L 8 SB 1387/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SB 2213/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1387/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.02.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-) Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) seit 15.04.2011 (höher als 40) zusteht.

Der am 19.08.1963 geborene Kläger zog sich im Jahr 1983 bei einem Autounfall ein Schädelhirntrauma mit Subarachnoidalblutung sowie multiplen Frakturen zu.

Das Landratsamt G. - LRA - stellte beim Kläger zuletzt in Ausführung eines im Klageverfahren S 4 SB 462/09 vor dem SG Ulm abgegebenen Anerkenntnisses mit Bescheid vom 30.04.2010 einen GdB von 40 seit dem 14.08.2008 fest (Bl. 88 der Verwaltungsakte). Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 30), - Funktionsbehinderung des linken Knie- und Hüftgelenkes (Teil-GdB 20), - Hirnschädigung bei Zustand nach Schädelhirntrauma (Teil-GdB 20), - Folgen einer Nervenverletzung (Teil-GdB 10), - Entleerungsstörung der Harnblase (Teil-GdB 10) sowie - koronare Herzkrankheit und Stentimplantation (Teil-GdB 10).

Der Kläger beantragte am 15.04.2011 die höhere (Neu-) Feststellung seines GdB und legte zur Begründung einen Entlassungsbericht der R. B. vom 07.04.2011 über die dort durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 17.03.2011 bis 07.04.2011 vor.

Auf Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 21.04.2011, der den Gesamt-GdB mit 40 bewertete, lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 27.04.2011 ab (Bl. 114 der Verwaltungsakte).

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20.05.2011 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er vortrug, gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung sei eine wesentliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen eingetreten. Der Kläger legte Arztbriefe des Schmerztherapeuten Dr. S. vom 03.05.2011 und des Orthopäden Herr D. vom 09.05.2011 vor.

Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. wies der Beklagte den Widerspruch durch das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2011 als unbegründet zurück (Bl. 127 der Verwaltungsakte).

Dagegen erhob der Kläger am 05.07.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG), zu deren Begründung er im Wesentlichen vortragen ließ, er leide seit 2008 unter Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die seit 2010 deutlich zugenommen hätten und nunmehr ins Bein ausstrahlten. Die Rehabilitationsmaßnahme in der Rheintalklinik habe keine Besserung gebracht. Auf Grund der starken Schmerzsymptomatik habe sich eine ausgeprägte depressive Störung entwickelt, welche neben einer Psychotherapie auch eine medikamentöse Behandlung erforderlich mache und einen Einzel-GdB von 30 bis 40 rechtfertige.

Das SG erhob Beweis durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 28/45, 47/49, 53/57, 58/88 und 89/90 der SG-Akte (S 14 SB 2213/11) Bezug genommen.

Der Orthopäde Herr D. teilte dem SG am 14.10.2011 mit, der Kläger leide unter einer Bandscheibenprotrusion bei zusätzlichem pseudoradikulärem Wurzelreizsyndrom und rezidivierenden Blockierungen im Bereich der Kreuzbeindarmfuge, welche als schwergradig einzustufen und mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten seien. Weiter bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom, welches ebenfalls schwergradig sei und mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei. Insgesamt schätzte Herr D. den GdB auf orthopädischem Fachgebiet auf 60.

Der Schmerztherapeut Dr. S. berichtete dem SG unter dem 13.10.2011, der Kläger leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer chronischen Cervicobrachialgie und Lumboischialgie sowie einer Wurzelreizsymptomatik L4 und L5. Ferner bestehe ein alogenes Psychosyndrom. Die Rückenbeschwerden würden vom Kläger als schwer empfunden, jedoch handele es sich objektiv lediglich um leichte bis mittlere Beschwerden. Den GdB könne Dr. S. nicht einschätzen.

Der Facharzt für Neurochirurgie Dr. J. gab unter dem 07.10.2011 an, aus neurochirurgischer Sicht bestünden lediglich geringfügige Gesundheitsstörungen im Sinne von nicht objektivierbaren Lumbalgien. Die vom Kläger angegebenen Parästhesien im Bereich der Beine hätten sich nicht objektivieren lassen. Ein MRT der Lendenwirbelsäule vom 16.09.2010 habe einen regelrechten altersentsprechenden Befund mit geringfügigen degenerativen Veränderungen gezeigt. Es bestünden keine neurologischen Defizite und aus neurochirurgischer Sicht auch keine wesentlichen Gesundheitsstörungen.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt des Klägers Herr S. berichtete am 10.11.2011, er habe den Kläger aufgrund einer mäßiggradigen depressiven Episode bzw. eines alogenen Psychosyndroms zur Psychotherapie überwiesen. Der Kläger nehme begleitend pflanzliche Antidepressiva ein. Die depressive Episode bzw. das alogene Psychosyndrom sowie die Lumboischialgie seien als mittel- bis rezidivierend schwergradig, das chronische Schmerzsyndrom als mittelgradig zu beurteilen. Zur Beurteilung des GdB sah sich Herr S. außerstande.

Die Inhaberin einer Praxis für Psychotherapie gemäß des Heilpraktikergesetzes Frau K. schrieb dem SG am 21.11.2011, der Kläger leide unter einer mittelgradigen Depression, Schlafstörungen und einer posttraumatischen Belastungsstörung nach dem frühen Tod seiner Mutter und dem Tod seines Bruders.

Weiter erhob das SG Beweis durch die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 98 bis 117 der SG-Akte Bezug genommen.

Im Gutachten vom 16.05.2012 führte Dr. S. aus, der Kläger leide unter einer beidseitigen rechtsbetonten Lumboischialgie, einem kleinen lumbalen Bandscheibenvorfall L4/5 und einem chronischen Schmerzsyndrom/Differentialdiagnose somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und physischen Faktoren. Zusammenfassend ließen sich auf neurologischem Fachgebiet allenfalls leichtgradige Sensibilitätsstörungen im Dermatom L5 rechts als Folge einer möglichen Wurzelkompression finden. Paresen im eigentlichen Sinne seien wegen der vorgefundenen Untersuchungssituation (mangelnde Mitwirkung und Aggravation durch den Kläger) nicht objektivierbar gewesen. Wesentliche depressive Symptome ließen sich ebenso wenig feststellen wie Hinweise auf eine Angsterkrankung im eigentlichen Sinne. Eine psychiatrische Behandlung finde nicht statt und eine angstlösende oder antidepressive medikamentöse Behandlung sei offenbar nicht erforderlich. Aufgrund des Schmerzsyndroms sei es auch nicht zu einer sozialen Desintegration gekommen. Den Wirbelsäulenschaden bewertete Dr. S. mit einem Teil-GdB von 30 und das chronische Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 40. Der Gesamt-GdB sei mit 40 angemessen.

Weiter holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten bei dem Orthopäden Herr D. ein. Im Gutachten vom 07.09.2012 führte Herr D. aus, der Kläger leide unter einer Bandscheibenprotrusion LWS 1 und 5, einem chronischen Schmerzsyndrom, einem Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Wurzelreizung, einer SIG-Blockierung sowie einer L5 - Reizung rechts. Im Vordergrund stünden Beschwerden von Seiten der Zehenhebung bzw. -senkung am rechten Bein sowie Schmerzen im Bereich des Rückens. Die Beschwerden seien insgesamt glaubhaft und konstant, da über mehrere Jahre Befunde erhoben und dokumentiert worden seien. Herr D. bewertete das chronische Wirbelsäulensyndrom mit Zehenheber- und Senkerparese mit einem Teil-GdB von 30, das chronische Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 40, den Zustand nach Oberarmfraktur mit einem Teil-GdB von 10, den Zustand nach offener Oberschenkelfraktur mit Gon-und Retropatellararthrose mit einem Teil-GdB von 20 und den Zustand nach Schädelhirntrauma mit Trigeminus-Dysästhesien mit einem Teil-GdB von 20. Den Gesamt-GdB schätzte Herr D. auf 60.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12.02.2014 als unbegründet ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, da eine wesentliche Verschlechterung in den gesundheitlichen Verhältnissen nicht nachgewiesen sei. Für die Funktionsbeeinträchtigungen der Rumpfwirbelsäule sei ein Teil-GdB von 20 zu Grunde zu legen. Eine GdB relevante Gesundheitsbeeinträchtigung im Bereich der oberen Extremitäten liege nicht vor. Im Bereich der unteren Extremitäten erscheine ein Teil-GdB von 10 angemessen. Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche liege auf Grund der nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. S. und des Schmerztherapeuten Dr. S. ein chronisches Schmerzsyndrom vor, welches mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Ferner bedinge der Zustand nach Schädelhirntrauma mit Subarachnoidalblutung einen Teil-GdB von 20. Die beiden Gesundheitsstörungen chronische Schmerzstörung und Zustand nach Schädelhirntrauma mit Subarachnoidalblutung bedingten in ihrer Gesamtheit einen Teil-GdB von 30. Die in den weiteren Funktionssystemen Harnorgane (Entleerungsstörung der Blase) sowie Herz- und Kreislauf (Einschränkung der Herzleistung) vorliegenden Gesundheitsstörungen bedingten jeweils keinen höheren Teil-GdB als 10. Allenfalls bei sehr wohlwollender Betrachtung sei ein Gesamt-GdB von 40 gerechtfertigt.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 06.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Funktionsbeeinträchtigungen durch die Wirbelsäulenschäden verbunden mit dem chronischen Wirbelsäulenschmerzsyndrom rechtfertigten eine höhere Teil-GdB-Beurteilung. So habe der vom SG beauftragte Gutachter Dr. S. im Gutachten vom 16.05.2012 die Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 und das chronische Wirbelsäulenschmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 40 beurteilt. Auch der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Herr Deinfelder habe den Gesamt-GdB auf 60 geschätzt. Der Beurteilung des SG, welches den Teil-GdB für die Wirbelsäulenschäden und das chronische Schmerzsyndrom in Übereinstimmung mit dem Beklagten jeweils auf 20 festgesetzt habe, könne nicht gefolgt werden, da die beiden Funktionsbehinderungen deutlich schwerer zu beurteilen seien. Auch der Hausarzt des Klägers Herr S. beurteile die Wirbelsäulenschäden und das chronische Schmerzsyndrom in seiner sachverständigen Zeugenaussage als mittel- bis rezidivierend schwergradig. Die Versorgungsmedizin-Verordnung sehe bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen Teil-GdB zwischen 30 und 40 vor. Ebenso könne bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 12.02.2014 sowie des Bescheids des Landratsamts G. vom 27.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 20.06.2011 zu verurteilen, beim Kläger einen höheren Grad der Behinderung als 40 seit 15.04.2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des den Kläger behandelnden Internisten/Kardiologen Dr. E. als sachverständigen Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 28/30 der Senatsakte Bezug genommen. Dr. E. hat mit Schreiben vom 23.06.2014 mitgeteilt, der Kläger habe bei der letzten Untersuchung am 14.04.2014 keine Herzbeschwerden beklagt. Es sei eine koronare 1-Gefäß-Erkrankung diagnostiziert worden, im Jahr 2008 sei eine PTCA mit Stent-Implantation erfolgt. Bei der letzten Untersuchung sei der Kläger bis 150 Watt belastbar gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 34 und 35 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG in den Verfahren S 14 SB 2213/11 und S 4 SB 462/09 sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.02.2014 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts G. vom 27.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 20.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40, da eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X im Verhältnis zu dem zuletzt maßgeblichen Bescheid vom 30.04.2010 nicht eingetreten ist.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst nach Funktionssystemen (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.

Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist beim Kläger durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Weiter ist das chronische Schmerzsyndrom in diesem Funktionssystem mitzuberücksichtigen, da dessen Auswirkungen gerade in diesem Funktionssystem auftreten. Lediglich dann, wenn sich die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund des Schmerzsyndroms nicht mehr einem Funktionssystem zuordnen lassen, kommt eine Berücksichtigung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche in Betracht. Für das Schmerzsyndrom hält der Senat einen Teil-GdB von 20 für angemessen.

Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden ein GdB von 20 vorgesehen, wenn mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorliegen. Ein GdB von 10 ist dagegen bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bestimmt. Ein GdB von 30 setzt nach Teil B Nr. 18.9 VG entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder (nach der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11 – juris) mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Vorliegend konnte der Senat allenfalls mittelschwere Funktionsbeeinträchtigungen in einem Wirbelsäulenabschnitt feststellen.

Beim Kläger bestehen zur Überzeugung des Senats an der Halswirbelsäule keine Bewegungseinschränkungen. In der Brust- und Lendenwirbelsäule bestehen leicht- bis mittelgradige Bewegungseinschränkungen. Die Überzeugung des Senats beruht auf den von Herrn D. anlässlich der Erstellung des auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens vom 07.09.2012 erhobenen Bewegungsausmaßen. Herr D. hat für die Halswirbelsäule eine seitengleich bis 70 Grad mögliche Rotation und eine beidseits bis 40 Grad mögliche Seitenneigung gemessen. Dies entspricht einer freien Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Für die Brustwirbelsäule gibt der Gutachter eine Seitneigefähigkeit rechts/links mit 30/0/20 Grad sowie das Ott`sche Entfaltungsparameter mit 30/33 an. Bezüglich der Lendenwirbelsäule gibt Herr D. ein Schobersches Entfaltungsparameter von 10/13 an. Dies entspricht einer leicht- bzw. mittelgradigen Bewegungseinschränkung der Brust- bzw. Lendenwirbelsäule.

Von neurologischen Ausfällen bzw. vom Vorliegen einer Zehenheber-/Senkerparese konnte sich der Senat nicht überzeugen. Hier stützt sich der Senat auf die schlüssigen Ausführungen in dem vom SG von Amts wegen eingeholten neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten von Dr. S. vom 16.05.2012. Danach fanden sich bei der Untersuchung keine sicheren Paresen. Die Untersuchung durch Dr. S. war durch artifizielle Bewegungsmuster und eine submaximale Innervation der Muskulatur erschwert. Die bei der Einzelmuskelprüfung dargebotenen Kraftgrade korrelierten nicht mit dem klinischen Befund eines weitgehend normalen Gangbilds. Der Kläger war zur Untersuchung durch Dr. S. mit seinem Kraftfahrzeug gekommen. Bei den zunächst dargebotenen Kraftwerten aller Muskelgruppen wäre der Kläger nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. S. aber nicht in der Lage, das Gas- oder Bremspedal des Kraftfahrzeuges zu betätigen. Nach Aufforderung durch Dr. S. kamen dann doch deutlich bessere Kraftwerte zustande. Darüber hinaus war die Untersuchung durch Verdeutlichung wie z.B. Stöhnen und demonstrative Verhaltensweisen überlagert. Soweit beurteilbar fanden sich jedoch keine signifikanten Paresen. Darüber hinaus ließen sich auch keine Atrophien nachweisen. Für ein demonstratives und artifizielles Verdeutlichungsverhalten spricht ebenfalls ein Finger-Boden-Abstand von 50 cm sowie ein Lasègue von 30 cm bei ansonsten normalen Bewegungsabläufen. Sichere Sensibilitätsstörungen ließen sich weder einem peripheren Nerven noch einem Dermatom zuordnen. Es gab Hinweise auf eine allenfalls leichtgradige Sensibilitätsstörung bezüglich der Nervenwurzel L5 rechts. In Übereinstimmung hiermit beschreibt auch der vom SG als sachverständiger Zeuge gehörte Neurochirurg Dr. J. ein regelrechtes und freies Gangbild, keine manifesten Paresen in der Einzelmuskelprüfung und eine eingeschränkte Beurteilbarkeit bei mangelnder Kooperation sowie Verdacht auf Aggravation. Die Muskeleigenreflexe waren bei der Untersuchung durch Dr. J. am 28.04.2011 seitengleich, es fanden sich keine pathologischen Reflexe. Dr. J. fand keine neurologischen Defizite und aus neurochirurgischer Sicht keine wesentlichen Gesundheitsstörungen (Bl. 53 der SG-Akte). Die neurologische Untersuchung bei Dr. H. am 23.03.2011 ergab ebenfalls keinen sicheren Anhalt für eine radikuläre Läsion. Auch dort konnte eine sichere Parese nicht nachgewiesen werden. Vielmehr äußerte Dr. H., dass auch von einer fehlenden Willküraktivität auszugehen ist (vgl. den im Reha-Entlassbericht der R. vom 07.04.2011 auf Bl. 4 erwähnten Befundbericht des Neurologen Dr. H. von 23.03.2011 (Bl. 66 der SG-Akte)). Schließlich ist im Reha-Entlassbericht der R. vom 07.04.2011 eine Fußheberschwäche rechts bei Aufnahme mit einem Kraftgrad von 1/5 und eine Fußsenkerschwäche mit einem Kraftgrad von 2/5, bei Entlassung noch eine Fußheberschwäche rechts mit einem Kraftgrad von 4/5 und keine Fußheberschwäche beim Gehen im Zehengang mehr erwähnt (Bl. 101 der Verwaltungsakte). Damit ist das Vorliegen einer Zehenheber-/ Senkerparese nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Der abweichenden Einschätzung des nach § 109 SGG auf Antrag des Klägers gehörten Gutachters Herr D. vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. So hat Herr D. im Gegensatz zu dem von Amts wegen gehörten Gutachter Dr. S. Inkonsistenzen in der Beschwerdeschilderung des Klägers nicht zum Anlass genommen, eine nachvollziehbare Beschwerdeobjektivierung durchzuführen. Herr D. hat vielmehr lediglich angegeben, die Beschwerden des Klägers seien glaubhaft, da sie über Jahre hinweg konstant in den Befunden dokumentiert seien. Muskelatrophien als Zeichen einer schmerzbedingten Schonung sind im Gutachten benannt, im beigefügten Messblatt aber nicht ausgewiesen. Dagegen konnte Dr. S. bei seiner orientierenden körperlichen Untersuchung keine Muskelverschmächtigung erheben (S. 11 und 15 seines Gutachtens). Herr D. setzt sich nicht mit den Ausführungen zu Verdeutlichungstendenzen im Gutachten von Dr. S. und in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. J. auseinander. Zudem schildert Herr D. selbst, dass das Röntgen beim Kläger keinen pathologischen Befund aufweist.

Danach können die vom Gutachter Dr. S. festgestellte rechtsbetonte Lumboischialgie und der kleine lumbale Bandscheibenvorfall L4/5 allenfalls als Instabilität mittleren Grades gewertet werden. Der Senat hält deshalb einen Teil-GdB von 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Rumpfwirbelsäule in Übereinstimmung mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 04.12.2012 als angemessen und leidensgerecht.

Für das chronische Schmerzsyndrom hält der Senat einen Teil-GdB von 20 für angemessen. Nach Teil B Nr. 18.1 Satz 3 VG sind grundsätzlich die mit einer Wirbelsäulenerkrankung üblicherweise verbundenen Beschwerden bereits im GdB enthalten. Dementsprechend werden nach Teil A Nr. 2 Buchst. j) VG die üblicherweise vorhandenen Schmerzen, aber zudem auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände berücksichtigt. Somit können höhere Werte nur angesetzt werden, wenn eine Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen über das übliche Maß hinausgeht und eine ärztliche Behandlung erfordert. Beim Kläger liegen wie ausgeführt leichte bis allenfalls mittelgradige Beeinträchtigungen der Wirbelsäule vor, die Schmerzen werden vom Kläger aber als schwer empfunden (vgl. Auskunft des sachverständigen Zeugen Dr. S. vom 13.10.2011, Bl. 48 der SG-Akte). Der Kläger befindet sich deswegen auch in spezieller schmerztherapeutischer Behandlung bei Dr. S ... Nach der von Dr. S. erhobenen Medikamentenanamnese nimmt der Kläger Diclofenac 2 mal 100mg (peripheres Schmerzmittel) und Lyrica (Schmerzmittel für neuropathische Schmerzen), jedoch keine zentral wirksamen Schmerzmittel, so dass nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. S. von einem mittelgradigen Schmerzgeschehen auszugehen ist, welches nach Auffassung des Senats mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist.

Die im Funktionssystem Rumpf vorliegenden Gesundheitsstörungen (vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) rechtsbetonte Lumboischialgie und lumbaler Bandscheibenvorfall L4/5 sowie das chronische Schmerzsyndrom bedingen zusammen einen Einzel-GdB von 30. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Teil-GdB von 20 wegen der funktionellen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule um 10 wegen der außergewöhnlichen Schmerzen zu erhöhen war. Weiter hat der Senat berücksichtigt, dass eine weitgehende Überschneidung der beiden Gesundheitsstörungen vorliegt. Die im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. dazu Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) bestehenden Behinderungen sind mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten.

Der Zustand nach Schädelhirntrauma mit Subarachnoidalblutung bedingt zur Überzeugung des Senats einen Teil-GdB von 20. Nach Teil B Ziffer 3.1 Buchst. a) VG ist ein Hirnschaden nachgewiesen, wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns - nach Verletzung oder Krankheit und nach dem Abklingen der akuten Phase - festgestellt worden sind. Wenn bei späteren Untersuchungen keine hirnorganischen Funktionsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen mehr zu erkennen sind, beträgt der GdB dann - auch unter Einschluss geringer z.B. vegetativer Beschwerden - 20, nach offenen Hirnverletzungen nicht unter 30. Die Subarachnoidalblutung ist zur Überzeugung des Senats als Folge einer organischen Veränderung des Gehirns zu werten. Mehr als gering ausgeprägte, bleibende vegetative Beschwerden aufgrund des Schädelhirntraumas sind jedoch nicht belegt, ebenso wenig eine offene Hirnverletzung. Vielmehr waren bei der Untersuchung durch Dr. S. der nervus facialis, der nervus trigeminus und die kaudalen Hirnnerven unauffällig. Es fand sich lediglich noch links eine etwas weitere Lidspalte als rechts sowie eine Hypästhesie im Bereich der linken Wange nach einer Jochbeinfraktur aufgrund des 1983 erlittenen Polytraumas. Damit bedingt der Zustand nach Schädelhirntrauma mit Subarachnoidalblutung einen Teil-GdB von 20.

Im Funktionssystem der Beine konnte sich der Senat allenfalls vom Vorliegen eines Teil-GdB von 10 überzeugen. Der Gutachter Herr D. fand bei der Untersuchung am linken Oberschenkel eine 39 cm lange Narbe, welche vom Trochanter bis zur Patellaspitze bzw. bis zur bursa tibiae zieht. Ferner fand sich 20 cm über dem äußeren Gelenkspalt eine 4 cm breite und 2 cm hohe Einziehung über den ehemaligen Stiften bei Fixateur-externe-Anlage. Ebenfalls waren 10 cm unterhalb des Trochanters und im Bereich des Epicondylus lateralis noch Einziehungen der Stifte sichtbar. Bei der neurologischen Untersuchung durch Herrn D. fanden sich Dysästhesien im Narbenbereich 5 cm um die Narbe herum. Dies erscheint dem Senat nachvollziehbar und plausibel und kann nach Teil B Ziffer 18.14 VG mit einem vollständigen Nervenausfall des Nervus cutaneus femuralis lateralis verglichen werden, welcher einen Teil-GdB von 10 rechtfertigt.

Eine darüber hinausgehende GdB - relevante Beeinträchtigung im Sinne einer Bewegungseinschränkung der Knie- oder Hüftgelenke ist nach Auffassung des Senats hingegen nicht nachgewiesen. Zwar stellt Herr D. in seinem Gutachten einen Zustand nach offener Oberschenkelfraktur mit Gon - und Retropatellararthrose fest und schätzt dafür einen Teil-GdB von 20 ein. Weiter behauptet Herr Deinfelder eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Hüfte und des Knies. Diese ist aber im Gutachten nicht dokumentiert. Zwar hat Herr D. bezüglich der Wirbelsäule und der oberen Extremitäten Bewegungsausmaße erhoben, jedoch bezüglich der unteren Extremitäten lediglich angegeben, das Hüftgelenk könne bis zu 90 Grad gebeugt werden. Bezüglich der Knie sind keine Bewegungsausmaße dokumentiert. Eine Bewegungseinschränkung im Hüft- bzw. Kniegelenk stünde auch im Widerspruch zu dem klinischen Befund im Gutachten von Dr. S., welcher ein weitgehend normales Gangbild und keine Atrophien festgestellt hat. Ferner ist im Reha-Entlassbericht der R. vom 07.04.2011 eine indolente beidseitige freie Beweglichkeit der Hüft- und Kniegelenke beschrieben. Auch Herr D. beschreibt in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 11.10.2011 eine freie Beweglichkeit der Extremitäten. Damit sind Bewegungseinschränkungen der Hüft- oder Kniegelenke, welche einen Teil-GdB rechtfertigen könnten, nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Auch weitere Beeinträchtigungen, die nach Teil B Ziffer 18.4 VG einen Teil-GdB rechtfertigen könnten, wie beispielsweise eine Lockerung des Kniebandapparates oder ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke sind nicht dokumentiert. Damit kann für das Funktionssystem der Beine allenfalls ein Teil-GdB von 10 vergeben werden.

Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen allenfalls einen Teil-GdB von 10 feststellen. Zwar beschreibt Herr D. in seinem Gutachten vom 07.09.2012, dass die linke Schulter nur bis 90 Grad gehoben werden könne und eine Umfangdifferenz sowie eine Schwäche im Bereich des linken Oberarmes vorliege. Nach Teil B Ziffer 18.13 VG ist eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei einer Armhebung nur bis zu 120 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten und bei einer Armhebung nur bis zu 90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem Teil-GdB von 20. Dr. S. hat eine Armabduktion und/Anteversion links bis 60 Grad befundet, jedoch auf eine Verdeutlichung mit Stöhnen und auf eine fehlende maximale Kraftentfaltung bei der Untersuchung hingewiesen. Eine Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ist in den vorliegenden medizinischen Unterlagen hingegen nicht dokumentiert. Daher kann, selbst wenn eine eingeschränkte Armhebung nur bis zu 90 Grad vorläge, kein Teil-GdB von 20 vergeben werden, da dieser nur mit einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit gerechtfertigt ist, welche wie ausgeführt nicht dokumentiert ist. Damit kann für das Funktionssystem der Arme allenfalls ein Teil-GdB von 10 vergeben werden.

Im Funktionssystem Herz und Kreislauf liegt keine Beeinträchtigung vor, welche einen Teil-GdB rechtfertigen könnte. Zwar ist nach Teil B Nr. 9.1.1 VG bei einer Einschränkung der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen [7 bis 8 km pro Stunde], schwere körperliche Arbeit), ohne Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung ein Teil-GdB von 0 bis 10 zu vergeben. Der Kläger leidet unter einer koronaren 1-Gefäßerkrankung, weswegen im Jahr 2008 eine PTCA mit Stentimplantation erfolgt ist. Ausweislich des vom Senat beigezogenen Befundberichts des behandelnden Kardiologen Dr. E. vom 23.06.2014 hat der Kläger bei der letzten Untersuchung am 14.04.2014 keine Herzbeschwerden beklagt und ist bis 150 Watt belastbar gewesen. Somit liegt keine Beeinträchtigung durch die koronare Herzerkrankung vor, welche einen Teil-GdB rechtfertigen könnte.

Schließlich liegt im Funktionssystem Harnorgane kein Teil-GdB von wenigstens 10 vor. Nach Teil B Nr. 12.2.2 VG ist bei Entleerungsstörungen der Blase leichten Grades (z.B. geringe Restharnbildung, längeres Nachträufeln) ein Teil-GdB von 10 gerechtfertigt. Zwar hat der Kläger gegenüber seinem Hausarzt Herr S. im Jahr 2011 eine Blasenentleerungsstörung angegeben sowie gegenüber dem Gutachter Dr. S. von einer Blasenschwäche berichtet. Jedoch ist in den gesamten vorliegenden medizinischen Unterlagen nirgends eine Entleerungsstörung der Harnblase diagnostiziert. Damit kann dafür kein Teil-GdB vergeben werden.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht, noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen mit 40, gebildet aus Teilwerten von

- 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (Wirbelsäule und Schmerzsyndrom), - 20 für das Funktionssystem des Hirns und der Psyche (Zustand nach Schädelhirntrauma mit Subarachnoidalblutung), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Arme (Schulter), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Beine (Oberschenkel),

wobei Teil-GdB Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend wirken, zu bemessen.

Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 40 ist im Vergleich zum Bescheid vom 30.04.2010 keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, weshalb der Kläger auch keinen Anspruch auf Änderung - höhere (Neu)-Feststellung des GdB hat.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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