L 5 P 27/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 P 1/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 P 27/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für die Zeit vom 27. Juni 2007 bis 13. Januar 2008.

Der Kläger ist alleiniger Sohn und Erbe der am ... 1932 geborenen und am ... 2012 verstorbenen Versicherten E. L. Diese beantragte am 27. Juni 2007 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XI. Die Beklagte ließ die Pflegefachkraft K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt e.V. (MDK) das Gutachten vom 2. August 2007 nach Untersuchung der Versicherten in häuslicher Umgebung erstatten. Anwesend waren als Pflegepersonen die Schwester der Versicherten sowie der Kläger. Nach den Feststellungen der Gutachterin lebe die Versicherte allein in einem Mehrfamilienhaus. Der Sohn bereite die Medikamente in einer Wochenbox vor, diese würden selbst eingenommen. Die Inkontinenzeinlagen würden selbst gewechselt. Seit Ende 2006 werde ein geistiger Abbau geschildert (vergessene Medikamenteneinnahme, nicht wahrgenommene Arzttermine, Selbstversorgungsdefizite in der Grundpflege und Hauswirtschaft). Die Familie fühle sich mit der Pflege überfordert. Arztbesuche erfolgten nicht regelmäßig wöchentlich. Für die Gutachterin stand ein geistiger Abbau mit Antriebsminderung, Lustlosigkeit, Desinteresse und Selbstversorgungsdefizit im Vordergrund. Als pflegebegründende Diagnosen nannte sie eine vaskuläre Demenz. Weiter bestünden eine Herzleistungsminderung mit Zustand nach Schrittmacherimplantation 1997 mit Wechsel im September 2004, ein tablettenpflichtiger Diabetes mellitus, ein Zustand nach Ischiasläsion rechts und nach Falithromindikation, ein Hyposphagma linkes Auge sowie eine relative Harninkontinenz. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz i.S.v. § 45a SGB XI sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellbar. Die Gutachterin schätzte den Gesamtzeitaufwand für die Grundpflege auf 28 min täglich. Davon entfielen 18 min auf die Körperpflege und 10 min auf die Mobilität. Für die hauswirtschaftliche Versorgung veranschlagte sie 5 min täglich.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. August 2007 ab. Nach der Feststellung des MDK bestehe derzeit keine Pflegebedürftigkeit. Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete der für die Versicherte handelnde Kläger auch nach Übersendung einer Kopie des MDK-Gutachtens nicht.

Die Beklagte ließ durch die Ärztin Dr. R. vom MDK das weitere Gutachten vom 15. Oktober 2007 nach Untersuchung der Versicherten in häuslicher Umgebung am 10. Oktober 2007 erstatten. Als Pflegeperson war anwesend der Kläger. Die Medikation werde mittlerweile durch den Pflegedienst dreimal täglich durchgeführt. Eine zunehmende Vergesslichkeit sei schon im Vorjahr aufgefallen (Wiederholungen im Gespräch, teilweise Vergessen zu waschen und Wohnung zu säubern, elektrische Geräte plötzlich nicht mehr bedienen können). Weitere Auffälligkeiten würden nicht berichtet. Auch von den Hausbewohnern lägen insoweit keine weiteren Informationen vor. In der Wohnung finde sich die Versicherte noch gut zu recht. Die Gutachterin stellte eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz i.S.v. § 45a SGB XI fest. Als pflegebegründende Diagnosen nannte sie eine zerebrovaskuläre Insuffizienz mit demenziellem Syndrom, einen Zustand nach Ischiasläsion rechts bei i.m. Injektion unter Falithrom-Therapie sowie Herzrhythmusstörungen bei Zustand nach Schrittmacherimplantation 1997. Sie schätzte den Gesamtzeitaufwand für die Grundpflege auf 28 min täglich. Davon entfielen 18 min auf die Körperpflege und 10 min auf die Mobilität. Für die hauswirtschaftliche Versorgung veranschlagte sie 43 min täglich. Obwohl die Versicherte große Teil der Grundpflege selbstständig durchführen könne, sei sie aufgrund des demenziellen Syndroms nicht in der Lage, sich selbstständig zu versorgen. Sie bedürfe der teilweisen Beaufsichtigung über weite Teile des Tages sowie der Tagesstrukturierung.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2007 als unbegründet zurück. Mit einem täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 28 min und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 43 min werde das erforderliche Zeitlimit der Pflegestufe I nicht erreicht. Der Hilfebedarf bei der Medikamentengabe, eine allgemeine Beaufsichtigung bzw. die Einsatzbereitschaft einer zur Hilfeleistung bereiten Person könnten nicht berücksichtigt werden.

Dagegen hat der Kläger für die Versicherte am 3. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht M. erhoben. Er hat ein Pflegetagebuch für den Zeitraum vom 14. bis 20. Januar 2008 vorgelegt. Nach Angaben der Nachbarn sei die Versicherte am 28. Januar 2008 völlig verwirrt im Treppenhaus angetroffen worden und habe ihre Wohnung nicht mehr gefunden. Solche und ähnliche Situationen seien nach Rücksprache mit den Nachbarn in der Vergangenheit öfter aufgetreten. Diesen sei im Besonderen die Verwirrtheit in den letzten Wochen aufgefallen. Seit Anfang 2007 sei die Versicherte ehrenamtlich im Rahmen aktivierender Hilfe begleitet und betreut worden. Im ersten Halbjahr 2007 sei es dramatisch abwärts gegangen.

Nach Auskunft der Caritas vom 13. Mai 2008 war ab dem 2. Oktober 2007 dreimal täglich die Medikamentengabe durch Pflegefachkräfte durchgeführt worden. Aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes seien ab 14. Januar 2008 wochentags morgens (Waschen/Duschen) und mittags (Toilettengang/Vorlagenwechsel) auch Pflegemaßnahmen durchgeführt worden. Bei jedem Hausbesuch habe die Versicherte zur Nahrungsaufnahme und zum Trinken angehalten werden müssen.

Die Versicherte hat sich vom 7. bis 27. Februar 2008 in stationärer psychiatrischer Behandlung im Klinikum M. gGmbH befunden. Nach dem Entlassungsbericht sei fremdanamnestisch berichtet worden, dass sich die Hirnleistung "seit kurzer Zeit fatal verschlechtert" habe. Eine neuropsychologische Testung habe Hinweise für eine mittelschwere Demenz ergeben. Die Entlassung sei in gebessertem psychischem und physischem Zustand erfolgt. Anschließend hat sich die Versicherte in Kurzzeitpflege und ab dem 26. März 2008 dauerhaft in stationärer Pflege befunden.

Im Auftrag des MDK ist von der Pflegefachkraft D. ein weiteres Gutachten vom 28. März 2008 erstellt worden. Diese hat beschrieben, die Versicherte sei zeitlich sowie zur Person desorientiert. Im Vergleich zum Vorgutachten hätten die geistigen Defizite zugenommen. Die Gutachterin hat den täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege auf 53 min täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 45 min geschätzt. Mit Bescheid vom 2. April 2008 hat die Beklagte ab dem 26. März 2008 Leistung nach der Pflegestufe I bewilligt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. hat unter dem 13. November 2008 eine zunehmende Beeinträchtigung der körperlichen Funktionalitäten beschrieben. Seit ca. drei Jahren sei die Versicherte auf dauernde Kontrolle und Mithilfe angewiesen. Das Alltagsgeschehen könne ohne fremde Hilfe nicht bewältigt werden. Die Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. L. und H. haben unter dem 6. November 2008 angegeben, die Klägerin habe sich zuletzt im Januar 2008 wieder vorgestellt. Sie könnten keine Angaben zum Hilfebedarf machen.

Das Sozialgericht hat ferner im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. September 2011 die Krankenschwester E. als Zeugin vernommen. Diese hatte für die Caritas die Versicherte im Bereich der häuslichen Pflege betreut. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 22. September 2011 verwiesen. Die beiden weiteren Pflegepersonen der Versicherten konnten aus gesundheitlichen Gründen nicht als Zeuginnen vernommen werden.

Die Beklagte hat im Rahmen eines Teilanerkenntnisses in der mündlichen Verhandlung Leistungen nach der Pflegestufe I ab dem 14. Januar 2008 bewilligt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. September 2011 abgewiesen. Die Versicherte sei im streitigen Zeitraum nicht pflegebedürftig i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB XI gewesen. Es habe ein Pflegebedarf in der Grundpflege von 29 min täglich vorgelegen. Die Kammer stützte sich auf die schlüssigen Gutachten des MDK vom 2. August und 15. Oktober 2007. Die Zeugin habe zum streitgegenständlichen Zeitraum keine entscheidungserheblichen Angaben machen können. Konkretere Angaben hätten sich auf den Zeitraum ab dem 14. Januar 2008 beschränkt. Ein Betreuungsbedarf sei nicht berücksichtigungsfähig. Dem vorgelegten Pflegetagebuch seien keine konkreten Zeitangaben zu entnehmen; dieses betreffe auch den Zeitraum ab 14. Januar 2008. Aus der bildgebenden Diagnostik (Duplexsonographie und CCT-Befund) lasse sich nicht auf den Umfang der Hilfeleistungen schließen. Erst nach dem Gutachten vom MDK vom 28. März 2008 sei eine wesentliche Änderung eingetreten.

Gegen das ihr am 3. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger für die Versicherte am 24. November 2011 Berufung eingelegt. Nach den Ausführungen der Zeugin E. habe der Pflegebedarf mindestens ab der Beauftragung des Pflegedienstes vorgelegen. Ihre Angaben hätten sich auch auf den Zeitraum ab dem 2. Oktober 2007 bezogen. Die von ihr bemerkten Defizite in der Grundpflege hätten lange vor der Übernahme der Pflege durch die Caritas bestanden. Gemäß dem Gutachten des MDK vom 5. Mai 2009 habe eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz bereits seit Oktober 2007 bestanden. Schon im Gutachten des MDK vom 2. August 2007 seien ein Selbstversorgungsdefizit, Einschränkungen aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen sowie demenzbedingte Fähigkeitsstörungen dokumentiert worden. Dennoch seien zum Wiederaufsuchen und Verlassen der Wohnung keine Zeiten festgestellt worden. Die dortige Feststellung, die Versicherte werde einmal täglich be- und entkleidet, sei angesichts eines Kleidungswechsels morgens und abends fraglich. Es sei außerdem hauptsächlich die ebenfalls demenzkranke Schwester der Versicherten befragt worden. Ausweislich des MDK-Gutachtens vom 15. Oktober 2007 sei spätestens ab diesem Zeitpunkt eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich gewesen. Entgegen dem Entlassungsbericht des Klinikums M. sei keine Besserung der Demenz eingetreten. Die Pflegestufe I sei im Gutachten des MDK vom 28. März 2008 vorrangig wegen der Demenz empfohlen worden. Daraus folge, dass in den Vorgutachten der Umfang der Pflegebedürftigkeit wegen der Demenz nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Darüber hinaus hat der Kläger Angaben zu einem Umfang der Grundpflege i.H.v. mindestens 76 min täglich bei der Versicherten durch die Familienangehörigen gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22. November 2012 verwiesen.

Nach dem Tod der Versicherten führt der Kläger den Rechtsstreit als alleiniger Rechtsnachfolger weiter. Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. September 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm anteiliges Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab dem 27. Juni 2007 bis 13. Januar 2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich anlässlich des Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 8. April 2014 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Pflegeunterlagen des Klinikums M. gGmbH sowie ein Medikamentenbuch der Versicherten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrage der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG. Denn das streitige monatliche Pflegegeld von 205 EUR bzw. ab Januar 2008 i.H.v. von 215 EUR für die Pflegestufe I übersteigt den Wert des Berufungsgegenstands von 750 EUR deutlich.

2. Der Kläger ist nach dem Tod der Versicherten Beteiligter i.S.v. § 69 Nr. 1 SGG geworden und als solcher prozessführungsbefugt. Denn er ist als Alleinerbe der Versicherten zur Durchsetzung deren geltend gemachter Ansprüche gegenüber der Beklagten berufen. Da die Versicherte zuletzt allein gelebt hat, geht auch kein vorrangiger Anspruch eines Sonderrechtsnachfolgers gemäß § 56 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) dem Anspruch des Erben vor (§ 58 Satz 1 SGB I).

3. Die Beteiligten haben sich am 8. April 2014 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Versicherte hatte keinen Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe I gegen die Beklagte für die Zeit vom 27. Juni 2007 bis 13. Januar 2008. Der Senat konnte sich nicht vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen überzeugen.

1. Der Anspruch auf Pflegegeld beruht auf § 37 Abs. 1 SGB XI i.V.m. §§ 14, 15 SGB XI. Nach § 37 SGB XI können Pflegebedürftige Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen kann. Die Höhe des Pflegegeldes bemisst sich nach der Pflegestufe. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Unter die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen fallen nach § 15 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung und im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, das An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Nicht erfasst wird hingegen eine allgemeine Anleitung und Beaufsichtigung von geistig behinderten oder demenzerkrankten Menschen, soweit diese nicht verrichtungsbezogen sind. Das Gesetz bietet keine Grundlage zur Berücksichtigung eines Hilfebedarfs in Form einer ständigen Anwesenheit und/oder Aufsicht eine Pflegeperson, etwa zur Vermeidung einer Selbst- der Fremdgefährdung. Eine Ausdehnung des Begriffs des Hilfebedarfs auf die nicht in § 14 Abs. 3 SGB XI genannten Pflegebereiche ist unzulässig (BSG, Urteil vom 26. November 2008, B 3 P 13/97 R (18)). Daher kommt der Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz i.S.v. § 45a SGB XI entgegen der Auffassung des Klägers für den Hilfebedarf im Rahmen der Pflegestufen keine Bedeutung zu.

Die pflegebedürftigen Personen werden nach § 15 SGB XI einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege, also Körperpflege, Ernährung und Mobilität, mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI).

Die Feststellung einer Pflegestufe unterliegt dabei den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Danach trägt derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, der daraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will (vgl. BSG, BSGE 6, S. 70,72; BSGE 19, S. 52,53). Dies ist für die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs auf Pflegegeld nach der Sozialen Pflegeversicherung grundsätzlich der Versicherte. Hier trägt daher der Kläger als Erbe der Versicherten die volle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des streitigen Anspruchs auf Pflegegeld bereits im geltend gemachten Zeitraum vorgelegen hatten.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Sozialgericht zu Recht für die Zeit vom 27. Juni 2007 bis 13. Januar 2008 einen täglichen Bedarf für die Grundpflege von mehr als 45 Minuten verneint. Denn der Nachweis im Sinne des erforderlichen Vollbeweises, also der vollen richterlichen Überzeugung, ist hier nicht erbracht. Die Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.

2.a. Bei der Versicherten lagen im streitigen Zeitraum folgende pflegerelevante Diagnosen vor: eine im Vordergrund stehende vaskuläre Demenz, ferner eine Herzleistungsminderung mit Zustand nach Schrittmacherimplantation, ein tablettenpflichtiger Diabetes mellitus, ein Zustand nach Ischiasläsion rechts bei Falithrombehandlung, ein Hyposphagma links sowie eine relative Harninkontinenz.

b. Der demenzielle Prozess war von Anfang 2007 bis zur Aufnahme der Versicherten ins Pflegeheim im März 2008 rasch fortgeschritten. Anfang des Jahres 2007 war noch eine aktivierende Hilfe der allein lebenden Versicherten im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit und mit familiärer Unterstützung ausreichend gewesen. Nach der Schilderung des Klägers ist es in der Folge zu einer rasch zunehmenden Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit gekommen. Er konnte aber - trotz ausführlicher Befragung in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 8. April 2014 - keine genauen Angaben zu den Umfängen des Pflegebedarfs, der Aufteilung auf verschiedene Pflegepersonen und den Zeiträumen vor/nach der Antragstellung bzw. des Teilanerkenntnisses machen.

So war die Versicherte zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung durch den MDK am 2. August 2007 noch in der Lage, die Medikamente entsprechend der vom Kläger gerichteten Wochenbox einzunehmen. Die Gutachterin ging von einer - noch - gegebenen Alltagskompetenz aus, auch wenn von den Pflegepersonen erste Hinweise auf ein Selbstversorgungsdefizit beschrieben wurden. Unter Zugrundelegung der Angaben der anwesenden Pflegepersonen stellte die Gutachterin fest, dass die Körperpflege bis auf Teile der Körpers und des Duschens von der Versicherten selbst vorgenommen wurde. Zum damaligen Zeitpunkt bezog die Versicherte noch Essen auf Rädern. Angaben zu Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme machten die Pflegeperson zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Gutachterin beschrieb den Ernährungszustand auch als gut.

Erst ab 2. Oktober 2007 mussten die Angehörigen der zunehmend auffallenden Vergesslichkeit der Versicherten Rechnung tragen und die Caritas mit der dreimal täglichen Medikamentengabe beauftragen.

Anlässlich der zweiten Begutachtung durch den MDK am 10. Oktober 2007 wurde von dem anwesenden Kläger angegeben, dass die Versicherte sich in Gesprächen wiederhole und Defizite in der Körperpflege und der Hausarbeit vorlägen. Weitere Auffälligkeiten, etwa aufgrund von Beobachtungen der Hausbewohner, konnten zu diesem Zeitpunkt nicht mitgeteilt werden. Diese Gutachterin beschrieb nun zusätzlich einen Bedarf betreffend die Aufforderung und Kontrolle der Körperpflege und die Einnahme von Mahlzeiten mit einer notwendigen Beaufsichtigung über weite Teile des Tages. Sie bestätigte nunmehr eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz.

In der Folge ist nach Auffassung des Senats ein noch rascheres Fortschreiten der demenziellen Entwicklung eingetreten. Anlässlich der stationären Behandlung der Versicherten ab dem 7. Februar 2008 berichteten Familienangehörige über eine "seit kurzer Zeit fatalen Verschlechterung der Hirnleistung". Einen schnell fortschreitenden geistigen Abbau hat im Übrigen auch die Zeugin E. mitgeteilt. In diesen Zeitraum fällt auch das Ereignis am 28. Januar 2008, als die Versicherte völlig verwirrt im Treppenhaus aufgefunden wurde.

Das MDK-Gutachten vom 28. März 2008, das nach Aufnahme der Versicherten in das Pflegeheim im Anschluss an die stationäre Behandlung und die Kurzzeitpflege erfolgte, beschrieb massiv zunehmende geistige Defizite. Anlässlich dieser Untersuchung war eine deutlich gestörte Orientierung zu Zeit und Person mit einem massiven Hilfebedarf in allen Lebensbereichen erkennbar.

c. Das Vorbringen des Klägers und die von ihm vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, den Senat entweder von der Unrichtigkeit der Einschätzungen in dem MDK-Gutachten vom 12. August und 15. Oktober 2007, bzw. vom Vorliegen des Umfangs der im Gutachten des MDK vom 28. März 2008 dokumentierten Hilfebedürftigkeit bereits ab Juni 2007 zu überzeugen.

a.a. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. August 2007 ist - trotz der erfolgten Übersendung des MDK-Gutachtens vom 2. August 2007 an den Kläger - nicht begründet worden. Glaubhafte Angaben zu diesem Zeitpunkt hätten dem Senat ein Bild über den tatsächlichen aktuellen Pflegebedarf verschaffen können. Deren Unterlassen geht zu Lasten des insoweit beweispflichtigen Klägers.

Das im Gerichtsverfahren vorgelegte Pflegetagebuch betrifft Zeiten ab dem 14. Januar 2008, also nicht den streitgegenständlichen Zeitraum. Es erlaubt keine sicheren Rückschlüsse auf den streitigen Zeitraum.

Die vorgelegten Gesprächsnotizen mit den Nachbarn stammen von Ende Januar 2008 und enthalten Schilderungen, die von diesen nachträglich für - nicht definierte - vergangene Zeiträume gemacht worden sein sollen.

Das Medikamentenbuch enthält für den streitigen Zeitraum lediglich Eintragungen einer anderen Person als der Versicherten zu Messwerten und der Medikamentendosierung. Ein Beweiswert für den Hilfebedarf kommt diesen nicht zu.

b.b. Soweit der Kläger unter dem 13. November 2012 einen täglichen Pflegebedarf in der Grundpflege von insgesamt mindestens 66 min dargestellt hat, vermag dies den Senat ebenfalls nicht von einem solchen tatsächlichen Hilfebedarf schon im streitigen Zeitraum zu überzeugen.

Es ist schon zu bezweifeln, dass der Kläger - mangels möglichen Rückgriffs auf ein seinerzeit geführtes Pflegetagebuch oder anderer Dokumente - eine präzise Erinnerung an notwendige einzelne Verrichtungen sowie deren Zeitdauer für einen fünf Jahre zurück liegenden Zeitraum hat, in dem sich eine demenzielle Entwicklung rasch und erheblich verstärkt hatte. Darüber hinaus hat er seine Schilderungen aber auch nicht einem bestimmten Zeitraum in den Jahren 2007/2008 zugeordnet.

Ferner fällt auf, dass einzelne Angaben zur Häufigkeit der Verrichtungen im Widerspruch zu seinem früheren Vorbringen bzw. zu den Feststellungen der MDK-Gutachter stehen. Die Angabe einer siebenmal wöchentlichen Ganzkörperwäsche in der Badewanne entspricht nicht den Angaben in den MDK-Gutachten vom 2. August und 15. Oktober 2007. Danach sei dies vier- bzw. fünfmal wöchentlich erfolgt. Eine behauptete Teilwäsche des Unterkörpers drei- bis viermal täglich widerspricht ebenfalls den Feststellungen beider MDK-Gutachter von einmal täglich. Ein beschriebenes drei- bis viermal wöchentliches Duschen passt nicht zu den Angaben im Pflegetagebuch für den Zeitraum vom 14. bis 20. Januar 2008. In dieser Woche ist nur zweimal ein Duschen vermerkt. Die behauptete dreimal tägliche Zahnpflege ist ebenfalls im Pflegetagebuch nur für morgens und abends - also zweimal - vermerkt. Die Angabe, die Versicherte habe der Körperpflege häufig ablehnend gegenüber gestanden, findet sich in den MDK-Gutachten aus 2007 nicht wieder. Dort wurden lediglich eine notwendige Aufforderung und Kontrolle der Körperpflege mit vereinzelten Handreichungen beschrieben. Die Darstellung eines bis viermal täglich notwendigen Vorlagenwechsels durch eine Pflegeperson ist in den beiden MDK-Gutachten ebenfalls nicht enthalten. Vielmehr ist dort angegeben worden, die Vorlagen würden von der Versicherten selbstständig gewechselt. Erstmals das MDK-Gutachten vom 28. März 2008 beschreibt Auffälligkeiten hinsichtlich des Versuchs der Wiederverwendung von Vorlagen durch Auswaschen und Trocknen auf der Heizung. Soweit für den Bereich der Mobilität eine Weigerung des An- und Auskleidens bzw. eine Schmerzsymptomatik als pflegeerschwerender Faktor angegeben werden, finden sich solche Feststellungen in den beiden MDK-Gutachter aus 2007 nicht. Vielmehr ist dort lediglich eine notwendige Hilfestellung beim An- und Auskleiden über Kopf und an den Füßen sowie beim Bereitlegen von Kleidung genannt.

Da die Angaben zu den täglichen Hilfebedarfen in den MDK-Gutachten von 2007 nach Befragen der Versicherten und der anwesenden Pflegepersonen gemacht wurden, geht der Senat von der Richtigkeit der damaligen Auskünfte aus. Soweit im Berufungsverfahren behauptet worden ist, anlässlich des ersten Begutachtungstermins sei überwiegend die demenzkranke Schwester der Versicherten befragt worden, führt dies keinem anderen Ergebnis. Denn der Kläger war seinerzeit anwesend und hätte die Möglichkeit gab, etwaige Falschangaben zu korrigieren. Darüber hinaus war dem Kläger das Gutachten des MDK vom 2. August 2007 auf seinen Wunsch in Kopie übersandt worden. Bei wesentlichen Widersprüchen zu seinen Angaben anlässlich der Begutachtung hätte es nahe gelegen, diese umgehend aufzuklären.

c.c. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich behauptete Hilfebedarf im streitigen Zeitraum auch nicht aus der Zeugenvernehmung der Frau E. durch das Sozialgericht. Die Zeugin konnte nur allgemeine Angaben zum Zustand der Versicherten ("sehr durcheinander") machen. Angaben zu dem Pflegeaufwand vor Aufnahme der Grundpflege am 14. Januar 2008 waren ihr - ausdrücklich - nicht möglich. Dies hat die Zeugin auf die engen Zeitvorgaben für die seit 2. Oktober 2007 erfolgte Medikamentengabe zurückgeführt. Darüber hinaus hat sie angegeben, dass ab der Übernahme der Tagespflege - also ab dem 14. Januar 2008 - der Zustand der Versicherten jeden Tag schlechter geworden sei.

Es kann daher dahinstehen, ob von der Zeugin beschriebene Auffälligkeiten wie das Vergessen der Funktion eines Wasserglases, die Notwendigkeit des Abschließens des Medikamentenschranks, ein Anhalten zur Nahrungsaufnahme oder zur Körperpflege Rückschlüsse auf den grundpflegerischen Bedarf zulassen. Denn diese Beobachtungen sind zeitlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit dem streitgegenständlichen Zeitraum zuzuordnen.

d. Die vom Sozialgericht beigezogenen Befundberichte der behandelnden Ärzte vom 6. und 13. November 2008 sind ebenfalls nicht zur Ermittlung des tatsächlichen Pflegebedarfs geeignet. Sie sind zu einem späteren Zeitpunkt erstellt worden. Dr. L. konnte zwar Angaben zu einem Hilfebedarf machen, diese jedoch nicht zeitlich zuordnen. Die Dres. L. und H. konnten gar nichts mitteilen.

e. Somit kann der Senat allein die MDK-Gutachten vom 2. August und 15. Oktober 2007 zu Grunde legen. Diese sind - ausgehend von dem dort dokumentierten Hilfebedarf im Einzelnen - in sich widerspruchsfrei und bestätigen die rasch zunehmende demenzielle Entwicklung in dem streitigen Zeitraum.

Nach den Feststellungen beider bestand ein Gesamthilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 28 min täglich.

Im Bereich der Körperpflege betrug dieser 18 min. Er umfasste einen Hilfebedarf bei der Vor- und Nachbereitung der Körperwäsche und dem Bereitstellen von Pflegeutensilien. Zahnpflege, Kämmen, Vorlagenwechsel, Toilettengang mit Richten der Kleidung danach sowie Intimpflege konnte die Versicherte selbst bewerkstelligen. Der im Oktober 2007 hinzugetretene Bedarf betreffend Aufforderung und Kontrolle bei überwiegend selbstständigem Waschen hat aus den o.g. Gründen zu keiner Erhöhung des Hilfebedarfs geführt.

Im Bereich der Ernährung bestand zunächst kein Hilfebedarf. Die Versicherte aß selbstständig und bereitete sich Mahlzeiten vor. Das Mittagessen wurde in Form von "Essen auf Rädern" gebracht. Lediglich ab Oktober 2007 wurde eine Kontrolle der Einnahme der Mahlzeiten für erforderlich erachtet. Diese findet aus den o.g. Gründen keine Berücksichtigung.

Im Bereich der Mobilität lag der tägliche Hilfebedarf bei 10 min. Er umfasste das An- und Entkleiden sowie den Transfer für das Duschen. Entgegen der Auffassung des Klägers wurden in beiden Gutachten das morgendliche Bekleiden und abendliche Entkleiden berücksichtigt. Erkennbar ist in dem Gutachten vom 15. Oktober 2007 versehentlich eine falsche Zeile ("Entkleiden Ober-/Unterkörper") angekreuzt worden.

Die vom Kläger reklamierten Zeiträume für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung finden keine Berücksichtigung, soweit sie nicht mit Pflegeverrichtungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Da Arztbesuche nicht wöchentlich erfolgten, können diese nicht berücksichtigt werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage (§ 160a SGG).
Rechtskraft
Aus
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