L 11 R 2786/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 5770/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2786/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1967 geborene Kläger absolvierte von 1984 bis 1988 eine Ausbildung zum Stuckateur. 1986 erlitt er bei einem Motorradunfall ein Polytrauma ua mit Fraktur beider Handgelenke, des linken Oberarms und Oberschenkels. 1987 erlitt er erneut einen Bruch des linken Handgelenks und 1988 bei einem Arbeitsunfall einen Bänderriss des linken oberen Sprunggelenks. Zuletzt war der Kläger im Mai 2002 als Verkaufsfahrer für Tiefkühlprodukte versicherungspflichtig beschäftigt, anschließend war er arbeitsunfähig krank bzw arbeitslos. Seit 2005 bezieht er durchgehend Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. 2005/2006 war der Kläger zudem geringfügig beschäftigt bei einem Autohaus als Fahrer. Ein Grad der Behinderung von 60 ist anerkannt.

Ein erster Rentenantrag des Klägers vom 16.06.2003 blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 21.08.2003, Widerspruchsbescheid vom 16.08.2004, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 10.12.2004, S 3 RJ 1143/04). Eine von der Beklagten bewilligte, auf ein Jahr ausgelegte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde von der Beklagten zum 08.10.2004 wegen zahlreicher kurzzeitiger Arbeitsunfähigkeitszeiten beendet. Auf einen neuen Antrag auf Teilhabeleistungen gewährte die Beklagte in einem weiteren Verfahren vor dem SG (S 16 R 3412/05) im Wege des Vergleichs die Kosten für die Sachkundeprüfung im Bewachungsgewerbe (§ 34a Gewerbeordnung) mit Vorbereitungslehrgang (durchgeführt vom 13. bis 17.03.2006).

Am 25.10.2006 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. In einem chirurgisch-orthopädischen Gutachten stellte Dr. G. folgende Diagnosen: posttraumatische Handgelenksarthrose beidseits mit deutlicher Funktionseinschränkung, Zn Handgelenksteilarthrodese rechts 6/99, Denervierungs-OP bei Kahnbeinpseudarthrose links 5/04, Funktionseinschränkung des linken Daumens nach Strecksehnenruptur, Kniebandinstabilität links nach komplexem Kniebandschaden 7/86 mit endgradiger Funktionseinschränkung, gering- bis mäßiggradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen bei Fehlhaltung. Lasten dürfe der Kläger bis 7,5 kg heben und tragen, leichte Tätigkeiten seien weiterhin vollschichtig möglich. Zusätzlich veranlasste die Beklagte eine nervenärztliche Begutachtung durch Dr. H., der in seinem Gutachten vom 25.04.2007 zusätzlich eine somatoforme Schmerzstörung/Schmerzsyndrom feststellte. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht ergäben sich keine Beeinträchtigungen der Lebensführung und keine Leistungseinschränkungen.

Mit Bescheid vom 12.01.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2007 zurück.

Am 25.07.2007 hat der Kläger zum SG Klage erhoben. Er trägt unter Vorlage ärztlicher Atteste vor, dass er nicht in der Lage sei, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten. Dies hätten seine behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. F.-E. bestätigt. Immer wieder müsse er sich wegen der schweren psychischen Beschwerden in stationäre Behandlung begeben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Hausarzt Dr. W. (Schreiben vom 07.11.2007), die Schmerztherapeutin Dr. F.-E. (Schreiben vom 05.11.2007) und der Psychiater Dr. S. (Schreiben vom 09.03.2009) gehen von einer unter dreistündigen Belastbarkeit aus. Vom 25.02. bis 26.03.2009 ist der Kläger im V. v. P. Hospital R. stationär wegen einer schweren depressiven Episode und anhaltenden somatoformen Schmerzstörung behandelt worden. Die dort behandelnden Ärzte Dres S. und G. haben mit Schreiben vom 18.06.2009 mitgeteilt, bei zunehmender Besserung sei der Kläger zum Zeitpunkt der Entlassung auch in einem Umfang von drei Stunden täglich nicht leistungsfähig gewesen. Vom 16.11.2009 bis 19.01.2010 ist der Kläger im Klinikum N. in C.-H. (ZfP C.) stationär behandelt worden. Dr. L., Chefarzt, hat mit Schreiben vom 07.04.2010 mitgeteilt, dass der Kläger bei Aufnahme unter einer schweren Episode einer rezidivierenden depressiven Störung gelitten habe, die während des Aufenthalts remittiert sei. Maßgebend für die Leistungsbeurteilung sei das daneben fortbestehende chronische Schmerzsyndrom.

Das SG hat zusätzlich ein orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. K. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 26.05.2008 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Zn Frakturen an beiden Handgelenken mit mehrmaligen Revisionsoperationen, links mit ausgeprägter Handgelenksarthrose; rechts Zn Resektion des Os naviculare, knöcherne Konsolidierung zwischen Os hamatum und Os capitatum, deutliche Arthrose zwischen den übrigen Handgelenksknochen • HWS-Syndrom mit beginnenden multietageren Verschleißerscheinungen und Bandscheibenschaden C6/7 • Lumbalgie bei beginnendem Bandscheibenschaden und initialen pathologischen Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken im unteren Abschnitt der LWS • ventrolaterale Instabilität bei Zn Kreuzband-OP mit beginnenden Verschleißerscheinungen am linken Kniegelenk • Zn operativer Versorgung eines lateralen Bänderrisses am linken oberen Sprunggelenk • Zn operativer Versorgung eines Oberschenkelbruchs links • Zn operativer Versorgung eines Bruches am linken Oberarm. Wegen der pathologischen Veränderungen an beiden Handgelenken seien Tätigkeiten mit vermehrter Belastung der Hände nicht zumutbar. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich leisten.

Daneben hat das SG ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. P. eingeholt. Dieser hat mit Gutachten vom 27.11.2009 und ergänzender Stellungnahme vom 29.11.2010 folgende Diagnosen mitgeteilt: • chronifizierte somatoforme Schmerzstörung • komplexe Persönlichkeitsstörung mit depressiven, asthenischen, dissoziativen Symptomen im Rahmen einer erheblichen Selbstwertproblematik mit regressiven, asthenischen und querulatorischen Zügen mit Chronifizierung. Auf neurologischem Gebiet sei keine Leistungseinschränkung feststellbar. Die erhebliche Persönlichkeitsstörung sei bisher nicht berücksichtigt worden, selbst mannigfaltige Behandlungen hätten keine Besserung des Befundes bringen können. Aufgrund der komplexen Störung sei der Kläger seit der ersten Rentenantragstellung 2003 nicht mehr in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.

Mit Urteil vom 19.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Gutachten von Prof. Dr. K., Dr. G. und Dr. H. sowie hinsichtlich der erhobenen Befunde auf das Gutachten von Dr. P. gestützt. Dessen Leistungseinschätzung könne das SG allerdings nicht teilen. Dr. P. sehe den Schwerpunkt auf der Persönlichkeitsstörung. Mit dieser Persönlichkeitsstörung habe der Kläger indes eine Schul- und Berufsausbildung erfolgreich absolviert und habe jahrelang berufstätig sein können. Nach der Untersuchung durch Dr. P. sei zudem der neurologische und körperliche Untersuchungsbefund unauffällig und das Konzentrationsvermögen nicht eingeschränkt gewesen. Der Kläger sei in unauffälligem, sportlich durchtrainierten Zustand pünktlich erschienen und habe sich freundlich zugewandt gezeigt. Allein auf Basis der auffälligen Persönlichkeit könne keine Leistungsminderung angenommen werden. Der gegenüber dem Gutachter Dr. P. geäußerte Wunsch nach einer Rente zum Zweck der finanziellen Absicherung und um sich nicht dauernd anderen Menschen gegenüber erklären zu müssen, könne eine Leistungsminderung nicht begründen. Bestätigt werde dieses Ergebnis durch das Gutachten von Dr. H ... Aus orthopädischer Sicht ergäben sich nur qualitative Einschränkungen.

Gegen das seinem damaligen Bevollmächtigten vom 14.06.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.07.2011 eingelegte Berufung des Klägers. Er leide an einer so schweren Schmerzstörung, dass er keine zwei Stunden arbeitsfähig sei. Dies bestätige das Gutachten von PD Dr. B. vom 14.08.2012, welches im Rahmen eines Rechtsstreits gegen die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung vor dem Landgericht Stuttgart (18 O 69/12) vorgelegt worden sei. PD Dr. B. habe einen mäßigen, deutlich schmerzgeplagten Zustand festgestellt. Er habe ausgeführt, dass die Hände in keiner Weise beschwielt gewesen seien, die Haut pergamentdünn, wie man es nur von lange bettlägerigen Patienten in Pflegeheimen kenne. Die häufig notwendigen stationären Behandlungen bestätigten den schlechten Gesundheitszustand des Klägers (24.03 bis 10.06.2011 und 23.11.2012 bis 24.01.2013 V. v. P. Hospital R.; 10.02. bis 09.04. 2014 und 25.08 bis 30.09.2014 ZfP C.).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.10.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung des Klägers nach wie vor nicht für gegeben und verweist auf Stellungnahmen ihres beratungsärztlichen Dienstes vom 16.01.2012, 03.04.2013 (Dr. L.), 23.06.2014 und 12.12.2014 (Dr. E.).

Der Senat hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Entlassungsberichte über die vom Kläger genannten stationären Behandlungen. Im Bericht des V. v. P. Hospitals vom 12.07.2011 über die Behandlung vom 24.03. bis 10.06.2011 wird ausgeführt, dass der Kläger wegen einer schweren anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F45.4) und einer depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode (F32.2) behandelt worden sei. Es sei nur in mäßigem Umfang möglich, mit dem Kläger einen Weg aus seiner Verbitterung zu finden und seine Eigenmotivation zu fördern. Im Entlassungsbericht vom 27.02.2013 derselben Einrichtung über die Behandlung vom 23.11.2012 bis 24.01.2013 wird ausgeführt, dass der Kläger wegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41) und einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode (F33.2) behandelt worden sei. Die Behandlung habe sich schwierig gestaltet, da der Patient sehr stark auf seine körperlichen Beschwerden und die Schmerzen fixiert und insgesamt in einer klagsamen und passiven Schonhaltung gewesen sei. Im Bericht des ZfP C. vom 16.09.2014 über die Behandlung vom 10.02. bis 09.04.2014 werden die Diagnosen F32.2 und F45.41 angegeben. Der Patient sei in Begleitung seiner Mutter ohne ärztliche Einweisung oder Voranmeldung wegen Suizidgedanken zur stationären Aufnahme gekommen. Bei fortgesetztem ambivalenten Verhalten mit gelegentlichem Auslassen der Medikation sei besprochen worden, dass nach Belastungserprobung vom 09. auf den 10.04.2014 ein Wechsel in den Tagesklinikbereich erfolgen solle, der Patient habe sich aber im Weiteren nicht mehr auf Station einfinden können. Im Bericht des ZfP C. vom 03.10.2014 über die Behandlung vom 25.08 bis 30.09.2014 werden folgende Diagnosen angegeben: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (F33.29); narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.80), chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41), sonstige zervikale Bandscheibenverlagerung (M50.2), Spondylosis deformans C4/5 – C6/7, Retrospondylose C 6/7, geringe Neuroforamenstenose C6/7 beidseits, Zn Frakturen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen und unteren Extremitäten (T02.60), Kreuzschmerz (M54.5) und langzeitige Abhängigkeit von sonstigen unterstützenden Apparaten, medizinischen Geräten oder Hilfsmitteln (Z99.8). Prof. Dr. E., Chefarzt, hat ausgeführt, der Patient sei erneut mit akuter Suizidalität aufgenommen worden. Der weitere Verlauf sei geprägt gewesen von den bekannten dysfunktionalen Verhaltensmustern des Patienten, der viel Zeit im Bett oder im Ausgang verbracht, Pflege und Ärzte in Diskussionen um die Schmerzmedikation verwickelt und in der Teilnahme an der Therapie eher zurückhaltend gewesen sei. Deutliche Diskrepanzen im Verhalten hätten sich im Rahmen der OÄ-Visite mit Klagsamkeit, hinkendem Gangbild und lockerer Gelöstheit im Außengelände gezeigt.

Der Senat hat ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. R. eingeholt. Dieser hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 19.06.2012 folgende Diagnosen gestellt: leichte, anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4), Dysthymia (F34.1) und körperliche Erkrankungen in Form von degenerativen Veränderungen des Skelettsystems bzw Unfallfolgen. Im psychischen Befund wird eine geringgradige Verminderung des Antriebs, subdepressive Stimmung und geringgradig eingeschränkte affektive Modulationsfähigkeit beschrieben. Auffassung, Konzentration und Aufmerksamkeitsausdauer hätten zunächst leichtgradig beeinträchtigt und der Kläger erschöpft gewirkt. Im weiteren Verlauf der mehrstündigen Exploration sei es jedoch zu einer deutlichen Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und vor allem der Aufmerksamkeitsfokussierung gekommen. Die Analyse der Alltagsaktivitäten und der nur leichtgradig gestörte psychische Befund zeigten, dass es sich bei der Schmerzstörung nur um einen leichten Ausprägungszustand handele. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden und mehr ausüben. Nach Kritik des damaligen Bevollmächtigten des Klägers unter Vorlage des Gutachtens von PD Dr. B. vom 14.08.2012 hat Prof. Dr. R. mit Schreiben vom 23.11.2012 ergänzend Stellung genommen.

Der Senat hat ein weiteres nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. W. in Auftrag gegeben. In ihrem Gutachten vom 26.07.2013 erhebt sie auf nervenärztlichem Gebiet folgende Diagnosen: • rezidivierende depressive Episoden, aktuell allenfalls leicht depressiv (F33.0) • dringender Verdacht auf Medikamenten-/Opiatabhängigkeit (F19.2) • Verdacht auf chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) • Verdacht auf gemischte Persönlichkeitsstörung (F61). Im psychischen Befund wird ein gutes Aufmerksamkeitsniveau beschrieben, der formale Denkablauf sei teilweise etwas weitschweifig, Fragen würden immer wieder unscharf beantwortet (das liege schon so lange zurück, wisse er nicht). Die Stimmung sei etwas zum Negativen hin verschoben, unterschwellig gereizt und aggressiv, der Antrieb sei normal. Der Kläger gebe an, unter schwersten Schmerzen zu leiden, die nicht nur jede berufliche Tätigkeit, sondern auch die Versorgung seines Haushalts verunmöglichten. Im Rahmen der vorzunehmenden Konsistenzprüfung fänden sich viele Hinweise dafür, dass die Angaben des Klägers nicht verlässlich seien. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung in der Untersuchungssitutation; die Gutachterin habe selten einen Probanden erlebt, der einerseits so einen guten, frischen körperlichen Eindruck in der Untersuchungssituation gemacht habe und andererseits so schwere Einschränkungen angegeben habe (er könne maximal eine Tasse in die Spülmaschine einräumen). Es sei auch eine wechselhafte und unpräzise ausweichende Schilderung der Beschwerden und des Krankheitsverlaufs erfolgt, Diskrepanzen bestünden zwischen geschilderten Funktionsbeeinträchtigungen und Aktivitäten des täglichen Lebens (zB Schilderung eines Gesprächs mit einem Bekannten beim Kaffee auf dem Heimweg vom Arzt). Die ergriffenen Therapiemaßnahmen seien widersprüchlich, einerseits mehrere längere stationäre psychiatrische Behandlungen, auf der anderen Seite nur seltenes Aufsuchen des behandelnden Psychiaters Dr. S.; Therapiemaßnahmen zur Schmerzlinderung habe er ergriffen, allerdings mit deutlichem Übergewicht von passiven Maßnahmen (Medikamente, Fango, Massage). Es bestehe auch eine Diskrepanz zwischen der Medikamentenanamnese und dem laborchemisch bestimmten Medikamentenspiegel; es hätten sich keinerlei Psychopharmaka nachweisen lassen. Insgesamt seien Tätigkeiten mit Wechsel- oder Nachtschicht, mit hohen Anforderungen an Verantwortung, Umstellungsfähigkeit oder Konzentrationsvermögen zu vermeiden, eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens bestehe nicht. Auf die Kritik des Bevollmächtigten des Klägers vom 14.08.2013 (Blatt 224/227 Senatsakte) hat die Gutachterin mit Schreiben vom 27.09.2013 (Blatt 233/239) ergänzend Stellung genommen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat sodann noch Dr. E. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 26.05.2014 folgende Diagnosen gestellt: • rezidivierende depressive Störung, aktuell leicht bis mittelschwer (F33.1) • chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) • gemischte Persönlichkeitsstörung (F61). Der Proband habe der mehrstündigen Untersuchung folgen können, im Rahmen emotional belastender Situation habe sich eine leichte Störung der Aufmerksamkeit und Konzentration gezeigt, über die Zeit keine kontinuierliche und ausgeprägte Leistungsminderung. Es zeige sich eine leichte Antriebsminderung. Es fielen durchschnittlich ausgeprägte Muskelstrukturen an den Extremitäten auf, im Bereich der Hände keinerlei Schwielen, hier Muskelausprägung etwas geringer. Als erheblicher Aspekt für die Gesamtsituation sei die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung, überwiegen iS einer narzisstischen, gekränkten bzw komplexen Persönlichkeitsakzentuierung zu sehen. In die Bewertung müsse die Frage einfließen, inwieweit das Verhalten aggravierend sei. Nehme man eine entsprechend fixierte Selbstreflexion und Wahrnehmung durch eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert an, bedeute dies, dass die Persönlichkeitsstörung Teil der Selbstwahrnehmung sei und damit wesentlicher Teil der Möglichkeiten, eine entsprechende Symptomatik zu überwinden. Gerade Persönlichkeitsstörungen seien nur schwer psychotherapeutisch zu korrigieren. Für den Probanden sei es aufgrund seiner eigenen Selbstwahrnehmung unvorstellbar, körperliche oder erwerbsmäßige Tätigkeiten zu erbringen, da er sich als schmerzgeplagt, eingeengt und hilflos erlebe. Es müsse daher auch von einer quantitativen Einschränkung ausgegangen werden, wobei leichte Tätigkeiten vier bis eindeutig unter sechs Stunden täglich zumutbar seien. Zu diesem Gutachten hat Dr. E. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten Einwendungen erhoben (Blatt 296/297 Senatsakte), auf die Dr. E. mit Schreiben vom 24.09.2014 (Blatt 306/311) ergänzend Stellung genommen hat.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweiserhebung sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren erfolgten Sachverhaltsaufklärung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dabei sind allerdings gewisse Einschränkungen zu beachten. Nicht mehr zumutbar sind Arbeiten mit Wechsel- oder Nachtschicht, besonderer Verantwortung, erhöhten Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten oder besonderer Beanspruchung der Hände.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist durch Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet gemindert. Auf nervenärztlichem Gebiet liegen rezidivierende depressive Episoden vor mit Wechsel von schweren Episoden und allenfalls leicht ausgeprägter Depressivität. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Berichten über die stationären psychiatrischen Behandlungen und den Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. E ... Soweit Prof. Dr. R. lediglich eine Dysthymie diagnostiziert, kann dem nicht gefolgt werden, da nachweislich schwere depressive Episoden aufgetreten sind. Daneben besteht (Verdacht auf) eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Medikamenten-/Opiatabhängigkeit und eine gemischte Persönlichkeitsstörung. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus den Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. E., wobei der Unterschied, dass Prof. Dr. W. lediglich Verdachtsdiagnosen ausspricht, keine Auswirkungen hat, da sie im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung vom Vorliegen dieser Erkrankungen ausgeht. In ähnlicher Weise finden sich die Diagnosen der Schmerzstörung und der Persönlichkeitsstörung auch in den Berichten über die stationären Behandlungen.

Aus den rezidivierenden depressiven Episoden folgen keine überdauernden Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit, sondern nur vorübergehende Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Dies ergibt sich schon daraus, dass nachweislich immer wieder eine weitgehende Remission der depressiven Symptome eintritt. Bei der Untersuchung durch Dr. H. im Jahr 2007 zeigte sich keinerlei depressive Symptomatik, bei Dr. P. wirkte der Kläger deutlich leistungsgemindert, was der kurz nach der Begutachtung anlässlich der stationären Behandlung vom 16.11.2009 bis 19.01.2010 festgestellten schweren depressiven Episode entspricht. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. im Mai 2012 wiederum fand sich ein weitgehend unauffälliger psychischer Befund; ein Absinken von Aufmerksamkeit und Konzentration konnte im Laufe der mehrstündigen Exploration nicht festgestellt werden, der Antrieb war nur geringgradig vermindert und die Stimmung war subdepressiv bei nur geringgradig eingeschränkter Modulationsfähigkeit. Bei der Untersuchung durch Dr. B. im Juli 2012 fanden sich ebenfalls keine Hinweise auf Konzentrations- oder Auffassungsstörungen, die Stimmung war jedoch deutlich depressiv und der Kläger wirkte affektiv wenig modulationsfähig, so dass Dr. B. von einer mittelschweren depressiven Symptomatik ausging. Allerdings sind diesbezüglich Vorbehalte angebracht, da Dr. B. im Bereich der Hände einen Befund beschrieben hat, wie er sonst nur bei lange bettlägerigen Patienten zu sehen ist und der mit den beschriebenen Atrophiezeichen von keinem der anderen Gutachter bestätigt werden konnte. Dass der Kläger allerdings keine Schwielen an den Händen hat, wird von nahezu allen Gutachtern einschließlich Prof. Dr. W. berichtet. Dies verwundert auch nicht weiter, da der Kläger insoweit bei allen Begutachtungen konsistent angegeben hat, dass sämtliche Tätigkeiten der hauswirtschaftlichen Versorgung wie Kochen, Putzen, Waschen und Einkaufen von seiner nebenan wohnenden Mutter erledigt werden. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. im Juli 2013 bestand ebenfalls ein gutes Aufmerksamkeitsniveau, der Antrieb war normal bei etwas zum Negativen hin verschobener Stimmung, unterschwellig gereizt und aggressiv. Bei der Untersuchung durch Dr. E. im Januar 2014 schließlich fand sich nur eine leichte Antriebsminderung, Aufmerksamkeit und Konzentration nicht deutlich abfallend, eher bezüglich der emotionalen Grundsituation moduliert, die Grundstimmung war zum depressiven Pol hin verschoben ohne eindeutige Auflockerbarkeit. Damit stellte sich die depressive Symptomatik wieder etwas stärker dar, passend zu der im Februar 2014 erfolgten stationären Aufnahme mit schwerer depressiver Symptomatik. Zusammenfassend bleibt es somit dabei, dass keine überdauernde Leistungsminderung aufgrund der rezidivierenden depressiven Symptomatik besteht.

Aus dem Vorliegen einer chronischen Schmerzstörung und einer Persönlichkeitsstörung folgen ebenfalls keine quantitativen Einschränkungen. Der Senat schließt sich insoweit dem überzeugenden und in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten von Prof. Dr. W. an. Sie hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei den vom Kläger angegebenen ganz gravierenden Einschränkungen eine Konsistenzprüfung erforderlich ist und sie hat diese auch – im Gegensatz etwa zu Dr. E. – umfassend durchgeführt. Dabei haben sich deutliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Angaben des Klägers nicht verlässlich sind. Es bestand eine Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung in der Untersuchungssitutation; die Gutachterin beschreibt einen guten, frischen körperlichen Eindruck in der Untersuchungssituation und andererseits die Angabe so schwerer Einschränkungen, dass der Kläger beispielsweise maximal eine Tasse in die Spülmaschine einräumen könne. Die Schilderung der Beschwerden und des Krankheitsverlaufs zeigte sich unpräzise ausweichend. Dr. E. hat die Beschwerdeschilderung und Beeinträchtigung durch die Schmerzen zwar als konsistent beurteilt, allerdings nimmt er insoweit nur eine oberflächliche Betrachtung vor unter Bezugnahme auf die Schilderung depressiver Symptome wie sozialer Rückzug, negative Gedanken, Schlafstörungen, Insuffizienzgefühle, Zukunftsängste und Überforderungswahrnehmungen. Kritische oder genauere Nachfragen hat er im Gegensatz zu Prof. Dr. W., die als Reaktion des Klägers hierauf eine unterschwellig gereizte und aggressive Beantwortung beschreibt, nicht vorgenommen. Auf Nachfrage hat Prof. Dr. W. dargelegt, dass die von ihr beschriebene Reaktion des Klägers für Menschen mit Schmerzen nicht typisch sei, diese seien eher um eine knappe und zügige Beantwortung bemüht und scheuten sich nicht, auch Fragen nach dem Freizeitverhalten konkret zu beantworten. Diskrepanzen bestanden zwischen geschilderten Funktionsbeeinträchtigungen und Aktivitäten des täglichen Lebens (zB Schilderung eines Gesprächs mit einem Bekannten beim Kaffee auf dem Heimweg vom Arzt). Die ergriffenen Therapiemaßnahmen erscheinen widersprüchlich mit einerseits mehreren längeren stationären psychiatrischen Behandlungen, auf der anderen Seite aber nur seltenem Aufsuchen des behandelnden Psychiaters Dr. S.; bei Therapiemaßnahmen zur Schmerzlinderung besteht ein deutliches Übergewicht von passiven Maßnahmen (Medikamente, Fango, Massage). Es besteht auch eine Diskrepanz zwischen der Medikamentenanamnese und dem laborchemisch bestimmten Medikamentenspiegel; es haben sich keinerlei Psychopharmaka nachweisen lassen. Wie Prof. Dr. W. in ihrer ergänzenden Stellungnahme nochmals klargestellt hat, hätten sich unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, er habe Amitryptilin (75 mg) und Quetiapin (100 mg) zuletzt vor zwei Tagen und Sertralin (150 mg) am Morgen des Untersuchungstags eingenommen, zumindest Amitryptilin oder dessen Abbauprodukt Nortriptylin und Sertralin nachweisen lassen müssen. Zudem ist auch aus den Berichten über die stationären Behandlungen bekannt, dass es teilweise an der Compliance hinsichtlich der Medikamenteneinnahme fehlt.

Der Auffassung von Dr. E., dass sich aus der Kombination der bestehenden Erkrankungen ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen ergebe, da der Kläger die Einschränkungen der Auswirkungen der Schmerzsymptomatik und wiederkehrenden depressiven Symptome aufgrund der vorliegenden Persönlichkeitsstörung nicht überwinden könne, folgt der Senat nicht. Die von Dr. E. gesehene geringe Motivation zur Leistungserbringung mit kaum entwickeltem Durchhaltevermögen ist vor dem Hintergrund der nicht verlässlichen Angaben des Klägers mit deutlichen Zeichen der Aggravation zu sehen sowie einem deutlichen sekundären Krankheitsgewinn. Hierauf weist zutreffend Dr. E. in ihrer Stellungnahme vom 23.06.2014 hin. Auch aus dem Behandlungsbericht des ZfP C., den Dr. E. als Chefarzt unterschrieben hat, werden "dysfunktionale Verhaltensweisen" beschrieben und Diskrepanzen aufgezeigt zwischen dem Verhalten bei der Visite und "lockerer Gelöstheit im Außengelände". In diesem Bericht wird zudem nur eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.80) diagnostiziert und nicht wie noch im Gutachten eine gemischte Persönlichkeitsstörung (F61). Prof. Dr. W. misst der Persönlichkeitsstörung – ebenso wie Prof. Dr. R. – nachvollziehbar überhaupt keine Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zu. Die Persönlichkeitsstörung als neurotische Fehlentwicklung entwickelte sich bereits in der Kindheit und Jugendzeit und hat den Kläger nicht daran gehindert, auch nach seinem Unfall im Jahr 1986 längerfristig in verschiedenen Berufen tätig zu sein. Dass sich diese Persönlichkeitsstörung durch spätere Einflüsse akzentuiert und in ihren Auswirkungen derartig verstärkt hat, dass der Kläger nunmehr dadurch in seiner beruflichen Leistungseinschränkung zeitlich eingeschränkt ist, behauptet Dr. E. zwar, er begründet dies jedoch nicht schlüssig und nachvollziehbar. Der Senat verweist insoweit erneut auf die nicht hinreichende Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung im Gutachten von Dr. E ... Auch das Gutachten von Dr. P. überzeugt den Senat insoweit nicht. Auf die bereits vom SG geäußerte Kritik an diesem Gutachten (Seite 11 f des Urteils) wird ergänzend Bezug genommen.

Ob eine Opiat- oder Medikamentenabhängigkeit beim Kläger besteht, wofür nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. W. einige Anhaltspunkte sprechen, kann letztlich offenbleiben, da bei deren Vorliegen lediglich qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind wie die Vermeidung von Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung, besonderen Anforderungen an die Konzentration oder Eigen- oder Fremdgefährdung.

An Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet sind als Folgen des Motorradunfalls aus dem Jahr 1986 zu berücksichtigen ein Zn Frakturen an beiden Handgelenken mit mehrmaligen Revisionsoperationen, links mit ausgeprägter Handgelenksarthrose; rechts Zn Resektion des Os naviculare, knöcherne Konsolidierung zwischen Os hamatum und Os capitatum, deutliche Arthrose zwischen den übrigen Handgelenksknochen, ein Zn operativer Versorgung eines Oberschenkelbruchs links und eines Bruches am linken Oberarm sowie ventrolaterale Instabilität bei Zn Kreuzband-OP mit beginnenden Verschleißerscheinungen am linken Kniegelenk. Daneben besteht ein HWS-Syndrom mit beginnenden multietageren Verschleißerscheinungen und Bandscheibenschaden C6/7, Lumbalgie bei beginnendem Bandscheibenschaden und initialen pathologischen Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken im unteren Abschnitt der LWS sowie ein Zn operativer Versorgung eines lateralen Bänderrisses am linken oberen Sprunggelenk. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K. und wird bestätigt durch die im Entlassungsbericht des ZfP vom 03.10.2014 berichteten Ergebnisse einer im März 2014 durchgeführten CT-Untersuchung der HWS. Aufgrund dieser Erkrankungen bestehen qualitative Einschränkungen, wie Prof. Dr. K. schlüssig herleitet. So sind wegen der pathologischen Veränderungen der Handgelenk keine Tätigkeiten mit vermehrter Belastung der Hände zumutbar oder Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an Grob- und Feinmotorik aufgrund der Schmerzsymptomatik. Stärkere Einschränkungen der Handfunktion sind hieraus jedoch nicht abzuleiten. So beobachtete Dr. P. im Rahmen der Begutachtung, dass der Kläger seine Hände ohne wesentliche Einschränkung zum An- und Auskleiden benutzte und auch feinmotorische Aufgaben wie das Öffnen und Schließen des Reißverschlusses problemlos erledigte. Auch Prof. Dr. W. bestätigt ausdrücklich, dass während der Untersuchung keinerlei relevante Funktionsstörung der Hände erkennbar war. Aufgrund der Verschleißerscheinungen der HWS und LWS sind Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, einseitige Körperhaltung und Überkopfarbeiten nicht mehr zumutbar, insgesamt besteht eine Beschränkung auf körperlich leichte Tätigkeiten. Dass die Tätigkeiten als Stuckateur oder Verkaufsfahrer mit diesen Einschränkungen nicht mehr ausgeübt werden können, liegt auf der Hand. Leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich sind nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. K., die durch die Ergebnisse des Gutachtens von Dr. G. bestätigt werden, dem Kläger weiterhin möglich.

Die behandelnden Ärzte Dr. W., Dr. F.-E. und Dr. S. haben zwar ausgeführt, die Belastbarkeit des Klägers sei auf weniger als drei Stunden täglich herabgesetzt. Durch die vom SG und vom Senat durchgeführte Beweiserhebung – aber auch durch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten - ist die Leistungseinschätzung dieser Ärzte jedoch widerlegt. Der Beurteilung der (aktuellen) beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. Im Übrigen hat sich die gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. mit der von ihrer Beurteilung abweichenden Einschätzung der behandelnden Ärzte auseinandergesetzt und anhand der von ihr erhobenen Befunde einleuchtend begründet, weshalb sie deren Einschätzung nicht folgt.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Beim Kläger müssen zwar bestimmte Einschränkungen in Bezug auf seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gemacht werden. Die für jede Tätigkeit notwendigen Mindestvoraussetzungen an Konzentrationsvermögen, geistiger Beweglichkeit und Stressverträglichkeit werden dadurch jedoch nicht berührt. Eine erhöhte geistige Beanspruchung geht über bloße Mindestvoraussetzungen für die Ausübung leichter Tätigkeiten hinaus. Dem Ausschluss von gleichförmiger Körperhaltung, Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass dem Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten zugemutet werden. Die Beweglichkeit der Handgelenke ist zwar schmerzhaft eingeschränkt, daraus folgt jedoch keine aufgehobene Funktion der Hände, lediglich vermehrte Belastungen sind zu vermeiden. Sein Restleistungsvermögen erlaubt dem Kläger noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris) dar. Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den orthopädischen Gutachten von Dr. G. und Prof. Dr. K. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Bestätigt wird dies zudem durch die eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. R., er besuche regelmäßig einen Bekannten und mache mit diesem einen Spaziergang mit Hund von 20 Minuten Dauer, wobei wohl mindestens ein Kilometer zurückgelegt werde.

Der Kläger hat schließlich auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1967 und damit nach dem Stichtag geboren, so dass es auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit nicht ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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