Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AS 1034/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2789/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.05.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; Arbeitslosengeld [Alg] II) aufheben und die zu Unrecht gewährten Leistungen einschließlich der hierfür gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zur Erstattung fordern durfte. Nachdem das Sozialgericht Stuttgart (SG) der erstinstanzlichen Klage teilweise stattgegeben und nur der Kläger das Urteil des SG mit der Berufung angefochten hat, ist nur noch über die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 zu entscheiden; die streitgegenständliche Erstattungssumme beläuft sich noch auf 6.035,45 EUR.
Der 1970 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Am 16.01.2006 beantragte er beim Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Antragsformular gab er an, in der M.str. in D. zu wohnen. Der Beklagte bewilligte daraufhin Alg II für die Zeit vom 16.01.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von monatlich 618,55 EUR (Regelleistung: 331,00 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung [KdU]: 287,55 EUR). Am 11.04.2006 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er werde am 20.04.2006 eine Tätigkeit in C. R. in Spanien aufnehmen. Das Nettogehalt in Höhe von ca. 1.500,00 EUR werde erstmals am 15.05.2006 ausgezahlt; der Umzug nach Spanien erfolge am 20.04.2006.
Am 21.04.2006 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen. Als Anschrift gab er wiederum die M.str ... in D. an. Dem Fortzahlungsantrag fügte er ein Schreiben seines spanischen Arbeitgebers vom 20.04.2006 bei, mit dem dieser den Arbeitsvertrag wegen Nichtantritts des Klägers zum vereinbarten Termin fristlos gekündigt hatte. Mit Bewilligungsbescheid vom 25.04.2006 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von (wiederum) 618,55 EUR (Regelleistung: 331,00 EUR; KdU: 287,55 EUR). Am 25.04.2006 erfolgte zudem eine Barauszahlung an den Kläger in Höhe von 170,00 EUR. Mit Bescheid vom 13.05.2006 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 wegen der Erhöhung der Regelleistung auf 345,00 EUR ab; die Leistungen beliefen sich nunmehr auf insgesamt 632,55 EUR.
Nachdem ein an den Kläger gerichtetes Schreiben des Beklagten vom 21.08.2006 mit dem Vermerk "Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" an den Beklagten zurückgesandt worden war, teilte die Landeshauptstadt D. unter dem 24.10.2006 auf eine vom Beklagte veranlasste Einwohnermeldeamtsanfrage mit, der Kläger habe sich unter Angabe des Auszugsdatums 10.04.2006 nach C. R., Spanien abgemeldet.
Am 09.11.2006 meldete sich der Kläger beim Einwohnermeldeamt der Landeshauptstadt D. erneut unter der Adresse M.str. in D. an und vermerkte als Einzugsdatum den 06.11.2006. Am selben Tag, (09.11.2006) stellte der Kläger beim Beklagten einen Fortzahlungsantrag und beantragte Leistungen nach dem SGB II ab 01.11.2006. Mit Bescheid vom 10.11.2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2006 in Höhe von 632,55 EUR (Regelleistung: 345,00 EUR; KdU: 287,55 EUR). Mit Änderungsbescheid vom 16.11.2006 änderte der Beklagte die letztgenannte Bewilligung insoweit ab, dass der Bewilligungszeitraum erst am 6. November 2006 beginne; die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden auf EUR 291,82 monatlich erhöht.
Nachdem weitere an die vom Kläger angegebene Anschrift gerichtete Schreiben mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" an den Beklagten zurückgelangten, erließ dieser unter dem 06.02.2007 einen "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid", in dem er die Leistungsbewilligung wegen der Abmeldung nach Spanien am 10.04.2006 für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.04.2006 teilweise und für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 ganz aufhob. Der Kläger habe Leistungen in Höhe von 2.963,70 EUR (Regelleistung) und 2.707,23 EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung) sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 1.003,09 EUR zu erstatten (Gesamtbetrag: 6.674,02 EUR). Nachdem auch dieser Bescheid dem Kläger nicht erfolgreich übersandt und eine aktuelle Anschrift nicht ermittelt werden konnte, erfolgte eine Benachrichtigung durch öffentlichen Aushang.
Am 09.05.2007 sprach der Kläger zunächst wegen des Formulars E301 bei der Agentur für Arbeit vor, wurde von dort auf den Beklagten und bei diesem am 10.05.2007 intern an die Leistungsabteilung verwiesen. Dort wurde ihm am 11.05.2007 der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.02.2007 (Datum auf den 11.05.2007 geändert) persönlich übergeben, was er durch Unterschrift bestätigte. Die angeforderte Bescheinigung E301 wurde ihm am 14.05.2007 an die angegebene Adresse in Spanien geschickt. Am 05.06.2007 ging bei der Agentur für Arbeit ein Widerspruch ("Einspruch") gegen den Bescheid vom 11.05.2007 ein, der an den Beklagten weitergereicht wurde (Eingang am 07.06.2007).
Die Polizeidirektion D. teilte dem Beklagten am 10.08.2007 mit, die Wohnung des Klägers in der M.str ... in D. sei am 05.09.2006 zwangsgeöffnet und unbewohnt vorgefunden worden. Die Wohnung sei in der Folge erneut vermietet worden. Der Kläger habe sich zwar am 06.11.2006 wieder unter der bisherigen Anschrift gemeldet; er habe zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr in der M.str ... gewohnt.
Mit "Zahlungsaufforderung" vom 03.12.2009 listete die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern, Forderungseinzug Chemnitz - die im Bescheid vom 06.02.2007 genannten Beträge unter Verweis auf einen Bescheid des Beklagten vom "05.02.2007" sowie "weitere Forderungen" in Höhe von 250,00 EUR auf und forderte die Überweisung des Gesamtbetrages (Fälligkeit 17.12.2009). Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 06.01.2010, der an den Beklagten weitergeleitet worden war, verwarf dieser durch Widerspruchsbescheid vom 20.01.2010 als unzulässig. Die Zahlungsaufforderung stelle keinen Verwaltungsakt dar, so dass ein Widerspruch nicht statthaft sei. Sofern sich der Widerspruch gegen den am 11.05.2007 ausgehändigten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.02.2007 richte, sei er jedenfalls wegen Verfristung unzulässig. Die gegen diesen Widerspruchsbescheid beim SG am 18.02.2010 erhobene Klage (S 23 AS 1034/10) hat das SG mit Urteil vom 15.05.2007 abgewiesen. Die Berufung des Klägers (L 7 AS 2788/12) ist mit Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 10.09.2012 zurückgewiesen worden.
Auf den im Zuge des Klageverfahrens S 23 AS 1034/10 erteilten Hinweis der Kammervorsitzenden, über den am 05.06.2007 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 sei noch nicht entschieden worden, erließ der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 und wies den Widerspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid als unbegründet zurück.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28.12.2010 Klage erhoben (S 23 AS 8267/10). Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 niemals erhalten. Mit Urteil vom 15.05.2012 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 insoweit aufgehoben, als er Leistungen nach dem SGB II auch für den Monat April 2006 aufgehoben und Leistungen von mehr als 6.035,45 EUR zur Erstattung gefordert hat. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils hat das SG ausgeführt, der Kläger habe sich im April 2006 noch in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Jedenfalls habe er noch am 25.04.2006 170,00 EUR in bar ausgezahlt erhalten. Soweit die angegriffene Entscheidung die Zeit vom 26. bis 30.04.2006 betreffe fehle es zudem an der erforderlichen Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids, da nicht hinreichend erkennbar sei, in welcher Höhe die Entscheidung diesen Zeitraum betreffe. Im Übrigen sei die Bewilligung der Leistungen aber zu Recht aufgehoben worden. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger nur zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB II nach Deutschland gekommen sei und sich im Übrigen in Spanien aufgehalten habe. Damit hätten die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen.
Gegen dieses ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 31.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.06.2012 schriftlich beim LSG Berufung eingelegt. Er habe sich zwar in C. R./Spanien selbständig um Arbeit bemüht, er habe im Sommer 2006 aber nicht in Spanien gelebt oder gearbeitet. Zur weiteren Begründung legt der Kläger eine Bescheinigung der spanischen Sozialversicherung über Arbeitszeiten in Spanien vor. Wegen des Inhalts der vorgelegten Bescheinigung wird auf Bl. 70 bis 74 der Berufungsakte (Übersetzung; Original Bl. 54 bis 57) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.05.2012 und den Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 1. April 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet; soweit das SG die Klage abgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Gegenstand der (isolierten) Anfechtungsklage ist der anlässlich der Aushändigung an den Kläger auf den 11.05.2007 datierte Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010, mit dem der Beklagte die Zurücknahme der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II und die Pflicht zur Erstattung von in der Zeit vom 01.04.2006 bis 31.12.2006 bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der hierauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 6.674,02 EUR verfügt hat. Da nur der Kläger das Urteil des SG mit der Berufung angegriffen hat, ist dieser Bescheid nur noch insoweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, als er nicht bereits durch das SG aufgehoben worden ist.
Soweit mit dem Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 aufgehoben und vom Kläger Erstattung ausgezahlter Leistungen in Höhe von 6.035,45 EUR verlangt worden ist, erweist sich die angegriffene Entscheidung als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der für den Zeitraum vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 bewilligten Leistungen (Bewilligungsbescheide vom 25.04.2006 [geändert durch Bescheid vom 13.05.2006] und vom 10.11.2006 [geändert durch Bescheid vom 16.11.2006]) ist - insoweit stimmt der Senat nicht mit der Entscheidung des SG überein - § 40 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 45 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist eine Rücknahme ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für diesen Fall, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Bereits der Bewilligungsbescheid vom 25.04.2006, mit dem der Beklagte dem Kläger Alg II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 bewilligt hat, war von Anfang an rechtswidrig; denn der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheids seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Spanien hatte. Damit erweisen sich alle Bewilligungsbescheide für den streitgegenständlichen Zeitraum als von Anfang an rechtswidrig; Rechtsgrundlage für die Zurücknahme dieser Bescheide ist somit § 45 SGB X. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf den Bestand dieser Bewilligungsbescheide vertraut, denn er hat auch nach Überzeugung des Senats bei der Antragstellung vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht, die für die Bewilligungsentscheidungen maßgeblich gewesen sind. Die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen sind ebenfalls gewahrt.
Leistungsberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Diese Voraussetzungen lagen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor, denn der Kläger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Dies steht zur vollen Überzeugung des Senats zunächst aufgrund der vom Kläger selbst vorgenommenen Erklärungen gegenüber den zuständigen Meldebehörden fest. Ausweislich dieser Angaben, an denen der Kläger sich festhalten lassen muss, hat er seinen Wohnsitz in der M.str ... in D. bereits am 10.04.2006 aufgegeben und ist in der Folge nach Spanien verzogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - entgegen seinen Angaben gegenüber den Meldebehörden - seine Absicht, nach Spanien umzuziehen aufgegeben hätte bzw. wieder in die alte Wohnung eingezogen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ein solcher Geschehensablauf wird auch nicht durch den Umstand, dass die ursprünglich für den 20.04.2006 geplante Arbeitsaufnahme nicht zustande gekommen ist nahegelegt; denn der Kläger hat ausweislich der im Verlauf des Berufungsverfahrens vorgelegten Unterlagen der spanischen Sozialversicherung bereits am 22.05.2006 eine Beschäftigung in Spanien aufgenommen. Gegen die Annahme, der Kläger hätte seinen gewöhnlichen Aufenthalt über den 25.04.2006 hinaus noch in D. beibehalten, spricht auch, dass der Kläger für die Wohnung in der M.str ... keine Miete mehr gezahlt hat und diese bereits am 05.09.2006 zwangsgeöffnet werden musste. Dass die Wohnung dabei ausgeräumt vorgefunden wurde, legt ebenfalls nahe, dass der Kläger seinen ursprünglichen Entschluss, seinen Wohnsitz und Aufenthaltsort bereits im April 2006 nach Spanien zu verlegen, auch tatsächlich in die Tat umgesetzt hat. Dies wird auch nicht durch die Tatsache wiederlegt, dass der Kläger sowohl im April als auch im November 2006 mehrfach beim Beklagten vorgesprochen, Fortzahlungsanträge gestellt und jeweils auf seine angespannte Situation hingewiesen hat. In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass der Kläger nur zu dem Zweck nach D. gekommen ist, um dort unter Vorspiegelung einer unzutreffenden Wohnanschrift Alg II zu beantragen. Dies wird insbesondere durch den Geschehensablauf anlässlich der Antragstellung Anfang November 2006 belegt. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger als Wohnanschrift die M.str ... in D. angegeben, obwohl die Wohnung zu diesem Zeitpunkt - nach der Zwangsöffnung am 05.09.2006 - durch den Vermieter bereits wieder anderweitig vermietet worden war.
Letztlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die von ihm im Verlauf des Berufungsverfahrens vorgelegten Unterlagen der spanischen Sozialversicherung berufen. Die vorgelegte Aufstellung über Arbeitszeiten dokumentiert für den streitgegenständlichen Zeitraum zwar nur zwei kurzzeitige Beschäftigungen, sie ist damit aber nicht geeignet, einen Nachweis dafür zu führen, dass der Kläger sich während der übrigen Zeit nicht in Spanien, sondern in D. aufgehalten hätte. Die vorgelegte Bescheinigung legt angesichts der zahlreichen aufgeführten Arbeitsverhältnisse vielmehr die Vermutung nahe, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt - weit über den streitgegenständlichen Zeitraum hinaus - dauerhaft in Spanien hatte, dort Arbeit gesucht und immer wieder auch gefunden hat.
Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger nicht berufen, da er bei Stellung der Fortzahlungsanträge seinen tatsächlichen Wohnsitz in Spanien verschwiegen und eine tatsächlich unzutreffende Wohnanschrift in D. angegeben hat. Damit hat er vorsätzlich falsche Angaben gemacht (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die Beklagte hat erstmals durch die Postrückläufe ab August 2006 Kenntnis erlangt, dass der Kläger nicht in der bei Antragstellung angegebenen Wohnung in D., sondern in Spanien wohnhaft gewesen ist. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde dem Kläger am 11.05.2007, also innerhalb der - nicht vor der Anhörung hierzu beginnenden - Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 20. Juli 2000 ist damit ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X), wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Einhaltung dieser Frist angesichts vorliegender Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 der Zivilprozessordnung entbehrlich ist (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Das Vorbringen des Klägers, er habe den Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 tatsächlich nicht erhalten, wertet der Senat als reine Schutzbehauptung. Der Kläger hat die Aushändigung des Bescheids am 11.05.2007 selbst unterschriftlich bestätigt. Persönliche Vorsprachen des Klägers am 09. und 10.05.2007 sind zudem durch Aktenvermerke der zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten belegt. Aus Sicht des Senats steht damit fest, dass (auch) der Vortrag des Klägers, er habe sich in dieser Zeit im Ausland aufgehalten, nicht der Wahrheit entspricht.
Da somit die Aufhebung der Bewilligung von Alg II zu Recht erfolgt ist, hat der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 gezahlten Leistungen zu erstatten. Die Erstattungspflicht erstreckt sich - nachdem ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis nicht bestand - auch auf die vom Beklagten im Erstattungszeitraum gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Die Höhe der vom Beklagten festgesetzten Erstattungsforderung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte hat die den Kläger zu Unrecht gewährten Leistungen korrekt berechnet. Dies ergibt sich aus der in der Verwaltungsakte enthaltenen Zahlungsübersicht. Auch der Kläger hat die Berechnung des Beklagten zur Höhe nicht beanstandet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; Arbeitslosengeld [Alg] II) aufheben und die zu Unrecht gewährten Leistungen einschließlich der hierfür gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zur Erstattung fordern durfte. Nachdem das Sozialgericht Stuttgart (SG) der erstinstanzlichen Klage teilweise stattgegeben und nur der Kläger das Urteil des SG mit der Berufung angefochten hat, ist nur noch über die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 zu entscheiden; die streitgegenständliche Erstattungssumme beläuft sich noch auf 6.035,45 EUR.
Der 1970 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Am 16.01.2006 beantragte er beim Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Antragsformular gab er an, in der M.str. in D. zu wohnen. Der Beklagte bewilligte daraufhin Alg II für die Zeit vom 16.01.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von monatlich 618,55 EUR (Regelleistung: 331,00 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung [KdU]: 287,55 EUR). Am 11.04.2006 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er werde am 20.04.2006 eine Tätigkeit in C. R. in Spanien aufnehmen. Das Nettogehalt in Höhe von ca. 1.500,00 EUR werde erstmals am 15.05.2006 ausgezahlt; der Umzug nach Spanien erfolge am 20.04.2006.
Am 21.04.2006 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen. Als Anschrift gab er wiederum die M.str ... in D. an. Dem Fortzahlungsantrag fügte er ein Schreiben seines spanischen Arbeitgebers vom 20.04.2006 bei, mit dem dieser den Arbeitsvertrag wegen Nichtantritts des Klägers zum vereinbarten Termin fristlos gekündigt hatte. Mit Bewilligungsbescheid vom 25.04.2006 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von (wiederum) 618,55 EUR (Regelleistung: 331,00 EUR; KdU: 287,55 EUR). Am 25.04.2006 erfolgte zudem eine Barauszahlung an den Kläger in Höhe von 170,00 EUR. Mit Bescheid vom 13.05.2006 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 wegen der Erhöhung der Regelleistung auf 345,00 EUR ab; die Leistungen beliefen sich nunmehr auf insgesamt 632,55 EUR.
Nachdem ein an den Kläger gerichtetes Schreiben des Beklagten vom 21.08.2006 mit dem Vermerk "Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" an den Beklagten zurückgesandt worden war, teilte die Landeshauptstadt D. unter dem 24.10.2006 auf eine vom Beklagte veranlasste Einwohnermeldeamtsanfrage mit, der Kläger habe sich unter Angabe des Auszugsdatums 10.04.2006 nach C. R., Spanien abgemeldet.
Am 09.11.2006 meldete sich der Kläger beim Einwohnermeldeamt der Landeshauptstadt D. erneut unter der Adresse M.str. in D. an und vermerkte als Einzugsdatum den 06.11.2006. Am selben Tag, (09.11.2006) stellte der Kläger beim Beklagten einen Fortzahlungsantrag und beantragte Leistungen nach dem SGB II ab 01.11.2006. Mit Bescheid vom 10.11.2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2006 in Höhe von 632,55 EUR (Regelleistung: 345,00 EUR; KdU: 287,55 EUR). Mit Änderungsbescheid vom 16.11.2006 änderte der Beklagte die letztgenannte Bewilligung insoweit ab, dass der Bewilligungszeitraum erst am 6. November 2006 beginne; die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden auf EUR 291,82 monatlich erhöht.
Nachdem weitere an die vom Kläger angegebene Anschrift gerichtete Schreiben mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" an den Beklagten zurückgelangten, erließ dieser unter dem 06.02.2007 einen "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid", in dem er die Leistungsbewilligung wegen der Abmeldung nach Spanien am 10.04.2006 für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.04.2006 teilweise und für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 ganz aufhob. Der Kläger habe Leistungen in Höhe von 2.963,70 EUR (Regelleistung) und 2.707,23 EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung) sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 1.003,09 EUR zu erstatten (Gesamtbetrag: 6.674,02 EUR). Nachdem auch dieser Bescheid dem Kläger nicht erfolgreich übersandt und eine aktuelle Anschrift nicht ermittelt werden konnte, erfolgte eine Benachrichtigung durch öffentlichen Aushang.
Am 09.05.2007 sprach der Kläger zunächst wegen des Formulars E301 bei der Agentur für Arbeit vor, wurde von dort auf den Beklagten und bei diesem am 10.05.2007 intern an die Leistungsabteilung verwiesen. Dort wurde ihm am 11.05.2007 der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.02.2007 (Datum auf den 11.05.2007 geändert) persönlich übergeben, was er durch Unterschrift bestätigte. Die angeforderte Bescheinigung E301 wurde ihm am 14.05.2007 an die angegebene Adresse in Spanien geschickt. Am 05.06.2007 ging bei der Agentur für Arbeit ein Widerspruch ("Einspruch") gegen den Bescheid vom 11.05.2007 ein, der an den Beklagten weitergereicht wurde (Eingang am 07.06.2007).
Die Polizeidirektion D. teilte dem Beklagten am 10.08.2007 mit, die Wohnung des Klägers in der M.str ... in D. sei am 05.09.2006 zwangsgeöffnet und unbewohnt vorgefunden worden. Die Wohnung sei in der Folge erneut vermietet worden. Der Kläger habe sich zwar am 06.11.2006 wieder unter der bisherigen Anschrift gemeldet; er habe zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr in der M.str ... gewohnt.
Mit "Zahlungsaufforderung" vom 03.12.2009 listete die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern, Forderungseinzug Chemnitz - die im Bescheid vom 06.02.2007 genannten Beträge unter Verweis auf einen Bescheid des Beklagten vom "05.02.2007" sowie "weitere Forderungen" in Höhe von 250,00 EUR auf und forderte die Überweisung des Gesamtbetrages (Fälligkeit 17.12.2009). Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 06.01.2010, der an den Beklagten weitergeleitet worden war, verwarf dieser durch Widerspruchsbescheid vom 20.01.2010 als unzulässig. Die Zahlungsaufforderung stelle keinen Verwaltungsakt dar, so dass ein Widerspruch nicht statthaft sei. Sofern sich der Widerspruch gegen den am 11.05.2007 ausgehändigten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.02.2007 richte, sei er jedenfalls wegen Verfristung unzulässig. Die gegen diesen Widerspruchsbescheid beim SG am 18.02.2010 erhobene Klage (S 23 AS 1034/10) hat das SG mit Urteil vom 15.05.2007 abgewiesen. Die Berufung des Klägers (L 7 AS 2788/12) ist mit Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 10.09.2012 zurückgewiesen worden.
Auf den im Zuge des Klageverfahrens S 23 AS 1034/10 erteilten Hinweis der Kammervorsitzenden, über den am 05.06.2007 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 sei noch nicht entschieden worden, erließ der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 und wies den Widerspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid als unbegründet zurück.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28.12.2010 Klage erhoben (S 23 AS 8267/10). Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 niemals erhalten. Mit Urteil vom 15.05.2012 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 insoweit aufgehoben, als er Leistungen nach dem SGB II auch für den Monat April 2006 aufgehoben und Leistungen von mehr als 6.035,45 EUR zur Erstattung gefordert hat. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils hat das SG ausgeführt, der Kläger habe sich im April 2006 noch in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Jedenfalls habe er noch am 25.04.2006 170,00 EUR in bar ausgezahlt erhalten. Soweit die angegriffene Entscheidung die Zeit vom 26. bis 30.04.2006 betreffe fehle es zudem an der erforderlichen Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids, da nicht hinreichend erkennbar sei, in welcher Höhe die Entscheidung diesen Zeitraum betreffe. Im Übrigen sei die Bewilligung der Leistungen aber zu Recht aufgehoben worden. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger nur zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB II nach Deutschland gekommen sei und sich im Übrigen in Spanien aufgehalten habe. Damit hätten die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen.
Gegen dieses ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 31.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.06.2012 schriftlich beim LSG Berufung eingelegt. Er habe sich zwar in C. R./Spanien selbständig um Arbeit bemüht, er habe im Sommer 2006 aber nicht in Spanien gelebt oder gearbeitet. Zur weiteren Begründung legt der Kläger eine Bescheinigung der spanischen Sozialversicherung über Arbeitszeiten in Spanien vor. Wegen des Inhalts der vorgelegten Bescheinigung wird auf Bl. 70 bis 74 der Berufungsakte (Übersetzung; Original Bl. 54 bis 57) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.05.2012 und den Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 1. April 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet; soweit das SG die Klage abgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Gegenstand der (isolierten) Anfechtungsklage ist der anlässlich der Aushändigung an den Kläger auf den 11.05.2007 datierte Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010, mit dem der Beklagte die Zurücknahme der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II und die Pflicht zur Erstattung von in der Zeit vom 01.04.2006 bis 31.12.2006 bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der hierauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 6.674,02 EUR verfügt hat. Da nur der Kläger das Urteil des SG mit der Berufung angegriffen hat, ist dieser Bescheid nur noch insoweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, als er nicht bereits durch das SG aufgehoben worden ist.
Soweit mit dem Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 aufgehoben und vom Kläger Erstattung ausgezahlter Leistungen in Höhe von 6.035,45 EUR verlangt worden ist, erweist sich die angegriffene Entscheidung als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der für den Zeitraum vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 bewilligten Leistungen (Bewilligungsbescheide vom 25.04.2006 [geändert durch Bescheid vom 13.05.2006] und vom 10.11.2006 [geändert durch Bescheid vom 16.11.2006]) ist - insoweit stimmt der Senat nicht mit der Entscheidung des SG überein - § 40 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 45 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist eine Rücknahme ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für diesen Fall, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Bereits der Bewilligungsbescheid vom 25.04.2006, mit dem der Beklagte dem Kläger Alg II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 bewilligt hat, war von Anfang an rechtswidrig; denn der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheids seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Spanien hatte. Damit erweisen sich alle Bewilligungsbescheide für den streitgegenständlichen Zeitraum als von Anfang an rechtswidrig; Rechtsgrundlage für die Zurücknahme dieser Bescheide ist somit § 45 SGB X. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf den Bestand dieser Bewilligungsbescheide vertraut, denn er hat auch nach Überzeugung des Senats bei der Antragstellung vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht, die für die Bewilligungsentscheidungen maßgeblich gewesen sind. Die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen sind ebenfalls gewahrt.
Leistungsberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Diese Voraussetzungen lagen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor, denn der Kläger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Dies steht zur vollen Überzeugung des Senats zunächst aufgrund der vom Kläger selbst vorgenommenen Erklärungen gegenüber den zuständigen Meldebehörden fest. Ausweislich dieser Angaben, an denen der Kläger sich festhalten lassen muss, hat er seinen Wohnsitz in der M.str ... in D. bereits am 10.04.2006 aufgegeben und ist in der Folge nach Spanien verzogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - entgegen seinen Angaben gegenüber den Meldebehörden - seine Absicht, nach Spanien umzuziehen aufgegeben hätte bzw. wieder in die alte Wohnung eingezogen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ein solcher Geschehensablauf wird auch nicht durch den Umstand, dass die ursprünglich für den 20.04.2006 geplante Arbeitsaufnahme nicht zustande gekommen ist nahegelegt; denn der Kläger hat ausweislich der im Verlauf des Berufungsverfahrens vorgelegten Unterlagen der spanischen Sozialversicherung bereits am 22.05.2006 eine Beschäftigung in Spanien aufgenommen. Gegen die Annahme, der Kläger hätte seinen gewöhnlichen Aufenthalt über den 25.04.2006 hinaus noch in D. beibehalten, spricht auch, dass der Kläger für die Wohnung in der M.str ... keine Miete mehr gezahlt hat und diese bereits am 05.09.2006 zwangsgeöffnet werden musste. Dass die Wohnung dabei ausgeräumt vorgefunden wurde, legt ebenfalls nahe, dass der Kläger seinen ursprünglichen Entschluss, seinen Wohnsitz und Aufenthaltsort bereits im April 2006 nach Spanien zu verlegen, auch tatsächlich in die Tat umgesetzt hat. Dies wird auch nicht durch die Tatsache wiederlegt, dass der Kläger sowohl im April als auch im November 2006 mehrfach beim Beklagten vorgesprochen, Fortzahlungsanträge gestellt und jeweils auf seine angespannte Situation hingewiesen hat. In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass der Kläger nur zu dem Zweck nach D. gekommen ist, um dort unter Vorspiegelung einer unzutreffenden Wohnanschrift Alg II zu beantragen. Dies wird insbesondere durch den Geschehensablauf anlässlich der Antragstellung Anfang November 2006 belegt. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger als Wohnanschrift die M.str ... in D. angegeben, obwohl die Wohnung zu diesem Zeitpunkt - nach der Zwangsöffnung am 05.09.2006 - durch den Vermieter bereits wieder anderweitig vermietet worden war.
Letztlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die von ihm im Verlauf des Berufungsverfahrens vorgelegten Unterlagen der spanischen Sozialversicherung berufen. Die vorgelegte Aufstellung über Arbeitszeiten dokumentiert für den streitgegenständlichen Zeitraum zwar nur zwei kurzzeitige Beschäftigungen, sie ist damit aber nicht geeignet, einen Nachweis dafür zu führen, dass der Kläger sich während der übrigen Zeit nicht in Spanien, sondern in D. aufgehalten hätte. Die vorgelegte Bescheinigung legt angesichts der zahlreichen aufgeführten Arbeitsverhältnisse vielmehr die Vermutung nahe, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt - weit über den streitgegenständlichen Zeitraum hinaus - dauerhaft in Spanien hatte, dort Arbeit gesucht und immer wieder auch gefunden hat.
Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger nicht berufen, da er bei Stellung der Fortzahlungsanträge seinen tatsächlichen Wohnsitz in Spanien verschwiegen und eine tatsächlich unzutreffende Wohnanschrift in D. angegeben hat. Damit hat er vorsätzlich falsche Angaben gemacht (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die Beklagte hat erstmals durch die Postrückläufe ab August 2006 Kenntnis erlangt, dass der Kläger nicht in der bei Antragstellung angegebenen Wohnung in D., sondern in Spanien wohnhaft gewesen ist. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde dem Kläger am 11.05.2007, also innerhalb der - nicht vor der Anhörung hierzu beginnenden - Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 20. Juli 2000 ist damit ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X), wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Einhaltung dieser Frist angesichts vorliegender Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 der Zivilprozessordnung entbehrlich ist (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Das Vorbringen des Klägers, er habe den Bescheid vom 06.02.2007/11.05.2007 tatsächlich nicht erhalten, wertet der Senat als reine Schutzbehauptung. Der Kläger hat die Aushändigung des Bescheids am 11.05.2007 selbst unterschriftlich bestätigt. Persönliche Vorsprachen des Klägers am 09. und 10.05.2007 sind zudem durch Aktenvermerke der zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten belegt. Aus Sicht des Senats steht damit fest, dass (auch) der Vortrag des Klägers, er habe sich in dieser Zeit im Ausland aufgehalten, nicht der Wahrheit entspricht.
Da somit die Aufhebung der Bewilligung von Alg II zu Recht erfolgt ist, hat der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.12.2006 gezahlten Leistungen zu erstatten. Die Erstattungspflicht erstreckt sich - nachdem ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis nicht bestand - auch auf die vom Beklagten im Erstattungszeitraum gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Die Höhe der vom Beklagten festgesetzten Erstattungsforderung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte hat die den Kläger zu Unrecht gewährten Leistungen korrekt berechnet. Dies ergibt sich aus der in der Verwaltungsakte enthaltenen Zahlungsübersicht. Auch der Kläger hat die Berechnung des Beklagten zur Höhe nicht beanstandet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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