Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 3688/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1323/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Promotionsstudenten, die nach Abschluss ihres Fachstudiums nur noch eingeschrieben sind um zu promovieren, gehören nicht mehr zu den versicherungspflichtigen Studenten (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.1993 - 12 RK 45/92).
2. Ein Promotionsstipendium ist bei der Beitragsbemessung für freiwillig Krankenversicherte zu berücksichtigen.
2. Ein Promotionsstipendium ist bei der Beitragsbemessung für freiwillig Krankenversicherte zu berücksichtigen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung eines Promotionsstipendiums sowie von Einkünften der Klägerin aus einer Tätigkeit als Übungsleiterin zur Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011.
Die 1985 geborene Klägerin beantragte am 18. Mai 2010 bei der Beklagten zu 1. die Mit-gliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung und in der sPV ab 1. Juni 2010 wegen Beendigung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bei der J. Dann erhalte sie ein Promotionsstipendium in Höhe von 1.400 EUR monatlich. Zudem übe sie eine Tätigkeit als Übungsleiterin im Umfang von 2,5 Stunden wöchentlich aus und erziele hieraus einen Gewinn von ca. 120 EUR monatlich. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 hatte sie aus selbstständiger Tätigkeit ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 1.894 EUR erzielt. Laut Förderzusage der vom 3. Juni 2010 verpflichtete sich die Klägerin, sich als Doktorandin mit voller Arbeitskraft auf das Promotionsvorhaben zu konzentrieren.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2010 setzte die Beklagte zu 1. - zugleich für die Beklagte zu 2. - die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 1. Juni 2010 unter Berücksichtigung monatlicher Einkünfte in Höhe von 1.560,83 EUR (Beiträge monatlich: 223,20 EUR bzw. 34,34 EUR) fest.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre Einkünfte aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiterin könnten der Beitragsbemessung nicht zu Grunde gelegt werden. Auch das Stipendium sei nicht zu berücksichtigen. Die Beiträge richteten sich zumindest über eine analoge Anwendung nach § 236 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2010 wies die Beklagte zu 1. den Widerspruch auch im Namen der Beklagten zu 2. zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin die Neufestsetzung des Krankenversicherungsbeitrages begehrt. Sie sei Promotionsstudentin an der J. ohne in einem abhängigen Beschäftigungs-verhältnis zu stehen. Als Übungsleiterin erhalte sie vom J. e.V. eine Aufwandsentschädigung. Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2011 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Es hat den Antrag der Klägerin dahingehend ausgelegt, dass diese sowohl die festgesetzten Beiträge zur GKV als auch zur sPV beanstandet.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, die Beklagte zu 1. habe den ihr nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V eingeräumten Ermessensspielraum nicht genutzt. Wenn der Gesetzgeber mit § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V tatsächlich beabsichtigt hätte, andere Einkünfte als die der Einkunftsart "Arbeitseinkommen" in die Beitragsbemessung einzubeziehen, dann hätte er dies ausdrücklich klarstellen und nicht der Beliebigkeit der Richtlinien eines Spitzenverbandes der Krankenkassen überlassen dürfen. Einkünfte aus Übungsleitertätigkeit seien damit nicht in die Beitragsbemessung einzubeziehen, denn es handele sich weder um Arbeitseinkommen noch Arbeitsentgelt, wie sich ohne weiteres aus § 226 SGB V i.V.m. § 14 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) i.V.m. § 3 Nr. 26 bzw. Nr. 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebe. Nichts anderes gelte für Stipendien. Sie sei als Studentin i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 EStG mit der Folge anzusehen, dass § 245 SGB V Anwendung finde. Zudem sei die Schlechterstellung gegenüber einer Promotionsstudentin mit Haushaltsstelle nicht zu rechtfertigen. Den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Dezember 2013 (Az.: B 12 KR 3/12 und B 12 KR 8/12) lägen andere Sachverhalte zu Grunde. Auch lasse der Inhalt der Förderzusage vermuten, dass das Stipendium nicht der Förderung ihres Lebensunterhaltes diene.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Juni 2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2010 dahingehend abzuändern, dass sie ab dem 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 64,66 EUR monatlich zu zahlen hat.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten zu 1. vom 8. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie war berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Promotionsstipendium sowie die Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit der Beitragsbemessung in der GKV und im Namen der Beklagten zu 2. in der sPV zu Grunde zu legen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Das Mitglied ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht. Die Einnahmen aus dem Promotionsstipendium und der Übungsleitertätigkeit gehören zu den Einnahmen, aus denen nach § 240 SGB V i.V.m. § 3 Abs. 1 der - grundsätzlich wirksamen - "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz)) Beiträge freiwilliger Mitglieder der GKV erhoben werden dürfen, ohne dass es hierfür einer speziellen Regelung bedurfte oder die Verwendung einer Generalklausel in § 3 BeitrVerfGrsSz gegen höherrangiges Recht verstieße. Für die sPV gelten nach § 57 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) die gleichen Maßstäbe.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum bei der Beklagten zu 1 freiwillig krankenversichert. Eine Pflichtversicherung nach § 5 Nr. 9 SGB V bestand nicht. Doktoranden oder sogenannte Promotionsstudenten, die nach Abschluss ihres Fachstudiums nur noch eingeschrieben sind um zu promovieren, gehören nicht mehr zu den versicherungspflichtigen Studenten (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - Az.: 12 RK 45/92, nach juris). Die §§ 236, 245 SGB V sind daher ebenfalls nicht einschlägig. Die Klägerin erfüllt auch offensichtlich nicht die Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 Satz 7 SGB V, wonach § 236 SGB V i.V.m. § 245 SGB V entsprechend gilt. Eine analoge Anwendung dieser Regelungen kommt mangels Lücke nicht in Betracht, weil eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach § 240 SGB V in Verbindung mit den BeitrVerfGrsSz, die der Spitzenverband der Krankenkassen zur Erfüllung seines Regelungsauftrags aus § 240 SGB V (in der hier maßgebenden Fassung vom 17. Juli 2009) erlassen hat. Dabei ist sicherzustellen, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt wird (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 240 Abs. 2 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (Satz 1). Die BeitrVerfGrsSz vom 27. Oktober 2008, gültig seit 1. Januar 2009, sind als untergesetzliche Normen grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - Az.: B 12 KR 20/11 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zu Grunde zu legen.
Durch die Bezugnahme auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sollte erreicht werden, dass der Beitragspflicht "alle Einnahmen und Geldmittel" zu Grunde gelegt werden, "die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte", dies "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung". Die Beitragspflicht entsteht nach der Rechtsprechung des BSG unabhängig davon, ob die Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind und ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird oder nicht. Nur zwei Gruppen von Einnahmen sind von der Beitragspflicht ausgenommen und zwar (Sozial-) Leistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern ihm ungekürzt erhalten bleiben sollen und Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden. Letztere gelten in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann die Klägerin nicht verlangen, dass ihr Promotionsstipendium bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt bleibt, denn es steht ihr zum Verbrauch für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung und bestimmt daher wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit i.S.d. § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Eine Zweckbestimmung - unabhängig davon, ob eine solche überhaupt zu berücksichtigen wäre - dahingehend, dass es nicht dem Lebensunterhalt der Klägerin, sondern anderen Zwecken dienen soll, ist der Förderzusage nicht zu entnehmen. In den Bewilligungsbestimmungen wird im Gegenteil darauf hingewiesen, dass eine Erwerbstätigkeit während des Stipendiums nur unter bestimmten Bedingungen und auch insgesamt nur in einem Umfang von 40 Stunden pro Monat gestattet ist. Dies spricht deutlich gegen die Ansicht der Klägerin.
Für die Berücksichtigung des Promotionsstipendiums bei der Beitragsbemessung bedurfte es über die in § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz enthaltende Generalklausel hinaus keiner speziellen Regelung. Diese war hinreichend bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, a.a.O.).
Auch die Einnahmen der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Übungsleiterin sind Einnahmen i.s.d. § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz und bestimmen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB V. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 13. Oktober 2009 handelt es sich um Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Unabhängig davon handelt es sich auch um Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden können. Soweit die Klägerin vorträgt, es handele sich um eine Aufwandsentschädigung, widerspricht dies ihrem Einkommenssteuerbescheid und ist durch nichts belegt.
Beitragsrechtlich bestehen auch Unterschiede zwischen einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit und einer geringfügigen abhängigen Beschäftigung. Bei Letzterer trägt der Arbeitgeber nach § 249b SGB V einen Pauschalbeitrag. Es werden also Beiträge entrichtet, wenn auch nicht von dem Versicherten selbst. Bei einer freiwilligen Versicherung gilt als beitragspflichtige Einnahme nach § 240 Abs. 4 SGB V mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Nach § 250 Abs. 2 SGB V tragen freiwillige Mitglieder den Beitrag allein. Eine entgeltgeringfügige selbstständige Tätigkeit führt also nicht zu einem dementsprechenden niedrigeren Beitrag. Dass bei den freiwillig Versicherten der beitragsmäßigen Leistungsfähigkeit nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht nur Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sondern daneben auch andere Einnahmen, wie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, oder wie hier aus einem Promotionsstipendium berücksichtigt werden, entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen. Dies ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 79, 223).
Für die sPV gelten die gleichen Grundsätze. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist bei freiwilligen Mitgliedern der GKV - wie der Klägerin - für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden, was auch dessen Konkretisierung durch die BeitrVerfGrsSz umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, a.a.O.). Die Beklagte zu 1. war im Namen der Beklagten zu 2. nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Grundstipendium der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Insofern gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. § 241 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 regelt Einzelheiten zur Festsetzung des Beitragssatzes. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Beklagte zu 1. den Beitragssatz zur Krankenversicherung ab dem 1. Juni 2010 in Höhe von 14,3 v.H. und im Namen der Beklagten zu 2. zur Pflegeversicherung in Höhe von 2,2 v.H. der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung eines Promotionsstipendiums sowie von Einkünften der Klägerin aus einer Tätigkeit als Übungsleiterin zur Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011.
Die 1985 geborene Klägerin beantragte am 18. Mai 2010 bei der Beklagten zu 1. die Mit-gliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung und in der sPV ab 1. Juni 2010 wegen Beendigung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bei der J. Dann erhalte sie ein Promotionsstipendium in Höhe von 1.400 EUR monatlich. Zudem übe sie eine Tätigkeit als Übungsleiterin im Umfang von 2,5 Stunden wöchentlich aus und erziele hieraus einen Gewinn von ca. 120 EUR monatlich. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 hatte sie aus selbstständiger Tätigkeit ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 1.894 EUR erzielt. Laut Förderzusage der vom 3. Juni 2010 verpflichtete sich die Klägerin, sich als Doktorandin mit voller Arbeitskraft auf das Promotionsvorhaben zu konzentrieren.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2010 setzte die Beklagte zu 1. - zugleich für die Beklagte zu 2. - die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 1. Juni 2010 unter Berücksichtigung monatlicher Einkünfte in Höhe von 1.560,83 EUR (Beiträge monatlich: 223,20 EUR bzw. 34,34 EUR) fest.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre Einkünfte aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiterin könnten der Beitragsbemessung nicht zu Grunde gelegt werden. Auch das Stipendium sei nicht zu berücksichtigen. Die Beiträge richteten sich zumindest über eine analoge Anwendung nach § 236 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2010 wies die Beklagte zu 1. den Widerspruch auch im Namen der Beklagten zu 2. zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin die Neufestsetzung des Krankenversicherungsbeitrages begehrt. Sie sei Promotionsstudentin an der J. ohne in einem abhängigen Beschäftigungs-verhältnis zu stehen. Als Übungsleiterin erhalte sie vom J. e.V. eine Aufwandsentschädigung. Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2011 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Es hat den Antrag der Klägerin dahingehend ausgelegt, dass diese sowohl die festgesetzten Beiträge zur GKV als auch zur sPV beanstandet.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, die Beklagte zu 1. habe den ihr nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V eingeräumten Ermessensspielraum nicht genutzt. Wenn der Gesetzgeber mit § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V tatsächlich beabsichtigt hätte, andere Einkünfte als die der Einkunftsart "Arbeitseinkommen" in die Beitragsbemessung einzubeziehen, dann hätte er dies ausdrücklich klarstellen und nicht der Beliebigkeit der Richtlinien eines Spitzenverbandes der Krankenkassen überlassen dürfen. Einkünfte aus Übungsleitertätigkeit seien damit nicht in die Beitragsbemessung einzubeziehen, denn es handele sich weder um Arbeitseinkommen noch Arbeitsentgelt, wie sich ohne weiteres aus § 226 SGB V i.V.m. § 14 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) i.V.m. § 3 Nr. 26 bzw. Nr. 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebe. Nichts anderes gelte für Stipendien. Sie sei als Studentin i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 EStG mit der Folge anzusehen, dass § 245 SGB V Anwendung finde. Zudem sei die Schlechterstellung gegenüber einer Promotionsstudentin mit Haushaltsstelle nicht zu rechtfertigen. Den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Dezember 2013 (Az.: B 12 KR 3/12 und B 12 KR 8/12) lägen andere Sachverhalte zu Grunde. Auch lasse der Inhalt der Förderzusage vermuten, dass das Stipendium nicht der Förderung ihres Lebensunterhaltes diene.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Juni 2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2010 dahingehend abzuändern, dass sie ab dem 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 64,66 EUR monatlich zu zahlen hat.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten zu 1. vom 8. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie war berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Promotionsstipendium sowie die Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit der Beitragsbemessung in der GKV und im Namen der Beklagten zu 2. in der sPV zu Grunde zu legen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Das Mitglied ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht. Die Einnahmen aus dem Promotionsstipendium und der Übungsleitertätigkeit gehören zu den Einnahmen, aus denen nach § 240 SGB V i.V.m. § 3 Abs. 1 der - grundsätzlich wirksamen - "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz)) Beiträge freiwilliger Mitglieder der GKV erhoben werden dürfen, ohne dass es hierfür einer speziellen Regelung bedurfte oder die Verwendung einer Generalklausel in § 3 BeitrVerfGrsSz gegen höherrangiges Recht verstieße. Für die sPV gelten nach § 57 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) die gleichen Maßstäbe.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum bei der Beklagten zu 1 freiwillig krankenversichert. Eine Pflichtversicherung nach § 5 Nr. 9 SGB V bestand nicht. Doktoranden oder sogenannte Promotionsstudenten, die nach Abschluss ihres Fachstudiums nur noch eingeschrieben sind um zu promovieren, gehören nicht mehr zu den versicherungspflichtigen Studenten (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - Az.: 12 RK 45/92, nach juris). Die §§ 236, 245 SGB V sind daher ebenfalls nicht einschlägig. Die Klägerin erfüllt auch offensichtlich nicht die Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 Satz 7 SGB V, wonach § 236 SGB V i.V.m. § 245 SGB V entsprechend gilt. Eine analoge Anwendung dieser Regelungen kommt mangels Lücke nicht in Betracht, weil eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach § 240 SGB V in Verbindung mit den BeitrVerfGrsSz, die der Spitzenverband der Krankenkassen zur Erfüllung seines Regelungsauftrags aus § 240 SGB V (in der hier maßgebenden Fassung vom 17. Juli 2009) erlassen hat. Dabei ist sicherzustellen, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt wird (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 240 Abs. 2 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (Satz 1). Die BeitrVerfGrsSz vom 27. Oktober 2008, gültig seit 1. Januar 2009, sind als untergesetzliche Normen grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - Az.: B 12 KR 20/11 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zu Grunde zu legen.
Durch die Bezugnahme auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sollte erreicht werden, dass der Beitragspflicht "alle Einnahmen und Geldmittel" zu Grunde gelegt werden, "die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte", dies "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung". Die Beitragspflicht entsteht nach der Rechtsprechung des BSG unabhängig davon, ob die Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind und ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird oder nicht. Nur zwei Gruppen von Einnahmen sind von der Beitragspflicht ausgenommen und zwar (Sozial-) Leistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern ihm ungekürzt erhalten bleiben sollen und Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden. Letztere gelten in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann die Klägerin nicht verlangen, dass ihr Promotionsstipendium bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt bleibt, denn es steht ihr zum Verbrauch für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung und bestimmt daher wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit i.S.d. § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Eine Zweckbestimmung - unabhängig davon, ob eine solche überhaupt zu berücksichtigen wäre - dahingehend, dass es nicht dem Lebensunterhalt der Klägerin, sondern anderen Zwecken dienen soll, ist der Förderzusage nicht zu entnehmen. In den Bewilligungsbestimmungen wird im Gegenteil darauf hingewiesen, dass eine Erwerbstätigkeit während des Stipendiums nur unter bestimmten Bedingungen und auch insgesamt nur in einem Umfang von 40 Stunden pro Monat gestattet ist. Dies spricht deutlich gegen die Ansicht der Klägerin.
Für die Berücksichtigung des Promotionsstipendiums bei der Beitragsbemessung bedurfte es über die in § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz enthaltende Generalklausel hinaus keiner speziellen Regelung. Diese war hinreichend bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, a.a.O.).
Auch die Einnahmen der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Übungsleiterin sind Einnahmen i.s.d. § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz und bestimmen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB V. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 13. Oktober 2009 handelt es sich um Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Unabhängig davon handelt es sich auch um Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden können. Soweit die Klägerin vorträgt, es handele sich um eine Aufwandsentschädigung, widerspricht dies ihrem Einkommenssteuerbescheid und ist durch nichts belegt.
Beitragsrechtlich bestehen auch Unterschiede zwischen einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit und einer geringfügigen abhängigen Beschäftigung. Bei Letzterer trägt der Arbeitgeber nach § 249b SGB V einen Pauschalbeitrag. Es werden also Beiträge entrichtet, wenn auch nicht von dem Versicherten selbst. Bei einer freiwilligen Versicherung gilt als beitragspflichtige Einnahme nach § 240 Abs. 4 SGB V mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Nach § 250 Abs. 2 SGB V tragen freiwillige Mitglieder den Beitrag allein. Eine entgeltgeringfügige selbstständige Tätigkeit führt also nicht zu einem dementsprechenden niedrigeren Beitrag. Dass bei den freiwillig Versicherten der beitragsmäßigen Leistungsfähigkeit nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht nur Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sondern daneben auch andere Einnahmen, wie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, oder wie hier aus einem Promotionsstipendium berücksichtigt werden, entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen. Dies ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 79, 223).
Für die sPV gelten die gleichen Grundsätze. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist bei freiwilligen Mitgliedern der GKV - wie der Klägerin - für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden, was auch dessen Konkretisierung durch die BeitrVerfGrsSz umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, a.a.O.). Die Beklagte zu 1. war im Namen der Beklagten zu 2. nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Grundstipendium der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Insofern gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. § 241 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 regelt Einzelheiten zur Festsetzung des Beitragssatzes. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Beklagte zu 1. den Beitragssatz zur Krankenversicherung ab dem 1. Juni 2010 in Höhe von 14,3 v.H. und im Namen der Beklagten zu 2. zur Pflegeversicherung in Höhe von 2,2 v.H. der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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