L 10 LW 2245/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 LW 712/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 2245/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 08.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Regelaltersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Der am 1948 geborene Kläger war vom 01.01.1974 bis 31.12.1992 versicherungspflichtig zur Rechtsvorgängerin der Beklagten und entrichtete entsprechende Pflichtbeiträge. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 06.01.1993 (Bl. 14 VA) stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Ende seiner Mitgliedschaft und der Beitragspflicht fest und eröffnete ihm die Möglichkeit, durch entsprechende Erklärung Beiträge weiter zu entrichten und so den Altersgeldanspruch zu erhalten. Diese Möglichkeit nahm der Kläger nicht wahr; die entsprechende - verneinende - Erklärung sandte er erst im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rentenverfahren zurück (Blatt 14 VA). Darüber hinaus war der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig und entrichtete jahrelang Pflichtbeiträge, zuletzt bis Dezember 2007; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf Blatt 12/13 VA Bezug genommen. Mit Bescheid vom 01.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Regelaltersrente vom 06.09.2012 mit der Begründung ab, die Wartezeit sei nicht erfüllt.

Das hiergegen am 11.03.2013 angerufene Sozialgericht Reutlingen hat die Klage mit Urteil vom 08.04.2014 und derselben Begründung abgewiesen. Gegen das ihm am 23.04.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.05.2014 Berufung eingelegt. Er bestreitet die Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts, wonach die Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Erfüllung der Wartezeit nicht berücksichtigt werden könnten. Darüber hinaus macht er einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 08.04.2014 und den Bescheid vom 01.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist weiterhin darauf, dass Beitragszeiten der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem ALG nur angerechnet werden könnten, wenn auch Beitragszeiten nach dem ALG zurückgelegt worden seien. Im Falle des Klägers sei dies nicht der Fall, weil der Kläger ab dem 01.01.1993 keine Beiträge mehr entrichtet habe. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch liege nicht vor.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 01.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2013, mit dem die Beklagte den vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente ablehnte. Nur über diesen, vom Kläger geltend gemachten Rentenanspruch hat der Senat zulässigerweise zu befinden. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren zunächst hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der entrichteten Beiträge beantragt hat, hat er diesen Antrag nicht aufrecht erhalten (vgl. Bl. 15 LSG-Akte).

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 11 ALG. Danach haben Landwirte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht haben (Nr. 1), sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben (Nr. 2) und (Nr. 3) das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Für den Kläger gilt nach § 87 a ALG eine Regelaltersgrenze von 65 Jahren und zwei Monaten, die er erreicht hat.

Indessen haben die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Wartezeit von 15 Jahren nicht erfüllt.

Auf die Wartezeit von 15 Jahren werden nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ALG Beitragszeiten angerechnet, das sind Zeiten, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt sind (§ 18 ALG). Auf Grund seiner Versicherungspflicht entrichtete der Kläger zwar entsprechende Beiträge zur Beklagten, allerdings nur bis 31.12.1992. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG werden indessen Beitragszeiten vor dem 01.01.1995 auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte nur angerechnet, wenn der Versicherte mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt von Erwerbsunfähigkeit im Sinne des bis zum 31.12.2000 geltenden Rechts, längstens jedoch bis 31.12.1994 anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt hat. Dies ist beim Kläger - unstreitig - nicht der Fall.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ALG werden auf die Wartezeit ferner Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) gezahlt sind, angerechnet. Derartige Zeiten nach dem SGB VI legte der Kläger auch zurück. Indessen - und hierauf haben die Beklagte und das Sozialgericht auch zutreffend hingewiesen - können diese Zeiten im Hinblick auf § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG keine Berücksichtigung finden.

Das am 01.01.1995 in Kraft getretene ALG (BGBl. I 1994, 1890) trat an die Stelle des bisherigen GAL und stellte eine umfassende neue Regelung der Alterssicherung der Landwirte dar. Unter der Geltung des GAL war für die dort geregelte Altershilfe (insbesondere Altersgeld und vorgezogenes Altersgeld) ebenfalls die Erfüllung einer Wartezeit von 180 Kalendermonaten (§ 2 Abs. 1 b GAL) bzw. fünf Jahren (§ 2 Abs. 2 Buchst. b GAL) Voraussetzung, und zusätzlich die Entrichtung von Beiträgen mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres (siehe die bereits zitierten Regelungen). Diese Lückenlosigkeit der Beitragsentrichtung ist durch § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG über den 31.12.1994 hinaus in das geltende Recht verlängert worden (BSG, Beschluss vom 18.02.2004, B 10 LW 10/03 B). Sollte aber somit durch § 90 ALG hinsichtlich der Wartezeit die bisherige Rechtslage auch unter dem neuen Recht fortgeschrieben werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das ALG Ansprüche schaffen wollte, die unter Geltung des früheren GAL bereits nicht mehr bestanden hatten (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 13.11.2002, L 16 LW 46/01, bestätigt durch BSG, a. a. O.). Ansprüche auf Leistungen, die vor dem Inkrafttreten des ALG wegen der Nichterfüllung der Wartezeit ausgeschlossen waren, sollten somit durch das ALG nicht begründet werden, auch nicht mit Hilfe von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (BSG, a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können somit nur ergänzend neben Beitragszeiten nach § 18 ALG für die Wartezeiterfüllung herangezogen werden (BSG a. a. O. und BSG, Urteil vom 24.04.2003, B 10 LW 15/02 R). Voraussetzung für eine Anrechnung von Pflichtbeiträgen nach den Vorschriften des SGB VI nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ALG ist somit, dass zumindest ein anrechenbarer Beitrag zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung vorhanden ist (BSG, Beschluss vom 18.02.2004, a. a. O.). Dies ist - wie oben dargelegt - beim Kläger nicht der Fall.

Soweit der Kläger die schon vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des BSG nicht für einschlägig hält, weil in den dort streitigen Fällen schon seit den 1980er-Jahren keine Beiträge mehr gezahlt worden seien und es um Erwerbsunfähigkeitsrenten gegangen sei, erschließt sich die Relevanz dieser Einwände nicht. Insbesondere sind die maßgebenden Regelungen zur Wartezeit (§§ 90, 17 f. ALG) für alle Rentenarten identisch.

Grund dafür, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den begehrten Rentenanspruch nicht erfüllt, ist das Ende seiner Versicherungs- und Beitragspflicht zum 31.12.1993 (Bescheid vom 06.01.1993) und seine schon damals fehlende Bereitschaft, freiwillige Beiträge zu zahlen. So gab er damals, nach Erhalt des Bescheides vom 06.01.1993, keine entsprechende Erklärung ab und übersandte der Beklagten die den Wunsch zur freiwilligen Beitragsentrichtung ohnehin verneinende Erklärung erst im Zusammenhang mit dem Antrag auf Regelaltersrente.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, ihm seien von der Beklagten die Konsequenzen einer solchen (unterlassenen) Erklärung nicht mitgeteilt worden, ist dies ohne rechtliche Bedeutung. Insbesondere kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Dieses Rechtsinstitut lässt als Rechtsfolge nämlich nur die Herbeiführung rechtmäßiger Zustände zu. Die Bewilligung einer Altersrente ist aber mangels erfüllter Wartezeit - wie dargelegt - nicht zulässig; ein Herstellungsanspruch würde insbesondere die fehlenden Beiträge nicht ersetzen (so u. a. BSG, Urteil vom 21.03.1991, 4 RLw 1/90) und die Frage einer Weiterentrichtung von Beiträgen ist - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Im Übrigen hat die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ihn nicht hinreichend über den Verlust seiner Alterssicherung informiert und er hätte in Kenntnis dieses Verlustes weiterhin freiwillige Beiträge entrichtet, nicht zutrifft. Einer derartigen Annahme stehen die eigenen Ausführungen des Klägers entgegen, wenn er einerseits auf das entsprechende Merkblatt eingeht, andererseits behauptet, das Merkblatt nicht erhalten zu haben. Im Merkblatt selbst (Bl. 15 VA) wurde gerade darauf hingewiesen, dass der (damalige) Anspruch auf Altersgeld eine Beitragsentrichtung mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres voraussetzte. Die Auffassung des Klägers, es sei nicht erkennbar, dass damit Beiträge nach dem damaligen GAL gemeint gewesen seien, möglich seien auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, ist, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, angesichts Bezuges der Ausführungen im Merkblatt - "Weiterversicherung landw. (gärtn.) Unternehmer (§ 27 GAL)" - ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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