L 25 AS 443/15 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 AS 1127/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 443/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Februar 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur – hilfsweise darlehensweisen - Übernahme von Aufwendungen für eine Standmiete und Transportkosten im Zusammenhang mit einer im Juli 2015 in Monaco stattfindenden Kunstmesse in Höhe von insgesamt 5.000,- Euro begehrt, ist nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d. h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dabei kann der Senat die mögliche Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen im Ergebnis offen lassen. In Betracht kommt insoweit zum einen vor allem § 16c Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können nach dessen Satz 1 Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern erhalten, die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeit notwendig und angemessen sind. Ob hier Sachgüter in Rede stehen, scheint jedenfalls zweifelhaft. Eher zu verneinen ist dies in Bezug auf die geltend gemachten Transportkosten hier in Gestalt einer LKW-Miete nebst Kosten für Diesel. Mit Blick darauf, dass auch nach den Fachlichen Hinweisen zu Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen nach § 16c SGB II der Bundesagentur für Arbeit (Stand: August 2012) der Begriff der Sachgüter weit auszulegen ist und etwa auch die Kaution für Gewerberäume umfassen soll (Seite 15 der genannten Fachlichen Hinweise), könnte andererseits die Standmiete unter den Sachgüterbegriff fallen (a. A. Thie in Münder, Sozialgesetzbuch II, 5. Auflage 2013, § 16c, Rn. 2; keine Sachgüter seien Kosten für Anmietung oder Pacht einer Betriebsstätte). Soweit ganz oder teilweise Sachgüter in Rede stehen sollten, sind diese aber nicht im Sinne des § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II notwendig und angemessen (vgl. hierzu und zum Folgenden Stölting in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 16c, Rn. 8). Notwendigkeit liegt vor, wenn sich die Geschäftsidee ohne den Gegenstand nicht umsetzen lässt oder der bereits bestehende Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Im Rahmen der Angemessenheit kommt es darauf an, ob eine günstigere Alternative zur Verfügung steht, die den gleichen Zweck erfüllt. Die Anschaffung von Luxusgütern kann nicht gefördert werden. Hier mag der Wunsch des Antragstellers, an der im Juli 2015 in Monaco stattfindenden Kunstmesse teilzunehmen, verständlich sein. Notwendig, um seine schon seit Jahren ausgeübte selbständige Tätigkeit als Künstler weiter auszuüben, ist die Teilnahme indes nicht. Die geltend gemachten Aufwendungen sind auch nicht angemessen, weil den nicht unerheblichen Kosten letztlich nur ungewisse Verkaufsaussichten gegenüberstehen. Dass sich tatsächlich Käufer für die vom Kläger ausgestellten Kunstwerke finden, die bereit sind, den Startpreis von 30.000,- Euro bis 45.000,- Euro zu bezahlen, ist mindestens fraglich. Der Hinweis des Antragstellers auf die hohe Millionärsdichte in Monaco überzeugt den Senat in diesem Zusammenhang nicht.

Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16c Abs. 1 SGB II nicht vorliegen, kommt als Anspruchsgrundlage § 16f SGB II in Betracht. Nach § 16f Abs. 1 Satz 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erweitern. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine freie Förderung hier vorliegen oder ihr ganz oder teilweise etwa das Umgehungsverbot des § 16f Abs. 2 Satz 3 SGB II entgegen steht, kann dahinstehen. Denn selbst wenn die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen sollten, steht die Leistungsgewährung im Ermessen des Grundsicherungsträgers, was im Übrigen auch bei Heranziehung des § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II - unterstellt, dessen Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor - gilt. Ein solches hat der Antragsgegner hier zwar nicht ausgeübt, weil er – ob zu Recht oder nicht – bereits das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen (nur) des § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II verneint hat. Daraus folgt hier indes nicht, dass der Antragsgegner zur Leistungsgewährung zu verpflichten wäre.

Bei einer vom Gesetz angeordneten Ermessensentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes können Leistungen zuerkannt werden, sofern eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Ob, wie das Sozialgericht meint, Ermessensleistungen auch dann im Wege der einstweiligen Anordnung zuzuerkennen sind, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass bei der nachzuholenden Ermessensentscheidung diese zu Gunsten des Antragstellers ausgeht (in diesem Sinne auch Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - L 19 AS 1626/10 B ER -; enger Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. Februar 2014 - L 7 AS 86/14 B ER –; kritisch zu diesem Beschluss Berlit, info also 2014, S. 123; vgl. zum Meinungsstand auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b, Rn. 30a), kann hier dahinstehen. Denn weder liegen die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null vor, noch spricht hier eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei der nachzuholenden Ermessensentscheidung diese zu Gunsten des Antragstellers ausgeht, was sich letztlich bereits aus obigen Ausführungen zur nicht vorhandenen Notwendigkeit und Angemessenheit der begehrten Leistungen ergibt. In der Gesamtschau ergeben sich hier jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass nur die Förderung des Antragstellers mittels der begehrten Leistungen ermessensfehlerfrei sein könnte. Dass der Antragsteller die Möglichkeit, an der Ausstellung in Monaco teilzunehmen, nachvollziehbar als einmalige Chance erachtet, vermag den behördlichen Ermessensspielraum jedenfalls nicht entsprechend einzuengen.

Ob im Rahmen einer einstweiligen Anordnung eine Verpflichtung der Behörde zur (Neu-)Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts generell denkbar ist, lässt der Senat offen (vgl. Binder in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 4. Auflage 2012, § 86b, Rn. 48 ff.). Denn ungeachtet dessen, ob überhaupt ein Ermessensfehler in Rede steht, sieht der Senat hier mit Blick darauf, dass einerseits keine existenzsichernden Leistungen in Rede stehen, deren Ablehnung andererseits ermessensfehlerfrei gut begründbar erscheint, von einer entsprechenden Verpflichtung des Antragsgegners ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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