktes liege die Vermutung nahe, dass er zu einem seiner Arbeitsorte unterwegs gewesen sei.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 zurück. Sei der Weg von einem dritten Ort – hier der Wohnung der Freundin – unverhältnismäßig länger als von der Wohnung zum Ort der Tätigkeit, werde die erheblich längere Wegstrecke nicht mehr durch die – hier ohnehin nicht bewiesene – beabsichtigte betriebliche Tätigkeit geprägt. Die Unfallstelle liege noch vor der ehelichen Wohnung auf dem Weg zum Arbeitsort. Versicherungsschutz würde frühestens ab der ehelichen Wohnung aufleben, bestünde also nur auf dem kürzesten direkten Weg von der Wohnung zum Arbeitsort.

Am 18. November 2013 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Potsdam. Der Unfallort liege auf dem direkten Weg zwischen der Wohnung der Freundin des Verstorbenen zu der zum Unfallzeitpunkt angesteuerten Arbeitsstätte Sallee. In seiner mündlichen Verhandlung vom 7. März 2014 hat das Sozialgericht Potsdam Beweis erhoben durch eine Vernehmung der Zeugin T G. Mit Urteil vom gleichen Tag wies das Sozialgericht Potsdam die Klage ab. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Versicherte nicht unmittelbar bei der Verrichtung seiner Arbeit und auch nicht auf dem Weg von oder zur Arbeit verunglückt sei. Auf der Grundlage der Aussage der Zeugin G gehe das Gericht davon aus, dass der Versicherte am 9. Mai 2012 auf dem Weg von der Wohnung seiner Freundin zur ehelichen Wohnung tödlich verunglückt sei. Er sei am Morgen des 9. Mai 2012 von der Wohnung der Freundin gestartet, um zunächst in der ehelichen Wohnung persönliche Dinge, insbesondere Kleidung zu holen und im Anschluss daran von dort aus zur Arbeit zu fahren. Dabei habe er sich nicht auf einem versicherten Weg befunden.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. Mai 2014 zugestellte Urteil legte dieser am 3. Juni 2014 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg ein. Der Verstorbene habe sich vor dem Unfall kaum mehr in der Ehewohnung aufgehalten und ganz überwiegend in der Wohnung der Zeugin G übernachtet. Diese sei bereits im Hinblick auf seinen bevorstehenden kompletten Einzug umgebaut worden. Am Morgen des Unglückstags sei der Versicherte in der Wohnung der Zeugin G gestartet, um sich von dort aus zum Genossenschaftssitz in der S zu begeben. In der Ehewohnung in der Spromenade habe er lediglich einen kurzen Zwischenstopp einlegen wollen, um Wäsche zum Wechseln mitzunehmen. Hierzu hätte es lediglich eines Umwegs von der direkten Wegstrecke von 350 Metern bedurft. Zu dem tödlichen Unfall sei es gekommen, bevor der Versicherte seine geplante Zwischenstation in der S erreicht habe. Der Unglücksort liege unmittelbar auf der Wegstrecke zwischen Wohn- und Arbeitsstätte. Die vor dem Sozialgericht Potsdam durchgeführte Beweisaufnahme habe widerlegt, dass häuslicher Bereich bzw. Lebensmittelpunkt noch die frühere Ehewohnung in der Spromenade gewesen sei. Es komme insofern nicht auf die melderechtliche, sondern auf die tatsächliche Situation an. Nicht entscheidend sei auch, ob sich in der früheren Ehewohnung noch einzelne Kleidungsstücke befunden hätten oder ob die Trennung von der Klägerin endgültig vollzogen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. März 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 9. Mai 2012 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Weg vom dritten Ort zur Arbeitsstätte sei zu Recht abgelehnt worden. Die Wohnung der Zeugin G sei erheblich weiter vom Arbeitsort entfernt gewesen als die gemeinsame Ehewohnung. Liege ein Weg vom dritten Ort vor, bestehe Versicherungsschutz nur zwischen dem dritten Ort und der Arbeitsstätte, nicht jedoch auf dem vorhergehenden Weg zwischen drittem Ort und Wohnung. Bei der Wohnung der Zeugin G habe es sich nicht zugleich auch um die Wohnung des Versicherten gehandelt; die vorliegenden Indizien sprächen dagegen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Berlin-Brandenburg wurde die Klägerin u. a. zu weiteren Umständen der Wohnverhältnisse des Versicherten zum Unfallzeitpunkt befragt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie denjenigen der Verwaltungsakte der Beklagten. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2014 zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Bei dem Ereignis vom 9. Mai 2012 handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

Einem Erfolg der Berufung steht nicht entgegen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin, dem der Ablehnungsbescheid der Beklagten mit Schreiben vom 29. Mai 2013 übersandt worden war, hiergegen erst mit Fax vom 23. Juli 2013 seinen – auf den 20. Juni 2013 datierten – Widerspruch eingelegt hat. Es kann offenbleiben, ob bei dieser Sachlage der Widerspruch fristgerecht erhoben wurde. Jedenfalls kann die Behörde auch über einen verfristeten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid sachlich entscheiden, sofern sie nicht – was hier nicht der Fall ist - über den verspäteten Widerspruch eines Dritten zu Lasten des Begünstigten entscheidet. Die Fristverletzung wird dann geheilt und im weiteren Verfahren kann die Zulässigkeit des Widerspruchs grundsätzlich nicht mehr geprüft werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 84 Rdnr. 7).

In dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte Hinterbliebenenleistungen generell schon deswegen abgelehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei. In einer solchen Situation kann die Hinterbliebene die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche mit der Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) klären lassen (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 2 U 2/07 R, Rdnr. 14, zitiert nach Juris). Als Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen steht der Ehefrau, auch wenn diese in der Folge einen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) geltend machen will, das Rechtsschutzinteresse für die Feststellung eines Arbeitsunfalls zu (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – L 2 U 308/09, Rdnr. 54, zitiert nach Juris).

Das Ereignis vom 9. Mai 2012 stellt einen Arbeitsunfall im Sinne der Bestimmungen des SGB VII dar.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (vgl. BSG vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R -, vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R -, vom 18. Juni 2013, B 2 U 10/12 R, zitiert nach Juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die unfallbringende Fahrt des Verstorbenen vom 9. Mai 2012 stand im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit und unterfällt dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Verstorbene stand zum Unfallzeitpunkt unter dem Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Zunächst hat der Senat – auf der Grundlage der übereinstimmenden Angaben des Arbeitgebers des Verstorbenen in der an den Bevollmächtigten der Klägerin gerichteten E-Mail vom 27. Februar 2013, den Angaben der Zeugin G in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und dem Vortrag der Klägerin – keinen Zweifel daran, dass sich der Versicherte am Unfalltag, aus der W Straße kommend, zu einem seiner Arbeitsorte im Berliner Stadtteil N begab. Dafür spricht neben dem Zeitpunkt des Unfalls um 8.30 Uhr morgens auch der Umstand, dass der Versicherte Schlüssel der von ihm betreuten Objekte bei sich führte. Nicht gesichert ist indes, dass sich der Versicherte – wie von der Klägerin über ihren Bevollmächtigten schriftsätzlich vorgetragen – zum Büro in der S hat begeben wollen. Dem Senat erschließt sich nicht, woher die Klägerin, bei der der Versicherte sich am Morgen des Unfalls überhaupt nicht aufgehalten hatte, dieses Wissen beziehen will. Der Arbeitgeber des Versicherten konnte zum geplanten Einsatzort am Unfallmorgen keine Angaben machen, die Zeugin G ist hierzu nicht befragt worden. Es kommt jedoch hier nicht darauf an, zu welchem seiner unterschiedlichen regelmäßigen Arbeitsorte der Verstorbene aufgebrochen war. Alle Einsatzorte (S, S, Lstraße, Ostraße, Istraße, Bstraße, Bstraße, M Straße, S Straße) befinden sich in einem Radius von rund 1 km im gleichen Teilbereich des Berliner Stadtteils. In Bezug auf jeden dieser Einsatzorte liegt die Unfallstelle - von der W Straße kommend - auf dem direkten Weg. Die Wohnung in der W Straße als Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges ist als die ständige Familienwohnung des Versicherten zum Unfallzeitpunkt anzusehen. Als ständige Familienwohnung im Sinne dieser Bestimmung gilt eine Wohnung, die für nicht unerhebliche Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet. Die Beurteilung, ob die hiernach erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, richtet sich nach der tatsächlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse des Versicherten zur Unfallzeit, die insbesondere durch die soziologischen und psychologischen Gegebenheiten ihren Ausdruck findet. Ein Familienverhältnis im Sinne des bürgerlichen Rechts oder entsprechender Normen wird nicht vorausgesetzt. Aus einer polizeilichen Anmeldung von Wohnsitzen lässt sich kein verlässlicher Rückschluss auf die tatsächliche Wohnsituation ziehen. Indizielle Bedeutung für die Feststellung des Lebensmittelpunkts kommt dabei dem Umstand zu, wie häufig die betreffende Wohnung aufgesucht wird. Schließlich ist bei der Feststellung, ob es sich um eine "ständige Familienwohnung" handelt, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die jeweiligen Wohnverhältnisse auf eine längere bzw. nicht unerhebliche Zeit angelegt sind. Diese gerade in Situationen, die von der Verlegung des Lebensmittelpunktes geprägt sind, bedeutsame Dauerhaftigkeit ergibt sich grundsätzlich durch einen vom Unfallzeitpunkt aus in die Zukunft gerichteten Blick (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 – B 2 U 18/02 R -, Urteil vom 10. Oktober 2002 - B 2 U 16/02 R -, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2012 – L 3 U 328/09 -, LSG Bayern, Urteil vom 7. Mai 2014 – L 2 U 308/09 -; alle zitiert nach Juris). Unter Anwendung dieser Grundsätze sprechen nach Auffassung des Senats überwiegend Gesichtspunkte dafür, die Wohnung der Zeugin in der W Straße auch als die damalige Wohnung des Verstorbenen anzusehen. Dies ergibt sich zum einen unter Berücksichtigung der von der Zeugin G in der erstinstanzlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Potsdam gemachten Ausführungen, zum anderen aus den Angaben der Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz.

Nach den übereinstimmenden Aussagen bzw. Angaben hielt sich der Versicherte zur Zeit des Unfalls ganz überwiegend unter der Adresse W Straße auf; von 14 Nächten wurden elf dort verbracht. Durch diesen zeitlichen Aspekt wird die Annahme untermauert, dass sich dort seine Familienwohnung befand. Auch der vom Unfallzeitpunkt in die Zukunft gerichtete Blick stützt diese Wertung: die Wohnung der Zeugin G sollte nach deren erstinstanzlichen Angaben umgebaut werden, um Platz für die persönliche Habe des Verstorbenen zu schaffen. Dadurch sollte nachvollzogen werden, was nach den Angaben der Klägerin bereits vier bis fünf Wochen vor dem Unfall im Kern angelegt war: die endgültige Trennung zwischen ihr und dem Versicherten und dessen künftiger Verbleib in der Wohnung der neuen Partnerin. Dass die frühere gemeinsame Ehewohnung zur Zeit des Unfall bereits im Begriff war, aufgelöst zu werden, geht auch aus der Angabe der Klägerin hervor, ihr sei seinerzeit über die Wohnungsbaugenossenschaft die Möglichkeit des Bezugs einer kleineren Wohnung ab August 2012 in Aussicht gestellt worden. Nicht nur der Versicherte, sondern auch die Klägerin selbst befand sich zur Zeit des Unfalls also in einer Phase der räumlichen Umorientierung.

Einige andere Umstände mögen zwar gegen die Annahme sprechen, die Wohnung der Zeugin G in der W Straße sei seinerzeit bereits als Familienwohnung des Verstorbenen anzusehen gewesen. Eine nur geringe Bedeutung kommt bei der Abwägung allerdings den beiden Umständen zu, dass die Ehe des Verstorbenen mit der in der Spromenade wohnhaften Klägerin formal noch geschlossen war und auch seine polizeiliche Meldeanschrift unter dieser Adresse bestand. Trotz Getrenntlebens der Ehegatten – wie vorliegend – kann eine Familienwohnung auch an einem anderen Ort als dem des Ehepartners begründet werden (Ricke, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 2014, § 8 Rdnr. 234). Entscheidend ist – auch nach Auffassung des Senats – nicht ein nur formal bestehendes rechtliches Band, sondern die tatsächliche Lebenswirklichkeit.

Gewichtiger mag das Moment sein, dass nach den auch insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugin G und der Klägerin der Verstorbene seine persönliche Habe aus Platzgründen ganz überwiegend in der Spromenade aufbewahrte, so dass es auch erforderlich wurde, dort seine Wäsche zu waschen bzw. von dort Wechselwäsche zu holen. Der Senat wertet diesen Umstand jedoch letztlich als typische Randerscheinung in der Phase des Übergangs zwischen einer nicht mehr gelebten Ehe und einer neuen Beziehung. Die frühere Ehewohnung war für den Versicherten zum Unfallzeitpunkt nicht viel mehr als die Lagerstätte seines Hab und Gutes. Länger als notwendig hielt er sich dort nicht mehr auf. Wenn er sich zur früheren Ehewohnung begab, so diente dies neben gewissen hauswirtschaftlichen Verrichtungen auch der Aufnahme seines Arbeitsgeräts als Hausmeister, das sich in einem Schuppen auf dem Grundstück befand. Häusliches Leben wurde nicht mehr in der Spromenade, sondern in der Wohnung in der W Straße entfaltet.

Die neue Beziehung des Versicherten zu der Zeugin war auch von der Dauerhaftigkeit geprägt, die die Annahme einer gemeinsamen Familienwohnung voraussetzt. Die Zeugin kannte den Verstorbenen seit rund zehn Jahren, zunächst im Rahmen einer Freundschaft, dann als Partner ihrer Beziehung. Dass sie sich nach eigenen Angaben zwischenzeitlich von ihm getrennt haben will, um sodann erneut mit ihm zusammenzukommen, stellt eine Ausprägung heutiger Lebenswirklichkeit dar, aber keinen Umstand, der die Annahme einer dauerhaften und in die Zukunft gerichteten Verbundenheit zum Unfallzeitpunkt in Frage stellen könnte.

Der Senat hegt Zweifel weder in Bezug auf die Richtigkeit der Aussage der Zeugin vor dem Sozialgericht Potsdam, noch im Hinblick auf die Angaben der Klägerin in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung. Beide Aussagen stimmen im Kern überein und enthalten sowohl der Klägerin günstige, als auch ungünstige Umstände, stehen also nicht im Verdacht, tendenzgeleitet zu sein. Von der Glaubwürdigkeit der Klägerin bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer detailreichen und spontan sowie natürlich erfolgten Angaben konnte sich der Senat zudem in der mündlichen Verhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen.

Selbst wenn die Annahme einer gemeinsamen Wohnung des Versicherten und der Zeugin mit der Folge eines Versicherungsschutzes nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verneint werden sollte, stünde der Weg von dort zur Arbeitsstätte im Bereich der Sallee in B unter dem Versicherungsschutz nach der Rechtsprechung des so genannten dritten Ortes.

Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein so genannter dritter Ort den Ausgangspunkt des nach dem Ort der Tätigkeit angetretenen Weges bildet, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten, sich zur Arbeit zu begeben oder aber rechtlich davon wesentlich geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch am dritten Ort abzuschließen (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1994 – 2 RU 31/93 -, zitiert nach Juris Rdnr. 18). In diesem Sinne fordert die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, wie dies auch in ihrem Wortlaut ("zusammenhängenden") zum Ausdruck kommt, einen inneren Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und der versicherten Tätigkeit. Bei der Feststellung des inneren Zusammenhangs zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten und der Betriebstätigkeit geht es um die Ermittlung der Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Es ist daher wertend zu entscheiden, ob das Handeln des Versicherten zur versicherten betrieblichen Tätigkeit – hier zum Weg zur Arbeitsstätte – gehört. Der zeitliche und räumliche Zusammenhang ist dabei zwar ein Indiz, reicht jedoch allein nicht aus. Hinzukommen muss eine entsprechende finale Handlungstendenz des Betreffenden, die sich durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigen muss. Dabei ist weiter zu berücksichtigen , dass ein nicht von der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss. Ein Kriterium für die Prüfung der Angemessenheit - wenn auch nicht das allein entscheidende - ist mithin die Entfernung, wobei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls stärker zu berücksichtigen sind. Ist der Weg vom dritten Ort unverhältnismäßig unangemessen länger als von der Wohnung zum Ort der Tätigkeit, wird die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R -, Urteil vom 12. Mai 2009 - B 2 U 11/08 R, zitiert nach Juris). Der Rechtsprechung des BSG lässt sich keine feste Vorgabe entnehmen, wann das Verhältnis der beiden Strecken zueinander nicht mehr als angemessen anzusehen ist. Das BSG hat die Grenze zur Unangemessenheit bei einem Zehnfachen der üblichen Entfernung als nach der Verkehrsanschauung deutlich überschritten angesehen (Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R, zitiert nach Juris). Gleiches gilt für eine Entfernung von 100 km statt 8 km (BSG Urteil vom 19. Oktober 1982 – 2 RU 67/81 -, zitiert nach Juris). Angemessen unter Berücksichtigung der Entfernung ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Verlängerung von 15 auf 22 km (BSG Urteil vom 20. April 1978 – 2 RU 1/77 -, zitiert nach Juris) und eine Verlängerung von 10 auf 50 km (BSG, Urteil vom 27. August 1987 - 2 RU 70/85 - zitiert nach Juris). Eine Begrenzung allein nach einem bestimmten Vielfachen der regelmäßig vom häuslichen Bereich zum Ort der Tätigkeit zurückgelegten Wegstrecke stellt jedoch kein geeignetes Kriterium dar, weil es den nahe zum Ort der Tätigkeit wohnenden und in der Regel nur ein geringes Wegeunfallrisiko tragenden Versicherten unfallversicherungsrechtlich nicht vertretbar benachteiligen würde gegenüber dem weit von dem Ort der Tätigkeit wohnhaften Versicherten, der schon in der Regel ein wesentlich höheres Wegeunfallrisiko trägt und dann außerdem einen um ein entsprechendes Vielfaches weiteren dritten Ort als Grenzpunkt des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit wählen dürfte. Ausschlaggebend für die Beurteilung ist vielmehr, ob der zwischen der Wohnung am dritten Ort und der Arbeitsstätte zurückgelegte Weg sich unter Berücksichtigung aller Umstände von dem üblichen Weg nach und von der Arbeitsstätte so erheblich unterscheidet, dass er nicht von dem Vorhaben des Beschäftigten geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben oder von dieser zurückzukehren (BSG, Urteil vom 27. August 1987 - 2 RU 70/85 - zitiert nach Juris). Dies ist vorbehaltlich der Lage des Einzelfalles vor allem für Wege mit ungewöhnlichen Entfernungen, insbesondere bei Erholungsfahrten in eine andere Ortschaft und von dort unmittelbar zurück zur Arbeitsstätte anzunehmen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 1982 - 2 RU 67/81 -, zitiert nach Juris). Damit hat das BSG - auch nach eigenen Verlautbarungen (so etwa im Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - zitiert nach Juris) - keine festen Vorgaben dafür aufgestellt, wann das Verhältnis der beiden Strecken nicht mehr als angemessen anzusehen ist. Es hat die Kriterien für die Beurteilung jedoch nicht völlig im Ungewissen gelassen, sondern ausgeführt, dass die Beurteilung dieser Angemessenheit nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen ist und dass - neben einer Einbeziehung des erforderlichen Zeitaufwandes für die Bewältigung der Wege und der Art der Verrichtungen am "dritten Ort" - auch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Dieser Rechtsprechung liegt erkennbar die Überzeugung zu Grunde, dass eine weitergehende Aufstellung von Regeln - etwa eine mathematische "Angemessenheitsformel" - angesichts der unübersehbaren Vielzahl von Fallgestaltungen nicht angezeigt ist (BSG, Beschluss vom 6. Januar 2006 - B 2 U 372/05 B -, zitiert nach Juris). In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zur Überzeugung des Senats der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit im Unfallzeitpunkt anzunehmen. Aus dem Verhältnis der Wegstrecken zwischen der W Straße einerseits und den jeweiligen Einsatzorten andererseits bzw. der Spromenade einerseits und den jeweiligen Einsatzorten andererseits lässt sich keine Unangemessenheit der Entfernung vom dritten Ort zur Arbeitsstelle herleiten. Die Wegstrecke zwischen der W Straße und den Einsatzorten beträgt - gemäß einer Recherche bei im Internet allgemein zugänglichen Routenplanern - rund 12 km bei einer durchschnittlichen Pkw-Fahrzeit ohne verkehrsbedingte Störungen von 26 Minuten, während beispielsweise diejenige zwischen der Spromenade und der Sallee 2,2 km beträgt bei einer durchschnittlichen Pkw-Fahrzeit ohne verkehrsbedingte Störungen von 8 Minuten. Die Wegstrecken zwischen der Spromenade und den anderen in B-liegenden Einsatzorten variieren in ihrer Länge zwischen einer Tätigkeit im gleichen Haus (das Gebäude, in dem sich die frühere Ehewohnung des Versicherten befand, gehörte offenbar zu dem von ihm betreuten Objekten) und einer Entfernung von gut 2 km. Diese Wegstrecken stehen - noch - in einem angemessenen Verhältnis zueinander, wobei es nach der Auffassung des Senats, die auf den oben genannten Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 27. August 1987 beruht – nicht entscheidend auf eine Begrenzung nach einem bestimmten Vielfachen der regelmäßig vom häuslichen Bereich zum Ort der Tätigkeit zurückgelegten Wegstrecke ankommt, weil es den nahe zum Ort der Tätigkeit wohnenden und in der Regel nur ein geringes Wegeunfallrisiko tragenden Versicherten unfallversicherungsrechtlich nicht vertretbar benachteiligen würde gegenüber dem weit von dem Ort der Tätigkeit wohnhaften Versicherten, der schon in der Regel ein wesentlich höheres Wegeunfallrisiko trägt und dann außerdem einen um ein entsprechendes Vielfaches weiteren dritten Ort als Grenzpunkt des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit wählen dürfte. Ausschlaggebend für die Beurteilung des Senats ist – im Anschluss an die oben zitierte Rechtsprechung des BSG - vielmehr, ob der zwischen der Wohnung am dritten Ort und der Arbeitsstätte zurückgelegte Weg sich unter Berücksichtigung aller Umstände von dem üblichen Weg nach und von der Arbeitsstätte so erheblich unterscheidet, dass er nicht von dem Vorhaben des Beschäftigten geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben oder von dieser zurückzukehren. Der um rund 10 km bzw. rund 20 Minuten längere Weg von der Wohnung der Zeugin in der W Straße zu den Einsatzorten in N war bei den heutigen Straßenverhältnissen für einen Kraftfahrer weder ungewöhnlich lang, noch unterschied er sich bei der Zurücklegung mit dem Motorrad hinsichtlich seiner Dauer so erheblich von dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte, dass deshalb das Vorhaben, sich nach dem Aufsuchen der früheren Ehewohnung, um dort einige Kleidungsstücke abzuholen, unmittelbar zum Ort der versicherten Tätigkeit zu begeben, nicht als rechtlich wesentlich für die Wahl des weiteren Weges angesehen werden könnte. Bereits in seinem Urteil vom 11. Oktober 1973 (Az. 2 RU 1/73, zitiert nach Juris) hat das BSG den Versicherungsschutz nicht schon allein deshalb verneint, weil die Wohnung der Verletzten 2 km, der Ort, von dem aus sie am Unfalltag den Weg zu ihrer Arbeitsstätte antrat, dagegen 22 km von dieser entfernt lag. Das BSG hat es vielmehr als wesentlich angesehen, dass die Verletzte auf dem Weg von einem Urlaub zur Arbeitsstätte verunglückte und hat aus diesem Grunde in dem von ihm entschiedenen Fall einen Versicherungsschutz abgelehnt (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 20. April 1978 - 2 RU 1/77 -, zitiert nach Juris). Die vorliegende Fallkonstellation ist insoweit anders gelagert, als dass sich der Versicherte von einem Ort zur Arbeit begeben hatte, an dem er auch an Werktagen regelmäßig übernachtete, nicht aber deshalb eine längere Wegstrecke in Kauf nahm, weil er sich direkt aus dem Urlaub zu seiner Arbeitsstätte begeben hätte. Der hier gegebene Fall ist weiterhin auch dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Anfahrt von 12 km bzw. eine zurückgelegte Fahrzeit von rund 30 Minuten ohne weiteres im Rahmen der Entfernungen befinden, die Pendler werktäglich zurücklegen. Der Versicherte hat bei der von ihm zurückgelegten Wegstrecke noch nicht einmal die Grenzen der gleichen Gemeinde - der Stadt Berlin – verlassen und sich auch innerhalb des Stadtgebietes lediglich aus dem Bezirk T in den angrenzenden Nachbarbezirk N begeben. Eine solche Anfahrt, die in keiner Weise über das Übliche einer regelmäßig vorkommenden Pendelstrecke hinausgeht, ist nach Auffassung des Senats grundsätzlich als im Sinne der obigen Ausführungen angemessen zu werten. Der Annahme eines Versicherungsschutzes nach der Rechtsprechung zum "dritten Ort" steht auch nicht entgegen, dass der Versicherte beabsichtigte, Wechselwäsche aus seiner früheren Ehewohnung zu holen, bevor er sich zu seiner Arbeitsstätte begeben wollte. Einen nicht versicherten Abweg von dem direkten Weg zu seiner Arbeitsstätte hatte er noch nicht eingeschlagen. Dennoch wurde der gleiche Weg streckenidentisch sowohl zurückgelegt, um Wechselwäsche aufzunehmen, als auch um den Arbeitsplatz aufzusuchen.

Bei der somit vorliegenden gespaltenen Handlungstendenz steht der Weg dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (BSG, Urteil vom 12. Mai 2009 – B 2 U 12/08 R -, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 14/10 R -; beide zitiert nach Juris).

Nach den objektiven Umständen lässt die Motorradfahrt des Versicherten von der W Straße zu seiner Arbeitsstätte einen sachlichen Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit hinreichend deutlich hervortreten. Ausgangsort und Ziel wurden durch betriebliche Erfordernisse bestimmt. Die private Motivation des Versicherten, daneben auch Wechselwäsche in seiner früheren Ehewohnung aufzunehmen, tritt dahinter zurück. Diese geplante Verrichtung sollte nur anlässlich der Fahrt zur Arbeitsstelle erfolgen bzw. aus Gründen der Praktikabilität mit dieser verbunden werden. Hätte der Versicherte keine Wechselwäsche in der Spromenade abholen wollen, hätte er die Unfallstelle dennoch und auch zur gleichen Zeit passiert. Die reine Streckenidentität zwischen beruflicher und privater Verrichtung lässt den Zusammenhang der durchgeführten Motorradfahrt mit der versicherten Tätigkeit daher vorliegend nicht entfallen.

Nach alledem wäre – ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme - ein innerer Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit des zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weges auch bei der Annahme einer Fahrt vom "dritten Ort" zur Arbeitsstelle zu bejahen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegt. Streitentscheidend ist die Beweiswürdigung der Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Auf etwaig divergierend beurteilte Rechtsfragen zum Versicherungsschutz beim Aufsuchen der Arbeitsstätte vom "dritten Ort" aus kommt es im Ergebnis nicht an.
Rechtskraft
Aus
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