L 9 KR 101/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 1209/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 101/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für eine spezielle Sprachbehandlung im PHS-Institut für Naturheilkunde zu erstatten.

Der 1985 geborene Kläger, der über seine Eltern bei der Beklagten krankenversichert ist, litt seit seinem 3. Lebensjahr an einer tonisch-klonischen Balbuties.

Am 21. Oktober 1997 meldeten ihn seine Eltern verbindlich für das zehntägige sogenannte Autosuggestive Logospasmus Training der Praxis für Biologische Medizin im P.-Institut für Naturheilkunde in P. in der Zeit vom 13. April bis zum 23. April 1998 an, das von dem Heilpraktiker G. medizinisch geleitet wird. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von 2.850,-- DM für das Seminar und in Höhe von 666,-- DM für Unterkunft und Verpflegung für vier Personen.

Den Antrag des Klägers vom 20. März 1998, ihm diese Kosten zu erstatten, lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 16. April und 19. Juni 1998, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 3. November 1998 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die von dem P.-Institut für Naturheilkunde in P. eigenverantwortlich ausgeführte Tätigkeit nicht zur ärztlichen Behandlung gehöre, auf die Versicherte einen Anspruch hätten. Die Behandlung werde nicht von einem Vertragsarzt durchgeführt bzw. angeordnet und geleitet. Eine Übernahme der entstandenen Kosten scheide daher aus.

Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 13. Juli 1999 zurück. Ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte stehe dem Kläger deswegen nicht zu, weil die Sprachbehandlung nicht unter ärztlicher Leitung erfolgt und auch nicht ärztlich verordnet worden sei. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- sei die ärztliche Behandlung von Ärzten zu erbringen; zur ärztlichen Tätigkeit gehöre auch die Verordnung von Heilmitteln, wie sich aus § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V ergebe. Da die Leistungspflicht der Beklagten demnach auf ärztliche oder ärztlich veranlasste Behandlungen beschränkt sei, habe der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine von ihm eigenverantwortlich gesuchte Sprachbehandlung in dem unter Heilpraktikerleitung stehenden P.-Institut für Naturheilkunde. Außerdem seien dem Kläger durch die erstmals am 16. April 1998 ausgesprochene Ablehnung der Kostenübernahme für die Sprachbehandlung keine Kosten entstanden, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt die am 13. April 1998 begonnene Behandlung bereits angetreten gehabt hätte, ohne dass eine Entscheidung der Beklagten über die Kostenübernahme vorgelegen habe. Deswegen fehle es an einer weiteren Voraussetzung für den in § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V geregelten Anspruch auf Kostenerstattung, nämlich an dem kausalen Zusammenhang zwischen Ablehnung und den dem Versicherten entstandenen Kosten.

Gegen das ihm am 15. September 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. September 1999 Berufung eingelegt. Die Behandlung habe zu einer Heilung des Klägers geführt, was in jeder Hinsicht die Kostenerstattungspflicht durch die Beklagte rechtfertige. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu gleichgelagerten Fällen privatversicherter Kläger. Da die von dem Kläger vor der hier strittigen Behandlung durchgeführte ärztliche Behandlung zum Erfolg geführt habe, sei es ihm aufgrund weiterer drohender Schäden nicht mehr zumutbar gewesen, weitere ärztliche Behandlungen vornehmen zu lassen. Das Vorgehen des Klägers sei auch für die Beklagte letztlich weitaus kostensparender gewesen als langjährige weitere ärztliche Behandlungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16. April und 19. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Sprachbehandlung in dem P.-Institut für Naturheilkunde zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die den Antrag des Klägers betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Als Rechtsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte - wofür hier im Hinblick auf die langjährige Dauer und die Intensität der Beschwerden des Klägers sowie die Art der Therapiemaßnahmen keine Anhaltspunkte bestehen - oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

1. Danach kommt eine Kostenerstattung für die Sprachheilbehandlung - ein Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V - schon deswegen nicht in Betracht, weil die Eltern des Klägers diesem die Leistungen selbst besorgt haben, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten (vgl. hierzu BSG, SozR 3-2200 § 182 RVO Nr. 15 sowie SozR 3-2500 § 13 Nr. 15). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des erkennenden Senats muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand der rechtswidrigen Ablehnung einer Leistung und dem Nachteil des Versicherten ein Kausalzusammenhang bestehen, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. Dies bedeutet, dass Kosten für eine selbst beschaffte Leistung nur zu erstatten sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheidet aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15). Erst die Weigerung der Krankenkasse gibt dem Versicherten das Recht, sich die benötigte Behandlung selbst zu beschaffen und die Erstattung der dafür aufgewendeten Kosten zu verlangen. An der von der Rechtsprechung danach verlangten Kausalität zwischen Ablehnung und Selbstbeschaffung der Leistung fehlt es hier.

Denn der Kläger hat ,vertreten durch seine Eltern, die begehrte Kostenerstattung für die Sprachheilbehandlung erstmals am 20. März 1998 bei der Beklagten beantragt, nachdem er bereits verbindlich für diese Behandlung angemeldet und die dafür entstehenden Kosten in Höhe von 2.850,-- DM bereits entstanden waren. Zum Zeitpunkt der ohne Verzögerung erlassenen erstmaligen Ablehnung seines Antrages am 16. April 1998 hatte der Kläger sogar die Sprachheilbehandlung bereits begonnen, so dass auch die Unterkunftskosten bereits angefallen waren.

2. Die vom Kläger im P.-Institut für Naturheilkunde in P. durchgeführte spezielle Sprachheilbehandlung kann aber unabhängig davon auch deswegen keinen Kostenerstattungsanspruch begründen, weil es für diese Behandlung an einer ausreichenden ärztlichen Verordnung fehlt.

In § 13 Abs. 1 SGB V ist ausgesprochen, dass der Anspruch auf Kostenerstattung an die Stelle des Anspruchs auf die Sachleistung tritt. Ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Klägers kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Heilmittel verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt. Denn die §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 32 SGB V begründen keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf Versorgung mit irgendwelchen Heilmitteln schlechthin, sondern ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte. Der Versicherte kann ein bestimmtes Mittel erst beanspruchen, wenn es ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (BSG SozR 3-2500 § 13 SGB V Nr. 13 mit weiteren Nachweisen). Das ist in § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V dadurch klargestellt, dass alle ärztlichen Verordnungen zum Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung erklärt werden; dass der Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln von einer ärztlichen Verordnung abhängig ist, ergibt sich darüber hinaus aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 15 Abs. 1 sowie 32 mit § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V.

Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V gilt grundsätzlich nichts anderes.

Das Recht zur Selbstbeschaffung reicht nur so weit, wie es zur Überwindung der den Anspruch begründenden Lücke in der Versorgung des Versicherten (Systemversagen) erforderlich ist. Da sich der Versicherte ohne ärztliche Bestätigung der Notwendigkeit mit Heilmitteln zu Lasten der Krankenkasse nicht versorgen kann, ist die ärztliche Verordnung auch im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V erforderlich; denn nach dem letzten Halbsatz des § 13 Abs. 3 SGB V muss die Leistung „notwendig“ gewesen sein.

Die spezielle Sprachheilbehandlung des Klägers im P.-Institut für Naturheilkunde erfolgte jedoch ohne ärztliche Anordnung und nicht unter ärztlicher Aufsicht, sondern wurde von einem Heilpraktiker durchgeführt. Leistungen eines Heilpraktikers können nur dann zu einem Kostenerstattungsanspruch eines Versicherten gegen seine Krankenkasse führen, wenn ein Arzt dessen Tätigkeit angeordnet hat und je nach Lage des Falles eine mehr oder weniger persönliche Anleitung bzw. Beaufsichtigung dieser Hilfsperson vornimmt und regelmäßig eine nachträgliche Erfolgskontrolle durchführt (LSG Berlin, 15. Senat, Urteil vom 13. September 1995 - L 15 Kr 36/94 -; 9. Senat, Urteil vom 17. April 1996 - L 9 Kr 58/94 -). Im vorliegenden Fall hat jedoch der die Sprachheilbehandlung durchführende Heilpraktiker eigenverantwortlich über die Geeignetheit und den Umfang der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen entschieden und die gemäß § 15 Abs. 1 SGB V den Vertragsärzten vorbehaltenen Entscheidungen und Prüfungen selbst durchgeführt. Eine solche selbständige Behandlung durch nichtärztliche Therapeuten löst keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus (BSG USK 81 236).

3. Diesen formalen Leistungsausschlüssen kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass vorangegangene vertragsärztliche oder vertragsärztlich angeordnete Behandlungen erfolglos, die Sprachheilbehandlung im P.-Institut für Naturheilkunde dagegen erfolgreich gewesen sei. Denn die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Behandlung hängt nicht von ihrem Erfolg ab, sondern von der Einhaltung der vom Sozialgesetzbuch normierten Leistungsvoraussetzungen, die von denen der privaten Krankenversicherung, die auf der aus der Privatautonomie abzuleitenden Vertragsfreiheit beruhen, entscheidungserheblich abweichen. Deshalb kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes berufen. Eine Unzumutbarkeit, sich wegen der begehrten medizinischen Leistungen zunächst an die niedergelassenen Vertragsärzte und bei Ablehnung einer entsprechenden Verordnung an die eigene Krankenkasse zu wenden, bevor die Leistung in Anspruch genommen wird, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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