L 18 AS 2708/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 31151/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2708/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 72/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
BSG: Beschwerde unzulässig verworfen
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. August 2013 aufgehoben, soweit das Sozialgericht den Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 537,12 EUR verurteilt hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte trägt fünf Sechstel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für das Jahr 2011 iHv 602,38 EUR.

Die 1952 geborene, alleinstehende Klägerin steht bei dem Beklagten fortlaufend im Leistungsbezug. Sie bewohnte bis zum 30. Juni 2010 eine genossenschaftliche Erdgeschosswohnung in der Lstraße in B mit einer Wohnfläche von 54,88 m² und mit einer monatlichen Bruttonutzungsgebühr iHv zuletzt 355,79 EUR (Grundmiete einschl. Modernisierungszuschlag 215,38 EUR, Vorauszahlung Heizkosten 76,71 EUR, Vorauszahlungen sonstige Betriebskosten 63,70 EUR). Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 1. März 2010 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2010 für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. September 2010 monatlich Leistungen iHv insgesamt 708,- EUR, hiervon 349,- EUR als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU; 355,79 EUR abzgl einer Warmwasserpauschale iHv 6,79 EUR).

Die im Mai 2010 von der Klägerin beantragte Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für eine neue Wohnung im selben Haus in der Lstraße und in derselben Größe, jedoch im sechsten Obergeschoss (OG), lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 12. Mai 2010). Gleichzeitig teilte er mit, dass die KdU auch im Falle der Anmietung der neuen Wohnung nur in Höhe der Kosten für die bisherige Wohnung im Erdgeschoss übernommen würden. Am 1. Juli 2010 bezog die Klägerin dennoch die Wohnung in der sechsten Etage mit einer Gesamtnutzungsgebühr iHv monatlich 363,19 EUR (Nettokaltmiete monatlich = 241,51 EUR; Heizkostenvorauszahlung monatlich = 45,- EUR; sonstige Betriebskosten monatlich = 76,68 EUR). In der Folge bewilligte der Beklagte KdU-Leistungen ab 1. Oktober 2010 iHv monatlich 349,32 EUR (bis 31. Dezember 2010) bzw iHv monatlich 355,79 EUR (ab 1. Januar 2011), zuletzt mit Bescheid vom 31. August 2011 für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 und mit Bescheid vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2012 für die Zeit vom 1. April 2012 bis 30. September 2012.

Im September 2012 beantragte die Klägerin die Übernahme der von ihrer Vermieterin geltend gemachten Betriebskostennachforderung für das Jahr 2011 aus der Abrechnung vom 15. August 2012 iHv 602,38 EUR. Dies lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 17. September 2012), da die Klägerin ohne Zustimmung umgezogen sei und deshalb nur die alten Mietkosten zu übernehmen seien. Den mit der Begründung eingelegten Widerspruch, auch die Miete für die Wohnung im 6. OG sei angemessen und deshalb von dem Beklagten zu übernehmen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2012 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2012 verpflichtet, den Bescheid vom 7. März 2012 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin für den Monat September 2012 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 602,38 EUR gewährt werden (Urteil vom 13. August 2013). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Änderung des Bewilligungsbescheides vom 7. März 2012 betreffend den Zeitraum September 2012 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) lägen vor, da eine wesentliche Änderung durch die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Betriebskostennachforderung für das Abrechnungsjahr 2011 eingetreten sei. Zwar sei der Umzug in die Wohnung im 6. OG nicht erforderlich gewesen, die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) schließe die Übernahme der Kosten aus der Betriebskostenabrechnung jedoch nicht aus. Denn in den Bewilligungsbescheiden des Beklagten betreffend die KdU für die neue Wohnung finde sich lediglich eine Regelung des Inhalts, dass die KdU für die neue Wohnung höchstens in Höhe der KdU für die alte Wohnung übernommen würden, dies schließe jedoch die zukünftige Übernahme von Betriebskostennachzahlungen gerade nicht aus. Eine strikte Begrenzung auf den Betrag der KdU für die alte Wohnung sei nicht getroffen worden.

Der Beklagte wendet sich mit seiner vom SG zugelassenen Berufung gegen dieses Urteil. Er ist der Ansicht, § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II schließe jedwede über die monatlichen KdU der alten Wohnung hinausgehende Zahlungsansprüche der Klägerin aus. Auch der Gewährung oder Berechnung eines Dynamisierungsbetrages stehe der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift entgegen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. August 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die Ablehnung der Übernahme der Kosten aus der Betriebskostenabrechnung für die neue Wohnung stelle sie schlechter, als wenn sie in der alten Erdgeschosswohnung verblieben wäre, denn in diesem Falle hätte der Beklagte eine etwaige Betriebskostennachforderung übernommen. Allein der Umzug dürfe dem Beklagten nicht zum Vorteil gereichen. Sie stehe bereits deshalb schlechter, weil sie aus ihrer Regelleistung die monatliche Differenz zwischen den KdU der alten und der neuen Wohnung zu tragen habe, obwohl auch die KdU der neuen Wohnung noch angemessen seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachforderung für das Jahr 2011 iHv 537,12 EUR. Die weitergehende Berufung ist nicht begründet und war zurückzuweisen.

Die Klägerin wendet sich mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) gegen den Bescheid vom 17. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2012, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, ihr unter Änderung des maßgeblichen Bewilligungsbescheides vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2012 höhere KdU zu gewähren. Die Klägerin konnte ihre Klage wirksam auf die Überprüfung der KdU beschränken (vgl schon Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Der Höhe nach ist die Überprüfung auf weitere KdU iHv 602,38 EUR begrenzt, weil die Klägerin nur die im September 2012 fällige Betriebskostennachforderung für 2011 geltend macht, indes keine weiteren (laufenden) höheren KdU-Leistungen im Fälligkeitsmonat September 2012. Zwar setzt der Eintritt der Fälligkeit einer Betriebskostenabrechnung nicht voraus, dass nach Erteilung der Abrechnung – hier bereits im August 2012 - zunächst eine angemessene Frist zu ihrer Überprüfung durch den Mieter verstrichen ist. Gemäß § 271 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Der Anspruch des Vermieters auf Bezahlung der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten wird deshalb grundsätzlich mit der Erteilung der Abrechnung fällig (vgl BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 121/10 R= SozR 4-4200 § 22 Nr 58 mwN). Da indes in der Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2012 darauf hingewiesen worden war, dass die Nachzahlung mit der Septembernutzungsgebühr ("bis 30.9.2012") vom Konto abgebucht werde, war die Zeit für die Leistung im Sinne des § 271 Abs. 1 BGB frühestens auf den 1. September 2012 "bestimmt" und mithin die Forderung erst zu diesem Zeitpunkt fällig gestellt worden.

Ob der Klägerin die Betriebskostennachforderung zusteht, richtet sich nach § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier der Bewilligungsbescheid vom 7. März 2012 betreffend den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Hierzu ist der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vglBSG, Urteil vom 22. März 2010 = SozR 4-4200 § 22 Nr 38; BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 121/10 R -; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 9/11 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 50. Es ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Unterkunftskosten der Klägerin, die die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II erfüllt, im September 2012 zu hoch festgesetzt worden sein könnten.

Mit der Geltendmachung der Betriebskostennachforderung durch die Vermieterin ist eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. § 22 Abs. 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 4; BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R - juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 26; BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 62/09 R -; BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 121/10 R -; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 9/11 R -) Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl BSG aaO mwN). Nachzahlungen gehören demzufolge zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl BSG aaO mwN).

Eine wesentliche Änderung iSv § 48 Abs 1 SGB X kann nicht - wie der Beklagte meint – mit der Argumentation verneint werden, die Klägerin habe aufgrund der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II für den Entstehungszeitraum der Nebenkosten keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen können als die zuletzt für die bis 30. Juni 2010 bewohnte Unterkunft gezahlten KdU-Leistungen iHv monatlich 355,79 EUR, weil die Klägerin ohne Zustimmung des Beklagten in die Wohnung im 6. OG umgezogen ist, ohne dass dies erforderlich gewesen sei. Materiell ist der durch die Betriebskostennachforderung entstandene Bedarf zwar dem Zeitraum zuzuordnen, dem auch die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (vgl BSG aaO; BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 12/10 R - juris). Für eine derartige Auslegung spricht insbesondere der dem § 22 SGB II innewohnende Schutzgedanke. Kostensenkungsmaßnahmen können nur in dem Zeitpunkt realisiert werden, in dem die Kosten entstehen. Der vorliegend von der Klägerin geltend gemachte Anspruch beurteilt sich deshalb dem Grunde und der Höhe nach ausschließlich nach den Verhältnissen des Jahres 2011.

Zwar sind im maßgebenden Entstehungszeitraum 2011 die tatbestandlichen Voraussetzungen der für die Bestimmung der angemessenen Kosten nach einem nicht erforderlichen Umzug einschlägigen individuellen Deckelungsvorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S 453) erfüllt. Danach wird, wenn sich durch einen nicht erforderlichen Umzug – im örtlichen Vergleichsraum (vgl BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 60/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 35; hier das Land Berlin) die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, nur der bisherige Bedarf anerkannt. Inhaltlich galt nichts Anderes bereits unter Geltung der mWv 1. August 2006 in Kraft getretenen Vorgängernorm (Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 – BGBl I S 1706; vgl BSG, Beschluss vom 7. April 2014 – B 14 AS 311/13 B - juris), die eine Deckelung der Leistungen auf die "bis dahin zu tragenden Aufwendungen" vorsah (vgl auch BT-Drucks 17/3404, 98). § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat die Funktion einer individuellen Angemessenheitsgrenze. Lebt der Hilfebedürftige innerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums in einer kostenangemessenen Wohnung, die seine existenziellen Wohnbedürfnisse ausreichend erfüllt, ist die Übernahme weitergehender Kosten nicht geboten. Zur Vermeidung von (allgemeinen) Kostensteigerungen im maßgeblichen Vergleichsraum bleibt sein Anspruch auf die Kosten dieser Wohnung beschränkt, solange nicht Veränderungen in seinen persönlichen Umständen eintreten, die eine Neubestimmung der für ihn angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen des Satzes 1 gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 107/10 R = SozR 4-4100 § 22 Nr 52).

Der Umzug der Klägerin in die nunmehr bewohnte Unterkunft war nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, ist die Prüfung der Erforderlichkeit eines Umzugs in zwei Schritten daran zu messen, ob der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig oder aus sonstigen Gründen erforderlich ist (vgl BSG aaO). § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II beschränkt die Übernahme solcher Kosten, die nach allgemeinen Maßstäben im Vergleichsraum als angemessen anzusehen sind. Damit sind Einschränkungen für eine Gruppe von Hilfebedürftigen verbunden, denen weder in den örtlichen Vergleichsraum zuziehende Hilfebedürftige noch geringverdienende, aber nicht im Leistungsbezug stehende Personen unterworfen sind. Bereits ortsansässige im Leistungsbezug stehende Hilfebedürftige sollen insoweit die Vorteile, die sich für Hilfebedürftige insbesondere aus der Bestimmung der Angemessenheit nach der Produkttheorie ergeben, nicht in vollem Umfang ausschöpfen können. Veränderungen im Wohnumfeld sind für sie aus grundsicherungsrechtlicher Sicht nur möglich, soweit sie kostenneutral erfolgen können. Die mit dieser Einschränkung verbundenen Nachteile gebieten es aber, vom Hilfebedürftigen nur maßvolle Beschränkungen in seinen Gestaltungsmöglichkeiten zu fordern (vgl BSG aaO). Nach diesen Maßstäben war der Umzug der Klägerin zunächst nicht in dem Sinne notwendig, dass die bisherige Wohnung den Unterkunftsbedarf der Klägerin als Teil der verfassungsrechtlich garantierten Existenzsicherung nicht (mehr) zu decken vermocht hätte. Dies hat die Klägerin auch zu keiner Zeit behauptet. Sie hatte ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Zusicherung allein damit begründet, ihre Wohnsituation durch Aufgabe der "relativ ungünstigen Lage" verbessern zu können. Die neue Wohnung entspricht indes von Grundriss und Größe her exakt der bis zum 30. Juni 2010 innegehabten Erdgeschosswohnung. Gesundheitliche Gründe für einen Umzug der Klägerin in das 6. OG sind weder vorgetragen worden noch ansonsten ersichtlich. Auch Mängel der bisherigen Wohnung sind nicht dargetan oder feststellbar. Der einzig erkennbare und allgemein bekannte Vorteil einer typischerweise geringeren "Fußkälte" in höher gelegenen Wohnungen stellt als bloße Komfortverbesserung auch aus sonstigen objektiv bestehenden sachlichen Gründen kein Erfordernis zum Wohnungswechsel dar, zumal der Beklagte die dadurch ggfs erhöhten Heizkosten und sich hieraus ergebende Nachzahlungen durchgehend übernommen hatte und die Klägerin selbst einräumt, dass in der Wohnung im 6.OG nunmehr anteilige Betriebskosten für den Aufzug von ihr zu tragen sind. Es ist schon aus diesem Grunde nicht ersichtlich, dass sich ein Nichthilfebedürftiger in einer vergleichbaren Situation zu einem Umzug entschlossen hätte.

Die KdU-Aufwendungen für das Jahr 2011 waren somit gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf den Bedarf der bis zum 30. Juni 2010 bewohnten Unterkunft begrenzt. Es bedarf daher keiner weiteren Prüfung, ob die KdU der Wohnung im 6. OG im Entstehungszeitraum der Betriebskosten angemessen waren (vgl BSG, Beschluss vom 7. April 2014 – B 14 AS 311/13 B – juris). Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Beklagte über die tatsächlich für die frühere Wohnung zuletzt für Juni 2010 gewährten KdU-Leistungen hinaus keine weiteren Leistungen zu erbringen hätte.

Der "bisherige Bedarf" iSv § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, den das Tatsachengericht zu ermitteln hat (vgl BSG aaO Rn 23), und damit der maßgebende Deckelungsbetrag beläuft sich nämlich nicht auf 355,79 EUR monatlich, sondern auf 400,55 EUR monatlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten umfasst der Bedarf – schon begrifflich ist dies nicht der Fall - nicht lediglich die im Juni 2010 tatsächlich aufgewandten KdU-Leistungen zzgl der ab 1. Januar 2011 nicht mehr in Abzug zu bringenden Warmwasserpauschale in einer Gesamthöhe von 355,79 EUR. "Materiell" ist auch der durch die letzte Betriebskostennachforderung für die frühere Wohnung (1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010) entstandene "Bedarf" dem Zeitraum zuzuordnen, dem auch die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (vgl BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 9/11 R -; BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 12/10 R -). Hieraus folgt für Juni 2010 – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – eine Grundmiete iHv 215,38 EUR, Heizkosten iHv 121,82 EUR (gemäß Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2011 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 = 730,94 EUR./. 6 Monate) und sonstige Betriebskosten iHv 63,35 EUR (380,12 EUR./. 6 Monate), dh insgesamt 400,55 EUR. Diese Kosten waren jedenfalls auch in der ausgeworfenen Höhe von dem Beklagten zu übernehmen und sind – nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2011 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 – auch tatsächlich von dem Beklagten übernommen worden. Unabhängig davon, ob nach der Rechtsprechung des BSG Anhaltspunkte für die Unangemessenheit der Bruttokaltmiete oder der Heizkosten bestehen, waren die tatsächlichen Kosten für Juni 2010 schon deshalb zu übernehmen, weil der Beklagte entsprechende Kostensenkungsverfahren seinerzeit nicht durchgeführt und bezüglich der früheren Wohnung zu keiner Zeit auf aus seiner Sicht unangemessen hohe Kosten, auch nicht auf etwaige unangemessene Heizkosten, hingewiesen hatte. Solange die Leistungen für Unterkunft jedoch in tatsächlicher Höhe zu erbringen sind, stellen sie einen grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Existenzsicherung im Bereich des Wohnens dar und sind demzufolge auch nicht wie Schulden iS des § 22 Abs. 8 SGB II zu behandeln.

Der demnach für Juni 2010 anzusetzende Bedarf iHv 400,55 EUR stellt die nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II maßgebende individuelle Angemessenheitsgrenze für die Klägerin jedenfalls auch im Jahr 2011, dem Entstehungsjahr der hier streitigen KdU, dar. Der Senat sieht keinen Rechtsgrund, weshalb die Begrenzung auf die bisherigen Kosten bereits nach Ablauf eines halben Jahres aufgehoben werden oder nicht mehr anwendbar sein sollte. Eine zeit- und realitätsgerechte Fortschreibung entsprechend der abstrakten Angemessenheitsgrenze stellt sich nach Auffassung des Senats bezogen auf den Umzug zum 1. Juli 2010 jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum 2011 (noch) nicht (vgl auch BSG, Beschluss vom 14. August 2014 – B 14 AS 46/14 B – juris).

Für den hier maßgebenden Abrechnungszeitraum ist ausgehend davon, dass über die Angemessenheit der Aufwendungen insoweit zwischen den Beteiligten noch keine bindende Entscheidung vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 9/11 R -), von einer Nettokaltmiete iHv monatlich 241,51 EUR, von Heizkosten iHv monatlich 111,34 EUR (gemäß Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2012 = 1.336,07 EUR./. 12 Monate) und von sonstigen Betriebskosten iHv 76,33 EUR (915,98 EUR./. 12 Monate) auszugehen, dh insgesamt von einem Bedarf iHv 429,18 EUR monatlich. Da der Beklagte Leistungen nur iH des Bedarfs vor dem nicht erforderlichen Umzug (= 400,55 EUR), dh einen Mehrbetrag zu den bereits gezahlten KdU-Leistungen (= 355,79 EUR monatlich) iHv höchstens 44,76 EUR monatlich, zu erbringen hat, errechnet sich ein von ihm zu tragender Anteil an der Betriebskostenabrechnung iHv 537,12 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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