L 8 U 1162/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 3846/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1162/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.02.2012 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zuständigkeit für den Unfall des 1944 geborenen p. Staatsangehörigen K. R. (im Folgenden: R.) vom 03.11.2007 sowie die Erstattung von in dieser Unfallsache erbrachten Leistungen streitig.

R. erlitt am 03.11.2007 durch herabstürzende Gerüstteile Frakturen der Halswirbel 1-7 mit der Folge einer inkompletten Querschnittslähmung, während er im Rahmen von Dämmarbeiten an der Fassade des Wohnhauses des Bauherrn V. T. (im Folgenden: T.) in der H. Straße in M. dem T. Wärmedämmplatten reichte.

In der Unfallanzeige vom 12.11.2007 ist ausgeführt, R. habe vor dem Unfall circa eine Stunde Handreichungen geleistet, indem er dem auf dem Gerüst stehenden T. meist Styroporplattenteile nach oben gereicht habe. Die Tätigkeiten habe R. gefälligkeitshalber im Wege der Nachbarschaftshilfe ohne Bezahlung erbracht (Bl. 15 der Verwaltungsakte der Klägerin Band I für das Jahr 2007).

Anlässlich eines Krankenhausbesuches durch eine Außendienstmitarbeiterin der Klägerin am 14.11.2007 gab R. an, er habe T. bei der Wohnungssuche durch Bekannte kennengelernt. T. besitze und vermittle Mietwohnungen, weshalb er Kontakt zu T. aufgenommen und vorübergehend einige Tage in einer seiner Wohnungen gewohnt habe. Die Hilfe am Bauvorhaben sei auf Bitte des T. erfolgt (Bl. 23 der Verwaltungsakte der Klägerin Band I für das Jahr 2007).

In einem Fragebogen "Eigenbau-Ermittlungen" der Klägerin gab T. unter dem 16.11.2007 als Baumaßnahme für die Zeit vom 01.11.2007 bis 16.11.2007 die Renovierung der Gebäudeaußenseite als Bauvorhaben an. Der Gerüstbau und der Beginn der Dämmung seien in Eigenbau vorgenommen worden. Für die Eigenbauarbeiten seien circa zehn Stunden insgesamt und unbedingt erforderlich. Durch Helfer seien vier Stunden für den Gerüstbau und die Dämmung geleistet worden, davon drei Stunden durch den Cousin des T. und eine Stunde durch R ... Die Renovierungsarbeiten seien ursprünglich in Eigenleistung geplant gewesen. Nach dem Unfall habe er die Renovierungsarbeiten an die Firma L. aus M. vergeben (Bl. 19 der Ermittlungsakte der Klägerin).

Im Unfalluntersuchungsbericht des Präventionsdienstes der Klägerin vom 23.11.2007 ist angegeben, dass T. den R. am Abend vor dem Unfallgeschehen in dem von T. gegenüber der Baustelle betriebenen Kebaphaus kennengelernt habe. R. habe dem T. im Gespräch für den nächsten Tag seine Hilfe bei der Durchführung der Dämmarbeiten angeboten (Bl. 37 der Verwaltungsakte der Klägerin Band I für das Jahr 2007).

In einem weiteren Fragebogen der Klägerin "Eigenbau-Ermittlungen" ist unter dem 06.01.2009 ausgeführt, dass für die Eigenbauarbeiten Gerüstbau und Beginn der Dämmung circa 22 Stunden insgesamt unbedingt erforderlich seien. Nach dem Unfallgeschehen seien keine Helfer mehr tätig geworden. Die Bauarbeiten seien durch die Firma L. mit Hilfeleistung durch den Bauherrn von circa 18 Stunden ausgeführt worden. R. habe dem Bauherrn circa 45 Minuten lang Material zugereicht. Es sei ohne den Unfall eine Mithilfe von ein bis zwei Stunden geplant gewesen. Bei R. handele es sich um einen weitläufigen Bekannten des Bruders des Bauherrn. R. habe am Tag vor dem Unfallgeschehen im Kebaphaus des T. gegessen und dabei seine Hilfe für den nächsten Tag angeboten (Bl. 63/66 der Ermittlungsakte der Klägerin).

T. legte eine Rechnung der Firma G. & Verputzgeschäft-Trockenausbau L. über 15 Facharbeiterstunden für Putz- und Malerarbeiten an seinem Anwesen über einen Gesamtbetrag von 636,65 EUR datierend auf den 20.12.2007 sowie eine Rechnung des R. R. Bauzentrums vom 27.10.2007 über 180 Stück Styroporplatten vor (Bl. 67 und 68 der Ermittlungsakte der Klägerin).

Gegenüber der Polizeiinspektion I. gab T. an, R. habe am Vorabend des Unfalls im Imbiss des T. nach Arbeit gefragt. Eine Hilfe bei den Arbeiten sei vereinbart, es sei jedoch nicht über eine Entlohnung gesprochen worden (Ermittlungsberichte vom 05.11.2007 und vom 10.12.2007, Bl. 65 und 93 der Verwaltungsakte der Klägerin Band II für das Jahr 2008).

Gegenüber einem Mitarbeiter der Beklagten gab R. am 21.01.2008 anlässlich eines Besuches in der BG-Klinik an, er habe T. kennengelernt, als er auf dessen Vermietungsanzeige eine Wohnung vom ihm in N. angemietet habe. Er habe mit T. vereinbart, dass er für seine Mithilfe weiterhin keine Miete für die Wohnung zahlen müsse. Seine Hilfe sei bis zur Beendigung der Arbeiten geplant gewesen (Bl. 37 der Verwaltungsakte der Beklagten Band I).

Der Rechtsanwalt des T. teilte der Beklagten am 10.03.2008 mit, der Bruder des T. habe dem T. berichtet, dass R., welcher zuvor einige Tage im Haus des Bruders des T. in N. gewohnt habe, eine leichte Tätigkeit suche. T. habe R. erst am Tag vor dem Unfall kennengelernt. R. habe dem T. die Hilfe als Dank für die Gastfreundschaft angeboten und dem T. auf dessen Anweisung Styroporplatten angereicht. Der Unfall sei eine Stunde nach Arbeitsbeginn des R. passiert (Bl. 62 der Verwaltungsakte der Beklagten Band I).

Auf einen von der Beklagten vorgelegten Fragekatalog ließ R. über seinen Rechtsanwalt unter dem 23.04.2008 mitteilen, er sei Mieter des T. gewesen und habe ab etwa einem Monat vor dem Unfall diverse Renovierungsarbeiten für den T. an dessen Immobilien verrichtet. Die Arbeiten an dem Haus in der H. Straße in M. hätten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dauern sollen. Es sei vorgesehen gewesen, dass er noch weitere Renovierungsarbeiten in unbekanntem Umfang für den T. ausführen werde (Bl. 70 der Beklagtenakte Band I).

Am 13.06.2008 ließ T. über seinen Rechtsanwalt mitteilen, die Firma L. habe in Nachbarschaftshilfe 20 Stunden (2,5 Tage zu 8 Stunden) gearbeitet, er selbst 16 Stunden und R. nur eine Stunde. Mit weiterem Schreiben vom 29.10.2008 teilte der Rechtsanwalt des T. mit, das Baugerüst sei drei Tage vor dem Unfall ohne Mithilfe des R. aufgebaut worden. Das Anwesen in N. gehöre dem Bruder des T. Der Anwalt des R. habe die Brüder T. verwechselt und unzutreffende Ausführungen gemacht (Bl. 88 und 117 der Verwaltungsakte der Beklagten Band I).

Die Klägerin erbrachte dem R. auf Grund des Ereignisses vom 03.11.2007 als erstangegangener Träger vorläufig Leistungen (Heilbehandlung, Entschädigung für Kleider- und Wäscheverschleiß, Hilfsmittel, Wohnungshilfe, Pflegeleistungen und Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % ab dem 04.11.2007). Sie machte mit Schreiben vom 13.12.2007 an die Beklagte deren Zuständigkeit nach § 129 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII geltend, weil für die Bauarbeit insgesamt vier Helferstunden angefallen seien. Zudem meldete die Klägerin vorsorglich einen Erstattungsanspruch gemäß § 105 SGB X an (Bl. 39 der Ermittlungsakte der Klägerin).

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 31.10.2008 an die Klägerin ihre Zuständigkeit zurück, da die Baumaßnahme ausschließlich im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ohne Beteiligung gewerbsmäßiger Unternehmer durchgeführt worden sei. Die von der Präventionsabteilung der Beklagten vorgenommene Berechnung für die durchzuführenden Arbeiten habe eine Arbeitszeit pro Quadratmeter Fassadenfläche von circa 72 Minuten ergeben. Ausgehend von den bei der Firma R. bestellten Styroporplatten von circa 100 m² und den gefertigten Bilder des Wohnanwesens liege selbst unter Nichtberücksichtigung der vom Bauherrn geleisteten Stunden eine lange Bauarbeit vor (Bl. 50 der Ermittlungsakte der Klägerin).

Die Klägerin erhob am 03.09.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug sie vor, der Unfall vom 03.11.2007 habe sich im Rahmen von nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten ereignet, da die tatsächlich geleisteten Helferstunden ohne Arbeitsleistung des Bauherrn selbst oder von gewerblichen Firmen die im Bauhauptgewerbe geltende tarifliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nicht erreicht hätten. Daher sei die Beklagte nach § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII zuständig. R. habe zum Zeitpunkt des Unfalls Wärmedämmplatten angereicht und daher nach § 2 Abs. 2 SGB VII unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Das SG vernahm Herrn J. W. , welcher dem T. ein Gerüst zur Verfügung gestellt hatte sowie den T. schriftlich als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 21/22 sowie Bl. 25 der SG-Akte Bezug genommen.

T. ließ über seinen Anwalt unter dem 23.03.2011 mitteilen, er habe den R. über den von ihm betriebenen Imbiss als Kunden kennengelernt. R. habe den T. bei der Durchführung von Dämmarbeiten im Herbst 2007 gesehen und freiwillig seine Hilfe angeboten. Eine Entlohnung für die Hilfeleistung sei nicht geplant gewesen. Neben der Dämmung der Fassade in Eigenleistung seien keine weiteren Bauarbeiten an dem Haus des T. durchgeführt worden. Gelegentlich habe auch die Ehefrau von T. mitgeholfen. Die Arbeiten seien in der Freizeit von T. durchgeführt worden, so dass eine Angabe von Arbeitsstunden nicht möglich sei.

Der Zeuge W. teilte mit, er habe T. ein Baugerüst zur Verfügung gestellt, sei aber bei der Aufstellung nicht zugegen gewesen und wisse nicht, wer das Gerüst aufgebaut habe. Er selbst sei zu keiner Zeit an den Bauarbeiten beteiligt gewesen und wisse nicht, wer sich an den Arbeiten als Helfer beteiligt habe.

Weiter vernahm das SG Herrn B. L. schriftlich als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 47/48 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Zeuge B. L. teilte dem SG unter dem 03.11.2011 mit, der Kontakt mit T. sei durch seinen Bruder M. zustande gekommen. Der Großteil der Arbeiten sei im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ausgeführt worden. Das Material habe T. gestellt. Ob noch andere Personen bei den Bauarbeiten beteiligt gewesen seien, entziehe sich seiner Kenntnis.

Schließlich vernahm das SG in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2012 Herrn M. L. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 58/61 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Zeuge M. L. sagte gegenüber dem SG aus, er habe zusammen mit seinem Bruder die Dämmplatten, welche bereits vollständig an der Fassade angebracht gewesen seien, mit einem Netz überzogen und dann verputzt. Anschließend hätten sie gestrichen. Als reine Arbeitszeit schätzte der Zeuge drei bis vier Tage. Die Vermittlung der Tätigkeiten sei über einen Herrn R. A. erfolgt, der den T. kenne, weswegen man die Tätigkeiten als Nachbarschaftshilfe bezeichnen könne.

Schließlich zog das SG die Akten der Staatsanwaltschaft S. zu dem Ermittlungsverfahren gegen T. wegen fahrlässiger Körperverletzung (AZ: 06 Js 2613/07) bei.

Mit Urteil vom 22.02.2012 stellte das SG fest, dass die Beklagte für das Bauvorhaben des T. in der H. Straße in M. und damit für den Unfall des R. vom 03.11.2007 zuständig ist und verurteilte die Beklagte, der Klägerin die von ihr in der genannten Unfallsache erbrachten Leistungen zu erstatten. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. R. habe beim Anreichen der Wärmedämmplatten als Wie-Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Bei der Fassadendämmung des Hauses des T. habe es sich um eine kurze Eigenbauarbeit gehandelt, da für das Vorhaben weniger als 40 Helferstunden tatsächlich angefallen seien. R. hätte ohne den Unfall allenfalls 10 Stunden am Bau mitgeholfen. Die von der Firma L. über den Ersatz für die Arbeitskraft von R. hinaus erbrachte Arbeitszeit sei gewerbsmäßig erbracht und somit nicht als Helferstunden zu berücksichtigen. Für weitere Helferstunden bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus § 102 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 43 Abs. 1 SGB I.

Gegen das ihr am 08.03.2012 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 19.03.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, nach den Ermittlungen ihres technischen Aufsichtsdienstes habe sich für die durchzuführenden Arbeiten eine Gesamtdauer von 146 Stunden ergeben. Nach den Angaben des T. gegenüber der Klägerin sei Baubeginn der 01.11.2007 gewesen und T. habe die Fassadendämmung bis zum 02.11.2007 alleine durchgeführt. Am 03.11.2007 habe ihm R. für eine Stunde helfen sollen. Gegen diese Darstellung spreche, dass auf den am 05.11.2007 vom Außendienst der Klägerin gefertigten Bilder ersichtlich sei, dass das Wohngebäude bereits zu zwei Dritteln mit Dämmplatten eingefasst gewesen sei. Daher stelle sich die Frage, wie T. mit nur einer Stunde fremder Hilfe und ohne Fachkenntnisse in der Lage gewesen sei, die Wärmedämmung einschließlich der erforderlichen Vorbereitung des Untergrundes innerhalb von zwei Tagen seit Baubeginn bis zum Unfalltag ausführen zu können. Ferner widerspreche die Angabe des T., dass R. lediglich am 03.11.2007 eine Stunde helfen sollte, den Angaben des R. bzw. dessen Rechtsanwälten. R. habe gegenüber der Beklagten angegeben, er wolle T. helfen, bis die Arbeiten erledigt seien. Der Rechtsanwalt des R. habe bestätigt, dass R. bereits einen Monat vor dem Unfall diverse Renovierungsarbeiten für T. durchgeführt und fortlaufend Baumaterialien zur Baustelle gebracht habe. Ferner sei nach Auskunft der Rechtsanwälte eine weitere Mithilfe in Form von Verputzen und Streichen geplant gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 31.10.1969 - 2 RU 65/67 - ) seien die geplanten Stunden des Helfers bei der Frage nach einer kurzen nicht gewerbsmäßigen Bauarbeit mit zu berücksichtigen, wenn die Arbeiten wie hier nicht gewerbsmäßig bzw. gewerbsmäßig fortgeführt würden. Daher sei entgegen der Auffassung des SG von einer längeren Bauarbeit auszugehen, für die die Klägerin der zuständige Unfallversicherungsträger sei.

Die Beklagte beantragt -sachdienlich gefasst -,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.02.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Ausführungen des SG im Urteil vom 22.02.2012. Das Gesetz fordere für die Zuständigkeitsabgrenzung die Feststellung der tatsächlich geleisteten Helferstunden. Vorliegend sei die 40-Wochenstundengrenze auch dann nicht überschritten, wenn die Arbeitsstunden der Firma L. , welche erst nach dem Unfall des R. tätig geworden sei, als Ersatz für die Helferstunden des R. berücksichtigt werden würden.

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 27.11.2014 einen Erörterungstermin durchgeführt und T. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 53/58 der Senatsakte Bezug genommen.

Der Zeuge T. hat ausgesagt, R. sei auf der Suche nach einer Bleibe gewesen, welche ihm vom Bruder des T. gewährt worden sei. Der Bruder des T. sei zusammen mit R. zum Dönerstand des T. gekommen. T. habe den beiden kostenloses Essen ausgegeben, jedoch den R. nicht gefragt, ob er bei den Arbeiten helfen könne. Der R. habe vor dem Unfall nichts für T. gearbeitet. R. sei auf das Gerüst gekommen und dann sei der Unfall sofort passiert. Es sei nicht geplant gewesen, dass R. hilft. T. habe dem R. auch keine Entlohnung angeboten. Neben der Fassadendämmung seien keine weiteren Arbeiten am Haus ausgeführt worden. T. selbst sei circa vier bis fünf Tage mit den Bauarbeiten beschäftigt gewesen. Dabei hätten ihm noch seine Frau, sein Bruder und sein Neffe geholfen. In welchem genauen zeitlichen Umfang könne er nicht mehr sagen. Das Anbringen der Dämmplatten sei schnell gegangen, da T. und sein Bruder über entsprechende Fachkenntnisse verfügten, weil sie in der Türkei auf Baustellen gearbeitet hätten. Daher seien sie am 03.11.2007 auch fast fertig gewesen. R. sei einfach zur Baustelle gekommen, da T. ihn beim Imbiss kennengelernt habe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 57 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von den Beteiligten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Prozessakten des SG Karlsruhe und die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und gerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 zulässig und begründet.

Der Senat hat das Berufungsbegehren der Beklagten sachdienlich dahin ausgelegt, dass die Aufhebung des Urteils und die Klageabweisung Ziel des Rechtsmittels ist. Der im Berufungsantrag im Schriftsatz vom 25.04.2012 enthaltene Feststellungsantrag, dass die Klägerin zuständige Unfallversicherungsträgerin für den Unfall des R. ist, ist als Begründung der im SG-Verfahren allein verfolgten Klagabweisung aufzufassen. Es ist nicht ersichtlich, dass mit einer mangels Beschwer unzulässigen Berufung tatsächlich ein positiver Feststellungsantrag – unter Verzicht auf den Antrag auf Klagabweisung –gemeint ist, nachdem im Wege der Widerklage vor dem SG ein solcher konkreter Antrag nicht gestellt worden ist und mit der Klageabweisung das gleiche Rechtsschutzziel erreicht wird.

Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 22.02.2012 zu Unrecht festgestellt, dass die Beklagte für das Bauvorhaben des T. und damit für den Unfall des R. vom 03.11.2007 zuständig ist und hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin die von dieser für R. erbrachten Leistungen zu erstatten.

Die mit dem Ziel der Feststellung des zuständigen Unfallversicherungsträgers erhobene Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2006 - B 2 U 4/05 R - ; juris Rdnr. 10). Für die Feststellung des zuständigen Unfallträgers besteht ein berechtigtes Interesse. Insbesondere handelt es sich vorliegend nicht um eine unzulässige sogenannte Elementenfeststellungsklage, mit der beispielsweise die Feststellung eines Arbeitsunfalls als Vorfrage für einen geltend gemachten Erstattungsanspruch begehrt wird (vgl. zu dieser Konstellation Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2013 - L 6 U 2895/11 - ; juris Rdnr. 21 und 22). Die auf Erstattung der aufgewendeten, aber nicht näher bezifferten Leistungen erhobene Klage ist nach § 54 Abs. 5 SGG als Leistungsklage, welche auf ein Grundurteil (vgl. § 130 Abs. 1 SGG) abzielt, zulässig.

Einer Beiladung des R. nach § 75 Abs. 2 1. Var. SGG bedurfte es nicht, da die Entscheidung über die Kostenerstattung für die von der Klägerin für R. aufgewandten Kosten zwischen der Klägerin und der Beklagten keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des R. hat und die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X nicht von der Rechtsposition abgeleitete, sondern eigenständige Ansprüche sind (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.2010 - B 2 U 4/09 R - ; juris Rdnr. 9 m. w. N.). Eine Beiladung der Krankenkasse des R. kam nicht in Betracht, weil die unfallverursachende Tätigkeit des R. zur Überzeugung des Senats eine unfallversicherte Verrichtung war. Der zuletzt gemachten Angabe des Bauherren T., R. sei nur zufällig auf die Baustelle gekommen und habe überhaupt nicht gearbeitet, erachtet der Senat als nicht glaubhaft. Eine notwendige Beiladung des Bauherrn T., dem als Rechtsreflex der Zuständigkeit der Klägerin etwaige Beitragsforderungen erwachsen könnten, nach § 75 Abs. 2 SGG scheidet aus und war nach § 75 Abs. 1 SGG auch nicht veranlasst. Ein entsprechender Antrag auf Beiladung ist nicht gestellt und der Senat sah sich in Ausübung des Ermessens hierzu nicht gedrängt. Der Bauherr T. ist als Zeuge im Verfahren mehrfach gehört worden. Bei Rechtsstreitigkeiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls wird der Arbeitgeber auch nicht im Rahmen der einfachen Beiladung am Prozess beteiligt.

Die Berufung ist auch begründet, da das SG zu Unrecht die Zuständigkeit der Beklagten für den Arbeitsunfall des R. vom 03.11.2007 festgestellt hat (1) und zu Unrecht einen Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 102 SGB X angenommen hat (2).

(1) Bei dem Unfall des R. vom 03.11.2007 handelt es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; zur Überzeugung des Senats war R. zum Unfallzeitpunkt wie ein abhängig Beschäftigter tätig geworden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Der Senat geht nach seiner Beweiswürdigung von folgendem Sachverhalt aus: R. sollte als Bauhelfer des T. für dessen Eigenbaumaßnahme, die Dämmung und Verputzen der Giebel- und Straßenfront des Wohnhauses in der H. Straße im M. umfasste, tätig werden.

Zunächst ist der Senat davon überzeugt, dass T. den R. bereits vor dem Unfall am 03.11.2007 kannte. Darüber, wie genau T. den R. kennengelernt hat, bestehen widersprüchliche Angaben. Nach der Schilderung des T. hat dieser den R. am Abend vor dem Unfall in dem von T. betriebenen Kebaphaus kennengelernt (vgl. die Angaben im Untersuchungsbericht des Präventionsdienstes der Klägerin vom 23.11.2007 und im Fragebogen "Eigenbau-Ermittlungen" der Klägerin vom 06.01.2009 sowie die Aussage des T. gegenüber der Polizeiinspektion I. , die Schreiben des Rechtsanwalts des T. vom 10.03.2008 und vom 23.03.2011 und die Aussagen des T. im Erörterungstermin vom 27.11.2014). Nach Aussage des R. hat R. den T. bei der Wohnungssuche kennengelernt (vgl. die Angaben des R. am 14.11.2007 gegenüber der Außendienstmitarbeiterin der Klägerin und vom 21.01.2008 gegenüber einem Mitarbeiter der Beklagten, das Schreiben des Rechtsanwalts des R. vom 23.04.2008). Welcher Schilderung zu folgen ist, kann letztlich offenbleiben, da es darauf nicht entscheidungserheblich ankommt. Gemeinsam aber ist den Angaben, dass R. dem Bauherrn T. seine Hilfe bei den vorgesehenen Arbeiten angeboten hat bzw. R. eine leichte Tätigkeit suchte (Schreiben des Rechtsanwalts des T. vom 10.03.2008) oder auch von T. direkt gefragt worden sei, ob er ihm bei der Renovierung helfen könne (Schreiben des Anwalts des R vom 23.04.2008).

Ausgehend von diesem Sachverhalt hat der R. zur Überzeugung des Senats am 03.11.2007 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Dieser Versicherungsschutz setzt voraus, dass eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen ist nicht notwendig. Zudem sind die Beweggründe des Handelns für den Versicherungsschutz unerheblich (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 37, § 539 Nrn. 15 und 16; jeweils m. w. N.).

Bei dem Ereignis vom 03.11.2007 handelt es sich unstreitig um einen Unfall, da der R. durch herabstürzende Gerüstteile u. a. Frakturen der Halswirbel 1-7 mit der Folge einer inkompletten Querschnittslähmung erlitten hat.

Der R. war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII "wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG VII Versicherter tätig" geworden (arbeitnehmerähnliche Tätigkeit). Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfordert wie ausgeführt eine ernstliche, dem anderen Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Sie muss außerdem unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (so die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. BSGE 5, 168, 174; 31, 275, 277; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119). Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII besteht jedoch nicht, wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen ist, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten, Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten ist. Auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es dabei allein nicht an (Bayerisches LSG, Urteil vom 28.05.2008 - L 2 U 28/08 -; juris). Vielmehr ist der Zeitdauer lediglich innerhalb des Gesamtbildes, vor allem bei Hilfeleistung unter Verwandten und bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen, gesellschaftlichen oder körperschaftlichen Verpflichtungen, die ihr zukommende, nicht aber eine selbstständige entscheidende Bedeutung zuzumessen. Maßgebend sind vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalles (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992 - 2 RU 6/91 - in SozR 3 - 2200 § 539 RVO Nr. 15).

Bei dem Anreichen vom Wärmedämmplatten handelt es sich um Bauhelfertätigkeiten, die sonst von auf Baustellen Beschäftigten ausgeführt werden. Die Tätigkeit erfolgte nach Anweisungen des T. und diente den von T. in Eigenarbeit ausgeführten Bauarbeiten. Der Rechtsanwalt des T. hat der Beklagten mit Schreiben vom 10.03.2008 mitgeteilt, T. habe den Arbeitsbeginn bestimmt und gegenüber R. Arbeitsanweisungen erteilt.

Zwar sind - wie ausgeführt - die Angaben, wie es zur Mithilfe des R. gekommen ist, widersprüchlich. Dies kann jedoch für die Frage nach dem Versicherungsschutz der Tätigkeit des R. dahinstehen, da dafür ausreichend ist, dass eine ernstliche, dem anderen Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen ausreicht. Um eine derartige Tätigkeit handelt es sich beim Anreichen der Wärmedämmplatten durch R.

Eine Tätigkeit des R. im Rahmen der Nachbarschaftshilfe, welche keinen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII begründet (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2011 - L 2 U 1422/10; juris) liegt nicht vor. Vorliegend fehlt es für eine derartig enge Verbundenheit zwischen T. und R. bzw. für einen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst an ausreichenden Anhaltspunkten. Zwar gehen die Aussagen, wie es zur Mithilfe des R. gekommen sei, auseinander, jedoch ist die Mithilfe des R. nicht selbstverständlich. Gegen eine Selbstverständlichkeit spricht – wie vom SG zu Recht ausgeführt - zum Einen die Angabe des R., er habe die Leistung als Dank für die Unterbringung erbracht und zum Anderen der von R. angegebenen Umfang der Mithilfe von "Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang". Demgegenüber konnte der Senat, wie dargelegt, den Angaben des T., der R. sei "einfach zur Baustelle gekommen" und dann "sei der Unfall sofort passiert", keinen Glauben schenken. Folglich stand R. beim Anreichen der Wärmedämmplatten als sog. Wie-Beschäftigter i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass es sich bei dem Unfall des R. vom 03.11.2007 um einen versicherten Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII handelt.

Zuständiger Unfallversicherungsträger für diesen Unfall ist die Klägerin. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Klägerin ergeben sich aus der generellen Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften, soweit es keine Sonderregelung gibt (§ 121 Abs. 1 SGB VII), i. V. m. deren Gliederung nach Wirtschaftszweigen (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i. V. m. dessen Anlage 1), die für den Bereich der Bauwirtschaft die Bau-Berufsgenossenschaften aufführt. Daraus folgt eine Zuständigkeit der Klägerin auch für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten, soweit das Gesetz keine Sonderzuständigkeit vorsieht. Eine solche Sonderzuständigkeit ist § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII.

Nach § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII sind die kommunalen Unfallversicherungsträger u. a. zuständig für in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführte Bauarbeiten (nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten), wenn für die einzelne geplante Bauarbeit nicht mehr als die im Bauhauptgewerbe geltende tarifliche Wochenarbeitszeit tatsächlich verwendet wird; mehrere nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten werden dabei zusammengerechnet, wenn sie einem einheitlichen Bauvorhaben zuzuordnen sind (sogenannte kurze Eigenbauarbeit).

Der Senat stellt nach Auswertung der durchgeführten Ermittlungen insoweit folgenden Sachverhalt fest: R hatte die Arbeit am Unfalltag begonnen und ca. 1 Stunde dem T Dämmplatten gereicht, als die Arbeit durch den Unfall des R unterbrochen wurde. Danach hatte T seine Absicht, in Eigenregie auch die Verputzarbeiten auszuführen, aufgegeben und die Firma L. mit dem Verputzen der beiden Gebäudeseiten beauftragt. Die Firma L. führte die Arbeiten mit 2 Arbeitskräften ohne Mitwirkung des T durch.

Damit sind mehr als die 40 Wochenstunden, der im Bauhauptgewerbe geltenden tariflichen Wochenarbeitszeit, für die geplante Eigenbauarbeit angefallen.

Zur Abgrenzung zwischen nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten, für die die Klägerin zuständig ist und solchen in Eigenarbeit ausgeführten Bauarbeiten, für die der kommunale Unfallversicherungsträger - hier die Beklagte - zuständig ist, stellt § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII auf den zeitlichen Umfang der einzelnen Bauarbeiten, nämlich auf die im Bauhauptgewerbe geltende tarifliche Wochenarbeitszeit, die von den Beteiligten unstreitig mit 40 Wochenstunden angesetzt wird, ab. Zur Berechnung dieses zeitlichen Umfangs ist nur auf die Arbeitszeit des nicht gewerbsmäßig tätigen Helfers bzw. mehrerer von ihnen, wenn sie einem einheitlichen Bauvorhaben zuzuordnen sind, nicht aber auf die des - in der Regel nicht gesetzlich versicherten - Bauunternehmers oder seines Ehegatten abzustellen (BSG, Urteil vom 07.02.2006 - B 2 U 4/05 R - ; juris Rdnr. 14). Dabei kommt es - weil der Begriff der "geplanten Arbeit" keinen zeitlichen Bezug hat (BSG, Urteil vom 11.10.1973 - 2 RU 196/71 - in BSGE 36, 203 - 205 zu dem insoweit gleichlautenden § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO) - nicht darauf an, auf wie viele Stunden die nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten veranschlagt worden sind, sondern darauf, wieviel Arbeitszeit auf das einzelne Bauvorhaben tatsächlich verwendet worden ist. Von Bedeutung ist aber, welche Eigenbauarbeit unter Einsatz von Helfern geplant war, da für die Frage der Fortsetzung der unterbrochenen Eigenbauarbeiten durch andere der Zeitaufwand für die ursprünglich intendierten Arbeiten maßgebend bleibt.

Vorliegend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die gesamten Renovierungsarbeiten des Hauses des T. in der H. Straße in M. in Eigenarbeit geplant war, und R zur Fassadendämmung und anschließenden Verputz- und Malerarbeiten eingesetzt werden sollte.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf die Angabe des T. im Fragebogen "Eigenbau-Ermittlungen" der Klägerin vom 16.11.2007, in dem als Baumaßnahme "die Renovierung der Gebäudeaußenseite" angegeben ist. Weiter ist dort aufgeführt, die Renovierungsarbeiten seien ursprünglich in Eigenleistung geplant gewesen, nach dem Unfall aber an die Firma L. vergeben worden. Zudem gab R. gegenüber einem Mitarbeiter der Beklagten am 21.01.2008 an, seine Mithilfe sei bis zur Beendigung der Arbeiten geplant gewesen (Vermerk vom 21.01.2008, Bl. 37 der Beklagtenakte). Der Anwalt des R. führte in seinem Schreiben vom 23.04.2008 als geplante Arbeiten u.a. "Dämmung, Verputzen und Streichen" an (Blatt 70 der Beklagtenakte), was mit den Angaben des T. Im Fragebogen "Eigenbau-Ermittlungen" vom 16.11.2007 in Einklang steht. Zudem teilte der Anwalt des R. darin mit, die Arbeiten hätten "von Sonnenauf- bis -untergang" dauern sollen. Dass R nur bei den Dämmarbeiten hätte mithelfen sollen, wie im Ermittlungsbericht des Präventionsdienstes der Klägerin vom 06.11.2007 (Bl. 8 der Beklagtenakte) wohl auf Befragung des T ausgeführt wird, und ähnlich vom Anwalt des T in seinem Schriftsatz vom 10.03.2008 behauptet wird, wobei darin angegeben ist, dass am Unfalltag noch keine konkreten Absprachen über weitere Tätigkeiten hatten getroffen werden können, ist im Hinblick auf die vorstehenden Äußerungen wenig überzeugend. Außerdem ergibt die im Aktenvermerk vom 21.01.2008 dokumentierte Schilderung der Lebensumstände des R, dass die Angaben seines Anwalts vom 23.04.2008 zum Umfang der geplanten Tätigkeit der Lebenswirklichkeit näher kommen. Geschildert wird, R habe die fachmännische Ausführung der Wärmedämmung veranlasst und für seine Mitwirkung habe er weiterhin keine Miete für die Wohnung in N. zahlen müssen.

Der Einsatz des R ist auch mit einer die maßgebende Wochenarbeitszeit überschreitenden Stundenzahl zu bemessen.

Bei der Frage, wie viele Helferstunden tatsächlich erbracht worden sind, ist nicht darauf abzustellen, wie lange ein bestimmter Helfer tätig gewesen ist, weil der Ausdruck "tatsächlich" auf die Sache und nicht auf die Person zu beziehen ist (BSG, Urteil vom 31.10.1969 - 2 RU 65/67 - zu § 657 RVO; juris Rdnr. 13). Daher erfordert der Sinn der gesetzlichen Regelung, wenn der vorzeitige Abbruch der nicht gewerbsmäßigen Arbeiten auf einem ungewollten Ereignis, insbesondere wie hier auf einem Arbeitsunfall beruht, eine Abgrenzung der Zuständigkeit danach, wie viele Arbeitstage der Verunglückte und die seinen Ausfall ersetzenden - gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig tätigen - Arbeitskräfte insgesamt für die geplante Arbeit tatsächlich verwendet haben (vgl. BSG Urteil vom 11.10.1973, a.a.O.). Denn es kann nicht von dem Zufall abhängig sein, ob der Betreffende gleich zu Beginn der Arbeiten oder erst am Ende der Baumaßnahme verunglückt.

T. gab im Fragebogen "Eigenbau-Ermittlungen" der Klägerin unter dem 16.11.2007 zunächst insgesamt vier Helferstunden, davon drei Stunden durch seinen Cousin und eine Stunde durch R. an. In einem weiteren Fragebogen "Eigenbau-Ermittlungen" der Klägerin sind unter dem 06.01.2009 ungefähr 45 Minuten an tatsächlicher Hilfe durch R. angegeben. Unter dem 13.06.2008 ließ T. durch seinen Rechtsanwalt mitteilen, R. habe nur eine Helferstunde geleistet. Ferner gab T. in der Unfallanzeige vom 12.11.2007 an, R. habe eine Stunde vor dem Unfall mit den Arbeiten begonnen. Bei seiner Vernehmung durch die Berichterstatterin im Erörterungstermin vom 27.11.2014 gab T. an, R. habe vor dem Unfall " eigentlich gar nichts gearbeitet", sondern sei auf das Gerüst gekommen und dann sei es direkt zu dem Unfall gekommen, was der Senat im Hinblick auf seine vorangegangenen eigenen Angaben nicht als glaubhaft ansieht. Nach diesen Angaben spricht einiges dafür, dass zumindest vier Helferstunden (eine durch R. und drei durch den Cousin des T.) nachgewiesen sind. Die Angaben des T. im Erörterungstermin vom 27.11.2014, wonach R. vor dem Unfall "eigentlich gar nichts gearbeitet" habe, erachtet der Senat, wie ausgeführt, nicht für glaubhaft.

Die genaue Anzahl der von R. tatsächlich geleisteten Helferstunden kann jedoch offenbleiben, da bei Ansatz der von der Firma L. nach dem Unfall als Ersatz für die Arbeit von R. geleisteten Arbeitsstunden jedenfalls die 40 Wochenstunden-Grenze überschritten ist. Zum zeitlichen Umfang der Arbeiten durch die Firma L. bestehen zwar auch widersprüchliche Angaben. Zunächst weist die von der Firma L. unter dem 20.12.2007 ausgestellte Rechnung 15 Stunden für Putz- und Malerarbeiten aus. Demgegenüber hat der vom SG in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2012 gehörte Zeuge M. L. auf die Frage, wie viele Stunden er und sein Bruder B. am Haus des T. gearbeitet hätten "mehrere Tage" angegeben. Als reine Arbeitszeit hat der Zeuge M. L. "drei bis vier Tage" geschätzt. Dies bezieht sich auf die von den Brüdern L. ausgeführten Putzarbeiten, denn der Zeuge M. L. hatte angegeben, dass die Dämmung bei Aufnahme ihrer Arbeiten bereits angebracht war. Soweit T. bei seiner Zeugeneinvernahme vor dem Senat erstmals behauptet hat, die Firma L. habe auch noch einen Teil der Dämmung montiert, ist dies nach seinem bisherigem Vortrag wenig glaubhaft, kann aber dahinstehen. Dabei erachtet der Senat die Angaben des Zeugen M. L. für glaubhaft. Im angefochtenen Urteil des SG kommen keine ernsthaften Zweifel an der Aussage des Zeugen zum Ausdruck. Außerdem deckt sich diese Aussage mit der schriftlichen Aussage seines Bruders B. L. vom 03.11.2011 (Bl. 47 der SG-Akte), der unter Einbeziehung der notwendigen Wartezeit für das Abtrocknen von Putzauftrag und Anstrich einen Arbeitsaufwand von 8 bis 10 Tagen angegeben hat. Zweifel wegen der vorgelegten Rechnung vom 20.12.2007, in der nur Putz- und Malerarbeiten von 15 Stunden abgerechnet werden, schlagen insoweit nicht durch, da diese Rechnungsstellung möglicherweise anderen Zwecken diente. Ein höherer Aufwand ergibt sich schon auch aus der Berechnung des Präventionsdienstes der Beklagten vom 06.05.2008 (Bl. 78 der Beklagtenakte).

Bei Ansatz der vom Zeugen M. L. für sich und seinen Bruder angegebenen Arbeitszeit von drei bis vier Tagen, die jeweils auf die Person des Helfers im Sinne von Tagwerken zu beziehen ist (h.M., vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 129 SGB VII Rn. 9; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 129 Rn. 5.1), ergibt sich eine Anzahl von 48 Stunden (3 Tage à 8 Stunden für 2 Personen) bzw. 64 Stunden ( 4 Tage à 8 Stunden für 2 Personen). Dies folgt zwanglos dann, wenn mit "Verputzen und Streichen" im Anwaltsschriftsatz vom 23.04.2008 alle damit im Zusammenhang stehenden Arbeiten als geplante Mithilfe des R gemeint sind. Aber selbst dann, wenn auch hier nur Handreichungen des R geplant waren, ergibt sich nichts anderes. Den Angaben der Zeugen L. ist nicht zu entnehmen, dass sie beide getrennte Aufgaben im Sinne von Facharbeiten einerseits und Helfertätigkeiten andererseits wahrgenommen haben. Der Zeuge M. L. hat bei seiner persönlichen Vernehmung vor dem SG seine Tätigkeitsbeschreibung - "Wir haben die Dämmplatten mit einem Netz überzogen und dann verputzt. Anschließend haben wir gestrichen." - auf sich und auf seinen Bruder bezogen, weshalb davon auszugehen ist, dass die ursprünglich R zugedachten Helferarbeiten von beiden Brüdern jeweils im Rahmen ihrer Facharbeitertätigkeit mitausgeübt wurden. Soweit T am 06.01.2009 angegeben hatte, die Firma L. durch Handreichungen unterstützt zu haben, entspricht dies nicht seinen früheren Angaben vom 16.11.2007. Auch bei seiner Vernehmung vor der Berichterstatterin im Termin am 27.11.2014 hat er auf Frage angegeben, dass er während der Tätigkeit der Firma L. nichts mehr gemacht habe, weil es damals sehr stressig war. Eine Differenzierung nach ersetzender Helfertätigkeit und insoweit nicht relevanter Facharbeitertätigkeit ist in dieser Sachverhaltsvariante somit nicht möglich. Damit ist nach beiden Sachverhaltsvarianten die 40-Wochenstunden-Grenze überschritten und es liegt eine lange Bauarbeit vor, die nach der generellen Zuständigkeitsregelung des § 121 SGB VII in die Zuständigkeit der Klägerin fällt.

(2) Da die Klägerin für den Unfall vom 03.11.2007 der zuständige Unfallversicherungsträger ist, hat sie gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr für den verunfallten R. bereits erbrachten Leistungen Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch beruht auf § 102 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 43 Abs. 1 SGB I. Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Nach § 43 Abs. 1 SGB I kann der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Er hat Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Die Klägerin hat als der nach § 121 SGB VII zuständige Leistungsträger an R. Leistungen erbracht, so dass sie keinen Anspruch auf Erstattung hat.

Der Sachverhalt ist für den Senat ausreichend geklärt. Es bestand kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.

Das Recht der Klägerin auf faires Verfahren ist nicht verletzt; ein rechtlicher Hinweis ist nach Durchführung eines Erörterungstermins vor Ergehen der einverständlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht mehr erforderlich (BSG, Beschl. v. 01.08.2013 - B 12 R 2/13 B -, juris).

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 22.02.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VWGO.
Rechtskraft
Aus
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