Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 222/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 119/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Leistungen der häuslichen Krankenpflege (hier Blutzuckermessung und Insulingabe) sind von der Krankenkasse auch in Einrichungen der Behindertenpflege zu erbringen, soweit der Einrichtungsträger nicht verpflichtet ist, Behandlungspflege zu erbringen.
anhängig B 3 KR 16/14 R
anhängig B 3 KR 16/14 R
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für Blutzuckermessungen und Insulin-Injektionen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege für die Zeit vom 26.09.2010 bis 30.06.2011 in (nachgewiesener) Höhe von 5.369,17 EUR streitig.
Der 1942 geborene Kläger, für den ein gesetzlicher Betreuer bestellt ist, ist Mitglied der Beklagten. Er ist in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) untergebracht. Die Kosten der Unterbringung trägt der Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe (§§ 54 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -). Der Kläger leidet u.a. unter insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II.
Mit ärztlicher Verordnung vom 30.09.2010 wurde von Dr. K. B. für den Zeitraum vom 26.09.2010 bis 31.12.2010 die Kostenübernahme von häuslicher Krankenpflege in Form von Injektionen einmal täglich, siebenmal wöchentlich beantragt.
Mit streitigem Bescheid vom 04.10.2010 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme für die Insulin-Injektionen ab, da die Kosten der medizinischen Behandlungspflege bereits in der Aufenthaltsabgeltung nach § 43a SGB XI beinhaltet seien.
Dagegen hat der Betreuer fristgerecht Widerspruch erhoben, den er im Wesentlichen damit begründete, dass nach Auskunft der Lebenshilfe A-Stadt die Kosten für die Injektionsgabe nicht durch die Aufenthaltsabgeltung abgegolten seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhielten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei, oder wenn durch sie die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werde (Vermeidungspflege, § 37 Abs. 1 SGB V) oder wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei (Sicherungspflege, § 37 Abs. 2 SGB V). Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernehme die Pflegekasse für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4), zur Abgeltung der in § 42 Abs. 2 genannten Aufwendungen (pflegebedingte Aufwendungen, Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege) 10 v.H. des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts. Die Aufwendungen der Pflegekasse dürften im Einzelfall je Kalendermonat 256,- EUR nicht überschreiten (§ 43a Satz 2 SGB XI). Aus dieser Regelung ergebe sich, dass eine Kostenübernahme der Krankenkasse für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V für Personen, die in vollstationären Einrichtungen nach § 43a SGB XI untergebracht seien, nicht möglich sei, da diese bereits mit den Entgelten der Sozialhilfeträger abschließend abgegolten seien. Hierfür würden von den Pflegekassen 10 v.H. der Aufwendungen, maximal 256,- EUR je Kalendermonat an die Sozialhilfeträger erstattet. Mit dieser Leistung würden alle in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen - auch die für die medizinische Behandlungspflege - abgegolten. Soweit Einrichtungen aufgrund der anfallenden Leistungen externe Pflegedienste beauftragten, seien die dadurch entstehenden Kosten im Verhältnis Einrichtung/Pflegedienst, ggf. mit dem Sozialhilfeträger, zu regeln. Eine Erstattung bzw. Kostenübernahme durch die Krankenkasse im Rahmen der häuslichen Krankenpflege sei nicht möglich.
Der Vorgang wiederholte sich in der Folgezeit jeweils entsprechend und führte zu dem Erlass der weiteren streitgegenständlichen Bescheide vom 14.10.2010; 26.11.2010 und 02.05.2011 in der Fassung der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 02.02.2011, 06.02.2011 und 04.08.2011.
Gegen die genannten Widerspruchsbescheide hat der Kläger jeweils fristgerecht Klage zum Sozialgericht München (SG) erheben lassen, mit der er sein Begehren weiter verfolgte. Zur Begründung wurde (jeweils) im Wesentlichen vorgetragen, in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XI sei geregelt, dass die Pflegekasse in vollstationären Einrichtungen die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege übernehme. In § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V sei geregelt, dass für Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI nur ausnahmsweise bei besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen seien. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um eine Pflegeinrichtung im Sinne des § 43 SGB XI, sondern um eine vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen gemäß § 43a SGB XI. In seinem Beschluss vom 12.11.2009 (Az.: L 1 B 202/09 ER KR) habe das Landessozialgericht (LSG) Hamburg entschieden, dass Versicherte auch Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V hätten, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe lebten. Eine stationäre Wohneinrichtung sei dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe. Hier habe der Kläger gegen den Einrichtungsträger, die Lebenshilfe A-Stadt, keinen solchen Anspruch auf Behandlungspflege. Sollte gegen die Beklagte kein solcher Anspruch bestehen, wäre jedenfalls der Beigeladene zu 1) verpflichtet, die anfallenden Kosten zu übernehmen. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 55 Abs. 1 SGB XII. Danach umfassten die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung.
Die Beklagte führte hingegen im Wesentlichen aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Gestalt der beantragten Leistungen (Blutzuckermessungen und Injektionen) gegen die Beklagte. Der Kläger benötige die Versorgung mit verschiedenen pflegerischen Leistungen. Er erhalte von der Pflegekasse der Beklagten Leistungen nach § 43a SGB XI. Zu diesen Pflegeleistungen gehörten auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, wie Blutzuckermessungen und Insulin-Injektionen, jeweils viermal täglich, siebenmal wöchentlich. Hierbei handle es sich jedoch nicht um häusliche Krankenpflege im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V. Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei nicht gegeben, da die Behandlungspflege weder im häuslichen oder familiären Umfeld noch an einem dem häuslichen oder familiären Umfeld gleichgestellten Ort erbracht werde. Hier werde die Versorgung in einer stationären Einrichtung erbracht, die nicht den Charakter einer allgemein betreuten Wohnform aufweise. Der Gesetzgeber habe gerade Bewohnern von stationären bzw. teilstationären Einrichtungen, welche - auch - Pflege zur Verfügung stellen wollen, keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegeben, da diese schon durch den Anspruch auf vollstationäre Versorgung die notwendigen Leistungen erhalten (Verbot der Doppelversorgung). Die Wohnform "vollstationäres Wohnheim der Behindertenhilfe" sei mit der Wohnform "vollstationäres Pflegeheim" eher als mit einem eigenen Haushalt vergleichbar. Hierzu habe das Bundessozialgericht (BSG) in Bestätigung der Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 14.12.2006 (Az.: L 4 KR 202/04) festgestellt, dass sich die Verpflichtung eines Pflegeheims, Behandlungspflege zu leisten, bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, nämlich aus § 43 Abs. 2 SGB XI. Derselbe gesetzliche Wortlaut gelte jedoch auch für Einrichtungen der Behindertenhilfe, die Leistungen nach § 43a SGB XI erbringen. Warum bei gleichem Gesetzeswortlaut eine andere Interpretation möglich oder gar zwingend sein sollte, erschließe sich nicht. Der Interpretation, dass Wohnheime geeignete Orte im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V sein könnten, sei auch das LSG Niedersachsen-Bremen in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (Az.: L 8 SO 1/07) mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten. Insbesondere habe das LSG Niedersachsen-Bremen die Entscheidung des BSG vom 01.09.2005 (Az.: B 3 KR 19/04 R) zutreffend angewendet. Das genannte LSG sehe darüber hinaus einen Leistungsanspruch hinsichtlich der Behandlung Pflegeleistung auf der Grundlage des § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Satz 1 SGB XII. Kostenträger wäre dann die Sozialhilfe. Somit sei das Wohnheim der Lebenshilfe A-Stadt e.V. (= Beigeladene zu 2) kein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Aus diesem Grund stelle die beantragte Leistung keine häusliche Krankenpflege dar.
Der Beigeladene zu 1) hat auf die "Häusliche Krankenpflege-Richtlinie" (HKP-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 37 Abs. 6 i.V.m. § 92 SGB V vom 17.09.2009 verwiesen. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass allein der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht entgegen stehe, sondern nur der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung bestehe. Im Übrigen seien von den Krankenkassen bereits vor der Novellierung des § 37 SGB V in ambulant betreuten Wohnformen Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht worden. Es sei eindeutiger Wille des Gesetzgebers gewesen, durch die geänderten Vorschriften des GKV-WSG in größerem Umfang als bisher Leistungen der häuslichen Krankenpflege für Menschen mit Behinderung, die in Einrichtungen und durch Dienste der Eingliederungshilfe betreut werden, zu erschließen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf alle geeigneten Orte vornehmen wollen. Wenn der Gesetzgeber keine Leistungserweiterung beabsichtigt hätte, wäre die Neufassung des § 37 SGB V überflüssig gewesen. Die vorgenommene Erweiterung der Verordnungsfähigkeit von häuslicher Krankenpflege könne also nur bedeuten, dass diese grundsätzlich auch in stationären Wohnformen verordnet werden könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2012 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung der jeweils entgegenstehenden streitgegenständlichen Bescheide bzw. Widerspruchsbescheide für die Zeit vom 26.09.2010 bis 30.06.2011 häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) in Form von Blutzuckertests und Insulin-Injektionen jeweils viermal täglich und siebenmal wöchentlich zu leisten. Eine Verpflichtung ergebe sich für die Beklagte aus ihrer materiellen Leistungsträgerschaft aus § 37 Abs. 2 SGB V. Die Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (= Beigeladene zu 2), in der sich der Kläger aufhalte, sei ein sonstiger geeignet Ort in diesem Sinne. Nach dem Wohnstättenvertrag erbringe die Beigeladene zu 2) hinsichtlich der Betreuungs- und Pflegeleistungen diejenigen Leistungen, die der Hilfebedarfsgruppe des Klägers entsprechen. Bei der medizinischen Versorgung erfolge eine Begleitung zu ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, sonstigen Arzt- und Facharztbesuchen sowie zu externen Therapien. Außerdem werde die Verabreichung bzw. Kontrolle der Einnahme von Medikamenten (letztere nur entsprechend der schriftlichen ärztlichen Verordnung) gewährleistet sowie die Versorgung bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich sei (§ 1 Nr. 4.2 Wohnstättenvertrag). Die ursprüngliche gesetzliche Beschränkung auf "Haushalt und Familie" der Versicherten (vgl. die bis zum 31.03.2007 gültige Fassung des § 37 SGB V vom 14.11.2003) sei allgemein als kontraproduktiv erkannt worden und auch die Rechtsprechung sei dazu übergegangen, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht dadurch auszuschließen, dass die Leistung außerhalb der Wohnung des Versicherten erbracht werden müsse, sondern auch auf Orte auszudehnen, an denen sich der Versicherte vorübergehend unter Verlassen des familiären Wohnbereichs aufhalte (BSG, Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 3 KR 13/2 R, juris). Die Neuregelung zum 01.04.2007 bezeichne der Gesetzgeber von der Regelungstechnik her dann zwar nur als eine (vorsichtige) Erweiterung des Haushaltsbegriffs, konterkariere diesen Begründungsteil jedoch gleichzeitig dadurch, dass auch Schule, Kindergarten und Werkstätten in die Regelung einbezogen wurden, die nur schwerlich zum Haushalt des Versicherten gezählt werden können (vgl. dazu auch Höfler, Kassler Kommentar, § 37 SGB V, Rn. 15b bzw. Nolte, Kassler Kommentar, § 37 SGB V, 72. Ergänzungslieferung 2012, Rn. 15b). Als tragend werde daher überwiegend die gesetzgeberische Begründung mit Blick auf den Zweck der häuslichen Krankenpflege, eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen zu vermeiden, angesehen (Nolte, a.a.O., Rn. 15b; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2010, Az.: L 9 KR 23/10 B ER, juris Rn. 10 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.07.2008, Az.: L 16 B 32/08 KR ER, juris, Rn. 3). Ausnahmen würden dann allerdings für solche "andere Orte" gemacht, für die nach Gesetz oder Vertrag bereits Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege bestehen, denn dann mangle es für den vorgesehenen gesetzgeberischen Zweck des § 37 SGB V an einer wesentlichen Grundlage (so LSG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2009, Az.: L 1 B 202/09 ER KR, juris, Rn. 16 ff. und vorhergehend SG Hamburg, Beschluss vom 12.05.2009, Az.: S 2 KR 445/09 ER, juris, Rn. 9 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.08.2010, Az.: L 8 SO 4/10 B ER, juris, Rn. 37). Weder der Gesetzesbegründung noch dem Gesetzestext sei darüber hinaus zu entnehmen, dass sich der Begriff "sonst geeigneten Ortes" nur auf Wohnformen beziehe, die in Flexibilität und Ähnlichkeit einem eigenen Haushalt nahe kommen. Diese Verknüpfung mit dem engen Haushaltsbegriff aus der Altfassung des § 37 SGB V sei durch den Gesetzgeber bewusst gelöst worden und könne auch mit dem Hinweis des Gesetzgebers auf eine "vorsichtige" Erweiterung des Haushaltsbegriffs wegen der erkannten und korrigierten Kontraproduktivität dieses Begriffs nicht wieder eingeführt werden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anspruchsausschluss, wenn die Pflegekasse eine pauschale Vergütung gemäß § 43a SGB XI geleistet habe. Zwar verweise § 43a Satz 1 SGB XI auf die Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen hin, unter die auch "die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege" fallen. Der dort geregelte Ausschluss des Anspruchs gelte jedoch nur für Leistungen nach dem SGB XI und nicht für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V (vgl. Leitherer in Kassler Kommentar, § 43a SGB V, Rn. 3), wo vom Ausschluss anderer Leistungen des SGB XI gesprochen werde. Leistungen der Krankenversicherung seien vielmehr grundsätzlich auch bei Aufenthalten in einer Einrichtung im Sinne der §§ 43a ff. SGB XI nicht ausgeschlossen (Leitherer, ebenda, Rn. 3a). Darüber hinaus bleibe grundsätzlich zu beachten, dass das SGB XI die Leistungspflicht der Pflegeversicherung regle und nicht der Krankenversicherung. Warum eine pauschale Zahlung der Pflegeversicherung die Krankenversicherung entlasten solle, erschließe sich daher grundsätzlich nicht von vornherein und bedürfe somit einer versicherungsübergreifenden gesetzlichen Regelung. In Kollisionsvorschriften des SGB V fänden sich eine Reihe abgrenzender Vorschriften zwischen SGB V und SGB XI, die im Wesentlichen Doppelleistungen verhindern soll. So regle etwa § 37 Abs. 2 S. 6 SGB V, dass nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI satzungsgemäße Zusatzleistungen nach § 37 Abs. 2 Sätze 4 und 5 SGB V - Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung - nicht zulässig seien. Für den hier vorliegenden Problemkreis bestimme § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V, dass Versicherte aus Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI "auch dann" Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten, wenn bestimmte Sonderbehinderungen vorliegen (kein eigener Haushalt mehr, vorübergehender Aufenthalt in der Einrichtung). Dies setze im Umkehrschluss für Versicherte in diesen Einrichtungen die Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V damit grundsätzlich voraus.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 15.03.2012 richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie u.a. aus, der Gerichtsbescheid sei rechtswidrig, da er zu Unrecht die zugrunde liegenden Bescheide aufgehoben habe und die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von häuslicher Krankenpflege in einer stationären Einrichtung verurteilt habe. Der Kläger befände sich in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe, in der er von der Pflegekasse bei der Beklagten für Pflege inklusive Behandlungspflege und soziale Betreuung die Leistung nach § 43a SGB XI erhalte. Das SG habe die Leistungspflicht der Beklagten bejaht, da es keinen Ausschluss des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege durch die Leistungen des 43a SGB XI gesehen habe. Es habe hierzu aus § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V geschlossen, dass in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 SGB XI grundsätzlich Behandlungspflege durch die Beklagte geleistet werden könne. Dabei verkenne das SG, dass diese Regelung sich nicht darauf beziehe, welche Leistungen in stationären Einrichtungen erbracht werden müssen, sondern darauf, ob auch Wohnsitzlose Behandlungspflege erhalten können. Aus der Regelung lasse sich daher vielmehr ableiten, dass Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 und Abs. 4 SGB XI bereits Behandlungspflege aufgrund der Bestimmungen des SGB XI leisten, und daher ein Anspruch aus dem SGB V nicht mehr erforderlich sei. Dies entspreche auch dem Wortlaut der leistungsrechtlichen Bestimmungen des SGB XI. In § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XI heiße es, dass die pauschalen Leistungsbeträge die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuungen und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege beinhalten. Diese Leistung werde auch bei vollstationärer Unterbringung in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI durch die Einrichtung geschuldet. § 43a SGB XI verweise ohne Einschränkung auf § 43 Abs. 2 SGB XI. Sämtliche Leistungsinhalte, die dort durch die Pflegekasse erbracht werden, würden auch in Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI durch die Pflegekasse erbracht. Für eine Doppelleistung durch die Beklagte sei daher kein Raum. Zwar habe der Gesetzgeber in § 37 SGB V das Verbot der Doppelleistung an einigen Stellen durchbrochen, nicht jedoch für den hier vorliegenden Fall. Ein Ausnahmetatbestand von dem Grundsatz, dass in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Behandlungspflege mit umfasst sei, liege nicht vor. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Kläger ambulant versorgt wäre. Eine betreute Wohnform, die nicht stationär, sondern ambulant organisiert sei, könne ein "geeigneter Ort" im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V sein. Um eine solche Wohnform handle es sich hier jedoch nicht.
Der Beigeladene zu 1) verwies darauf, dass das BSG in der mündlichen Verhandlung im Verfahren B 8 SO 16/09 R ausgeführt habe, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe gegen die Krankenkassen davon abhänge, dass kein Anspruch des Versicherten auf Erbringung von Behandlungspflegeleistungen aus dem Heimvertrag bestehe. Ob dies der Fall sei, müsse für jeden Einzelfall separat geprüft werden. Zudem gehe das BSG davon aus, dass auch Einrichtungen der Behindertenhilfe als "geeignete Orte" für die Erbringung von Leistungen für die Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V anzusehen seien.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 erklärte der Betreuer des Klägers, dass nach seiner Kenntnis dieser vermutlich in die Pflegestufe II eingestuft sei. Es könne aber auch die Pflegestufe I sein. Zur Frage der Entwicklung und Notwendigkeit der Blutzuckermessung und Insulin-Injektion erklärte er, es habe sich nach einem Krankenhausaufenthalt (zunächst wegen der stark schwankenden Zuckerwerte) die Notwendigkeit der viermal täglichen Messung und Injektion ergeben. Jetzt werde möglicherweise wegen der konstanteren Überwachung nur mehr eine zweimalige Messung und einmalige Injektion durchgeführt. Die Blutzuckermessung könne vom Betreuer der Wohngruppe durchgeführt werden, nicht jedoch die Injektion. Dies sei den Betreuern ausdrücklich untersagt. Bei einem Messwert von über 300 müssten die Betreuer unverzüglich den Pflegedienst benachrichtigen. Während der Notwendigkeit der viermal täglichen Injektionen von Insulin sei die Blutzuckermessung vom Pflegedienst übernommen worden, da dieser wegen der Spritzen habe kommen müssen. Nunmehr würden die Betreuer morgens und mittags messen, abends werde vom Pflegedienst die Messung vorgenommen und gespritzt. Der Kläger habe bereits früher in einer Wohngruppe in der S.-Straße gelebt und sei von dort in eine Werkstatt der Beigeladenen zu 2) gebracht worden. Der Kläger habe bis 67 gearbeitet. Jetzt sei er im gleichen Haus in einer neu gegründeten Wohngruppe für Senioren untergebracht, was nötig geworden sei, da nur dort eine ganztägige Betreuung gewährleistet werden könne. Nach seiner Beobachtung seien die Betreuer nicht als Krankenpflegekräfte ausgebildet. Die Wohngruppe bestehe aus neun Bewohnern, die alle geistig behindert seien. Ihm sei nicht bekannt, dass darüber hinaus weitere Bewohner wegen körperlicher Leiden pflegebedürftig seien. Für den Kläger sei zunächst die Hilfsbedarfsgruppe 2, später 3 festgelegt worden. Eine Einstufung nach Hilfsbedarfsgruppe 4 sei bereits einmal abgelehnt worden. Zur Zeit laufe eine erneute Prüfung.
Die Vertreterin des Beigeladenen zu 1) erklärte, der Bezirk leiste seit Mai 2011 bis jetzt, die letzte Abrechnung sei im Januar 2014 erfolgt. Sie überreichte die "Individuelle Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung".
Die Beteiligten erklärten übereinstimmend, dass nicht von "Leistungen zur Teilhabe" ausgegangen werde.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.03.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Vertreterin des Beigeladenen zu 1) stellt keinen Antrag.
Der Kläger hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG mit angefochtenem Gerichtsbescheid vom 15.03.2012 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, da die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten nicht der Sach- und Rechtslage entsprechen.
Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Beklagten ergibt sich aus § 37 Abs. 2 SGB V. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach der gesetzlichen Regelung werden die Leistungen im Haushalt der Versicherten, ihrer Familie oder sonst an einem "geeigneten Ort", insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen erbracht.
Dies folgt insbesondere aus dem Sinn und Zweck der Regelung nach der Änderung des § 37 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 mit Wirkung zum 01.04.2007. Nach der Gesetzesbegründung sollte eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs erfolgen, um vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden und um Lücken im Zwischenbereich von stationärer und ambulanter Versorgung zu schließen (BT-Drs. 16/3100, S. 104). Weiter heißt es, dass ein geeigneter Ort dann nicht gegeben sei, wenn Einrichtungen medizinische Behandlungspflege schulden.
Die Wohneinrichtung S.-Straße der Beigeladenen zu 2) ist ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V, denn ein Anspruch des Versicherten auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger besteht aufgrund des Wohnstättenvertrages nicht. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V setzt also voraus, dass die Leistungen in einem Haushalt oder "sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, ..." erbracht werden können. Einrichtungen, in denen behinderte Menschen Eingliederungshilfe gewährt wird, können eine "betreute Wohnform" im Sinne des Gesetzes sein, wenn durch den Aufenthalt nicht ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege begründet wird. Zumindest handelt es sich aber um einen "sonst geeigneten Ort".
Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen jedenfalls als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen, wenn man sie nicht bereits als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V versteht. Die Einbeziehung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe schließt auch Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung. Die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe könne nicht mit stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleichgesetzt werden. Bei Einrichtungen der Behindertenhilfe steht die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund. Diese sollen möglichst unabhängig werden (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Aus diesem Grund sind Behinderteneinrichtungen auch keine Pflegeheime nach § 71 Abs. 4 SGB XI.
Ziel oder Aufgabe der Beigeladenen zu 2) ist es, dazu beizutragen, dass Menschen mit geistiger Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes Leben mitten in der Gesellschaft führen können. Unter anderem wird hierzu Wohnen in Wohnstätten und im geschützten Wohnen inklusive Lebensbegleitung und pädagogische Unterstützung angeboten. Wegen der näheren Einzelheiten für das Wohnen in den Wohnstätten wird auf den Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) verwiesen. Laut Wohnstättenvertrag vom 01.05.2005 wurde dem Kläger durch die Beigeladene zu 2) ein unmöbliertes Zimmer als Wohnraum zur Verfügung gestellt. Nur im Bedarfsfall wird die Grundausstattung von der Beigeladenen zu 2) bereitgestellt. Der Kläger hat das Zimmer mit eigenen Möbeln einrichten und gestalten können. Der Kläger erhielt einen Zimmerschlüssel, der gleichzeitig "nach Absprache mit der Wohnstättenleitung" auch Hausschlüssel ist. Als Verpflegung erhält er eine Vollverpflegung mit allen üblichen Mahlzeiten, wobei er in die Planungen und Zubereitungen der Mahlzeiten entsprechend dem konzeptionellen Ansatz der Individualisierung bei der Beigeladenen zu 2) einbezogen wird (§ 1 Nr. 2 Wohnstättenvertrag). Bei den hauswirtschaftlichen Leistungen (Reinigung und Ordnung des Zimmers, der Gemeinschaftssanitäranlagen und aller anderer Gemeinschaftsräume und -einrichtungen, beim Waschen und Bügeln der Bettwäsche, der Privatwäsche und der Kleidung, sowie bezüglich Hilfestellung und Anleitung bei der Ausbesserung kleinerer Schäden an Wäsche und Kleidung) ist im Rahmen des Normalisierungsprinzips die Mithilfe des Klägers bei allen anfallenden Arbeiten in der Wohnstätte nach seinen Möglichkeiten als Bestandteil des Wohnstättenkonzepts (§ 1 Nr. 3 Wohnstättenvertrag) vorgesehen. Im Sinne der Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringt die Beigeladene zu 2) diejenigen Leistungen, die dem Hilfebedarf des Klägers entsprechen. Bei der medizinischen Versorgung erfolgt eine Begleitung zu ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, sonstigen Arzt- und Facharztbesuchen sowie zu externen Therapien. Außerdem wird die Verabreichung bzw. Kontrolle der Einnahme von Medikamenten (letztere nur entsprechend der schriftlichen ärztlichen Verordnung) gewährleistet sowie die Versorgung bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich ist (§ 1 Nr. 4.2 Wohnstättenvertrag).
Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger - wie aufgezeigt - nach § 1 Nr. 3. Wohnstättenvertrag zur Mithilfe, also auch Mitwirkung verpflichtet ist, zeigt, dass sich das Gesamtbild grundlegend von dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim unterscheidet, bei denen jeweils die medizinische und pflegerische Behandlung im Vordergrund steht und nicht die Stärkung der psychosozialen Fähigkeiten. Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe (ohne Anspruch auf Behandlungspflege) ist daher eher mit dem betreuten Wohnen zu vergleichen. Hinzu kommt, dass für die Ermittlung des "sonst geeigneten Wohnorts" die Unterscheidung zwischen dem betreuten Wohnen auf der einen und dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung bzw. einem Heim auf der anderen Seite zu undifferenziert ist. Das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung sind in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend.
Insgesamt scheinen im vorliegenden Fall die Unterschiede zum betreuten Wohnen vergleichsweise gering. Es handelt es sich um kleinere Wohngruppen, die eher nach dem Prinzip einer Wohngemeinschaft organisiert sind und bei denen die Bewohner ein möglichst selbständiges Leben führen sollen. Die Betreuungsleistungen zielen darauf ab, dass die Bewohner noch in der Lage sind, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Art und Umfang der Betreuungsleistungen hängen jedoch stark von den gesundheitlichen Einschränkungen der Bewohner ab. Mitunter ist auch wie in einem Heim eine ständige Aufsicht und Betreuung bei den täglichen Verrichtungen erforderlich. Einrichtungen der Behindertenhilfe, in denen Eingliederungshilfe nach §§ 53 und 54 SGB XII gewährt wird, können als institutionalisierte betreute Wohnformen angesehen werden. In der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) leben Erwachsene mit einer geistigen Behinderung, die zum Zeitpunkt der Aufnahme einer Arbeit nachgehen - wie der Kläger zunächst -, die in einer Gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung ohne größere Schwierigkeiten leben können, auf deren Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegebedarf (in den Grenzen der Vereinbarungen mit dem Sozialhilfeträger) in guter Qualität eingegangen werden kann. Das Ziel der Wohneinrichtungen ist, "ein Zuhause zu schaffen und zu erhalten". Ziel ist somit auch u.a. die Vermeidung von Krankenhausbehandlungen und die Sicherung der vorangegangenen Behandlungen. Die Vermeidung einer stationären Unterbringung ist (dementsprechend) nach den Gesetzesmaterialien ein Grund für die Ausweitung des Haushaltsbegriffs gewesen (BT-Drs. 16/3100, S. 104). Hier wird deutlich, dass das Merkmal stationär zur Differenzierung nicht ausreicht, denn die stationäre Wohneinrichtung soll gerade die stationäre Krankenbehandlung verhindern. Vom Gesetzgeber sind vielmehr die Einrichtungen mit Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege wie Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime (§ 1 Abs. 6 der Richtlinie über die Verordnung von "Häuslicher Krankenpflege" in der Fassung vom 17.09.2009 - HKP-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur häuslichen Krankenpflege) gemeint. Die Wohneinrichtung, in der sich der Kläger aufhält, richtet sich an behinderte Menschen, die vorübergehend oder manchmal auch dauerhaft noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind, in einer eigenen Wohnung zu leben (siehe Satz 2 der Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII). Auch hier ergibt sich eine Übereinstimmung mit dem betreuten Wohnen. Dies gilt insbesondere für die übergeordnete Zielsetzung ein möglichst selbständiges Leben in der Gesellschaft mit der Ausübung einer geregelten Tätigkeit zu ermöglichen (siehe Ziffer 3 der Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII).
Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich, weshalb die Leistungen zur häuslichen Krankenpflege den Bewohnern nicht vorenthalten werden dürfen. Da im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen gemäß § 43 SGB XI gerade keine Verpflichtung besteht, Behandlungspflege zu erbringen und deshalb kein entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal vorhanden ist, besteht nicht die Gefahr, dass die Einrichtungsträger zu Lasten der Krankenkassen sich von kostenintensiven Pflichtaufgaben befreien.
Für eine Einbeziehung stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe als geeignetem Ort spricht auch, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Versicherte, die sich in gemäß § 43 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen befinden, eine Ausnahmeregelung enthält. Häusliche Krankenpflege kann danach gewährt werden, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht. Sofern unter besonderen Voraussetzungen in einer Pflegeeinrichtung, die grundsätzlich alle pflegerischen und medizinischen Versorgungsleistungen übernehmen muss und über entsprechendes Personal verfügt, Behandlungspflege durch die Krankenkasse gewährt werden kann, muss das erst recht bei einer stationären Wohneinrichtung gelten, bei der kein Anspruch auf Behandlungspflege besteht. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch gegen den Heimträger. So hat auch der gesetzliche Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Betreuer nicht als Krankenpflegekräfte ausgebildet sind. Ergänzend hat hierzu die Vertreterin des Beigeladenen zu 1) darauf hingewiesen, dass als Betreuer Kräfte mit sozialpädagogischer Ausbildung eingesetzt würden. Bei den Hilfskräften seien zwar unterschiedliche Berufsabschlüsse anerkannt, weshalb durchaus auch Kräfte mit Krankenpflegequalifikation eingesetzt würden, die Einteilung erfolge aber zufällig. Die Angaben der Vertreterin des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung werden auch durch die vorgelegte Iindividuelle Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung" bestätigt. Hinzu kommt, dass den Betreuern des Klägers ausdrücklich untersagt ist, diesem Injektionen zu verabreichen. Die Betreuer sind vielmehr gehalten, bei einem bestimmten Messwert unverzüglich den Pflegedienst zu benachrichtigen. Dementsprechend erfolgt auch die Injektion des Insulins ausschließlich durch den Pflegedienst. Auch werden in dem Ausnahmetatbestand stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht erwähnt. Da es keinen Grund gibt, die Bewohner derartiger Einrichtungen von der Versorgung auszuschließen, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber von einem bereits grundsätzlich bestehenden Anspruch ausgegangen ist.
Auch die pauschale Vergütung der Pflegekasse nach § 43a SGB XI zur Abgeltung der Pflegeleistungen und der medizinischen Behandlungspflege, die den Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gezahlt wird, führt nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs. Dies gilt nur für Leistungen nach dem SGB XI und nicht für Leistungen der häuslichen Krankenpflege der Krankenkasse nach dem SGB V, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V vorliegen (BSG vom 01.09.2005, Az.: B 1 KR 19/04 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 5). Gegen eine Abgeltung der Leistungen nach dem SGB V spricht auch die niedrige Pauschale, die nicht überschritten werden darf.
Auch aus den HKP-Richtlinien ergibt sich, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe maßgeblich davon abhängt, ob der Einrichtungsträger verpflichtet ist, Behandlungspflege zu erbringen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.07.2008, Az.: L 16 B 32/08 KR ER, juris). Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist nach § 37 Abs. 6 SGB V ermächtigt, in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Nach § 1 Abs. 6 unter "Grundlagen" heißt es in den HKP: "Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize, Pflegeheimen) kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen."
Aus der Ausschlussregelung folgt, dass eine Einrichtung der stationären Behindertenhilfe jedenfalls dann als "geeigneter Ort" angesehen werden kann, wenn die Einrichtung nicht verpflichtet ist, selbst Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. Denn nur für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht, kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Das bedeutet, dass grundsätzlich allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen dem Anspruch nicht entgegen steht, sondern nur der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Dies wird exemplarisch bei Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen angenommen. Sofern schon der Aufenthalt in "Einrichtungen" zu einem Ausschluss führen würde, wäre es überflüssig gewesen, auf einen möglichen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege abzustellen. Es hätte für einen Ausschluss ausgereicht, auf den stationären Aufenthalt in einer Einrichtung abzustellen. Folgerichtig ist nach § 1 Abs. 6 Satz 2 der HKP-Richtlinien im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen, ob ein solcher Anspruch besteht. Gemeint ist hiermit die Prüfung, ob in der Einrichtung ein Anspruch auf Behandlungspflege besteht. Dies ist hier unstreitig nicht der Fall. Hierzu heißt es im Wohnstättenvertrag, "Hinsichtlich der Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringt die Lebenshilfe A-Stadt diejenigen Leistungen, die der Hilfsbedarfsgruppe des Klägers entsprechen. Bei der medizinischen Versorgung erfolgt eine Begleitung zu ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, sonstigen Arzt- und Facharztbesuchen sowie zu externen Therapien. Außerdem wird die Verabreichung bzw. Kontrolle der Einnahme von Medikamenten (letztere nur entsprechend der schriftlichen ärztlichen Verordnung) gewährleistet sowie die Versorgung bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich ist." Zu Recht weist das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hin, dass schon die Formulierung "Einnahme von Medikamenten" kein Zweifel daran lasse, dass hier lediglich die einfache Aufnahme von Medikamenten gemeint sei, also keinesfalls die Verabreichung von Insulinspritzen und schon gar nicht nach Kontrolle des Blutzuckerspiegels. Dass Medikamentengabe, Blutzuckermessungen und Insulin-Injek-tionen unterschiedliche Sachverhalte betreffen, folgt auch aus den Bestimmungen der HKP-Richtlinien, wo eben gerade Blutzuckermessungen und Insulin-Injektionen gesondert genannt sind.
Die weiteren Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V für die Gewährung von häuslicher Krankenpflege liegen für die Insulin-Injektionen und Blutzuckermessungen vor. Die Beklagte ist auch verpflichtet, die Blutzuckermessungen gemäß der ärztlichen Verordnungen als Sachleistung zu gewähren. Zwar ist es zutreffend, dass nach HKP-Richtlinien die Blutzuckermessung nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur für eine Dauer von bis zu vier Wochen verordnet werden kann. Dies ist aber nur bei der Erst- und Neueinstellung eines Diabetes und bei der Fortsetzung der sog. "intensivierten Insulintherapie" möglich. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall routinemäßige Dauermessungen für einen gewissen Zeitraum auch bei der "konventionellen Insulintherapie" angezeigt
sein können (vgl. BSG vom 26.01.2006 , Az.: B 3 KR 4/05 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 7, Rdnr. 23).
Der rechtlichen Beurteilung durch den Senat steht auch nicht § 55 SGB XII entgegen.
Werden Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne des § 43a des SGB XI erbracht, umfasst die Leistung auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung (§ 55 Satz 1 SGB XII).
Mit dieser Regelung soll wie schon in der Vorgängerregelung des § 40a Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die durch Art. 15 SGB IX in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.06.2001 (BGBl. I 1046) in das BSGH einbefügt worden war, klargestellt werden, dass die Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe die notwendige Pflege mit umfasst. Die Vorschrift zielt darauf ab, die nicht immer einfache Abgrenzung zwischen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und der Hilfe zur Pflege zu vermeiden. Damit wird sie dem Wunsch vieler Menschen gerecht, auch im Fall der Pflege in einer vertrauten Einrichtung zu bleiben. Damit sind die in der Einrichtung erbrachten Pflegeleistungen sachlich der Eingliederungshilfe zuzuordnen und wird ein ganzheitlicher Ansatz unterstrichen. In der Einrichtung nach § 43a SGB XI steht statt der Pflege der Bewohner die berufliche und soziale Eingliederung, die schulische Ausbildung oder die Erziehung des behinderten Menschen im Vordergrund. Der Einrichtungsträger muss eine erkennbare Entscheidung treffen, ob das Leistungsangebot der Pflege oder die Förderung im Vorgrund steht (Kruse in LPK-SGB XI Kommentar, 4. Auflage, § 43a Rdnr. 6).
Die genannten Gesichtspunkte treffen auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Denn die genannte Vorschrift betrifft Pflegeleistungen nach dem SGB XI und nicht Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V. Gegenüber dem Kläger werden ausschließlich Leistungen zur häuslichen Krankenpflege erbracht.
Wenn im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI gerade keine Verpflichtung besteht, Behandlungspflege zu erbringen und deshalb kein entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal - wie hier - vorhanden ist, besteht auch nicht wie bereits ausgeführt die Gefahr, dass die Einrichtungsträger zu Lasten der Krankenkassen sich von kostenintensiven Pflichtaufgaben befreien. Eine unzulässige Überschneidung der Zuständigkeiten zwischen den Kostenträgern entsteht nicht. Eindeutig steht insgesamt bei der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) die soziale Eingliederung im Vordergrund. Der Einrichtungsträger, d.h. die Beigeladene zu 2), hat auch durch ihren Vertrag mit dem Kläger eine erkennbare Entscheidung getroffen, dass ihr Leistungsangebot auf Förderung im Vordergrund steht und nicht der Pflege. Dies wird auch die "Individuelle Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung" bestätigt, nach der als Betreuer bei der Beigeladenen zu 2) Kräfte mit sozialpädagogischer Ausbildung eingesetzt werden. Zwar - so die Vertreterin des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung - sind bei den Hilfskräften unterschiedliche Berufsabschlüsse anerkannt, weshalb durchaus auch Kräfte mit Krankenpflegequalifikation eingesetzt werden, wobei die Einteilung allerdings zufällig erfolgt.
Der Senat hat aufgrund der vorliegenden konkreten Konstellation auch keinen Anlass hier einen "Vertrag zu Lasten Dritter" anzunehmen. Denn hier liegt in keiner Weise eine nicht durchschaubare Regelung vor, die zu einer Unwirksamkeit führen könnte. Denn insoweit sind eindeutige transparente Regelungen getroffen. Die Beigeladene zu 2) hat erkennbar eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass bei ihrem Leistungsangebot die Förderung im Vordergrund steht und nicht die Pflege.
Lediglich ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass die Hilfebedarfsgruppe 3, der der Kläger zur Zeit angehört, keinen Einfluss auf den Pflegebedarf hat, sondern allein die Intensität der Betreuung betrifft. Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt haben, dass hier nicht von Leistungen zur Teilhabe ausgegangen wird, erübrigt sich eine Prüfung der Vorschrift des § 14 SGB IX.
Somit ist die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.03.2012 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Nachdem es in dem Verfahren unter dem Az.: B 8 SO 16/09 R seinerzeit zu keiner schriftlichen Entscheidung gekommen ist, war in Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Revision zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für Blutzuckermessungen und Insulin-Injektionen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege für die Zeit vom 26.09.2010 bis 30.06.2011 in (nachgewiesener) Höhe von 5.369,17 EUR streitig.
Der 1942 geborene Kläger, für den ein gesetzlicher Betreuer bestellt ist, ist Mitglied der Beklagten. Er ist in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) untergebracht. Die Kosten der Unterbringung trägt der Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe (§§ 54 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -). Der Kläger leidet u.a. unter insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II.
Mit ärztlicher Verordnung vom 30.09.2010 wurde von Dr. K. B. für den Zeitraum vom 26.09.2010 bis 31.12.2010 die Kostenübernahme von häuslicher Krankenpflege in Form von Injektionen einmal täglich, siebenmal wöchentlich beantragt.
Mit streitigem Bescheid vom 04.10.2010 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme für die Insulin-Injektionen ab, da die Kosten der medizinischen Behandlungspflege bereits in der Aufenthaltsabgeltung nach § 43a SGB XI beinhaltet seien.
Dagegen hat der Betreuer fristgerecht Widerspruch erhoben, den er im Wesentlichen damit begründete, dass nach Auskunft der Lebenshilfe A-Stadt die Kosten für die Injektionsgabe nicht durch die Aufenthaltsabgeltung abgegolten seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhielten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei, oder wenn durch sie die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werde (Vermeidungspflege, § 37 Abs. 1 SGB V) oder wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei (Sicherungspflege, § 37 Abs. 2 SGB V). Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernehme die Pflegekasse für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4), zur Abgeltung der in § 42 Abs. 2 genannten Aufwendungen (pflegebedingte Aufwendungen, Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege) 10 v.H. des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts. Die Aufwendungen der Pflegekasse dürften im Einzelfall je Kalendermonat 256,- EUR nicht überschreiten (§ 43a Satz 2 SGB XI). Aus dieser Regelung ergebe sich, dass eine Kostenübernahme der Krankenkasse für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V für Personen, die in vollstationären Einrichtungen nach § 43a SGB XI untergebracht seien, nicht möglich sei, da diese bereits mit den Entgelten der Sozialhilfeträger abschließend abgegolten seien. Hierfür würden von den Pflegekassen 10 v.H. der Aufwendungen, maximal 256,- EUR je Kalendermonat an die Sozialhilfeträger erstattet. Mit dieser Leistung würden alle in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen - auch die für die medizinische Behandlungspflege - abgegolten. Soweit Einrichtungen aufgrund der anfallenden Leistungen externe Pflegedienste beauftragten, seien die dadurch entstehenden Kosten im Verhältnis Einrichtung/Pflegedienst, ggf. mit dem Sozialhilfeträger, zu regeln. Eine Erstattung bzw. Kostenübernahme durch die Krankenkasse im Rahmen der häuslichen Krankenpflege sei nicht möglich.
Der Vorgang wiederholte sich in der Folgezeit jeweils entsprechend und führte zu dem Erlass der weiteren streitgegenständlichen Bescheide vom 14.10.2010; 26.11.2010 und 02.05.2011 in der Fassung der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 02.02.2011, 06.02.2011 und 04.08.2011.
Gegen die genannten Widerspruchsbescheide hat der Kläger jeweils fristgerecht Klage zum Sozialgericht München (SG) erheben lassen, mit der er sein Begehren weiter verfolgte. Zur Begründung wurde (jeweils) im Wesentlichen vorgetragen, in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XI sei geregelt, dass die Pflegekasse in vollstationären Einrichtungen die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege übernehme. In § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V sei geregelt, dass für Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI nur ausnahmsweise bei besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen seien. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um eine Pflegeinrichtung im Sinne des § 43 SGB XI, sondern um eine vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen gemäß § 43a SGB XI. In seinem Beschluss vom 12.11.2009 (Az.: L 1 B 202/09 ER KR) habe das Landessozialgericht (LSG) Hamburg entschieden, dass Versicherte auch Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V hätten, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe lebten. Eine stationäre Wohneinrichtung sei dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe. Hier habe der Kläger gegen den Einrichtungsträger, die Lebenshilfe A-Stadt, keinen solchen Anspruch auf Behandlungspflege. Sollte gegen die Beklagte kein solcher Anspruch bestehen, wäre jedenfalls der Beigeladene zu 1) verpflichtet, die anfallenden Kosten zu übernehmen. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 55 Abs. 1 SGB XII. Danach umfassten die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung.
Die Beklagte führte hingegen im Wesentlichen aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Gestalt der beantragten Leistungen (Blutzuckermessungen und Injektionen) gegen die Beklagte. Der Kläger benötige die Versorgung mit verschiedenen pflegerischen Leistungen. Er erhalte von der Pflegekasse der Beklagten Leistungen nach § 43a SGB XI. Zu diesen Pflegeleistungen gehörten auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, wie Blutzuckermessungen und Insulin-Injektionen, jeweils viermal täglich, siebenmal wöchentlich. Hierbei handle es sich jedoch nicht um häusliche Krankenpflege im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V. Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei nicht gegeben, da die Behandlungspflege weder im häuslichen oder familiären Umfeld noch an einem dem häuslichen oder familiären Umfeld gleichgestellten Ort erbracht werde. Hier werde die Versorgung in einer stationären Einrichtung erbracht, die nicht den Charakter einer allgemein betreuten Wohnform aufweise. Der Gesetzgeber habe gerade Bewohnern von stationären bzw. teilstationären Einrichtungen, welche - auch - Pflege zur Verfügung stellen wollen, keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegeben, da diese schon durch den Anspruch auf vollstationäre Versorgung die notwendigen Leistungen erhalten (Verbot der Doppelversorgung). Die Wohnform "vollstationäres Wohnheim der Behindertenhilfe" sei mit der Wohnform "vollstationäres Pflegeheim" eher als mit einem eigenen Haushalt vergleichbar. Hierzu habe das Bundessozialgericht (BSG) in Bestätigung der Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 14.12.2006 (Az.: L 4 KR 202/04) festgestellt, dass sich die Verpflichtung eines Pflegeheims, Behandlungspflege zu leisten, bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, nämlich aus § 43 Abs. 2 SGB XI. Derselbe gesetzliche Wortlaut gelte jedoch auch für Einrichtungen der Behindertenhilfe, die Leistungen nach § 43a SGB XI erbringen. Warum bei gleichem Gesetzeswortlaut eine andere Interpretation möglich oder gar zwingend sein sollte, erschließe sich nicht. Der Interpretation, dass Wohnheime geeignete Orte im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V sein könnten, sei auch das LSG Niedersachsen-Bremen in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (Az.: L 8 SO 1/07) mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten. Insbesondere habe das LSG Niedersachsen-Bremen die Entscheidung des BSG vom 01.09.2005 (Az.: B 3 KR 19/04 R) zutreffend angewendet. Das genannte LSG sehe darüber hinaus einen Leistungsanspruch hinsichtlich der Behandlung Pflegeleistung auf der Grundlage des § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Satz 1 SGB XII. Kostenträger wäre dann die Sozialhilfe. Somit sei das Wohnheim der Lebenshilfe A-Stadt e.V. (= Beigeladene zu 2) kein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Aus diesem Grund stelle die beantragte Leistung keine häusliche Krankenpflege dar.
Der Beigeladene zu 1) hat auf die "Häusliche Krankenpflege-Richtlinie" (HKP-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 37 Abs. 6 i.V.m. § 92 SGB V vom 17.09.2009 verwiesen. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass allein der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht entgegen stehe, sondern nur der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung bestehe. Im Übrigen seien von den Krankenkassen bereits vor der Novellierung des § 37 SGB V in ambulant betreuten Wohnformen Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht worden. Es sei eindeutiger Wille des Gesetzgebers gewesen, durch die geänderten Vorschriften des GKV-WSG in größerem Umfang als bisher Leistungen der häuslichen Krankenpflege für Menschen mit Behinderung, die in Einrichtungen und durch Dienste der Eingliederungshilfe betreut werden, zu erschließen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf alle geeigneten Orte vornehmen wollen. Wenn der Gesetzgeber keine Leistungserweiterung beabsichtigt hätte, wäre die Neufassung des § 37 SGB V überflüssig gewesen. Die vorgenommene Erweiterung der Verordnungsfähigkeit von häuslicher Krankenpflege könne also nur bedeuten, dass diese grundsätzlich auch in stationären Wohnformen verordnet werden könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2012 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung der jeweils entgegenstehenden streitgegenständlichen Bescheide bzw. Widerspruchsbescheide für die Zeit vom 26.09.2010 bis 30.06.2011 häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) in Form von Blutzuckertests und Insulin-Injektionen jeweils viermal täglich und siebenmal wöchentlich zu leisten. Eine Verpflichtung ergebe sich für die Beklagte aus ihrer materiellen Leistungsträgerschaft aus § 37 Abs. 2 SGB V. Die Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (= Beigeladene zu 2), in der sich der Kläger aufhalte, sei ein sonstiger geeignet Ort in diesem Sinne. Nach dem Wohnstättenvertrag erbringe die Beigeladene zu 2) hinsichtlich der Betreuungs- und Pflegeleistungen diejenigen Leistungen, die der Hilfebedarfsgruppe des Klägers entsprechen. Bei der medizinischen Versorgung erfolge eine Begleitung zu ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, sonstigen Arzt- und Facharztbesuchen sowie zu externen Therapien. Außerdem werde die Verabreichung bzw. Kontrolle der Einnahme von Medikamenten (letztere nur entsprechend der schriftlichen ärztlichen Verordnung) gewährleistet sowie die Versorgung bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich sei (§ 1 Nr. 4.2 Wohnstättenvertrag). Die ursprüngliche gesetzliche Beschränkung auf "Haushalt und Familie" der Versicherten (vgl. die bis zum 31.03.2007 gültige Fassung des § 37 SGB V vom 14.11.2003) sei allgemein als kontraproduktiv erkannt worden und auch die Rechtsprechung sei dazu übergegangen, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht dadurch auszuschließen, dass die Leistung außerhalb der Wohnung des Versicherten erbracht werden müsse, sondern auch auf Orte auszudehnen, an denen sich der Versicherte vorübergehend unter Verlassen des familiären Wohnbereichs aufhalte (BSG, Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 3 KR 13/2 R, juris). Die Neuregelung zum 01.04.2007 bezeichne der Gesetzgeber von der Regelungstechnik her dann zwar nur als eine (vorsichtige) Erweiterung des Haushaltsbegriffs, konterkariere diesen Begründungsteil jedoch gleichzeitig dadurch, dass auch Schule, Kindergarten und Werkstätten in die Regelung einbezogen wurden, die nur schwerlich zum Haushalt des Versicherten gezählt werden können (vgl. dazu auch Höfler, Kassler Kommentar, § 37 SGB V, Rn. 15b bzw. Nolte, Kassler Kommentar, § 37 SGB V, 72. Ergänzungslieferung 2012, Rn. 15b). Als tragend werde daher überwiegend die gesetzgeberische Begründung mit Blick auf den Zweck der häuslichen Krankenpflege, eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen zu vermeiden, angesehen (Nolte, a.a.O., Rn. 15b; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2010, Az.: L 9 KR 23/10 B ER, juris Rn. 10 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.07.2008, Az.: L 16 B 32/08 KR ER, juris, Rn. 3). Ausnahmen würden dann allerdings für solche "andere Orte" gemacht, für die nach Gesetz oder Vertrag bereits Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege bestehen, denn dann mangle es für den vorgesehenen gesetzgeberischen Zweck des § 37 SGB V an einer wesentlichen Grundlage (so LSG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2009, Az.: L 1 B 202/09 ER KR, juris, Rn. 16 ff. und vorhergehend SG Hamburg, Beschluss vom 12.05.2009, Az.: S 2 KR 445/09 ER, juris, Rn. 9 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.08.2010, Az.: L 8 SO 4/10 B ER, juris, Rn. 37). Weder der Gesetzesbegründung noch dem Gesetzestext sei darüber hinaus zu entnehmen, dass sich der Begriff "sonst geeigneten Ortes" nur auf Wohnformen beziehe, die in Flexibilität und Ähnlichkeit einem eigenen Haushalt nahe kommen. Diese Verknüpfung mit dem engen Haushaltsbegriff aus der Altfassung des § 37 SGB V sei durch den Gesetzgeber bewusst gelöst worden und könne auch mit dem Hinweis des Gesetzgebers auf eine "vorsichtige" Erweiterung des Haushaltsbegriffs wegen der erkannten und korrigierten Kontraproduktivität dieses Begriffs nicht wieder eingeführt werden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anspruchsausschluss, wenn die Pflegekasse eine pauschale Vergütung gemäß § 43a SGB XI geleistet habe. Zwar verweise § 43a Satz 1 SGB XI auf die Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen hin, unter die auch "die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege" fallen. Der dort geregelte Ausschluss des Anspruchs gelte jedoch nur für Leistungen nach dem SGB XI und nicht für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V (vgl. Leitherer in Kassler Kommentar, § 43a SGB V, Rn. 3), wo vom Ausschluss anderer Leistungen des SGB XI gesprochen werde. Leistungen der Krankenversicherung seien vielmehr grundsätzlich auch bei Aufenthalten in einer Einrichtung im Sinne der §§ 43a ff. SGB XI nicht ausgeschlossen (Leitherer, ebenda, Rn. 3a). Darüber hinaus bleibe grundsätzlich zu beachten, dass das SGB XI die Leistungspflicht der Pflegeversicherung regle und nicht der Krankenversicherung. Warum eine pauschale Zahlung der Pflegeversicherung die Krankenversicherung entlasten solle, erschließe sich daher grundsätzlich nicht von vornherein und bedürfe somit einer versicherungsübergreifenden gesetzlichen Regelung. In Kollisionsvorschriften des SGB V fänden sich eine Reihe abgrenzender Vorschriften zwischen SGB V und SGB XI, die im Wesentlichen Doppelleistungen verhindern soll. So regle etwa § 37 Abs. 2 S. 6 SGB V, dass nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI satzungsgemäße Zusatzleistungen nach § 37 Abs. 2 Sätze 4 und 5 SGB V - Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung - nicht zulässig seien. Für den hier vorliegenden Problemkreis bestimme § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V, dass Versicherte aus Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI "auch dann" Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten, wenn bestimmte Sonderbehinderungen vorliegen (kein eigener Haushalt mehr, vorübergehender Aufenthalt in der Einrichtung). Dies setze im Umkehrschluss für Versicherte in diesen Einrichtungen die Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V damit grundsätzlich voraus.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 15.03.2012 richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie u.a. aus, der Gerichtsbescheid sei rechtswidrig, da er zu Unrecht die zugrunde liegenden Bescheide aufgehoben habe und die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von häuslicher Krankenpflege in einer stationären Einrichtung verurteilt habe. Der Kläger befände sich in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe, in der er von der Pflegekasse bei der Beklagten für Pflege inklusive Behandlungspflege und soziale Betreuung die Leistung nach § 43a SGB XI erhalte. Das SG habe die Leistungspflicht der Beklagten bejaht, da es keinen Ausschluss des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege durch die Leistungen des 43a SGB XI gesehen habe. Es habe hierzu aus § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V geschlossen, dass in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 SGB XI grundsätzlich Behandlungspflege durch die Beklagte geleistet werden könne. Dabei verkenne das SG, dass diese Regelung sich nicht darauf beziehe, welche Leistungen in stationären Einrichtungen erbracht werden müssen, sondern darauf, ob auch Wohnsitzlose Behandlungspflege erhalten können. Aus der Regelung lasse sich daher vielmehr ableiten, dass Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 und Abs. 4 SGB XI bereits Behandlungspflege aufgrund der Bestimmungen des SGB XI leisten, und daher ein Anspruch aus dem SGB V nicht mehr erforderlich sei. Dies entspreche auch dem Wortlaut der leistungsrechtlichen Bestimmungen des SGB XI. In § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XI heiße es, dass die pauschalen Leistungsbeträge die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuungen und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege beinhalten. Diese Leistung werde auch bei vollstationärer Unterbringung in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI durch die Einrichtung geschuldet. § 43a SGB XI verweise ohne Einschränkung auf § 43 Abs. 2 SGB XI. Sämtliche Leistungsinhalte, die dort durch die Pflegekasse erbracht werden, würden auch in Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI durch die Pflegekasse erbracht. Für eine Doppelleistung durch die Beklagte sei daher kein Raum. Zwar habe der Gesetzgeber in § 37 SGB V das Verbot der Doppelleistung an einigen Stellen durchbrochen, nicht jedoch für den hier vorliegenden Fall. Ein Ausnahmetatbestand von dem Grundsatz, dass in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Behandlungspflege mit umfasst sei, liege nicht vor. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Kläger ambulant versorgt wäre. Eine betreute Wohnform, die nicht stationär, sondern ambulant organisiert sei, könne ein "geeigneter Ort" im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V sein. Um eine solche Wohnform handle es sich hier jedoch nicht.
Der Beigeladene zu 1) verwies darauf, dass das BSG in der mündlichen Verhandlung im Verfahren B 8 SO 16/09 R ausgeführt habe, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe gegen die Krankenkassen davon abhänge, dass kein Anspruch des Versicherten auf Erbringung von Behandlungspflegeleistungen aus dem Heimvertrag bestehe. Ob dies der Fall sei, müsse für jeden Einzelfall separat geprüft werden. Zudem gehe das BSG davon aus, dass auch Einrichtungen der Behindertenhilfe als "geeignete Orte" für die Erbringung von Leistungen für die Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V anzusehen seien.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 erklärte der Betreuer des Klägers, dass nach seiner Kenntnis dieser vermutlich in die Pflegestufe II eingestuft sei. Es könne aber auch die Pflegestufe I sein. Zur Frage der Entwicklung und Notwendigkeit der Blutzuckermessung und Insulin-Injektion erklärte er, es habe sich nach einem Krankenhausaufenthalt (zunächst wegen der stark schwankenden Zuckerwerte) die Notwendigkeit der viermal täglichen Messung und Injektion ergeben. Jetzt werde möglicherweise wegen der konstanteren Überwachung nur mehr eine zweimalige Messung und einmalige Injektion durchgeführt. Die Blutzuckermessung könne vom Betreuer der Wohngruppe durchgeführt werden, nicht jedoch die Injektion. Dies sei den Betreuern ausdrücklich untersagt. Bei einem Messwert von über 300 müssten die Betreuer unverzüglich den Pflegedienst benachrichtigen. Während der Notwendigkeit der viermal täglichen Injektionen von Insulin sei die Blutzuckermessung vom Pflegedienst übernommen worden, da dieser wegen der Spritzen habe kommen müssen. Nunmehr würden die Betreuer morgens und mittags messen, abends werde vom Pflegedienst die Messung vorgenommen und gespritzt. Der Kläger habe bereits früher in einer Wohngruppe in der S.-Straße gelebt und sei von dort in eine Werkstatt der Beigeladenen zu 2) gebracht worden. Der Kläger habe bis 67 gearbeitet. Jetzt sei er im gleichen Haus in einer neu gegründeten Wohngruppe für Senioren untergebracht, was nötig geworden sei, da nur dort eine ganztägige Betreuung gewährleistet werden könne. Nach seiner Beobachtung seien die Betreuer nicht als Krankenpflegekräfte ausgebildet. Die Wohngruppe bestehe aus neun Bewohnern, die alle geistig behindert seien. Ihm sei nicht bekannt, dass darüber hinaus weitere Bewohner wegen körperlicher Leiden pflegebedürftig seien. Für den Kläger sei zunächst die Hilfsbedarfsgruppe 2, später 3 festgelegt worden. Eine Einstufung nach Hilfsbedarfsgruppe 4 sei bereits einmal abgelehnt worden. Zur Zeit laufe eine erneute Prüfung.
Die Vertreterin des Beigeladenen zu 1) erklärte, der Bezirk leiste seit Mai 2011 bis jetzt, die letzte Abrechnung sei im Januar 2014 erfolgt. Sie überreichte die "Individuelle Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung".
Die Beteiligten erklärten übereinstimmend, dass nicht von "Leistungen zur Teilhabe" ausgegangen werde.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.03.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Vertreterin des Beigeladenen zu 1) stellt keinen Antrag.
Der Kläger hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG mit angefochtenem Gerichtsbescheid vom 15.03.2012 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, da die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten nicht der Sach- und Rechtslage entsprechen.
Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Beklagten ergibt sich aus § 37 Abs. 2 SGB V. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach der gesetzlichen Regelung werden die Leistungen im Haushalt der Versicherten, ihrer Familie oder sonst an einem "geeigneten Ort", insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen erbracht.
Dies folgt insbesondere aus dem Sinn und Zweck der Regelung nach der Änderung des § 37 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 mit Wirkung zum 01.04.2007. Nach der Gesetzesbegründung sollte eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs erfolgen, um vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden und um Lücken im Zwischenbereich von stationärer und ambulanter Versorgung zu schließen (BT-Drs. 16/3100, S. 104). Weiter heißt es, dass ein geeigneter Ort dann nicht gegeben sei, wenn Einrichtungen medizinische Behandlungspflege schulden.
Die Wohneinrichtung S.-Straße der Beigeladenen zu 2) ist ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V, denn ein Anspruch des Versicherten auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger besteht aufgrund des Wohnstättenvertrages nicht. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V setzt also voraus, dass die Leistungen in einem Haushalt oder "sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, ..." erbracht werden können. Einrichtungen, in denen behinderte Menschen Eingliederungshilfe gewährt wird, können eine "betreute Wohnform" im Sinne des Gesetzes sein, wenn durch den Aufenthalt nicht ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege begründet wird. Zumindest handelt es sich aber um einen "sonst geeigneten Ort".
Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen jedenfalls als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen, wenn man sie nicht bereits als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V versteht. Die Einbeziehung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe schließt auch Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung. Die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe könne nicht mit stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleichgesetzt werden. Bei Einrichtungen der Behindertenhilfe steht die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund. Diese sollen möglichst unabhängig werden (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Aus diesem Grund sind Behinderteneinrichtungen auch keine Pflegeheime nach § 71 Abs. 4 SGB XI.
Ziel oder Aufgabe der Beigeladenen zu 2) ist es, dazu beizutragen, dass Menschen mit geistiger Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes Leben mitten in der Gesellschaft führen können. Unter anderem wird hierzu Wohnen in Wohnstätten und im geschützten Wohnen inklusive Lebensbegleitung und pädagogische Unterstützung angeboten. Wegen der näheren Einzelheiten für das Wohnen in den Wohnstätten wird auf den Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) verwiesen. Laut Wohnstättenvertrag vom 01.05.2005 wurde dem Kläger durch die Beigeladene zu 2) ein unmöbliertes Zimmer als Wohnraum zur Verfügung gestellt. Nur im Bedarfsfall wird die Grundausstattung von der Beigeladenen zu 2) bereitgestellt. Der Kläger hat das Zimmer mit eigenen Möbeln einrichten und gestalten können. Der Kläger erhielt einen Zimmerschlüssel, der gleichzeitig "nach Absprache mit der Wohnstättenleitung" auch Hausschlüssel ist. Als Verpflegung erhält er eine Vollverpflegung mit allen üblichen Mahlzeiten, wobei er in die Planungen und Zubereitungen der Mahlzeiten entsprechend dem konzeptionellen Ansatz der Individualisierung bei der Beigeladenen zu 2) einbezogen wird (§ 1 Nr. 2 Wohnstättenvertrag). Bei den hauswirtschaftlichen Leistungen (Reinigung und Ordnung des Zimmers, der Gemeinschaftssanitäranlagen und aller anderer Gemeinschaftsräume und -einrichtungen, beim Waschen und Bügeln der Bettwäsche, der Privatwäsche und der Kleidung, sowie bezüglich Hilfestellung und Anleitung bei der Ausbesserung kleinerer Schäden an Wäsche und Kleidung) ist im Rahmen des Normalisierungsprinzips die Mithilfe des Klägers bei allen anfallenden Arbeiten in der Wohnstätte nach seinen Möglichkeiten als Bestandteil des Wohnstättenkonzepts (§ 1 Nr. 3 Wohnstättenvertrag) vorgesehen. Im Sinne der Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringt die Beigeladene zu 2) diejenigen Leistungen, die dem Hilfebedarf des Klägers entsprechen. Bei der medizinischen Versorgung erfolgt eine Begleitung zu ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, sonstigen Arzt- und Facharztbesuchen sowie zu externen Therapien. Außerdem wird die Verabreichung bzw. Kontrolle der Einnahme von Medikamenten (letztere nur entsprechend der schriftlichen ärztlichen Verordnung) gewährleistet sowie die Versorgung bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich ist (§ 1 Nr. 4.2 Wohnstättenvertrag).
Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger - wie aufgezeigt - nach § 1 Nr. 3. Wohnstättenvertrag zur Mithilfe, also auch Mitwirkung verpflichtet ist, zeigt, dass sich das Gesamtbild grundlegend von dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim unterscheidet, bei denen jeweils die medizinische und pflegerische Behandlung im Vordergrund steht und nicht die Stärkung der psychosozialen Fähigkeiten. Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe (ohne Anspruch auf Behandlungspflege) ist daher eher mit dem betreuten Wohnen zu vergleichen. Hinzu kommt, dass für die Ermittlung des "sonst geeigneten Wohnorts" die Unterscheidung zwischen dem betreuten Wohnen auf der einen und dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung bzw. einem Heim auf der anderen Seite zu undifferenziert ist. Das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung sind in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend.
Insgesamt scheinen im vorliegenden Fall die Unterschiede zum betreuten Wohnen vergleichsweise gering. Es handelt es sich um kleinere Wohngruppen, die eher nach dem Prinzip einer Wohngemeinschaft organisiert sind und bei denen die Bewohner ein möglichst selbständiges Leben führen sollen. Die Betreuungsleistungen zielen darauf ab, dass die Bewohner noch in der Lage sind, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Art und Umfang der Betreuungsleistungen hängen jedoch stark von den gesundheitlichen Einschränkungen der Bewohner ab. Mitunter ist auch wie in einem Heim eine ständige Aufsicht und Betreuung bei den täglichen Verrichtungen erforderlich. Einrichtungen der Behindertenhilfe, in denen Eingliederungshilfe nach §§ 53 und 54 SGB XII gewährt wird, können als institutionalisierte betreute Wohnformen angesehen werden. In der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) leben Erwachsene mit einer geistigen Behinderung, die zum Zeitpunkt der Aufnahme einer Arbeit nachgehen - wie der Kläger zunächst -, die in einer Gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung ohne größere Schwierigkeiten leben können, auf deren Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegebedarf (in den Grenzen der Vereinbarungen mit dem Sozialhilfeträger) in guter Qualität eingegangen werden kann. Das Ziel der Wohneinrichtungen ist, "ein Zuhause zu schaffen und zu erhalten". Ziel ist somit auch u.a. die Vermeidung von Krankenhausbehandlungen und die Sicherung der vorangegangenen Behandlungen. Die Vermeidung einer stationären Unterbringung ist (dementsprechend) nach den Gesetzesmaterialien ein Grund für die Ausweitung des Haushaltsbegriffs gewesen (BT-Drs. 16/3100, S. 104). Hier wird deutlich, dass das Merkmal stationär zur Differenzierung nicht ausreicht, denn die stationäre Wohneinrichtung soll gerade die stationäre Krankenbehandlung verhindern. Vom Gesetzgeber sind vielmehr die Einrichtungen mit Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege wie Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime (§ 1 Abs. 6 der Richtlinie über die Verordnung von "Häuslicher Krankenpflege" in der Fassung vom 17.09.2009 - HKP-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur häuslichen Krankenpflege) gemeint. Die Wohneinrichtung, in der sich der Kläger aufhält, richtet sich an behinderte Menschen, die vorübergehend oder manchmal auch dauerhaft noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind, in einer eigenen Wohnung zu leben (siehe Satz 2 der Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII). Auch hier ergibt sich eine Übereinstimmung mit dem betreuten Wohnen. Dies gilt insbesondere für die übergeordnete Zielsetzung ein möglichst selbständiges Leben in der Gesellschaft mit der Ausübung einer geregelten Tätigkeit zu ermöglichen (siehe Ziffer 3 der Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII).
Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich, weshalb die Leistungen zur häuslichen Krankenpflege den Bewohnern nicht vorenthalten werden dürfen. Da im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen gemäß § 43 SGB XI gerade keine Verpflichtung besteht, Behandlungspflege zu erbringen und deshalb kein entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal vorhanden ist, besteht nicht die Gefahr, dass die Einrichtungsträger zu Lasten der Krankenkassen sich von kostenintensiven Pflichtaufgaben befreien.
Für eine Einbeziehung stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe als geeignetem Ort spricht auch, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Versicherte, die sich in gemäß § 43 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen befinden, eine Ausnahmeregelung enthält. Häusliche Krankenpflege kann danach gewährt werden, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht. Sofern unter besonderen Voraussetzungen in einer Pflegeeinrichtung, die grundsätzlich alle pflegerischen und medizinischen Versorgungsleistungen übernehmen muss und über entsprechendes Personal verfügt, Behandlungspflege durch die Krankenkasse gewährt werden kann, muss das erst recht bei einer stationären Wohneinrichtung gelten, bei der kein Anspruch auf Behandlungspflege besteht. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch gegen den Heimträger. So hat auch der gesetzliche Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Betreuer nicht als Krankenpflegekräfte ausgebildet sind. Ergänzend hat hierzu die Vertreterin des Beigeladenen zu 1) darauf hingewiesen, dass als Betreuer Kräfte mit sozialpädagogischer Ausbildung eingesetzt würden. Bei den Hilfskräften seien zwar unterschiedliche Berufsabschlüsse anerkannt, weshalb durchaus auch Kräfte mit Krankenpflegequalifikation eingesetzt würden, die Einteilung erfolge aber zufällig. Die Angaben der Vertreterin des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung werden auch durch die vorgelegte Iindividuelle Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung" bestätigt. Hinzu kommt, dass den Betreuern des Klägers ausdrücklich untersagt ist, diesem Injektionen zu verabreichen. Die Betreuer sind vielmehr gehalten, bei einem bestimmten Messwert unverzüglich den Pflegedienst zu benachrichtigen. Dementsprechend erfolgt auch die Injektion des Insulins ausschließlich durch den Pflegedienst. Auch werden in dem Ausnahmetatbestand stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht erwähnt. Da es keinen Grund gibt, die Bewohner derartiger Einrichtungen von der Versorgung auszuschließen, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber von einem bereits grundsätzlich bestehenden Anspruch ausgegangen ist.
Auch die pauschale Vergütung der Pflegekasse nach § 43a SGB XI zur Abgeltung der Pflegeleistungen und der medizinischen Behandlungspflege, die den Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gezahlt wird, führt nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs. Dies gilt nur für Leistungen nach dem SGB XI und nicht für Leistungen der häuslichen Krankenpflege der Krankenkasse nach dem SGB V, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V vorliegen (BSG vom 01.09.2005, Az.: B 1 KR 19/04 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 5). Gegen eine Abgeltung der Leistungen nach dem SGB V spricht auch die niedrige Pauschale, die nicht überschritten werden darf.
Auch aus den HKP-Richtlinien ergibt sich, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe maßgeblich davon abhängt, ob der Einrichtungsträger verpflichtet ist, Behandlungspflege zu erbringen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.07.2008, Az.: L 16 B 32/08 KR ER, juris). Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist nach § 37 Abs. 6 SGB V ermächtigt, in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Nach § 1 Abs. 6 unter "Grundlagen" heißt es in den HKP: "Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize, Pflegeheimen) kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen."
Aus der Ausschlussregelung folgt, dass eine Einrichtung der stationären Behindertenhilfe jedenfalls dann als "geeigneter Ort" angesehen werden kann, wenn die Einrichtung nicht verpflichtet ist, selbst Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. Denn nur für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht, kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Das bedeutet, dass grundsätzlich allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen dem Anspruch nicht entgegen steht, sondern nur der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Dies wird exemplarisch bei Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen angenommen. Sofern schon der Aufenthalt in "Einrichtungen" zu einem Ausschluss führen würde, wäre es überflüssig gewesen, auf einen möglichen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege abzustellen. Es hätte für einen Ausschluss ausgereicht, auf den stationären Aufenthalt in einer Einrichtung abzustellen. Folgerichtig ist nach § 1 Abs. 6 Satz 2 der HKP-Richtlinien im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen, ob ein solcher Anspruch besteht. Gemeint ist hiermit die Prüfung, ob in der Einrichtung ein Anspruch auf Behandlungspflege besteht. Dies ist hier unstreitig nicht der Fall. Hierzu heißt es im Wohnstättenvertrag, "Hinsichtlich der Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringt die Lebenshilfe A-Stadt diejenigen Leistungen, die der Hilfsbedarfsgruppe des Klägers entsprechen. Bei der medizinischen Versorgung erfolgt eine Begleitung zu ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, sonstigen Arzt- und Facharztbesuchen sowie zu externen Therapien. Außerdem wird die Verabreichung bzw. Kontrolle der Einnahme von Medikamenten (letztere nur entsprechend der schriftlichen ärztlichen Verordnung) gewährleistet sowie die Versorgung bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich ist." Zu Recht weist das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hin, dass schon die Formulierung "Einnahme von Medikamenten" kein Zweifel daran lasse, dass hier lediglich die einfache Aufnahme von Medikamenten gemeint sei, also keinesfalls die Verabreichung von Insulinspritzen und schon gar nicht nach Kontrolle des Blutzuckerspiegels. Dass Medikamentengabe, Blutzuckermessungen und Insulin-Injek-tionen unterschiedliche Sachverhalte betreffen, folgt auch aus den Bestimmungen der HKP-Richtlinien, wo eben gerade Blutzuckermessungen und Insulin-Injektionen gesondert genannt sind.
Die weiteren Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V für die Gewährung von häuslicher Krankenpflege liegen für die Insulin-Injektionen und Blutzuckermessungen vor. Die Beklagte ist auch verpflichtet, die Blutzuckermessungen gemäß der ärztlichen Verordnungen als Sachleistung zu gewähren. Zwar ist es zutreffend, dass nach HKP-Richtlinien die Blutzuckermessung nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur für eine Dauer von bis zu vier Wochen verordnet werden kann. Dies ist aber nur bei der Erst- und Neueinstellung eines Diabetes und bei der Fortsetzung der sog. "intensivierten Insulintherapie" möglich. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall routinemäßige Dauermessungen für einen gewissen Zeitraum auch bei der "konventionellen Insulintherapie" angezeigt
sein können (vgl. BSG vom 26.01.2006 , Az.: B 3 KR 4/05 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 7, Rdnr. 23).
Der rechtlichen Beurteilung durch den Senat steht auch nicht § 55 SGB XII entgegen.
Werden Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne des § 43a des SGB XI erbracht, umfasst die Leistung auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung (§ 55 Satz 1 SGB XII).
Mit dieser Regelung soll wie schon in der Vorgängerregelung des § 40a Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die durch Art. 15 SGB IX in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.06.2001 (BGBl. I 1046) in das BSGH einbefügt worden war, klargestellt werden, dass die Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe die notwendige Pflege mit umfasst. Die Vorschrift zielt darauf ab, die nicht immer einfache Abgrenzung zwischen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und der Hilfe zur Pflege zu vermeiden. Damit wird sie dem Wunsch vieler Menschen gerecht, auch im Fall der Pflege in einer vertrauten Einrichtung zu bleiben. Damit sind die in der Einrichtung erbrachten Pflegeleistungen sachlich der Eingliederungshilfe zuzuordnen und wird ein ganzheitlicher Ansatz unterstrichen. In der Einrichtung nach § 43a SGB XI steht statt der Pflege der Bewohner die berufliche und soziale Eingliederung, die schulische Ausbildung oder die Erziehung des behinderten Menschen im Vordergrund. Der Einrichtungsträger muss eine erkennbare Entscheidung treffen, ob das Leistungsangebot der Pflege oder die Förderung im Vorgrund steht (Kruse in LPK-SGB XI Kommentar, 4. Auflage, § 43a Rdnr. 6).
Die genannten Gesichtspunkte treffen auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Denn die genannte Vorschrift betrifft Pflegeleistungen nach dem SGB XI und nicht Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V. Gegenüber dem Kläger werden ausschließlich Leistungen zur häuslichen Krankenpflege erbracht.
Wenn im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI gerade keine Verpflichtung besteht, Behandlungspflege zu erbringen und deshalb kein entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal - wie hier - vorhanden ist, besteht auch nicht wie bereits ausgeführt die Gefahr, dass die Einrichtungsträger zu Lasten der Krankenkassen sich von kostenintensiven Pflichtaufgaben befreien. Eine unzulässige Überschneidung der Zuständigkeiten zwischen den Kostenträgern entsteht nicht. Eindeutig steht insgesamt bei der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) die soziale Eingliederung im Vordergrund. Der Einrichtungsträger, d.h. die Beigeladene zu 2), hat auch durch ihren Vertrag mit dem Kläger eine erkennbare Entscheidung getroffen, dass ihr Leistungsangebot auf Förderung im Vordergrund steht und nicht der Pflege. Dies wird auch die "Individuelle Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung" bestätigt, nach der als Betreuer bei der Beigeladenen zu 2) Kräfte mit sozialpädagogischer Ausbildung eingesetzt werden. Zwar - so die Vertreterin des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung - sind bei den Hilfskräften unterschiedliche Berufsabschlüsse anerkannt, weshalb durchaus auch Kräfte mit Krankenpflegequalifikation eingesetzt werden, wobei die Einteilung allerdings zufällig erfolgt.
Der Senat hat aufgrund der vorliegenden konkreten Konstellation auch keinen Anlass hier einen "Vertrag zu Lasten Dritter" anzunehmen. Denn hier liegt in keiner Weise eine nicht durchschaubare Regelung vor, die zu einer Unwirksamkeit führen könnte. Denn insoweit sind eindeutige transparente Regelungen getroffen. Die Beigeladene zu 2) hat erkennbar eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass bei ihrem Leistungsangebot die Förderung im Vordergrund steht und nicht die Pflege.
Lediglich ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass die Hilfebedarfsgruppe 3, der der Kläger zur Zeit angehört, keinen Einfluss auf den Pflegebedarf hat, sondern allein die Intensität der Betreuung betrifft. Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt haben, dass hier nicht von Leistungen zur Teilhabe ausgegangen wird, erübrigt sich eine Prüfung der Vorschrift des § 14 SGB IX.
Somit ist die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.03.2012 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Nachdem es in dem Verfahren unter dem Az.: B 8 SO 16/09 R seinerzeit zu keiner schriftlichen Entscheidung gekommen ist, war in Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Revision zuzulassen.
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