L 6 SF 723/14 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 22 R 1842/05
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 723/14 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt auch im Kostenrecht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 29.09.2005 - L 5 B 148/05 R).
2. Die Verwirkung des Erinnerungsrechts kommt nicht in Betracht, wenn sich die Erinnerungsführerin erst 29 Monate nach Zugang der Entscheidung des Urkundsbeamten gegen diese wendet.
3. Schweigen ist im Rechtsverkehr keine Zustimmung, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 47/12 R).
4. Auch bei einem Rechenfehler der Erinnerungsführerin kann das Gericht keine höhere Vergütung als beantragt festsetzen.
5. Zur Vergütung eines berufskundlichen Gutachtens.
Die Vergütung der Erinnerungsführerin für das Gutachten vom 16. August 2012 wird auf 1.133,12 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Im Berufungsverfahren L 6 R 1029/07 beauftragte die Berichterstatterin des 6. Senats mit Beweisanordnung vom 2. Juni 2010 die Erinnerungsführerin, Sachverständige für Berufskunde und Tätigkeitsanalyse, mit der Erstattung eines berufskundlichen Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie solle unter Verwertung des in den vorliegenden medizinischen Gutachten, insbesondere im Gutachten des Dr. H. und im Reha-Entlassungsbericht der , beschriebenen Leistungsvermögens dazu Stellung nehmen, ob der Kläger noch in der Lage sei, eine Tätigkeit als Zimmerer bzw. nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten als Hausmeister oder andere Verweisungstätigkeiten vollwertig zu verrichten. Übersandt wurden der Erinnerungsführerin insgesamt 511 Blatt Akten (378 Blatt Gerichtsakte, 133 Blatt Verwaltungsakte). Unter dem 22. Juni 2010 berichtete sie, der Zeitaufwand werde angesichts umfangreicher Recherchen ca. 30 bis 35 Stunden betragen und das Gutachten werde frühestens ca. am 15. Oktober 2010 fertiggestellt werden; üblicherweise berechne sie die Honorargruppe 6. Daraufhin teilte ihr der Senatsvorsitzende mit, zur Höhe der Honorierung könnten keine Zusagen gemacht werden; nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 8. September 2009 - L 6 SF 49/08) würden berufskundliche Gutachten entsprechend der Honorargruppe 7 vergütet. Am 17. August 2012 ging das Gutachten vom 16. August 2012 auf 17 Blatt einschließlich Vorblatt, Inhaltsverzeichnis und Anschreiben beim Senat ein. In ihrer Kostenrechnung vom 17. August 2011 begehrte die Erinnerungsführerin eine Vergütung von 2.526,91 Euro (28,17 Stunden x 75 Euro (Honorargruppe 6)). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 28f. des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2011 kürzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) den Zeitansatz auf 11,5 Stunden zu einem Stundensatz von 75,00 Euro und wies insgesamt 1.064,69 Euro (einschließlich Porto und Schreibauslagen) an.

Am 10. Juni 2014 ist beim Senat ein Schriftsatz der Erinnerungsführerin eingegangen, wonach sie versehentlich keine neue korrigierte Rechnung übersandt habe und daher jetzt, ausgehend von der Honorargruppe 7, um Überweisung des Differenzbetrages in Höhe von 1.462,22 Euro bitte. Beigefügt ist eine "korrigierte Rechnung", in dem als "Gesamtbetrag" - rechnerisch fehlerhaft- 2.526,91 Euro angegeben sind. Nach Ansicht der Erinnerungsführerin kommt eine Verwirkung ihres Anspruchs entsprechend dem Beschluss des SG Kassel vom 14. Oktober 2013 - S 10 SF 26/12 K nicht in Betracht, weil der dortige Sachverhalt unterschiedlich gewesen sei.

Nach Ansicht des Beschwerdegegners ist die Geltendmachung einer höheren Entschädigung verwirkt. Im Übrigen bestehe in der Sache bei Berücksichtigung der Honorargruppe 7 allenfalls ein weiterer Anspruch in Höhe von 68,43 Euro (5 Euro x 11 Stunden zuzüglich USt).

Der UdG hat dem Antrag nicht abgeholfen (Verfügung vom 11. Juni 2014) und ihn dem Senat vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 nach § 4 Abs. 7 S. 2 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) dem Senat übertragen.

II.

Das am 10. Juni 2014 eingegangene Nachforderungsschreiben ist als Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG auszulegen. Danach erfolgt die Festsetzung der Ver-gütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Die Erinnerungsführerin ist Berechtigte im Sinne dieser Vorschrift.

Der Antrag (Erinnerung) ist nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 JVEG nicht an eine Frist gebunden. Sie ist im Gesetz nur bei der eigentlichen Geltendmachung des Anspruchs vorgesehen (§ 2 Abs. 1 JVEG). Dass sie sie durch Einreichung der Kostenrechnung vom 17. August 2011 gewahrt wurde, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Erinnerungsführerin hat das Erinnerungsrecht nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Ver-wirkung leitet sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Ge-setzbuches - BGB) ab und gilt auch im Kostenrecht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 29. September 2005 - L 5 B 148/05 R mit zustimmender Anmerkung Keller in jurisPR-SozR 1/2006 Anm. 6). Es setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die - nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets - sein verspätetes Geltendmachen nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R, nach juris; Senatsbeschluss vom 27. November 2012 - L 6 R 1045/12 B ER). "Besondere Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier: Staatskasse) infolge des Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), tatsächlich darauf vertraute, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Es werden strenge Anforderungen an das Verwirkungsverhalten gestellt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2014 - L 6 SF 1846/13 E). Hier hatte sich die Erinnerungsführerin nach der Kürzung ihrer Rechnung bis zum Juni 2014 lediglich nicht geäußert und keine Vertrauensgrundlage geschaffen, denn grundsätzlich ist Schweigen im Rechtsverkehr keine Zustimmung, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 47/12 R, nach juris). Bloßer Zeitablauf kann kein die Verwirkung begründendes Verhalten sein. Eine Ausnahme kommt nur bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben in Betracht, für den es hier keinen Anhalt gibt.

Im Ergebnis besteht ein Vergütungsanspruch nur im tenorierten Umfang; im Übrigen ist die Erinnerung unbegründet.

Keinesfalls kann die Erinnerungsführerin eine höhere als die mit der Kostenrechnung vom 17. August 2011 beantragte Vergütung erhalten. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie mit der "korrigierten Rechnung" einen höheren als den ursprünglich begehrten Betrag geltend machen will. Die Betragsidentität mit der ursprünglichen Rechnung ist (wohl) nur einem Rechenfehler geschuldet. Allerdings kann der Senat auch nicht durch Auslegung einen höheren als den innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 JVEG verlangten Betrag festsetzen (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 2. Juni 2014 - L 6 SF 1726/13 E; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 26. Auflage 2014, § 4 Rdnr. 12). Nach § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG erlischt "der Anspruch" drei Monate nach der Heranziehung. Dies und die Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 15/1971 S. 178) weisen darauf hin, dass die Vergütung nach Grund und Höhe grundsätzlich innerhalb der Drei-Monats-Frist vollständig beziffert und substantiiert werden muss (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juni 2007 - L 6 B 77/07 SF; OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. April 2013 - 9 W 34/13; Keller "Die Vergütung ärztlicher Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz" in MedSach 2005, S. 154). Eine Nachforderung käme nur bei einer hier nicht beantragten und offensichtlich nicht begründeten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

Bei der richterlichen Festsetzung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 277/11 B und 21. Dezember 2006 – Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f., Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – Az.: 1 B 97.1352, nach juris).

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie wird nach einem abstrakten Maßstab ermittelt, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschluss vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B; Hartmann in Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (so auch Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris); werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.), ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen erforderlich.

Mit dem geforderten Zeitaufwand (28,17 Stunden) hat die Erinnerungsführerin den üblichen Zeitaufwand (11,5 Stunden) um mehr als 15 v.H. überschritten.

Überhöht ist der beantragte Zeitansatz für das Aktenstudium mit 390 Minuten (6,5 Stunden); akzeptabel sind allenfalls 300 Minuten (5 Stunden). Nach der Senatsrechtsprechung ist bei berufskundlichen Gutachten für die Aktendurchsicht im Regelfall ca. 1 Stunde für 100 Blatt Unterlagen erforderlich (vgl. Beschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08). Dieser Ansatz ist im vorliegenden Fall auf jeden Fall ausreichend, denn angesichts der deutlich eingegrenzten Beweisfragen waren erhebliche Teile der Akten für die Beantwortung ohne Bedeutung. Der Ansatz des UdG im Kürzungsschreiben (1 Stunde für 80 Blatt) entspricht nicht der Senatsrechtsprechung zu berufskundlichen Gutachten.

Nicht vergütet wird der Kostenansatz für "Anfertigung Kopien Gutachten, Anlagen" (15 Mi-nuten). Es war nicht erforderlich, dem Gutachten Kopien des Ärztlichen Entlassungsberichts vom 2. März 2009 und des Gutachtens des Dr. H. vom 15. März 2010 beizufügen; sie befinden sich bereits in der Gerichtsakte. Kopien für die Handakte des Sachverständigen werden nicht erstattet (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2005 - L 6 SF 738/05; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 - L 2/9 SF 82/04 mit zust. Anmerkung Keller in jurisPR-SozR 26/2005 Anm. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2006 - I-10 W 70/06, nach juris). Ebenso war es nicht notwendig, dem Gutachten Überblicke über Stellenangebote beizufügen. Die Ausführungen im Gutachten, die Anforderungen bei den ausgeschriebenen Stellen seien "sehr unterschiedlich", belegen die Notwendigkeit nicht und verkennen im Übrigen, dass es Aufgabe des Sachverständigen ist, typische Anforderungen festzustellen und zu schildern. Der Sinn der beigefügten tabellarischen "Zeitschiene" erschließt sich nicht.

Nicht zu vergüten ist der Zeitansatz (4 Stunden) für "Aus der Beweisfrage herausgearbeitete Detailfragen, Herangehensweise überdacht, Gutachtensstruktur erstellt". Beauftragt war ein Gutachten zur Beurteilung der körperlichen und fachlichen Anforderungen an die Tätigkeiten des Zimmerers und die Verweisungstätigkeit Hausmeister sowie eine Stellungnahme, ob der Kläger diese vollwertig verrichten kann. Hinsichtlich des Hausmeisters war zur tarifvertraglichen Entlohnung und die auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik vorhanden Stellen Stellung zu nehmen. Gefragt war zudem, ob der Erinnerungsführerin weitere Verweisungstätigkeiten auf der Anlernebene bekannt sind. Solche Gutachten werden in vielen Gerichtsverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung eingeholt. Ihr Aufbau ist durch die Beweisfragen vorgegeben und bedarf bei einem durchschnittlich erfahrenen berufskundlichen Sachverständigen keiner besonderen Vorüberlegung. Bei der "Herausarbeitung der Detailfragen" handelte es sich im Übrigen tatsächlich um die Trennung der einzelnen Fragen in der Beweisanordnung ohne inhaltliche Änderung, die keinen eigenen Zeitaufwand verursacht haben kann.

Nicht zu erstatten ist der Ansatz "Grobdurchsicht der Akte, Bestätigung an das Gericht" (20 Minuten). Das Aktenstudium und die Fertigung von Exzerpten werden grundsätzlich nur ein-mal vergütet. In ihrem Schreiben vom 22. Juni 2011 weist die Erinnerungsführerin nur darauf hin, dass keine Stellungnahme zum medizinischen Leistungsvermögen abgegeben werden kann (was selbstverständlich ist und nicht beauftragt war) und fragt an, ob der Bearbeitungstermin (frühestens 15. Oktober 2010) und ihre Vergütungserwartungen akzeptabel sind. Letztere Anfrage war überflüssig, denn die Vergütung erfolgt nicht auf vertraglicher Basis, sondern nach den gesetzlichen Vorgaben des JVEG. Diese Kenntnis wird bei Sachverständigen vorausgesetzt.

Für die Beurteilung können nicht die angesetzten 540 Minuten sondern allenfalls 120 Minuten berücksichtigt werden. Die Beurteilung ist die gedankliche Erarbeitung des Gutachtens, die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also der Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne eigenen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können. Der notwendige Zeitansatz wird bei der Liquidation medizinischer Gutachten angesichts der Vielzahl von Anträgen durch den UdG pauschaliert errechnet, wogegen grundsätzlich keine Bedenken bestehen (vgl. Keller "Die Liquidation von Schmerzgutachten" in Egle/Kappis/Schairer/Stadtland Begutachtung chronischer Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 177f.). Eine solche Pauschalierung ist auch bei berufskundlichen Gutachten möglich und sinnvoll. Der Ansatz von 1 ½ Seiten pro Stunde (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E) kann bei der richterlichen Festsetzung allerdings nur ein Anhaltspunkte für die angemessene Stundenzahl sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 - L 6 SF 224/12 B und 13. März 2012 - L 6 SF 197/12 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. November 2011 - L 5 P 55/10, nach juris). Maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten Sonderfällen - wie hier - durchaus eine Abweichung (positiv wie negativ) beim Ansatz erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E). Die Ausführungen im Gutachten der Erinnerungsführerin beinhalten ganz überwiegend allgemeine Tätigkeitsbeschreibungen und Anforderungsprofile ohne eigene Stellungnahme, die sie nach eigenen Angaben dem Internetportal " " der B. für A. entnommen hat. Dies ist zwar zulässig, verursacht allerdings einen erheblich geringeren als den angesetzten Zeitaufwand. Die auf die Klägerin konkret bezogenen Ausführungen sind sehr kurz (B 1.1, B 3), allenfalls ansatzweise allgemein begründet ("unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Gutachten", Anlernzeit in drei Monaten nicht möglich) und können keinen erheblichen Zeitaufwand verursacht haben. Gleiches gilt im Ergebnis für die in der Tabelle B 7 ohne verwertbare Begründung und ohne Tätigkeitsbeschreibung aufgelisteten möglichen Verweisungstätigkeiten, die zudem ohne konkrete Beschreibung in dieser Form unverwertbar sind.

Überhöht ist der Ansatz (555 Minuten) für die grundsätzlich berücksichtigungsfähige Inter-netrecherche (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B). Angesetzt werden können allenfalls insgesamt 2 Stunden (60 Minuten Stellenangebote, 15 Minuten Tarifverträge, 30 Minuten Umfang der Stellen für Hausmeister, 15 Minuten Tätigkeit Zimmerer/Hausmeister). Der Aufwand für das Aufrufen des dem Senat bekannten Internetportals zu den Tätigkeiten Zimmerer und Hausmeister (Erinnerungsführerin: 210 Minuten) kann nur einen erheblich geringeren zeitlichen Aufwand als beantragt verursacht haben. Die Erinnerungsführerin gibt an, es gebe keinen speziellen Tarifvertrag für Hausmeister und daher auch keine einheitliche Lohn- und Gehaltsgruppe. Das ist offenkundig, beantwortet die Frage B 5 allerdings nicht und begründet keinen zeitlichen Rechercheumfang von 75 Minuten. Unter B 6 führt die Erinnerungsführerin aus, ihre umfangreiche Internetrecherche habe ergeben, dass ein Vielzahl von Hausmeisterstellen ausgeschrieben seien, was den Schluss zulasse, dass mehr als 300 Stellen zu besetzen seien. Es ist nicht nachvollziehbar, dass für diese Feststellung eine Recherche von 270 Minuten erforderlich gewesen sein soll. Im Übrigen wird die gestellte Frage fehlerhaft beantwortet, weil sie nicht (nur) auf offene Stellen abzielt, sondern auf vorhandene für Betriebsfremde offene Stellen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R, nach juris).

Für die Korrektur des Gutachtens der Erinnerungsführerin sind die angesetzten 120 Minuten gerade noch akzeptabel. Nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 5. März 2012 - Az.: L 6 SF 1854/11 B m.w.N.) kommt für medizinische und berufskundliche Gutachten für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens ein Zeitaufwand von einer Stunde für ca. 5 bis 6 Seiten in Betracht; dabei ist die Schreibweise zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist, dass von den 18 Blatt mehrere Seiten nicht vergütet werden können: das überflüssige Inhaltsverzeichnis, das Anschreiben, die Wiederholung der Beweisfragen, die überflüssigen Ausführungen unter Allgemeines und das Anlagenverzeichnis. Das Deckblatt und das Zwischenblatt "Beantwortung der Einzelfragen" können nur einen minimalen Aufwand verursacht haben.

Zusätzlich erstattet werden kann ein einmaliger Zeitaufwand für die Verbringung des Gutachtens zur Post (30 Minuten). Die getrennte Versendung der Akte (20 Minuten) war nicht erforderlich und der Tatsache geschuldet, dass die Erinnerungsführerin mehrmals an die Übersendung des Gutachtens erinnert werden musste und dann die Akte vor dem Gutachten übersandt hat.

Damit errechnet sich folgender Zeitaufwand:

Aktenstudium 300 Minuten Internetrecherche 120 Minuten Beurteilung 120 Minuten Diktat/Korrektur 120 Minuten Postverbringung 30 Minuten 690 Minuten = 11,5 Stunden

Nachdem die Erinnerungsführerin vor dem 1. August 2013 herangezogen war, ist die Leistung der Erinnerungsführerin entsprechend der Honorargruppe 7 (80,00 Euro) zu vergüten (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2012 - Az.: L 6 SF 1854/11 B). Nach § 9 Abs. 1 JVEG a.F. bestimmt sich die Zuordnung zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1 (Satz 2). Wird die Leistung - wie hier - in einem Sachgebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen.

Zusätzlich sind die Portokosten und die Mehrwertsteuer zu erstatten. Damit errechnet sich folgende Vergütung:

11,5 Stunden x 80 Euro 920,00 Euro Schreibauslagen 21,50 Euro Porto 10,70 Euro 952,20 Euro MWSt 180,92 Euro 1.133,12 Euro

Nachdem der Erinnerungsführerin bereits 1.064,69 Euro überwiesen wurden, hat sie noch einen Restanspruch in Höhe von 68,43 Euro.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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