L 11 KR 3050/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 3567/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3050/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2014 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 23.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2011 wird aufgehoben, soweit die Beklagte darin auch über den Antrag des Klägers auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entschieden hat. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte die Hälfte.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Der 1977 geborene Kläger studierte vom 01.10.2000 bis zum 30.09.2003 an der Dualen Hochschule Stuttgart (vormals Berufsakademie) in der Fachrichtung Versicherung. Er schloss mit der Firma L F. & S. GmbH (Arbeitgeber) für die Zeit vom 01.10.2000 bis zum 30.09.2003 einen Vertrag zur Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (Berufsakademie) in der Fachrichtung Versicherungswesen. Danach hatte er Anspruch auf eine monatliche Vergütung wie folgt: im 1. Ausbildungsjahr in Höhe von 1.335 DM, im 2. Ausbildungsjahr in Höhe von 1.480 DM und im 3. Ausbildungsjahr in Höhe von 1.600 DM. Die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit betrug 40 Stunden. Zu weiteren Einzelheiten in Bezug auf den Gegenstand des Vertrages und die Ausbildungszeit wird auf die in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltene Kopie des Ausbildungsvertrages vom 13.04.2000 verwiesen (Bl 19 ff der Verwaltungsakte). Mit dem Abschluss des Studiums erwarb er den Titel eines Diplom - Betriebswirts (BA). Während des Studiums entrichtete der Arbeitgeber des Klägers Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Signal Iduna BKK) als Einzugsstelle, weil er der Ansicht war, dass die Tätigkeit des Klägers im Rahmen seiner Ausbildung ein abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis war. Eine förmliche Entscheidung der Rechtsvorgängerin der Beklagten oder eines anderen Versicherungsträgers über das Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder im Recht der Arbeitslosenversicherung erging nicht.

Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hatte, dass die Teilnehmer eines praxisintegrierten dualen Studiums versicherungsfrei sind (BSG 01.12.2009, B 12 R 4/08 R, BSGE 105, 56, SozR 4-2400 § 7 Nr 11), beantragte der Kläger mit E-Mail vom 30.11.2010 die rückwirkende Abänderung seiner Krankenversicherung während des Studiums 2000-2003 in die Krankenversicherung der Studenten und die Erstattung der zu viel entrichteten Sozialversicherungsbeiträge.

Mit Schreiben vom 02.12.2010 und E-Mail 13.12.2010 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf das Rundschreiben 2010/481 vom 07.10.2010 des GKV-Spitzenverbands mit, man werde die Einrede der Verjährung geltend machen.

Die Beklagte lehnte die Erstattung der in den Jahren 2000 bis 2003 gezahlten Beiträge mit Bescheid vom 23.12.2010 unter Erhebung der Einrede der Verjährung ab. Sie nahm auf die bisherige Korrespondenz Bezug.

Der Kläger legte hiergegen am 30.12.2010 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, dass die Sozialversicherungspflicht mit Verwaltungsakt festgestellt worden sei und dieser Verwaltungsakte durch das Urteil des BSG vom 01.12.2009 aufgehoben worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 13.09.2006 (B 12 AL 1/05 R) entstehe der Anspruch auf Beitragserstattung erst nach der Aufhebung des die Beitragspflicht feststellenden Bescheides. Die Beiträge seien daher nicht verjährt. Zudem sei die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich, da die unrichtige Beitragszahlung auf einer Fehleinschätzung der Beklagten beruhe. Darüber hinaus liege eine besondere Härte vor, da die Beitragszahlung infolge eines fehlerhaften Verwaltungshandelns zu Unrecht erfolgte.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2011 (Bl 27 Verwaltungsakt) zurück und führte zur Begründung an, dass die Versicherungspflicht seinerzeit nicht mit Bescheid festgestellt worden sei und daher die Verjährung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden seien, eintrete. Sie bezog diese Ausführungen auch auf den Antrag des Klägers auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Hiergegen hat der Kläger am 15.06.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Klagebegründung im Wesentlichen auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Zudem hat er die Verzinsung der rückständigen Erstattungsforderung beantragt. Für den Fall, dass eine Aufnahme in die beitragsfreie Familienversicherung an den Einkommensgrenzen scheitere, hat er die Umstellung des Versicherungsverhältnisses in die Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten begehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat er laut Niederschrift vom 10.06.2014 klargestellt, dass er lediglich die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zurückerstattet haben möchte. Die Beiträge zur Rentenversicherung wolle er als "freiwillige Beiträge" weiter eingezahlt lassen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Auf Anfrage des SG hat sie nochmals mitgeteilt, die Versicherungspflicht sei seinerzeit für das Studium nicht durch Bescheid festgestellt worden.

Mit Urteil vom 10.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht seinen Rechten. Eine Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der GKV in Anspruch genommen habe. Im Übrigen sei der Erstattungsanspruch verjährt. Da keine die Versicherungspflicht feststellenden Bescheide ergangen seien, sei Verjährung vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der Beitragsentrichtung eingetreten. Die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung sei rechtmäßig.

Gegen das ihm am 20.06.2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 21.07.2014 (Montag) Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Es habe auf Seiten der Beklagten eine Beratungsverpflichtung bzw Beratungsobliegenheit gegeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Zeitraum vom 01.10.2000 bis zum 30.09.2003 in Höhe von 3.114,62 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In einem Erörterungstermin am 01.10.2014 ist die Sach- und Rechtslage vom Berichterstatter mit den Beteiligten erörtert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber nur teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit er von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung begehrt. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der im Zeitraum vom 01.10.2000 bis zum 30.09.2003 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Zu Recht hat das SG die Klage insoweit abgewiesen. Dagegen hat die Beklagte zu Unrecht auch über den Antrag des Klägers auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entschieden.

Nach § 26 Abs 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten. Nach § 26 Abs 3 SGB IV steht der Erstattungsanspruch dem zu, der die Beiträge getragen hat. Soweit dem Arbeitgeber Beiträge, die er getragen hat, von einem Dritten ersetzt worden sind, entfällt sein Erstattungsanspruch.

In den Jahren 2000 bis 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren, nach § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige der Versicherungspflicht. Im Arbeitsförderungsrecht regelte § 25 Abs 1 SGB III die Versicherungspflicht übereinstimmend mit § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV. In der Kranken- und Pflegeversicherung waren Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI). Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV war Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 2 SGB IV galt und gilt als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

Der Kläger hat während seines Studiums an der Dualen Hochschule Stuttgart im Zeitraum vom 01.10.2000 bis zum 30.09.2003 den auf ihn entfallenden Anteil an den vom Arbeitgeber abgeführten Beiträgen zur Sozialversicherung getragen. Wird davon ausgegangen, dass er nach dem Urteil des BSG vom 01.12.2009 (B 12 R 4/08 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 11) als Studierender eines praxisintegrierten dualen Studiums versicherungsfrei war, wurden die Beiträge zu Unrecht entrichtet. Der Anspruch auf Erstattung der Beiträge ist jedoch nach § 26 Abs 2 SGB IV verjährt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat. Auch ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung seine Unkenntnis von den Beitragserstattungsansprüchen und damit die Möglichkeit, diese (rechtzeitig) geltend zu machen, für die Frage der Verjährung ohne Bedeutung (BSG 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 5 Rn 19 unter Hinweis auf die BSG-Urteile vom 29.07.2013, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 1 Rn 11 und B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341).

Nach § 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Die Beiträge wurden im Zeitraum vom 01.10.2000 bis zum 30.09.2003 entrichtet. Die Verjährungsfrist begann daher gemäß der genannten Bestimmung am 01.01.2004 und endete mit Ablauf des 31.12.2007. Die Sonderregelung des § 27 Abs 2 Satz 2 SGB IV, wonach die Verjährung im Fall der Beanstandung der Rechtswirksamkeit von Beiträgen durch den Versicherungsträger mit dem Ablauf des Kalenderjahrs der Beanstandung beginnt, ist vorliegend nicht einschlägig. Die Regelung betrifft nur die Rentenversicherungsbeiträge (vgl Waßer in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 27 SGB IV, Rn 37 mwN.) Deren Erstattung wurde nicht beantragt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat die Verjährungsfrist nicht erst mit dem Urteil des BSG vom 01.12.2009 (B 12 R 4/08 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 11) zu laufen begonnen. Dieses Urteil wirkt unmittelbar gemäß § 141 Abs 1 Nr 1 SGG nur zwischen den Beteiligten und ihren Rechtsnachfolger. Da der Kläger nicht Beteiligter des Rechtsstreits war, wirkt das Urteil nicht unmittelbar auf sein Versicherungsverhältnis und hierin ergangene Entscheidungen ein.

Das vom Kläger angeführte Urteil des BSG vom 13.09.2006 (B 12 AL 1/05 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 2) ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht anwendbar. Das BSG hat darin entschieden, dass der Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge nicht entsteht und verjährt, solange dem Berechtigten gegenüber durch Verwaltungsakt verbindlich das Bestehen von Versicherungspflicht festgestellt ist. Ein die Versicherungs- bzw Beitragspflicht feststellender Verwaltungsakt ist für den streitigen Zeitraum nicht ergangen. Dafür bestand im Übrigen auch kein Anlass. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger beginnt in der Krankenversicherung gemäß § 186 SGB V grundsätzlich kraft Gesetzes. Lediglich für sogenannte unständige Beschäftigte nach § 179 Abs 2 SGB V gilt dies nicht; hier ist nach Maßgabe des § 186 Abs 2 SGB V eine Feststellung der zuständigen Krankenkasse erforderlich (vgl Peters in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 186 SGB Rn 49). Auch stellen die Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber und der Beitragseinzug durch die Einzugsstelle keinen Verwaltungsakt dar. Demgegenüber hat das BSG in einem Fall, in dem - wie hier - keine die Versicherungspflicht feststellenden Bescheide ergangen waren, die Verjährung der Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet wurden angenommen (BSG 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 5).

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Rspr des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung in Ansehung einer unklaren Rechtslage berufen (BGH 28.10.2014, XI ZR 17/14, juris). Die Regelung in § 27 Abs 3 SGB IV verweist nur für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung auf die Vorschriften des BGB. Im Übrigen regelt § 27 SGB IV die Verjährung eigenständig. Anders als bei § 195 BGB ist bei § 27 SGB IV die Unkenntnis des Versicherten von den Beitragserstattungsansprüchen und damit die Möglichkeit, diese (rechtzeitig) geltend zu machen, für die Frage der Verjährung ohne Bedeutung (BSG 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 5; 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 1 Rn 11).

Die Berufung auf die Verjährungseinrede stellt entgegen der Auffassung des Klägers keine unzulässige Rechtsausübung dar. Steht für den Versicherungsträger fest, dass Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind (zB weil kein Versicherungspflichtverhältnis bestanden hat), hat er zwar Anlass, den Betroffenen auf das Bestehen eines Erstattungsanspruchs und insbesondere auf die Notwendigkeit seiner Geltendmachung sowie deren Modalitäten hinzuweisen. Kommt der Versicherungsträger in dieser Situation seinen Beratungspflichten nicht in hinreichendem Ausmaß nach, muss er sich nach dem auch im öffentlichen Recht herrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als habe er ordnungsgemäß beraten und als sei daraufhin der Erstattungsantrag gestellt worden (vgl BSG 12.12.2007, B 12 AL 1/06 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 3 ). Zum Zeitpunkt der Beitragsentrichtung entsprach aber die Annahme der Versicherungspflicht für Studierende eines dualen praxisintegrierten Studiums der allgemeinen Rechtsanwendung, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Die Entscheidung des BSG vom 01.12.2009 erging zeitlich weit nach dem streitgegenständlichen Beitragszeitraum, so dass eine Kenntnis der Beklagten von der Unrichtigkeit der Beitragsentrichtung damals nicht bestand. Ein Beratungsfehler hinsichtlich der Möglichkeit der Beitragserstattung ist nicht ersichtlich. Die Beiträge waren bereits seit dem 01.01.2008 und somit bereits weit vor der Entscheidung des BSG verjährt.

Die Beklagte hat auch das ihr hinsichtlich der Erhebung der Einrede der Verjährung zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt (vgl hierzu BSG 13.06.1985, B 7 RAr 107/83, SozR 2100 § 27 Nr 4). Der im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 23.12.2010 geführten Korrespondenz der Beklagten mit dem Kläger und den Begründungen der angefochtenen Bescheide ist zu entnehmen, dass sie ihre Pflicht erkannte, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu treffen (vgl BSG 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 1 Rn 15 mwN), und eine solche Ermessensentscheidung auch tatsächlich getroffen hat. Nicht zu beanstanden ist dabei die Orientierung am Rundschreiben 2010/481 vom 07.10.2010 des GKV-Spitzenverbands (vgl BSG 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, SozR 4-2400 § 27 Nr 5 Rn 22).

Der angefochtene Bescheid ist dagegen rechtswidrig, soweit die Beklagte auch über die Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entschieden hat. Hierfür ist nach § 351 Abs 2 Nr 1 SGB III die Agentur für Arbeit (sachlich) zuständig, in deren Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, an welche die Beiträge entrichtet worden sind. Die Beklagte hätte einen förmlichen Antrag aufnehmen, die Zuständigkeit der Agentur für Arbeit feststellen und den Erstattungsantrag an diese weiterleiten müssen (vgl 4.3.4. der Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege- Renten- und Arbeitslosenversicherung aus einer Beschäftigung vom 21.11.2006). Die fehlende sachliche Zuständigkeit der Beklagten für diesen Antrag ist auch nicht nach § 42 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch unbeachtlich; diese Regelung betrifft nur eine fehlende örtliche Zuständigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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