Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 288/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 60/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Sie betreibt ein Plankrankenhaus, für das der Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg – Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz – vom 20. Dezember 2011 im Bereich Innere Medizin je 236 Ist- und Soll-Betten und im Bereich Geriatrie keine Betten vorsah. Sie betreibt unter Behandlungsleitung durch den Facharzt für Nervenheilkunde – Zusatzbezeichnung Klinische Geriatrie – Dr. H. eine geriatrische Einheit, in der jedenfalls ab Juli 2011 die Therapiebereiche - Physiotherapie/physikalische Therapie - Ergotherapie und - Logopädie/fazioorale Therapie vertreten waren.
In der Zeit vom 17. Mai 2012 bis zum 10. Juli 2012 behandelte die Klägerin die bei der Beklagten krankenversicherte Frau J. (Versicherte) stationär und verlangte von der Beklagten hierfür am 26. Juli 2012 einen Betrag von 16.871,79 Euro. Die Beklagte beglich die Rechnung, beauftragte jedoch den MDK mit einer Überprüfung. Das Gutachten des MDK bestätigte (u.a.) die von der Klägerin kodierte Hauptdiagnose (A04.9: Bakterielle Darminfektion), den Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-550.1 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten) sowie schließlich auch die DRG G14Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mit bestimmter OR-Prozedur bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane). In dem Gutachten heißt es, die erlösrelevanten Prozedur OPS 8-550.1 sei nachvollziehbar und vollumfänglich erbracht worden.
Die Beklagte rechnete am 4. Januar 2013 in Höhe der Klageforderung von 926,64 Euro mit anderen Forderungen der Klägerin auf. Dem MDK-Gutachten sei hinsichtlich des OPS 8-550.1 nicht folgen. Ein Krankenhaus dürfe diesen nur dann kodieren, wenn es einen teamintegrierten Einsatz in den vier Bereichen - Physiotherapie/physikalische Therapie - Ergotherapie - Logopädie/fazioorale Therapie und - Psychologie/Neuropsychologie vorhalte. Im Krankenhaus der Klägerin seien nur drei dieser Bereiche vorhanden, der Bereich "Psychologie/Neuropsychologie" fehle. Somit könne die Klägerin nicht alle Leistungen, die im Rahmen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (gfK) notwendig werden könnten, auch tatsächlich erbringen.
Am 28. Februar 2013 hat die Klägerin Klage auf Zahlung des aufgerechneten Betrages erhoben. Der fragliche OPS fordere weder eine fachärztliche Leitung der Therapiebereiche noch ein Vorhandensein aller vier Therapiebereiche. Im Übrigen stehe es dem Krankenhaus auch frei, Leistungen auf dem Gebiet der "Psychologie/Neuropsychologie" durch Dritte erbringen zu lassen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 12. Mai 2014 stattgegeben. Einer Berücksichtigung des OPS 8-550.1 stehe weder die Reichweite des Versorgungsauftrags der Klägerin entgegen noch seien die Mindestmerkmale des besagten OPS dahingehend auszulegen, dass ein Krankenhaus alle vier der dort näher bezeichneten Therapiebereiche vorhalten müsse. Dem Anspruch der Klägerin stehe nicht entgegen, dass der Krankenhausplan ihr keine Betten im Bereich Geriatrie zuweise, denn die gfK sei als eine Art Annex zur "eigentlichen" akutstationären Behandlung zu betrachten und daher trotzdem vom Versorgungsauftrag der Klägerin umfasst. Nach § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) umfasse die akutstationäre Krankenhausbehandlung auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Hierbei diene diese Vorschrift gerade nicht der begrifflichen Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlung einerseits und Rehabilitation andererseits, sondern sie stelle klar, dass auch frührehabilitative (und somit begrifflich nicht zu Krankenhausbehandlung zählende) Leistungen vom Krankenhaus als integraler Bestandteil einer stationären Akutbehandlung innerhalb der für die Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer erbracht werden könnten. Diese enge zeitliche, funktionelle und organisatorische Anbindung der frührehabilitativen Maßnahmen im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 SGB V rechtfertige es, die Frührehabilitation als eine Art Annex zur "eigentlichen" akutstationären Behandlung zu betrachten – mit der Folge, dass zu einer innerhalb des Versorgungsauftrags erbrachten akutstationären Behandlung auch die zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation gehörten. Die Klägerin habe auch den OPS 8-550.1 zu Recht kodiert. Es fehle insbesondere nicht – wie die Beklagte meine – an den im OPS-Schlüssel (Version 2012) aufgeführten Mindestmerkmalen. Die Beklagte berufe sich insoweit alleine darauf, die im letzten Punkt genannten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da die Klägerin nicht auch den Therapiebereich "Psychologie/Neuropsychologie" vorhalte. Eine solche Auslegung werde indes der Rechtsnatur des OPS schon deswegen nicht gerecht, weil sie teleologischer Natur sei und eine teleologische Auslegung von Bestimmungen des OPS nach allgemeinen Grundsätzen ausscheide. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien Vergütungsregelungen grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Bei der Wortlautauslegung sei zunächst zu beachten, dass der letzte Punkt der Mindestmerkmale des streitigen OPS ohnehin keinen vollständigen Satz enthalte. Seine Aussage reduziere sich darauf, dass er insgesamt vier Therapiebereiche nenne und weiter darauf abstelle, ob ein teamintegrierter Einsatz in mindestens zwei davon stattgefunden habe. Syntaktisch wirkten bereits die beiden Numeralia "zwei" und "vier" in Verbindung mit dem Quantor "mindestens" als klare Auslegungsgrenze. Auch eine systematische Auslegung führe nicht zu einem anderen Ergebnis.
Die Beklagte hält mit der gegen dieses Urteil, welches ihr am 15. Mai 2014 zugestellt wurde, am 4. Juni 2014 eingelegten Berufung an ihrer Auffassung fest. Die Erbringung der gfK durch die Klägerin sei nicht durch deren Versorgungsauftrag gedeckt. Der Feststellungsbescheid und der Krankenhausplan sähen nur Betten für die Innere, nicht aber für eine Geriatrie vor. Dies sei aber Voraussetzung für die Erbringung der gfK, wie sich aus der Systematik des Krankenhausplanes ergebe. Der Annexgedanke des Sozialgerichts könne in einem solchen Fall, in dem spezielle Regelungen zur Frührehabilitation im Krankenhausplan zu finden seien, keine Geltung beanspruchen. Schließlich ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 39 SGB V, dass eine Frührehabilitation regelmäßig mit der mit ihr in Zusammenhang stehenden Akutbehandlung abgegolten sei. Das könne bei einer hochspezialisierten und kostenintensiven Frührehabilitation wie der gfK jedoch nicht gelten. Daher müsse sich der Versorgungsauftrag auf diese auch gesondert beziehen. Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass in den jeweiligen Budgetvereinbarungen ausdrücklich die Abrechenbarkeit der gfK vereinbart sei, beruhe dies auf einem Versehen. Weiterhin bleibe es dabei, dass auch die Tatbestandsmerkmale der gfK nicht erfüllt seien. Für die Abrechenbarkeit der gfK sei erforderlich, dass alle 4 der im OPS 8-550 genannten Therapiebereiche vorgehalten würden. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit dem OPS 9-98a Teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung, bei dem ausdrücklich formuliert sei, dass bestimmte Therapiebereiche vorgehalten werden müssten. Es sei nicht ersichtlich, warum bei der gfK anderes gelten solle. Schließlich sei die auf der gfK beruhende Forderung nicht fällig, da die mitgeteilten § 301er-Daten nicht ausreichend gewesen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2014, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf Abrechnung der streitigen Behandlung unter Berücksichtigung des OPS 8-550.1. Die Behandlung ist daher zutreffend von der Klägerin auf der Grundlage der DRG G14Z abgerechnet worden. Die Beklagte hatte daher kein Recht in Höhe des streitigen Betrages von 926,64 Euro gegen eine unstreitige Forderung aufzurechnen.
Der Senat verweist zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidung des Sozialgerichts. Das Sozialgericht hat alle Gesichtspunkte des Falles erfasst und daraus die zutreffenden Schlüsse abgeleitet. Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass, zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Dies gilt bezüglich beider noch im Streit stehender zwei Themenkomplexe, nämlich der Frage, ob die gfK von dem Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt ist, obwohl diese nach der Krankenhausplanung keine geriatrische Station hat (dazu unter 1.) und der sich anschließenden Frage, ob es die Abrechnung der gfK erfordert, dass alle im OPS 8-550 genannten 4 Therapiebereiche tatsächlich vorzuhalten sind (dazu unter 2.).
1. Völlig zutreffend hat das Sozialgericht in Anknüpfung an die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22. November 2012 (Az.: 13 A 2379/11) ausgeführt, dass die gfK von dem Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt ist.
Kerngedanke ist dabei, dass die Frührehabilitation untrennbar mit der Akutbehandlung verbunden ist. Dies bringt § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 SGB V deutlich zum Ausdruck. Die Situation der Frührehabilitation stellt sich also immer so dar, dass der Patient auf einer bestimmten Station akut behandelt wird und währenddessen ergänzend die Frührehabilitation hinzutritt. Dies meint auch das Sozialgericht, wenn es im Zusammenhang mit der gfK von einem Annex spricht. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es auf die Frage, ob das Krankenhaus auch Betten auf einer geriatrischen Station hat, nicht ankommen kann. Denn die gfK findet gerade nicht auf einer geriatrischen Station, sondern auf der Station statt, die die Akutbehandlung vornimmt.
Die Forderung, dass der Versorgungsauftrag auch geriatrische Betten umfassen muss, um eine gfK abzudecken, kann daher nur darauf abzielen, dass ein geriatrisches Team vorhanden sein muss, welches auf der akut behandelnden Station ergänzend die gfK durchführen kann. Diese – ohne weiteres einleuchtende – Forderung wird jedoch dadurch abgedeckt, dass der OPS 8-550 hierfür genaue Vorgaben macht.
Unabhängig davon dürfte sich die Beklagte auch unzulässig rechtswidersprüchlich verhalten, wenn sie in Abrede stellt, dass die Erbringung der gfK vom Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt sei. Denn sie hat die gfK sowohl im Zeitraum der streitigen Behandlung (vgl. Bl. 138 der Gerichtsakte) als auch in späteren Jahren (vgl. Bl. 152, 153 der Gerichtsakte) in die Budgetvereinbarung mit der Klägerin einbezogen. Damit dürfte sich die Beklagte nicht mehr darauf berufen können, die gfK sei schon der Sache nach grundsätzlich nicht von der Klägerin abrechenbar. Sich insoweit auf ein Versehen zu berufen, erscheint rechtlich und tatsächlich kaum nachvollziehbar.
2. Auch hinsichtlich der tatbestandlichen Vorgaben des OPS 8-550 ist die Argumentation des Sozialgerichts letztlich überzeugend.
Es mag sicherlich erscheinen, das Vorhandensein von allen 4 Therapiebereichen zu fordern, um für jeden Patienten durch Auswahl aus diesen Bereichen ein optimales Behandlungskonzept erstellen zu können. Jedoch ist ein solcher Befund nicht Ergebnis der hier gebotenen eng am Wortlaut ausgerichteten Auslegung. Dabei ist gerade der Hinweis der Beklagten auf den OPS 8-98a Teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung – wenn auch nicht in ihrem Sinne – aussagekräftig. In diesem OPS-Code wird nämlich der Begriff des "Vorhandenseins" eines Therapiebereiches in seinem Wortsinn verwandt. Dieser Begriff steht neben dem Begriff des "Einsatzes" eines Therapiebereichs, wie ihn der OPS 8-550 verwendet. Im OPS 8-97d Multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson werden sogar beide Begriffe unmittelbar nebeneinander genannt. Und auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem OPS 8-550 werden die Begriffe "Vorhandensein" und "Einsatz" nebeneinander verwandt: OPS 8-552 Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation und OPS 8-559 Fachübergreifende und andere Frührehabilitation setzen beide Begriffe direkt nebeneinander und formulieren "Vorhandensein und Einsatz von ". Dies macht deutlich, dass bei der Erstellung des OPS beide Begriffe bekannt waren und man sich des unterschiedlichen Bedeutungsgehaltes bewusst war. Wenn also vom "Einsatz" eines Therapiebereiches die Rede ist, kann damit gerade nicht davon ausgegangen werden, dass auch gleichzeitig das Vorhandensein aller genannten Bereiche gemeint war und vorausgesetzt werden sollte. Denn dann wäre die Verwendung auch des Begriffes "Vorhandensein" neben dem Begriff "Einsatz" zu erwarten gewesen.
Dieser Umstand führt zwingend zu der vom Sozialgericht vorgenommenen Auslegung. Denn selbst, wenn man Zweckmäßigkeitserwägungen im Rahmen der Auslegung des OPS zulassen wollte, müssten diese – insbesondere vor dem Hintergrund des "lernenden Systems" – an der insoweit eindeutigen und ihrem Sinngehalt nach unterschiedlichen Bedeutung der Wörter "Einsatz" und "Vorhandensein" scheitern.
3. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Unvollständigkeit der § 301er-Daten die Fälligkeit der Forderung in Zweifel zieht, ist dem zu entgegnen, dass der MDK im Rahmen der Fallbesprechung am 27. November 2012 die Behandlungsunterlagen vorliegen hatte und damit sich alle wesentlichen Informationen verschaffen konnte. Damit waren die Informationspflichten des § 301 SGB V erfüllt (vgl. BSG, Urt. v. 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R, Rn. 15) und die Forderung konnte fällig werden. Zinsen hat das Sozialgericht erst ab dem 14. Januar 2014 und damit rechtmäßig zugesprochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Sie betreibt ein Plankrankenhaus, für das der Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg – Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz – vom 20. Dezember 2011 im Bereich Innere Medizin je 236 Ist- und Soll-Betten und im Bereich Geriatrie keine Betten vorsah. Sie betreibt unter Behandlungsleitung durch den Facharzt für Nervenheilkunde – Zusatzbezeichnung Klinische Geriatrie – Dr. H. eine geriatrische Einheit, in der jedenfalls ab Juli 2011 die Therapiebereiche - Physiotherapie/physikalische Therapie - Ergotherapie und - Logopädie/fazioorale Therapie vertreten waren.
In der Zeit vom 17. Mai 2012 bis zum 10. Juli 2012 behandelte die Klägerin die bei der Beklagten krankenversicherte Frau J. (Versicherte) stationär und verlangte von der Beklagten hierfür am 26. Juli 2012 einen Betrag von 16.871,79 Euro. Die Beklagte beglich die Rechnung, beauftragte jedoch den MDK mit einer Überprüfung. Das Gutachten des MDK bestätigte (u.a.) die von der Klägerin kodierte Hauptdiagnose (A04.9: Bakterielle Darminfektion), den Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-550.1 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten) sowie schließlich auch die DRG G14Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mit bestimmter OR-Prozedur bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane). In dem Gutachten heißt es, die erlösrelevanten Prozedur OPS 8-550.1 sei nachvollziehbar und vollumfänglich erbracht worden.
Die Beklagte rechnete am 4. Januar 2013 in Höhe der Klageforderung von 926,64 Euro mit anderen Forderungen der Klägerin auf. Dem MDK-Gutachten sei hinsichtlich des OPS 8-550.1 nicht folgen. Ein Krankenhaus dürfe diesen nur dann kodieren, wenn es einen teamintegrierten Einsatz in den vier Bereichen - Physiotherapie/physikalische Therapie - Ergotherapie - Logopädie/fazioorale Therapie und - Psychologie/Neuropsychologie vorhalte. Im Krankenhaus der Klägerin seien nur drei dieser Bereiche vorhanden, der Bereich "Psychologie/Neuropsychologie" fehle. Somit könne die Klägerin nicht alle Leistungen, die im Rahmen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (gfK) notwendig werden könnten, auch tatsächlich erbringen.
Am 28. Februar 2013 hat die Klägerin Klage auf Zahlung des aufgerechneten Betrages erhoben. Der fragliche OPS fordere weder eine fachärztliche Leitung der Therapiebereiche noch ein Vorhandensein aller vier Therapiebereiche. Im Übrigen stehe es dem Krankenhaus auch frei, Leistungen auf dem Gebiet der "Psychologie/Neuropsychologie" durch Dritte erbringen zu lassen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 12. Mai 2014 stattgegeben. Einer Berücksichtigung des OPS 8-550.1 stehe weder die Reichweite des Versorgungsauftrags der Klägerin entgegen noch seien die Mindestmerkmale des besagten OPS dahingehend auszulegen, dass ein Krankenhaus alle vier der dort näher bezeichneten Therapiebereiche vorhalten müsse. Dem Anspruch der Klägerin stehe nicht entgegen, dass der Krankenhausplan ihr keine Betten im Bereich Geriatrie zuweise, denn die gfK sei als eine Art Annex zur "eigentlichen" akutstationären Behandlung zu betrachten und daher trotzdem vom Versorgungsauftrag der Klägerin umfasst. Nach § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) umfasse die akutstationäre Krankenhausbehandlung auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Hierbei diene diese Vorschrift gerade nicht der begrifflichen Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlung einerseits und Rehabilitation andererseits, sondern sie stelle klar, dass auch frührehabilitative (und somit begrifflich nicht zu Krankenhausbehandlung zählende) Leistungen vom Krankenhaus als integraler Bestandteil einer stationären Akutbehandlung innerhalb der für die Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer erbracht werden könnten. Diese enge zeitliche, funktionelle und organisatorische Anbindung der frührehabilitativen Maßnahmen im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 SGB V rechtfertige es, die Frührehabilitation als eine Art Annex zur "eigentlichen" akutstationären Behandlung zu betrachten – mit der Folge, dass zu einer innerhalb des Versorgungsauftrags erbrachten akutstationären Behandlung auch die zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation gehörten. Die Klägerin habe auch den OPS 8-550.1 zu Recht kodiert. Es fehle insbesondere nicht – wie die Beklagte meine – an den im OPS-Schlüssel (Version 2012) aufgeführten Mindestmerkmalen. Die Beklagte berufe sich insoweit alleine darauf, die im letzten Punkt genannten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da die Klägerin nicht auch den Therapiebereich "Psychologie/Neuropsychologie" vorhalte. Eine solche Auslegung werde indes der Rechtsnatur des OPS schon deswegen nicht gerecht, weil sie teleologischer Natur sei und eine teleologische Auslegung von Bestimmungen des OPS nach allgemeinen Grundsätzen ausscheide. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien Vergütungsregelungen grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Bei der Wortlautauslegung sei zunächst zu beachten, dass der letzte Punkt der Mindestmerkmale des streitigen OPS ohnehin keinen vollständigen Satz enthalte. Seine Aussage reduziere sich darauf, dass er insgesamt vier Therapiebereiche nenne und weiter darauf abstelle, ob ein teamintegrierter Einsatz in mindestens zwei davon stattgefunden habe. Syntaktisch wirkten bereits die beiden Numeralia "zwei" und "vier" in Verbindung mit dem Quantor "mindestens" als klare Auslegungsgrenze. Auch eine systematische Auslegung führe nicht zu einem anderen Ergebnis.
Die Beklagte hält mit der gegen dieses Urteil, welches ihr am 15. Mai 2014 zugestellt wurde, am 4. Juni 2014 eingelegten Berufung an ihrer Auffassung fest. Die Erbringung der gfK durch die Klägerin sei nicht durch deren Versorgungsauftrag gedeckt. Der Feststellungsbescheid und der Krankenhausplan sähen nur Betten für die Innere, nicht aber für eine Geriatrie vor. Dies sei aber Voraussetzung für die Erbringung der gfK, wie sich aus der Systematik des Krankenhausplanes ergebe. Der Annexgedanke des Sozialgerichts könne in einem solchen Fall, in dem spezielle Regelungen zur Frührehabilitation im Krankenhausplan zu finden seien, keine Geltung beanspruchen. Schließlich ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 39 SGB V, dass eine Frührehabilitation regelmäßig mit der mit ihr in Zusammenhang stehenden Akutbehandlung abgegolten sei. Das könne bei einer hochspezialisierten und kostenintensiven Frührehabilitation wie der gfK jedoch nicht gelten. Daher müsse sich der Versorgungsauftrag auf diese auch gesondert beziehen. Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass in den jeweiligen Budgetvereinbarungen ausdrücklich die Abrechenbarkeit der gfK vereinbart sei, beruhe dies auf einem Versehen. Weiterhin bleibe es dabei, dass auch die Tatbestandsmerkmale der gfK nicht erfüllt seien. Für die Abrechenbarkeit der gfK sei erforderlich, dass alle 4 der im OPS 8-550 genannten Therapiebereiche vorgehalten würden. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit dem OPS 9-98a Teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung, bei dem ausdrücklich formuliert sei, dass bestimmte Therapiebereiche vorgehalten werden müssten. Es sei nicht ersichtlich, warum bei der gfK anderes gelten solle. Schließlich sei die auf der gfK beruhende Forderung nicht fällig, da die mitgeteilten § 301er-Daten nicht ausreichend gewesen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2014, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf Abrechnung der streitigen Behandlung unter Berücksichtigung des OPS 8-550.1. Die Behandlung ist daher zutreffend von der Klägerin auf der Grundlage der DRG G14Z abgerechnet worden. Die Beklagte hatte daher kein Recht in Höhe des streitigen Betrages von 926,64 Euro gegen eine unstreitige Forderung aufzurechnen.
Der Senat verweist zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidung des Sozialgerichts. Das Sozialgericht hat alle Gesichtspunkte des Falles erfasst und daraus die zutreffenden Schlüsse abgeleitet. Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass, zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Dies gilt bezüglich beider noch im Streit stehender zwei Themenkomplexe, nämlich der Frage, ob die gfK von dem Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt ist, obwohl diese nach der Krankenhausplanung keine geriatrische Station hat (dazu unter 1.) und der sich anschließenden Frage, ob es die Abrechnung der gfK erfordert, dass alle im OPS 8-550 genannten 4 Therapiebereiche tatsächlich vorzuhalten sind (dazu unter 2.).
1. Völlig zutreffend hat das Sozialgericht in Anknüpfung an die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22. November 2012 (Az.: 13 A 2379/11) ausgeführt, dass die gfK von dem Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt ist.
Kerngedanke ist dabei, dass die Frührehabilitation untrennbar mit der Akutbehandlung verbunden ist. Dies bringt § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 SGB V deutlich zum Ausdruck. Die Situation der Frührehabilitation stellt sich also immer so dar, dass der Patient auf einer bestimmten Station akut behandelt wird und währenddessen ergänzend die Frührehabilitation hinzutritt. Dies meint auch das Sozialgericht, wenn es im Zusammenhang mit der gfK von einem Annex spricht. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es auf die Frage, ob das Krankenhaus auch Betten auf einer geriatrischen Station hat, nicht ankommen kann. Denn die gfK findet gerade nicht auf einer geriatrischen Station, sondern auf der Station statt, die die Akutbehandlung vornimmt.
Die Forderung, dass der Versorgungsauftrag auch geriatrische Betten umfassen muss, um eine gfK abzudecken, kann daher nur darauf abzielen, dass ein geriatrisches Team vorhanden sein muss, welches auf der akut behandelnden Station ergänzend die gfK durchführen kann. Diese – ohne weiteres einleuchtende – Forderung wird jedoch dadurch abgedeckt, dass der OPS 8-550 hierfür genaue Vorgaben macht.
Unabhängig davon dürfte sich die Beklagte auch unzulässig rechtswidersprüchlich verhalten, wenn sie in Abrede stellt, dass die Erbringung der gfK vom Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt sei. Denn sie hat die gfK sowohl im Zeitraum der streitigen Behandlung (vgl. Bl. 138 der Gerichtsakte) als auch in späteren Jahren (vgl. Bl. 152, 153 der Gerichtsakte) in die Budgetvereinbarung mit der Klägerin einbezogen. Damit dürfte sich die Beklagte nicht mehr darauf berufen können, die gfK sei schon der Sache nach grundsätzlich nicht von der Klägerin abrechenbar. Sich insoweit auf ein Versehen zu berufen, erscheint rechtlich und tatsächlich kaum nachvollziehbar.
2. Auch hinsichtlich der tatbestandlichen Vorgaben des OPS 8-550 ist die Argumentation des Sozialgerichts letztlich überzeugend.
Es mag sicherlich erscheinen, das Vorhandensein von allen 4 Therapiebereichen zu fordern, um für jeden Patienten durch Auswahl aus diesen Bereichen ein optimales Behandlungskonzept erstellen zu können. Jedoch ist ein solcher Befund nicht Ergebnis der hier gebotenen eng am Wortlaut ausgerichteten Auslegung. Dabei ist gerade der Hinweis der Beklagten auf den OPS 8-98a Teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung – wenn auch nicht in ihrem Sinne – aussagekräftig. In diesem OPS-Code wird nämlich der Begriff des "Vorhandenseins" eines Therapiebereiches in seinem Wortsinn verwandt. Dieser Begriff steht neben dem Begriff des "Einsatzes" eines Therapiebereichs, wie ihn der OPS 8-550 verwendet. Im OPS 8-97d Multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson werden sogar beide Begriffe unmittelbar nebeneinander genannt. Und auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem OPS 8-550 werden die Begriffe "Vorhandensein" und "Einsatz" nebeneinander verwandt: OPS 8-552 Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation und OPS 8-559 Fachübergreifende und andere Frührehabilitation setzen beide Begriffe direkt nebeneinander und formulieren "Vorhandensein und Einsatz von ". Dies macht deutlich, dass bei der Erstellung des OPS beide Begriffe bekannt waren und man sich des unterschiedlichen Bedeutungsgehaltes bewusst war. Wenn also vom "Einsatz" eines Therapiebereiches die Rede ist, kann damit gerade nicht davon ausgegangen werden, dass auch gleichzeitig das Vorhandensein aller genannten Bereiche gemeint war und vorausgesetzt werden sollte. Denn dann wäre die Verwendung auch des Begriffes "Vorhandensein" neben dem Begriff "Einsatz" zu erwarten gewesen.
Dieser Umstand führt zwingend zu der vom Sozialgericht vorgenommenen Auslegung. Denn selbst, wenn man Zweckmäßigkeitserwägungen im Rahmen der Auslegung des OPS zulassen wollte, müssten diese – insbesondere vor dem Hintergrund des "lernenden Systems" – an der insoweit eindeutigen und ihrem Sinngehalt nach unterschiedlichen Bedeutung der Wörter "Einsatz" und "Vorhandensein" scheitern.
3. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Unvollständigkeit der § 301er-Daten die Fälligkeit der Forderung in Zweifel zieht, ist dem zu entgegnen, dass der MDK im Rahmen der Fallbesprechung am 27. November 2012 die Behandlungsunterlagen vorliegen hatte und damit sich alle wesentlichen Informationen verschaffen konnte. Damit waren die Informationspflichten des § 301 SGB V erfüllt (vgl. BSG, Urt. v. 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R, Rn. 15) und die Forderung konnte fällig werden. Zinsen hat das Sozialgericht erst ab dem 14. Januar 2014 und damit rechtmäßig zugesprochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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