Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 538/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4078/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. August 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.05.2009 hinaus.
Der am 18.04.1961 in Kasachstan geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und am 30.04.1993 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. Zuletzt war er bei der Firma K. GmbH in V. als Müllwerker und Kraftfahrer beschäftigt. Am 10.03.2005 erlitt er einen Arbeitsunfall, wobei er sich bei einem Sturz Verletzungen am Rücken und am linken Ellenbogen zuzog. Ein Grad der Behinderung ist mit 60 seit dem 30.08.2012 festgestellt (Bescheid des Landratsamtes A. vom 20.11.2014).
Aufgrund eines Antrages auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 04.01.2007 (und eines Antrages auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 21.03.2007) gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31.05.2009 ausgehend von einem Leistungsfall am 20.03.2006 mit Rentenbeginn am 01.01.2007. Grundlage hierfür war das Gutachten von Dr. J. vom 08.05.2007. Der Facharzt für Chirurgie stellte nach einer Untersuchung am 04.05.2007 einen Ausfall des Nervus ulnaris links sowie ein polyradikuläres Syndrom C5 bis C7 mit massiver Funktionseinschränkung, ein Zervikobrachialsyndrom trotz zweimaliger Bandscheibenoperation und ventraler Plattenosteosynthese HWK 5 bis 7 mit deutlicher Funktionseinschränkung sowie eine Anpassungsstörung mit reaktiver Depression fest. Auch unter Beachtung qualitativer Anforderungen an eine Berufstätigkeit hielt er ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden selbst für leichte Tätigkeiten für gegeben.
Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 10.02.2009 zog die Beklagte zunächst den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. T. bei, der unter dem 19.01.2009 eine Besserung des Befundes in den letzten zwölf Monaten beschrieb. Die Beklagte leitete daraufhin eine medizinische Rehabilitation in der Rehaklinik K., N., ein. Dort befand sich der Kläger vom 21.04.2009 bis 09.05.2009 in stationärer Behandlung. Im Rehaentlassungsbericht vom 18.05.2009 wurden folgende Diagnosen angegeben: • Zervikaler Bandscheibenvorfall mit initialer ventraler Diskektomie und Implantation einer Bandscheibenprothese • Dislokation PCM-Prothese HWK 6/7, erneute OP 18.08.06 mit ventraler Dekompression HWK 5/6 und Implant. von 2, • Zervikozephalgien, • chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, • Zervikobrachialgie links.
Nach der Beurteilung der behandelnden Ärzte seien dem Kläger leichte Tätigkeiten zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen und überwiegend im Sitzen in Tages- sowie in Früh- und Spätschicht noch möglich. Aufgrund der chronifizierten Beschwerdesymptomatik von Seiten der zervikalen und lumbalen Wirbelsäule seien keine Tätigkeiten mehr zumutbar mit schwerem Heben und Tragen von Lasten (Obergrenze 8 kg), mit Zwangshaltung der Wirbelsäule, mit häufigem Bücken sowie in einseitiger Körperhaltung. Auch sollten keine Tätigkeiten mehr zugemutet werden, die mit Überkopfarbeiten einhergingen und zu Belastungen der Kniegelenke führen. Gleiches gelte für Arbeiten in Hockstellung, in Nachtschicht und unter Zeitdruck.
Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den Monat Mai 2009 hinaus ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch veranlasste die Beklagte eine nervenärztliche Begutachtung durch Dr. A., N ... Diese stellte in ihrem Gutachten vom 30.09.2009 aufgrund der Untersuchung des Klägers vom 17.09.2009 eine Zervikobrachialgie nach Fusionsoperation HWK 5 bis 7 sowie ein Sulcus-ulnaris-Syndrom links fest. Ihr neurologischer Untersuchungsbefund sei bezüglich der zeitlich vor der Operation beschriebenen zervikalen Myelopathie unauffällig gewesen. Als Folge bestehe lediglich eine geringe Umfangsdifferenz zu Gunsten des linken Beines. Eine radikuläre Störung im Bereich der oberen und auch der unteren Extremität lasse sich nicht nachweisen. Es bestünden ein leicht verzögertes Tibialis-SEP rechts sowie eine sensible Störung im Bereich des linken Armes, welche auf das nachgewiesene Sulcus-ulnaris-Syndrom links mit verzögerter Nervenleitgeschwindigkeit zurückzuführen und ohne motorisches Defizit sei. Darüber hinaus war eine weitgehende Schmerzfixierung festzustellen. Der Kläger nehme zweimal täglich 50 mg Amitrypthylin ein, weitere Behandlungen erfolgten nicht. Termine in der Schmerzambulanz habe er nur zweimal wahrgenommen. Mit der Behandlung im Heilverfahren sei der Kläger nicht zufrieden gewesen, weil man ihn für arbeitsfähig gehalten habe. Trotz der angegebenen Beschwerden sei der Kläger aber in der Lage, in den Urlaub in die Ukraine zu fliegen und auch Auto zu fahren. Auf Nachfrage räume er ein, dass das Auto noch angemeldet sei und er auch gelegentlich selber fahre. Beim Gespräch und der Untersuchung bestehe eine massive Verdeutlichungstendenz an der Grenze zur Simulation, was auch der durchgeführte Simulationstest untermauere. Der Kläger sei nicht nur überzeugt, dass er nicht arbeiten könne, sondern auch davon, dass die Ursache seiner Beschwerden bislang nicht gefunden worden sei und er möglicherweise an einer noch unentdeckten Krankheit leide. Unter Beachtung näher ausgeführter qualitativer Leistungseinschränkungen könne der Kläger täglich noch sechs Stunden und mehr arbeitstätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.
Das SG hat zunächst das nervenärztliche Fachgutachten von Prof. Dr. Dr. W., G., vom 25.05.2010, die fachneurochirurgischen Gutachten von Priv.-Doz. Dr. W. und Dr. G. vom 17.12.2007 und 27.05.2008 aus dem bei der 9. Kammer des SG anhängigen Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (S 9 U 342/07) sowie die sachverständige Zeugenaussage von Dr. E. und des Assistenzarztes T., Klinik für Physikalische und Rehabilitative Medizin U., vom 14.08.2007 aus dem vor der 2. Kammer des SG anhängigen Schwerbehindertenverfahren (S 2 SB 2591/07) beigezogen.
Hierzu hat für die Beklagte Dr. B. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.10.2010 Stellung genommen (vgl. Bl. 50 f. der SG-Akte).
Das SG hat ferner den Hausarzt des Klägers Dr. K., den Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin Dr. J., den Neurologen und Psychiater Dr. S., den Neurologen und Psychiater Dr. T. und den Orthopäden Dr. W. als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. Knaus hat unter dem 21.03.2011 ein Schmerzsyndrom im Bereich der HWS, der linken Schulter und des linken Ellenbogens mit Sensibilitätsstörung und Kraftminderung im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris bei gleichbleibenden Beschwerden seit Mai 2007 beschrieben. Zu Angaben über die Arbeits- und Gehfähigkeit des Klägers hat er sich nicht in der Lage gesehen. Dr. J. hat über seit 2006 bestehende rezidivierende Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Hände, wobei sich die Schmerzen seit März 2007 verstärkt hätten, berichtet. Nach seinen Feststellungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten (Aussage vom 24.03.2011). Dr. S. hat unter dem 25.03.2011 eine seit Jahren bestehende mittelgradige Depression festgestellt. Diese habe auch durch Antidepressiva und regelmäßige Einzelgespräche nicht gelindert werden können. Der Befund sei seit Mai 2007 unverändert. Es lägen keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit vor. Dr. T. hat unter Berücksichtigung der bekannten Diagnosen eine im Verlauf von drei Jahren bis März 2010 kontinuierliche und erfreuliche Verbesserung der Folgen der Läsion des Nervus ulnaris links beschrieben. Zuletzt sei die Kraft der linken Hand nicht mehr wesentlich gemindert gewesen. Angaben zur Leistungsfähigkeit machte Dr. T. nicht (Aussage vom 04.04.2011). Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 11.04.2011 ausgeführt, dass er den Kläger erstmalig am 17.03.2011 gesehen habe. Es bestehe ein Zustand nach Operation einer HWS-Fraktur, eine hochgradige Funktionseinschränkung der HWS und eine Schulterteilsteife beidseits.
Das SG hat daraufhin Priv.-Doz. Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in U., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Unter Berücksichtigung eines vom Kläger vorgelegten Befundberichtes der Orthopädischen Universitätsklinik U. über eine spezielle orthopädische Schmerztherapie in der Tagesklinik im Zeitraum vom 21.03.2011 bis 08.04.2011 stellte Priv.-Doz. Dr. K. (Gutachten vom 26.05.2011) die Diagnosen chronische Zervikozephalgie, Zustand nach ventraler Diskektomie und Implantation einer Bandscheibenprothese HWK 6/7 April 2006, Zustand nach ventraler Dekompression HWK 5/6, ME der Prothese HWK 6/7, Zustand nach Spondylodese HWK 5/6/7 08/2006 bei Dislokation der Prothese HWK 6/7, alter minimaler Deckplatteneinbruch HWK 2, Bandscheibenprotrusionen HWK 3/4 und HWK 7/TH 1 und -prolaps HWK 4/5, foraminale Stenosen HWK 3/4 bis HWK 6/7 sowie eine durch die genannten Erkrankungen an der HWS bedingte Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, Sulcus-ulnaris-Syndrom links und Anpassungsstörung (depressive Reaktion). In qualitativer Hinsicht bestehe eine Einschränkung der dynamischen Wirbelsäulenbelastbarkeit für Wirbelsäulenzwangshaltungen, für Bewegungsmonotonien, überdurchschnittlich häufiges Bücken, Drehen, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit freier Rumpfvorbeuge oder Rückneigung. Die Wirbelsäulenstatik sei ebenso betroffen, sodass schwere Arbeiten in überwiegend einseitigen Körperhaltungen nicht mehr durchgeführt werden sollten. Auch Vibrationsbelastungen seien ebenso wie Arbeiten in kalter, feuchter oder zugiger Umgebung zu vermeiden. Der Kläger könne unter Berücksichtigung dessen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs Stunden ausführen. Die Arbeitsbedingungen seien auf überwiegendes Sitzen mit gelegentlichem Gehen und Stehen anzupassen. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Auch Priv.-Doz. Dr. K. hat über eine erhebliche Aggravation des Klägers im Untersuchungsgang berichtet. Mit Gerichtsbescheid vom 03.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung den Feststellungen von Dr. K. und Dr. A. angeschlossen.
Gegen den ihm am 05.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem beim SG am 02.09.2011 eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages hat der Kläger daran festgehalten, nach wie vor nicht in der Lage zu sein, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Er hat auf eine zwischenzeitlich erfolgte Behandlung im Zentrum für ganzheitliche Schmerztherapie verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. August 2011 sowie den Bescheid vom 4. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 aufzuheben und ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Mai 2009 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen bei der Fachärztin für Anästhesiologie Dr. B. und beim Neurologen und Psychiater Dr. T ...
Dr. B. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 25.01.2012 die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bei Ganzkörperschmerz angegeben. Es handele sich um ein Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen, also um ein hoch chronifiziertes therapieresistentes Schmerzsyndrom. Ob der Kläger seine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen könne, könne sie nicht beurteilen. Dr. T. hat unter dem 13.03.2012 angegeben, dass nach dem zervikalen Bandscheibenvorfall und den Operationen am 24.06.2006 und 18.08.2006 von einer verminderten Belastbarkeit der (Hals-)Wirbelsäule auszugehen sei. Von daher seien dem Kläger nur noch leichte, gelegentlich bis mittelschwere Arbeiten zumutbar. Der vom Kläger angegebene Ganzkörperschmerz mit Verkrampfungen und Zuckungen der Muskulatur sei bis jetzt diagnostisch nicht zuzuordnen und therapieresistent. Die Bedeutung für die Leistungsfähigkeit sei bis jetzt unklar. Diesbezüglich sei eine stationäre Aufnahme in der Neurologischen Klinik der Universitätsklinik U. zwecks Muskelbiopsie vorgesehen.
Der Senat hat hierauf den Entlassungsbericht der Neurologischen Universitätsklinik U. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 18.04.2012 bis 24.04.2012 beigezogen. Prof. Dr. L., Prof. Dr. R. und Dr. S. haben eine am 20.04.2012 komplikationslos verlaufene Muskelbiopsie beschrieben. Bei der ersten Durchsicht der Befunde hätten sich entzündliche Zeichen gefunden, weshalb trotz eines untypischen Verteilungsmusters, fehlender Paresen und einer fehlenden systemischen Entzündungsreaktion eine Kortisontherapie empfohlen worden sei. Die Muskelbiopsie einschließlich Immunhistochemie habe Hinweise auf eine entzündliche Reaktion ergeben, wobei aufgrund des geringgradigen Befundes nicht unterschieden werden könne, ob es sich um eine primäre Myositis oder um eine myositische Begleitreaktion handele.
Der Kläger hat darüber hinaus den Bericht des Zentrums für Innere Medizin im Universitätsklinik U. vom 26.06.2012 über einen stationären Aufenthalt vom 20.06.2012 bis 27.06.2012 mit den Diagnosen Knöchelödeme beidseits (am ehesten unter Steroidtherapie bei anhaltenden Myalgien (DD Myositis, DD Vitamin D-Mangel), Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom, COPD, Nikotinabusus 10 py, Sulcus-ulnaris-Syndrom links, Kolonpolypen (Histologie bei Entlassung ausstehend), Verdacht auf Barrett-Ösophagus (Histologie bei Entlassung ausstehend) vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass in der Zusammenschau aller Befunde die Ödeme am ehesten im Zusammenhang mit der Steroidmedikation stünden. Es war die schrittweise Reduktion bis zum vollkommenen Ausschleichen empfohlen worden. Dr. R. und Dr. W. (Polyklinik für Neurologie im Universitätsklinikum Ulm) wiederholten in dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht vom 07.11.2012 die Verdachtsdiagnose einer primären Myositis.
Hierauf hat für die Beklagte Dr. B. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 18.12.2012 und 27.03.2013 Stellung genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines neurologisch-psychiatrischen Fachgutachtens bei Dr. W., N ... Dieser hat nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers am 18.07.2013 in seinem Gutachten vom 23.07.2013 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine leichte depressive Episode, die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und eine Ulnarisläsion mit Restbeschwerden nach Kubitaltunnel-Operation links 2006 festgestellt. Er hat ausgeführt, dass das Verhalten des Klägers während der Untersuchung ganz erheblich von einer Neigung zur bewusstseinsnahen Aggravation und Simulation geprägt gewesen sei. In diese Richtung hätten die von ihm demonstrierten schmerzbedingten Einschränkungen gewiesen, die bei direkter Prüfung demonstrierter Paresen im Widerspruch zur Funktionsfähigkeit außerhalb der direkten Prüfung gestanden hätten. Dies sei auch das Ergebnis des Mini-Mental-Status und der Zung-Depressionsskala gewesen. Insoweit könne keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die berichteten Störungen vorgetäuscht würden oder wurden. Es sei auch durchaus möglich, dass diese außerhalb der Untersuchungssituation nicht in dem Ausmaß bestünden, wie sie vom Kläger geschildert worden seien. Aufgrund dieser beschriebenen Neigung zur Simulation oder Aggravation könne letztlich nicht mit hinreichender Sicherheit die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nur auf objektivierbare Befunde gestützt werden. Der psychopathologische Befund sei durchaus geprägt gewesen von einer gedrückten bis subdepressiven Stimmungslage, sodass er Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb für nicht leidensgerecht halte. Vor dem Hintergrund des stattgehabten Eingriffs im Bereich der Halswirbelsäule erscheine es ihm darüber hinaus nachvollziehbar, dass durchaus lokale Bewegungseinschränkungen bestünden, weswegen dauerhaft mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten nicht möglich seien. Des Weiteren sollten Tätigkeiten mit vermehrten Überkopfarbeiten vermieden werden, außerdem Tätigkeiten in Kälte, Nässe und Zugluft. Gerade im Hinblick auf die objektivierbaren Befunde sei für ihn zu keiner Zeit ein Grund erkennbar gewesen, warum der Kläger nicht in der Lage sein sollte, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben.
Der Kläger hat daraufhin noch u.a. folgende weitere Befundberichte vorgelegt:
Dr. T. vom 10.06.2012 (monoton anhaltender Ganzkörperschmerz, Verkrampfung und Kraftminderung der Muskulatur, unwillkürliche Muskelzuckungen, zuletzt Verschlechterung und Schmerzen insbesondere der linken Körperseite. Der Patient sei zwischenzeitlich vielfach in der Muskelsprechstunde der Neurologischen Klinik der Universität U. gewesen, auch stationär zwecks Muskelbiopsie, diagnostiziert worden sei eine primäre Myositis [DD myositische Begleitreaktion]. Die vorgeschlagenen Behandlungen seien jeweils vollkommen wirkungslos geblieben. Therapeutisch bleibe im Augenblick nur Amitripthylin 25 und TENS).
Dr. H., Berichte vom 31.07.2013 und vom 21.01.2014 über eine Gastroskopie mit den Diagnosen Sooroesophagitis, chronische Helikobactergastritis mit der Einleitung einer Helikobacter-Eradikationsbehandlung.
Dr. T. (Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde) vom 03.07.2013, 27.06.2014 und 29.08.2014, der eine bronchiale Hyperreagibilität und eine COPD mit leichter bronchialen Obstruktion und einer laufenden Inhalationstherapie beschrieben hat.
Bericht der Internistin und Kardiologin H. vom 23.12.2013 über anhaltende linksthorakale Schmerzen und ein Brennen, welche nicht beeinflussbar gewesen seien. Die stufenweise Ergometerbelastung im Sitzen habe nach zwei Minuten bei 75 Watt wegen peripherer Erschöpfung abgebrochen werden müssen. Es hätten keine Angina pectoris oder ST-Senkungen nachgewiesen werden können. Die geklagten Thoraxschmerzen seien etwas atypisch, ihres Erachtens am ehesten vertebragen bedingt. Aufgrund der Untersuchungsbefunde bestehe vorerst kein sicherer Anhalt für das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung.
Bericht von Dr. R. und Dr. W. (Polyklinik für Neurologie im Universitätsklinikum U.) vom 18.02.2014 mit den Diagnosen: Zustand nach Myositis, muskelbiotisch 4/2012 gesichert (DD primäre Myositis, Begleitmyositis bei degenerativer Myopathie ohne Vaskulitis) und Verdacht auf Myalgie-Faszikulations-Crampussyndrom.
Zu diesen Befundberichten hat Dr. B. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 09.03.2013 und 08.05.2014 Stellung genommen.
Zuletzt hat der Kläger den Bericht der Internisten Dres. K. mit den Diagnosen Hämorrhoiden I. Grades, Kolonpolyp, Gewichtsverlust unklarer Genese, Zustand nach zweimaliger Helikobacter-Eradikationstherapie, zuletzt 1/2014 Refluxösophagitis vorgelegt (25.06.2014). Darüber hinaus liegt der pathologische Befundbericht der Prosektur am Bezirkskrankenhaus Günzburg, Prof. Dr. M., vom 27.06.2014 vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2014, § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht keine Rente über den 31.05.2009 hinaus zu.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Berichtes der Rehaklinik K., des Gutachtens von Dr. Altrichter, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie der Gutachten von Priv.-Doz. Dr. K. und Dr. W ... Aus den beigezogenen Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Priv. Doz. Dr. W./Dr. G. ergibt sich insoweit nichts anderes.
Dabei stellt der Senat zunächst fest, dass die zur Rentengewährung bis Mai 2009 führenden Erkrankungen deutlich gebessert sind und die Gewährung einer Rente über diesen Zeitpunkt hinaus nicht mehr rechtfertigen. Denn nach den Feststellungen von Dr. J. lagen damals eine vollständige Läsion des Nervus medianus links mit einer weitgehenden Funktionslosigkeit des linken Armes, ein Zervikobrachialsyndrom und ein polyradikuläres Syndrom C 5 bis C 7 vor, welche eine deutliche Atrophie der gesamten Armmuskulatur sowie eine massive Atrophie der Fingermuskulatur links bedingten. Die schon von Dr. T. angegebene Besserung der Befunde in dessen von der Beklagten beigezogenem Bericht vom 19.01.2009 wurde im Entlassungsbericht der Rehaklinik K. vom 18.05.2009 und durch das Gutachten von Dr. A. bestätigt. Trotz der weitgehenden Fixierung auf die Schmerzsymptomatik und der subjektiv demonstrierten Leistungsinsuffizienz sowie einem ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhalten konnte Dr. A. die in den Vorbefunden beschriebene zervikale Myelopathie ausschließen. Zurückgeblieben ist diesbezüglich lediglich eine geringe Umfangsdifferenz zugunsten des linken Beines ohne radikuläre Störung im Bereich der oberen und auch der unteren Extremitäten. Die sensiblen Störungen im Bereich des linken Armes beruhen auf dem Sulcus-ulnaris-Syndrom, wobei das Ausmaß des Pelzigkeitsgefühls bis zum linken Ellenbogen von ihr als etwas untypisch beschrieben wurde, ein motorisches Defizit fand sich aber auch hier nicht. Das zur Klärung der Unfallfolgen vom SG im Verfahren S 9 U 342/07 eingeholte Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. vom 25.05.2010 stimmt mit diesem Befund und dieser Bewertung weitgehend überein. Dessen Untersuchung ergab auf neurologischem Fachgebiet eine nur leichtgradige Läsion des linken N. ulnaris. Darüber hinaus fand er überwiegend subjektive Beschwerden nach stattgehabter Wirbelkörperfusion HWK 5 bis 7 in Form von Nacken-Schulter-Armschmerzen. Die bereits von Dr. A. angesprochenen aggravatorischen bis simulatorischen Tendenzen des Klägers bestätigte auch er. Eine von ihm veranlasste Bestimmung des Blutspiegels wegen der vom Kläger angegebenen - ständigen - Einnahme von Amitriptylin ergab keinen messbaren Nachweis, was nach den Ausführungen des Sachverständigen die Einnahme dieses Medikamentes in den unmittelbaren Tagen vor der Untersuchung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließt. Ferner beschreibt er beidseits eine kräftige, etwas rechtsbetonte Handbeschwielung, die in einem erheblichen Umfang gegen das völlige Vermeiden körperlicher Aktivitäten spricht. Darüber hinaus zeigte der Kläger im Finger-Nase-Versuch linksseitig ein konstantes Vorbeizeigen, für das es organisch keine Erklärung gibt. Prof. Dr. Dr. W. vertrat in diesem Gutachten dann auch nachvollziehbar und überzeugend die Auffassung, dass es auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keinen Grund gibt, weshalb der Kläger seine bisherige Tätigkeit als Kraftfahrer nicht wieder ausüben können sollte. Bei Fehlen einer Medikamenteneinnahme besteht - worauf Prof. Dr. Dr. W. zu Recht hinweist - auch kein Grund für eine Einschränkung, die eine solche berücksichtigt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. K ... Unter Berücksichtigung der bekannten Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und des Sulcus-ulnaris-Syndroms links kommt der Sachverständige zu der nachvollziehbaren und schlüssigen Überzeugung, dass wegen der Folgen der Versteifungsoperation an der HWS und wegen des Sulcus-ulnaris-Syndroms zwar qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sind, leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber noch sechs Stunden und mehr am Tag möglich sind. Dies steht zudem in Übereinstimmung mit den gehörten behandelnden Ärzten. Denn auch der Neurologe und Psychiater Dr. T. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 04.04.2011 über eine Verbesserung der nach der zweiten Operation am Ellenbogen im Dezember 2006 noch hochgradigen Läsion des N. ulnaris berichtet. So war die Kraft der linken Hand nach seinen Feststellungen nicht mehr wesentlich gemindert, was im Übrigen wiederum für die Aggravation des Klägers während der Begutachtung durch Priv.-Doz. Dr. K. spricht. Denn dort war die Kraftprüfung an den Oberarmen sowie des Handrückens nicht verwertbar, nachdem der Kläger diese überraschend schlaff ausgeführt hatte. Gegenüber dem Senat gab Dr. T. im Übrigen in Übereinstimmung mit dem Gutachten an (13.03.2012), dass dem Kläger wegen der verminderten Belastbarkeit der Halswirbelsäule noch leichte, gelegentliche mittelschwere Arbeiten zumutbar sind. Auch der Hausarzt Dr. J. bestätigte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 24.03.2011 (nach einer Behandlung seit 19.01.2011) die rezidivierenden Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule mit ausstrahlenden Beschwerden in beide Hände, hielt den Kläger aber noch für in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Unter Berücksichtigung dessen hat auch der Senat keine Zweifel an einer zeitlich nicht eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers. Mit Priv.-Doz. Dr. K. ist allenfalls sicherzustellen, dass es sich um eine überwiegend im Sitzen auszuübende, leichte bis mittelschwere Tätigkeit handelt und Wirbelsäulenzwangshaltungen, Bewegungsmonotonien, überdurchschnittlich häufiges Bücken, Drehen, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit freier Rumpfvorbeuge oder Rumpfneigung sowie Vibrationsbelastungen vermieden werden. Gleiches gilt für Tätigkeiten in kalter, feuchter oder zugiger Umgebung.
Die von Dr. S. beschriebene mittelgradige Depression sieht der Senat aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Dr. W. als widerlegt an, wobei anzumerken bleibt, dass auch Dr. S. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vor dem SG vom 25.03.2011 keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sah (vgl. Antwort auf Frage 4).
Der Senat vermag darüber hinaus keine weiteren Erkrankungen zu erkennen, die die vom Kläger geltend gemachte zeitliche Leistungseinschränkung begründen könnten. Dies gilt insbesondere für die in den Berichten der Neurologischen Klinik Ulm beschriebene Myositis (Pschyrembel: entzündliche Reaktion von Muskeln od. Muskelgruppen mit akutem und chronischem Verlauf), in deren Zusammenhang auch der Ganzkörperschmerz bzw. die Verdachtsdiagnose einer Fibromyalgie, die Verkrampfungen und die beschriebenen Zuckungen zu sehen sind. Allerdings handelt es sich bei der Diagnose "Myositis" als auch "Myalgiefaszikulations-Crampussyndrom" nur um Verdachtsdiagnosen, wobei die von der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Ulm 2012 (Berichte vom 09.03.2012 und Entlassungsbericht vom 24.04.2012) durchgeführte Muskelbiopsie nur einen geringgradigen Befund ergab, der eine Unterscheidung zwischen einer primären Myositis und einer myositischen Begleitreaktion nicht zuließ. Dem Bericht der Neurologischen Klinik vom 26.06.2012 lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass die behandelnden Ärzte diese Diagnose aufgrund der anhaltenden Beschwerden trotz Steroidmedikation selbst in Frage gestellt haben und die Myalgien schließlich im Zusammenhang mit einer laborchemisch festgestellten ausgeprägten Vitamin-D Erniedrigung sahen. Dr. T. hat insoweit auch bestätigt, dass der anhaltende Körperschmerz, die Kraftminderung der Muskulatur und die unwillkürlichen Muskelzuckungen therapieresistent sind, dass vorgeschlagene Behandlungen jeweils vollkommen wirkungslos geblieben sind und deren Bedeutung für die Leistungsfähigkeit unklar ist (Aussage vom 13.03.2012). Soweit die Muskelzuckungen tatsächlich vorliegen (Myalgie-Faszikulations-Crampussyndrom als Verdachtsdiagnose auch im Bericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums U. vom 18.02.2014 erwähnt, Behandlung mit Carbamazepin erwogen), stellen diese jedenfalls keine die zeitliche Leistungsfähigkeit mindernde Erkrankung dar. Der Senat bezieht sich dabei auch auf die Feststellungen und Untersuchungsergebnisse von Priv.-Doz. Dr. K. und von Dr. W ... Priv.-Doz. Dr. K. beschrieb die Untersuchung des Muskeltonus und des paravertebralen Hartspanns mit einer vom Kläger in allen Untersuchungen massiv angespannten Muskulatur und einem Gegenspannen, das von einem Schütteln des ganzen Oberkörpers begleitet gewesen war, was bei den zuvor beobachteten Bewegungen inklusive dem Entkleiden nicht zu beobachten war. Nachdem sich die Muskulatur in unbeobachteten Momenten entspannte, ist seine Beurteilung im Sinne einer erheblich vorgetragenen Aggravation ebenfalls nachvollziehbar und überzeugend; auch deshalb, weil weder die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums U. noch die behandelnden Ärzte über ähnliche Beobachtungen (und deren Deutung) berichtet haben. Die Einschätzung des Priv.-Doz. Dr. K. wird zudem durch die des Dr. W. bestätigt. Denn auch dieser beschreibt das Verhalten des Klägers in der Untersuchung zunächst als ohne erkennbare schmerzbedingte Ausgleichsbewegungen während des Gespräches und während des Ausfüllens der testpsychologischen Fragebögen. Dabei gestikulierte der Kläger regelrecht ohne erkennbare Einschränkungen im Bereich der oberen Extremität und des Kopfes. Bei direkter Prüfung äußerte der Kläger dann aber heftige Schmerzen bei der Lasègue-Prüfung bei 50 Grad, obwohl er später bei der Prüfung des Babinski-Zeichens mehrere Minuten problemlos im Langsitz bei 90 Grad sitzen konnte. (Funktions-)Einschränkungen von zeitlich limitierendem Ausmaß aufgrund der geklagten Schmerzen ließen sich damit in keiner der durchgeführten Untersuchungen sichern.
Die bronchiale Hyperreagibilität und COPD, die nach den Ausführungen im Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Ulm vom 24.04.2012 nur eine geringe restriktive Funktionsstörung bedingt, sind ebenfalls nicht geeignet, eine zeitliche Leistungsminderung zu begründen. Auch Dr. T. hat in seinem Bericht vom 29.08.2014 nur eine leichte Obstruktion beschrieben. Darüber hinaus ließ sich kardiologisch keine ernsthafte Erkrankung nachweisen, was der Senat dem Bericht der Kardiologin H. vom 23.12.2013 entnimmt, die nach der durchgeführten Ergometerbelastung weder eine Angina pectoris noch ST-Senkungen feststellen konnte. Für eine Verschlimmerung diesbezüglich besteht insoweit kein Anhaltspunkt.
Ferner handelt es sich bei den Hämorrhoiden I. Grades, dem festgestellten Kolonpolyp, dem Zustand nach zweimaliger Helikobacter-Eradikationstherapie und der im Januar 2014 diagnostizierten Refluxösophagitis um behandelbare Erkrankungen, die einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen stehen, worauf Dr. B. zu Recht hingewiesen hat.
Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit nicht voll erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Kläger ist somit keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, denn keiner der gehörten Ärzte hat über eine eingeschränkte Gehfähigkeit berichtet. Darüber hinaus sind auch keine Gesundheitseinschränkungen ersichtlich, die eine solche begründen könnten. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. So sind die dem Kläger noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten in wechselnder bzw. überwiegend sitzender Körperhaltung nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten, Zwangshaltungen, Bewegungsmonotonien, Überkopfarbeiten, häufigem Bücken, Drehen und Tätigkeiten mit freier Rumpfvorbeuge oder Rumpfneigung sowie Vibrationsbelastungen verbunden. Sie sind regelmäßig auch nicht in kalter, feuchter oder zugiger Umgebung auszuüben. Der Ausschluss von Arbeiten mit inhalativen Belastungen, die der Senat aufgrund der bronchialen Reagibilität und der COPD zusätzlich berücksichtigt, führt zu keiner spezifischen Leistungsbehinderung und keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, zumal die körperlich leichten Tätigkeiten in der Regel im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung ohne Einwirkung von inhalativen Belastungen verrichtet werden.
Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.05.2009 hinaus.
Der am 18.04.1961 in Kasachstan geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und am 30.04.1993 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. Zuletzt war er bei der Firma K. GmbH in V. als Müllwerker und Kraftfahrer beschäftigt. Am 10.03.2005 erlitt er einen Arbeitsunfall, wobei er sich bei einem Sturz Verletzungen am Rücken und am linken Ellenbogen zuzog. Ein Grad der Behinderung ist mit 60 seit dem 30.08.2012 festgestellt (Bescheid des Landratsamtes A. vom 20.11.2014).
Aufgrund eines Antrages auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 04.01.2007 (und eines Antrages auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 21.03.2007) gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31.05.2009 ausgehend von einem Leistungsfall am 20.03.2006 mit Rentenbeginn am 01.01.2007. Grundlage hierfür war das Gutachten von Dr. J. vom 08.05.2007. Der Facharzt für Chirurgie stellte nach einer Untersuchung am 04.05.2007 einen Ausfall des Nervus ulnaris links sowie ein polyradikuläres Syndrom C5 bis C7 mit massiver Funktionseinschränkung, ein Zervikobrachialsyndrom trotz zweimaliger Bandscheibenoperation und ventraler Plattenosteosynthese HWK 5 bis 7 mit deutlicher Funktionseinschränkung sowie eine Anpassungsstörung mit reaktiver Depression fest. Auch unter Beachtung qualitativer Anforderungen an eine Berufstätigkeit hielt er ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden selbst für leichte Tätigkeiten für gegeben.
Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 10.02.2009 zog die Beklagte zunächst den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. T. bei, der unter dem 19.01.2009 eine Besserung des Befundes in den letzten zwölf Monaten beschrieb. Die Beklagte leitete daraufhin eine medizinische Rehabilitation in der Rehaklinik K., N., ein. Dort befand sich der Kläger vom 21.04.2009 bis 09.05.2009 in stationärer Behandlung. Im Rehaentlassungsbericht vom 18.05.2009 wurden folgende Diagnosen angegeben: • Zervikaler Bandscheibenvorfall mit initialer ventraler Diskektomie und Implantation einer Bandscheibenprothese • Dislokation PCM-Prothese HWK 6/7, erneute OP 18.08.06 mit ventraler Dekompression HWK 5/6 und Implant. von 2, • Zervikozephalgien, • chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, • Zervikobrachialgie links.
Nach der Beurteilung der behandelnden Ärzte seien dem Kläger leichte Tätigkeiten zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen und überwiegend im Sitzen in Tages- sowie in Früh- und Spätschicht noch möglich. Aufgrund der chronifizierten Beschwerdesymptomatik von Seiten der zervikalen und lumbalen Wirbelsäule seien keine Tätigkeiten mehr zumutbar mit schwerem Heben und Tragen von Lasten (Obergrenze 8 kg), mit Zwangshaltung der Wirbelsäule, mit häufigem Bücken sowie in einseitiger Körperhaltung. Auch sollten keine Tätigkeiten mehr zugemutet werden, die mit Überkopfarbeiten einhergingen und zu Belastungen der Kniegelenke führen. Gleiches gelte für Arbeiten in Hockstellung, in Nachtschicht und unter Zeitdruck.
Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den Monat Mai 2009 hinaus ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch veranlasste die Beklagte eine nervenärztliche Begutachtung durch Dr. A., N ... Diese stellte in ihrem Gutachten vom 30.09.2009 aufgrund der Untersuchung des Klägers vom 17.09.2009 eine Zervikobrachialgie nach Fusionsoperation HWK 5 bis 7 sowie ein Sulcus-ulnaris-Syndrom links fest. Ihr neurologischer Untersuchungsbefund sei bezüglich der zeitlich vor der Operation beschriebenen zervikalen Myelopathie unauffällig gewesen. Als Folge bestehe lediglich eine geringe Umfangsdifferenz zu Gunsten des linken Beines. Eine radikuläre Störung im Bereich der oberen und auch der unteren Extremität lasse sich nicht nachweisen. Es bestünden ein leicht verzögertes Tibialis-SEP rechts sowie eine sensible Störung im Bereich des linken Armes, welche auf das nachgewiesene Sulcus-ulnaris-Syndrom links mit verzögerter Nervenleitgeschwindigkeit zurückzuführen und ohne motorisches Defizit sei. Darüber hinaus war eine weitgehende Schmerzfixierung festzustellen. Der Kläger nehme zweimal täglich 50 mg Amitrypthylin ein, weitere Behandlungen erfolgten nicht. Termine in der Schmerzambulanz habe er nur zweimal wahrgenommen. Mit der Behandlung im Heilverfahren sei der Kläger nicht zufrieden gewesen, weil man ihn für arbeitsfähig gehalten habe. Trotz der angegebenen Beschwerden sei der Kläger aber in der Lage, in den Urlaub in die Ukraine zu fliegen und auch Auto zu fahren. Auf Nachfrage räume er ein, dass das Auto noch angemeldet sei und er auch gelegentlich selber fahre. Beim Gespräch und der Untersuchung bestehe eine massive Verdeutlichungstendenz an der Grenze zur Simulation, was auch der durchgeführte Simulationstest untermauere. Der Kläger sei nicht nur überzeugt, dass er nicht arbeiten könne, sondern auch davon, dass die Ursache seiner Beschwerden bislang nicht gefunden worden sei und er möglicherweise an einer noch unentdeckten Krankheit leide. Unter Beachtung näher ausgeführter qualitativer Leistungseinschränkungen könne der Kläger täglich noch sechs Stunden und mehr arbeitstätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.
Das SG hat zunächst das nervenärztliche Fachgutachten von Prof. Dr. Dr. W., G., vom 25.05.2010, die fachneurochirurgischen Gutachten von Priv.-Doz. Dr. W. und Dr. G. vom 17.12.2007 und 27.05.2008 aus dem bei der 9. Kammer des SG anhängigen Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (S 9 U 342/07) sowie die sachverständige Zeugenaussage von Dr. E. und des Assistenzarztes T., Klinik für Physikalische und Rehabilitative Medizin U., vom 14.08.2007 aus dem vor der 2. Kammer des SG anhängigen Schwerbehindertenverfahren (S 2 SB 2591/07) beigezogen.
Hierzu hat für die Beklagte Dr. B. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.10.2010 Stellung genommen (vgl. Bl. 50 f. der SG-Akte).
Das SG hat ferner den Hausarzt des Klägers Dr. K., den Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin Dr. J., den Neurologen und Psychiater Dr. S., den Neurologen und Psychiater Dr. T. und den Orthopäden Dr. W. als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. Knaus hat unter dem 21.03.2011 ein Schmerzsyndrom im Bereich der HWS, der linken Schulter und des linken Ellenbogens mit Sensibilitätsstörung und Kraftminderung im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris bei gleichbleibenden Beschwerden seit Mai 2007 beschrieben. Zu Angaben über die Arbeits- und Gehfähigkeit des Klägers hat er sich nicht in der Lage gesehen. Dr. J. hat über seit 2006 bestehende rezidivierende Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Hände, wobei sich die Schmerzen seit März 2007 verstärkt hätten, berichtet. Nach seinen Feststellungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten (Aussage vom 24.03.2011). Dr. S. hat unter dem 25.03.2011 eine seit Jahren bestehende mittelgradige Depression festgestellt. Diese habe auch durch Antidepressiva und regelmäßige Einzelgespräche nicht gelindert werden können. Der Befund sei seit Mai 2007 unverändert. Es lägen keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit vor. Dr. T. hat unter Berücksichtigung der bekannten Diagnosen eine im Verlauf von drei Jahren bis März 2010 kontinuierliche und erfreuliche Verbesserung der Folgen der Läsion des Nervus ulnaris links beschrieben. Zuletzt sei die Kraft der linken Hand nicht mehr wesentlich gemindert gewesen. Angaben zur Leistungsfähigkeit machte Dr. T. nicht (Aussage vom 04.04.2011). Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 11.04.2011 ausgeführt, dass er den Kläger erstmalig am 17.03.2011 gesehen habe. Es bestehe ein Zustand nach Operation einer HWS-Fraktur, eine hochgradige Funktionseinschränkung der HWS und eine Schulterteilsteife beidseits.
Das SG hat daraufhin Priv.-Doz. Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in U., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Unter Berücksichtigung eines vom Kläger vorgelegten Befundberichtes der Orthopädischen Universitätsklinik U. über eine spezielle orthopädische Schmerztherapie in der Tagesklinik im Zeitraum vom 21.03.2011 bis 08.04.2011 stellte Priv.-Doz. Dr. K. (Gutachten vom 26.05.2011) die Diagnosen chronische Zervikozephalgie, Zustand nach ventraler Diskektomie und Implantation einer Bandscheibenprothese HWK 6/7 April 2006, Zustand nach ventraler Dekompression HWK 5/6, ME der Prothese HWK 6/7, Zustand nach Spondylodese HWK 5/6/7 08/2006 bei Dislokation der Prothese HWK 6/7, alter minimaler Deckplatteneinbruch HWK 2, Bandscheibenprotrusionen HWK 3/4 und HWK 7/TH 1 und -prolaps HWK 4/5, foraminale Stenosen HWK 3/4 bis HWK 6/7 sowie eine durch die genannten Erkrankungen an der HWS bedingte Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, Sulcus-ulnaris-Syndrom links und Anpassungsstörung (depressive Reaktion). In qualitativer Hinsicht bestehe eine Einschränkung der dynamischen Wirbelsäulenbelastbarkeit für Wirbelsäulenzwangshaltungen, für Bewegungsmonotonien, überdurchschnittlich häufiges Bücken, Drehen, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit freier Rumpfvorbeuge oder Rückneigung. Die Wirbelsäulenstatik sei ebenso betroffen, sodass schwere Arbeiten in überwiegend einseitigen Körperhaltungen nicht mehr durchgeführt werden sollten. Auch Vibrationsbelastungen seien ebenso wie Arbeiten in kalter, feuchter oder zugiger Umgebung zu vermeiden. Der Kläger könne unter Berücksichtigung dessen noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs Stunden ausführen. Die Arbeitsbedingungen seien auf überwiegendes Sitzen mit gelegentlichem Gehen und Stehen anzupassen. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Auch Priv.-Doz. Dr. K. hat über eine erhebliche Aggravation des Klägers im Untersuchungsgang berichtet. Mit Gerichtsbescheid vom 03.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung den Feststellungen von Dr. K. und Dr. A. angeschlossen.
Gegen den ihm am 05.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem beim SG am 02.09.2011 eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages hat der Kläger daran festgehalten, nach wie vor nicht in der Lage zu sein, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Er hat auf eine zwischenzeitlich erfolgte Behandlung im Zentrum für ganzheitliche Schmerztherapie verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. August 2011 sowie den Bescheid vom 4. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 aufzuheben und ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Mai 2009 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen bei der Fachärztin für Anästhesiologie Dr. B. und beim Neurologen und Psychiater Dr. T ...
Dr. B. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 25.01.2012 die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bei Ganzkörperschmerz angegeben. Es handele sich um ein Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen, also um ein hoch chronifiziertes therapieresistentes Schmerzsyndrom. Ob der Kläger seine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen könne, könne sie nicht beurteilen. Dr. T. hat unter dem 13.03.2012 angegeben, dass nach dem zervikalen Bandscheibenvorfall und den Operationen am 24.06.2006 und 18.08.2006 von einer verminderten Belastbarkeit der (Hals-)Wirbelsäule auszugehen sei. Von daher seien dem Kläger nur noch leichte, gelegentlich bis mittelschwere Arbeiten zumutbar. Der vom Kläger angegebene Ganzkörperschmerz mit Verkrampfungen und Zuckungen der Muskulatur sei bis jetzt diagnostisch nicht zuzuordnen und therapieresistent. Die Bedeutung für die Leistungsfähigkeit sei bis jetzt unklar. Diesbezüglich sei eine stationäre Aufnahme in der Neurologischen Klinik der Universitätsklinik U. zwecks Muskelbiopsie vorgesehen.
Der Senat hat hierauf den Entlassungsbericht der Neurologischen Universitätsklinik U. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 18.04.2012 bis 24.04.2012 beigezogen. Prof. Dr. L., Prof. Dr. R. und Dr. S. haben eine am 20.04.2012 komplikationslos verlaufene Muskelbiopsie beschrieben. Bei der ersten Durchsicht der Befunde hätten sich entzündliche Zeichen gefunden, weshalb trotz eines untypischen Verteilungsmusters, fehlender Paresen und einer fehlenden systemischen Entzündungsreaktion eine Kortisontherapie empfohlen worden sei. Die Muskelbiopsie einschließlich Immunhistochemie habe Hinweise auf eine entzündliche Reaktion ergeben, wobei aufgrund des geringgradigen Befundes nicht unterschieden werden könne, ob es sich um eine primäre Myositis oder um eine myositische Begleitreaktion handele.
Der Kläger hat darüber hinaus den Bericht des Zentrums für Innere Medizin im Universitätsklinik U. vom 26.06.2012 über einen stationären Aufenthalt vom 20.06.2012 bis 27.06.2012 mit den Diagnosen Knöchelödeme beidseits (am ehesten unter Steroidtherapie bei anhaltenden Myalgien (DD Myositis, DD Vitamin D-Mangel), Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom, COPD, Nikotinabusus 10 py, Sulcus-ulnaris-Syndrom links, Kolonpolypen (Histologie bei Entlassung ausstehend), Verdacht auf Barrett-Ösophagus (Histologie bei Entlassung ausstehend) vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass in der Zusammenschau aller Befunde die Ödeme am ehesten im Zusammenhang mit der Steroidmedikation stünden. Es war die schrittweise Reduktion bis zum vollkommenen Ausschleichen empfohlen worden. Dr. R. und Dr. W. (Polyklinik für Neurologie im Universitätsklinikum Ulm) wiederholten in dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht vom 07.11.2012 die Verdachtsdiagnose einer primären Myositis.
Hierauf hat für die Beklagte Dr. B. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 18.12.2012 und 27.03.2013 Stellung genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines neurologisch-psychiatrischen Fachgutachtens bei Dr. W., N ... Dieser hat nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers am 18.07.2013 in seinem Gutachten vom 23.07.2013 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine leichte depressive Episode, die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und eine Ulnarisläsion mit Restbeschwerden nach Kubitaltunnel-Operation links 2006 festgestellt. Er hat ausgeführt, dass das Verhalten des Klägers während der Untersuchung ganz erheblich von einer Neigung zur bewusstseinsnahen Aggravation und Simulation geprägt gewesen sei. In diese Richtung hätten die von ihm demonstrierten schmerzbedingten Einschränkungen gewiesen, die bei direkter Prüfung demonstrierter Paresen im Widerspruch zur Funktionsfähigkeit außerhalb der direkten Prüfung gestanden hätten. Dies sei auch das Ergebnis des Mini-Mental-Status und der Zung-Depressionsskala gewesen. Insoweit könne keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die berichteten Störungen vorgetäuscht würden oder wurden. Es sei auch durchaus möglich, dass diese außerhalb der Untersuchungssituation nicht in dem Ausmaß bestünden, wie sie vom Kläger geschildert worden seien. Aufgrund dieser beschriebenen Neigung zur Simulation oder Aggravation könne letztlich nicht mit hinreichender Sicherheit die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nur auf objektivierbare Befunde gestützt werden. Der psychopathologische Befund sei durchaus geprägt gewesen von einer gedrückten bis subdepressiven Stimmungslage, sodass er Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb für nicht leidensgerecht halte. Vor dem Hintergrund des stattgehabten Eingriffs im Bereich der Halswirbelsäule erscheine es ihm darüber hinaus nachvollziehbar, dass durchaus lokale Bewegungseinschränkungen bestünden, weswegen dauerhaft mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten nicht möglich seien. Des Weiteren sollten Tätigkeiten mit vermehrten Überkopfarbeiten vermieden werden, außerdem Tätigkeiten in Kälte, Nässe und Zugluft. Gerade im Hinblick auf die objektivierbaren Befunde sei für ihn zu keiner Zeit ein Grund erkennbar gewesen, warum der Kläger nicht in der Lage sein sollte, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben.
Der Kläger hat daraufhin noch u.a. folgende weitere Befundberichte vorgelegt:
Dr. T. vom 10.06.2012 (monoton anhaltender Ganzkörperschmerz, Verkrampfung und Kraftminderung der Muskulatur, unwillkürliche Muskelzuckungen, zuletzt Verschlechterung und Schmerzen insbesondere der linken Körperseite. Der Patient sei zwischenzeitlich vielfach in der Muskelsprechstunde der Neurologischen Klinik der Universität U. gewesen, auch stationär zwecks Muskelbiopsie, diagnostiziert worden sei eine primäre Myositis [DD myositische Begleitreaktion]. Die vorgeschlagenen Behandlungen seien jeweils vollkommen wirkungslos geblieben. Therapeutisch bleibe im Augenblick nur Amitripthylin 25 und TENS).
Dr. H., Berichte vom 31.07.2013 und vom 21.01.2014 über eine Gastroskopie mit den Diagnosen Sooroesophagitis, chronische Helikobactergastritis mit der Einleitung einer Helikobacter-Eradikationsbehandlung.
Dr. T. (Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde) vom 03.07.2013, 27.06.2014 und 29.08.2014, der eine bronchiale Hyperreagibilität und eine COPD mit leichter bronchialen Obstruktion und einer laufenden Inhalationstherapie beschrieben hat.
Bericht der Internistin und Kardiologin H. vom 23.12.2013 über anhaltende linksthorakale Schmerzen und ein Brennen, welche nicht beeinflussbar gewesen seien. Die stufenweise Ergometerbelastung im Sitzen habe nach zwei Minuten bei 75 Watt wegen peripherer Erschöpfung abgebrochen werden müssen. Es hätten keine Angina pectoris oder ST-Senkungen nachgewiesen werden können. Die geklagten Thoraxschmerzen seien etwas atypisch, ihres Erachtens am ehesten vertebragen bedingt. Aufgrund der Untersuchungsbefunde bestehe vorerst kein sicherer Anhalt für das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung.
Bericht von Dr. R. und Dr. W. (Polyklinik für Neurologie im Universitätsklinikum U.) vom 18.02.2014 mit den Diagnosen: Zustand nach Myositis, muskelbiotisch 4/2012 gesichert (DD primäre Myositis, Begleitmyositis bei degenerativer Myopathie ohne Vaskulitis) und Verdacht auf Myalgie-Faszikulations-Crampussyndrom.
Zu diesen Befundberichten hat Dr. B. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 09.03.2013 und 08.05.2014 Stellung genommen.
Zuletzt hat der Kläger den Bericht der Internisten Dres. K. mit den Diagnosen Hämorrhoiden I. Grades, Kolonpolyp, Gewichtsverlust unklarer Genese, Zustand nach zweimaliger Helikobacter-Eradikationstherapie, zuletzt 1/2014 Refluxösophagitis vorgelegt (25.06.2014). Darüber hinaus liegt der pathologische Befundbericht der Prosektur am Bezirkskrankenhaus Günzburg, Prof. Dr. M., vom 27.06.2014 vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2014, § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht keine Rente über den 31.05.2009 hinaus zu.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Berichtes der Rehaklinik K., des Gutachtens von Dr. Altrichter, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie der Gutachten von Priv.-Doz. Dr. K. und Dr. W ... Aus den beigezogenen Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Priv. Doz. Dr. W./Dr. G. ergibt sich insoweit nichts anderes.
Dabei stellt der Senat zunächst fest, dass die zur Rentengewährung bis Mai 2009 führenden Erkrankungen deutlich gebessert sind und die Gewährung einer Rente über diesen Zeitpunkt hinaus nicht mehr rechtfertigen. Denn nach den Feststellungen von Dr. J. lagen damals eine vollständige Läsion des Nervus medianus links mit einer weitgehenden Funktionslosigkeit des linken Armes, ein Zervikobrachialsyndrom und ein polyradikuläres Syndrom C 5 bis C 7 vor, welche eine deutliche Atrophie der gesamten Armmuskulatur sowie eine massive Atrophie der Fingermuskulatur links bedingten. Die schon von Dr. T. angegebene Besserung der Befunde in dessen von der Beklagten beigezogenem Bericht vom 19.01.2009 wurde im Entlassungsbericht der Rehaklinik K. vom 18.05.2009 und durch das Gutachten von Dr. A. bestätigt. Trotz der weitgehenden Fixierung auf die Schmerzsymptomatik und der subjektiv demonstrierten Leistungsinsuffizienz sowie einem ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhalten konnte Dr. A. die in den Vorbefunden beschriebene zervikale Myelopathie ausschließen. Zurückgeblieben ist diesbezüglich lediglich eine geringe Umfangsdifferenz zugunsten des linken Beines ohne radikuläre Störung im Bereich der oberen und auch der unteren Extremitäten. Die sensiblen Störungen im Bereich des linken Armes beruhen auf dem Sulcus-ulnaris-Syndrom, wobei das Ausmaß des Pelzigkeitsgefühls bis zum linken Ellenbogen von ihr als etwas untypisch beschrieben wurde, ein motorisches Defizit fand sich aber auch hier nicht. Das zur Klärung der Unfallfolgen vom SG im Verfahren S 9 U 342/07 eingeholte Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. vom 25.05.2010 stimmt mit diesem Befund und dieser Bewertung weitgehend überein. Dessen Untersuchung ergab auf neurologischem Fachgebiet eine nur leichtgradige Läsion des linken N. ulnaris. Darüber hinaus fand er überwiegend subjektive Beschwerden nach stattgehabter Wirbelkörperfusion HWK 5 bis 7 in Form von Nacken-Schulter-Armschmerzen. Die bereits von Dr. A. angesprochenen aggravatorischen bis simulatorischen Tendenzen des Klägers bestätigte auch er. Eine von ihm veranlasste Bestimmung des Blutspiegels wegen der vom Kläger angegebenen - ständigen - Einnahme von Amitriptylin ergab keinen messbaren Nachweis, was nach den Ausführungen des Sachverständigen die Einnahme dieses Medikamentes in den unmittelbaren Tagen vor der Untersuchung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließt. Ferner beschreibt er beidseits eine kräftige, etwas rechtsbetonte Handbeschwielung, die in einem erheblichen Umfang gegen das völlige Vermeiden körperlicher Aktivitäten spricht. Darüber hinaus zeigte der Kläger im Finger-Nase-Versuch linksseitig ein konstantes Vorbeizeigen, für das es organisch keine Erklärung gibt. Prof. Dr. Dr. W. vertrat in diesem Gutachten dann auch nachvollziehbar und überzeugend die Auffassung, dass es auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keinen Grund gibt, weshalb der Kläger seine bisherige Tätigkeit als Kraftfahrer nicht wieder ausüben können sollte. Bei Fehlen einer Medikamenteneinnahme besteht - worauf Prof. Dr. Dr. W. zu Recht hinweist - auch kein Grund für eine Einschränkung, die eine solche berücksichtigt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. K ... Unter Berücksichtigung der bekannten Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und des Sulcus-ulnaris-Syndroms links kommt der Sachverständige zu der nachvollziehbaren und schlüssigen Überzeugung, dass wegen der Folgen der Versteifungsoperation an der HWS und wegen des Sulcus-ulnaris-Syndroms zwar qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sind, leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber noch sechs Stunden und mehr am Tag möglich sind. Dies steht zudem in Übereinstimmung mit den gehörten behandelnden Ärzten. Denn auch der Neurologe und Psychiater Dr. T. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 04.04.2011 über eine Verbesserung der nach der zweiten Operation am Ellenbogen im Dezember 2006 noch hochgradigen Läsion des N. ulnaris berichtet. So war die Kraft der linken Hand nach seinen Feststellungen nicht mehr wesentlich gemindert, was im Übrigen wiederum für die Aggravation des Klägers während der Begutachtung durch Priv.-Doz. Dr. K. spricht. Denn dort war die Kraftprüfung an den Oberarmen sowie des Handrückens nicht verwertbar, nachdem der Kläger diese überraschend schlaff ausgeführt hatte. Gegenüber dem Senat gab Dr. T. im Übrigen in Übereinstimmung mit dem Gutachten an (13.03.2012), dass dem Kläger wegen der verminderten Belastbarkeit der Halswirbelsäule noch leichte, gelegentliche mittelschwere Arbeiten zumutbar sind. Auch der Hausarzt Dr. J. bestätigte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 24.03.2011 (nach einer Behandlung seit 19.01.2011) die rezidivierenden Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule mit ausstrahlenden Beschwerden in beide Hände, hielt den Kläger aber noch für in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Unter Berücksichtigung dessen hat auch der Senat keine Zweifel an einer zeitlich nicht eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers. Mit Priv.-Doz. Dr. K. ist allenfalls sicherzustellen, dass es sich um eine überwiegend im Sitzen auszuübende, leichte bis mittelschwere Tätigkeit handelt und Wirbelsäulenzwangshaltungen, Bewegungsmonotonien, überdurchschnittlich häufiges Bücken, Drehen, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit freier Rumpfvorbeuge oder Rumpfneigung sowie Vibrationsbelastungen vermieden werden. Gleiches gilt für Tätigkeiten in kalter, feuchter oder zugiger Umgebung.
Die von Dr. S. beschriebene mittelgradige Depression sieht der Senat aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Dr. W. als widerlegt an, wobei anzumerken bleibt, dass auch Dr. S. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vor dem SG vom 25.03.2011 keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sah (vgl. Antwort auf Frage 4).
Der Senat vermag darüber hinaus keine weiteren Erkrankungen zu erkennen, die die vom Kläger geltend gemachte zeitliche Leistungseinschränkung begründen könnten. Dies gilt insbesondere für die in den Berichten der Neurologischen Klinik Ulm beschriebene Myositis (Pschyrembel: entzündliche Reaktion von Muskeln od. Muskelgruppen mit akutem und chronischem Verlauf), in deren Zusammenhang auch der Ganzkörperschmerz bzw. die Verdachtsdiagnose einer Fibromyalgie, die Verkrampfungen und die beschriebenen Zuckungen zu sehen sind. Allerdings handelt es sich bei der Diagnose "Myositis" als auch "Myalgiefaszikulations-Crampussyndrom" nur um Verdachtsdiagnosen, wobei die von der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Ulm 2012 (Berichte vom 09.03.2012 und Entlassungsbericht vom 24.04.2012) durchgeführte Muskelbiopsie nur einen geringgradigen Befund ergab, der eine Unterscheidung zwischen einer primären Myositis und einer myositischen Begleitreaktion nicht zuließ. Dem Bericht der Neurologischen Klinik vom 26.06.2012 lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass die behandelnden Ärzte diese Diagnose aufgrund der anhaltenden Beschwerden trotz Steroidmedikation selbst in Frage gestellt haben und die Myalgien schließlich im Zusammenhang mit einer laborchemisch festgestellten ausgeprägten Vitamin-D Erniedrigung sahen. Dr. T. hat insoweit auch bestätigt, dass der anhaltende Körperschmerz, die Kraftminderung der Muskulatur und die unwillkürlichen Muskelzuckungen therapieresistent sind, dass vorgeschlagene Behandlungen jeweils vollkommen wirkungslos geblieben sind und deren Bedeutung für die Leistungsfähigkeit unklar ist (Aussage vom 13.03.2012). Soweit die Muskelzuckungen tatsächlich vorliegen (Myalgie-Faszikulations-Crampussyndrom als Verdachtsdiagnose auch im Bericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums U. vom 18.02.2014 erwähnt, Behandlung mit Carbamazepin erwogen), stellen diese jedenfalls keine die zeitliche Leistungsfähigkeit mindernde Erkrankung dar. Der Senat bezieht sich dabei auch auf die Feststellungen und Untersuchungsergebnisse von Priv.-Doz. Dr. K. und von Dr. W ... Priv.-Doz. Dr. K. beschrieb die Untersuchung des Muskeltonus und des paravertebralen Hartspanns mit einer vom Kläger in allen Untersuchungen massiv angespannten Muskulatur und einem Gegenspannen, das von einem Schütteln des ganzen Oberkörpers begleitet gewesen war, was bei den zuvor beobachteten Bewegungen inklusive dem Entkleiden nicht zu beobachten war. Nachdem sich die Muskulatur in unbeobachteten Momenten entspannte, ist seine Beurteilung im Sinne einer erheblich vorgetragenen Aggravation ebenfalls nachvollziehbar und überzeugend; auch deshalb, weil weder die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums U. noch die behandelnden Ärzte über ähnliche Beobachtungen (und deren Deutung) berichtet haben. Die Einschätzung des Priv.-Doz. Dr. K. wird zudem durch die des Dr. W. bestätigt. Denn auch dieser beschreibt das Verhalten des Klägers in der Untersuchung zunächst als ohne erkennbare schmerzbedingte Ausgleichsbewegungen während des Gespräches und während des Ausfüllens der testpsychologischen Fragebögen. Dabei gestikulierte der Kläger regelrecht ohne erkennbare Einschränkungen im Bereich der oberen Extremität und des Kopfes. Bei direkter Prüfung äußerte der Kläger dann aber heftige Schmerzen bei der Lasègue-Prüfung bei 50 Grad, obwohl er später bei der Prüfung des Babinski-Zeichens mehrere Minuten problemlos im Langsitz bei 90 Grad sitzen konnte. (Funktions-)Einschränkungen von zeitlich limitierendem Ausmaß aufgrund der geklagten Schmerzen ließen sich damit in keiner der durchgeführten Untersuchungen sichern.
Die bronchiale Hyperreagibilität und COPD, die nach den Ausführungen im Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Ulm vom 24.04.2012 nur eine geringe restriktive Funktionsstörung bedingt, sind ebenfalls nicht geeignet, eine zeitliche Leistungsminderung zu begründen. Auch Dr. T. hat in seinem Bericht vom 29.08.2014 nur eine leichte Obstruktion beschrieben. Darüber hinaus ließ sich kardiologisch keine ernsthafte Erkrankung nachweisen, was der Senat dem Bericht der Kardiologin H. vom 23.12.2013 entnimmt, die nach der durchgeführten Ergometerbelastung weder eine Angina pectoris noch ST-Senkungen feststellen konnte. Für eine Verschlimmerung diesbezüglich besteht insoweit kein Anhaltspunkt.
Ferner handelt es sich bei den Hämorrhoiden I. Grades, dem festgestellten Kolonpolyp, dem Zustand nach zweimaliger Helikobacter-Eradikationstherapie und der im Januar 2014 diagnostizierten Refluxösophagitis um behandelbare Erkrankungen, die einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen stehen, worauf Dr. B. zu Recht hingewiesen hat.
Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit nicht voll erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Kläger ist somit keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, denn keiner der gehörten Ärzte hat über eine eingeschränkte Gehfähigkeit berichtet. Darüber hinaus sind auch keine Gesundheitseinschränkungen ersichtlich, die eine solche begründen könnten. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. So sind die dem Kläger noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten in wechselnder bzw. überwiegend sitzender Körperhaltung nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten, Zwangshaltungen, Bewegungsmonotonien, Überkopfarbeiten, häufigem Bücken, Drehen und Tätigkeiten mit freier Rumpfvorbeuge oder Rumpfneigung sowie Vibrationsbelastungen verbunden. Sie sind regelmäßig auch nicht in kalter, feuchter oder zugiger Umgebung auszuüben. Der Ausschluss von Arbeiten mit inhalativen Belastungen, die der Senat aufgrund der bronchialen Reagibilität und der COPD zusätzlich berücksichtigt, führt zu keiner spezifischen Leistungsbehinderung und keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, zumal die körperlich leichten Tätigkeiten in der Regel im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung ohne Einwirkung von inhalativen Belastungen verrichtet werden.
Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
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