L 3 U 3416/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 1432/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3416/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der 1949 geborene Kläger gab in der von ihm unter dem 22.07.2008 gefertigten Unfallanzeige an, am 16.05.2007 auf dem Heimweg von einer von ihm im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit beim Betreuungsverein N. e. V. wahrgenommenen Fortbildungsveranstaltung gestolpert und auf seine rechte Seite, insbesondere im Hüftgelenksbereich, gefallen zu sein. Er gab im weiteren Verlauf an, zwar leide er seit dem Jahr 2004 an einem Plasmozytom, jedoch habe sich seit seinem Unfall sein gesamter Gesundheitszustand stark verschlechtert. Zusätzliche Behandlungsmaßnahmen in Form von Strahlentherapie seien erforderlich geworden. Ferner seien starke Schmerzen im gesamten Wirbelsäulenbereich, im Brustkorb und in den Beinen hinzugekommen. Verstärkt habe sich die Peroneuslähmung rechts und das Taubheitsgefühl in den Beinen.

Aktenkundig wurden die Arztbriefe der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Charité Berlin vom 07.07.2006, 19.07.2007, 10.08.2007, 14.08.2007, 16.08.2007, 14.05.2008, 12.01.2009 und 30.06.2009, die Arztbriefe des Radiologen Dr. S. vom 13.07.2007 und 31.08.2007 sowie die Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Medicproof vom 17.06.2008 und 14.01.2010. Aus diesen Unterlagen geht zunächst hervor, dass beim Kläger im Januar 2004 ein multiples Myelom Typ IgG Kappa Stadium III B und in dessen Folge im weiteren Verlauf unter anderem eine Fraktur BWK7, eine Sinterung BWK8 mit Hinterkantenbeteiligung, eine Höhenminderung BWK11, ein Deckplatteneinbruch BWK12 und LWL2,3-5, diffuse Knochenmarkinfiltrationen, Osteolysen Humeri beidseits sowie multiple pathologische Rippenfrakturen diagnostiziert worden. Ferner geht aus den Unterlagen unter anderem hervor, dass von Dr. S. am 13.07.2007 magnetresonanztomographisch als Hauptbefund ein ausgedehnter Plasmozytom-Herd rechts in der Beckenschaufel festgestellt und der Kläger am 13.07.2007 aufgrund zunehmender Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte außerplanmäßig in der Charité stationär aufgenommen wurde. Die Ärzte der Charité führten aus, in dem bereits ambulant durchgeführten Magnetresonanztomographiebefund habe sich eine ausgedehnte Osteolyse im Bereich der rechten Beckenschaufel und des Beckenkamms darstellen lassen. Es sei sodann eine fraktionierte Bestrahlung des Beckens erfolgt. Unter Optimierung der Schmerzmedikation sei der Kläger deutlich beschwerdeärmer geworden. Am 19.07.2007 wurden in der Charité nur bedingt abgrenzbare Osteolysen im Ramus superior des Os pubis beidseits und am linken Pfannendach sowie eine Fraktur am rechten oberen Schambeinast ohne wesentliche Dislokation beschrieben. Im weiteren Verlauf stellte Dr. S. am 31.08.2007 magnetresonanztomographisch eine größenkonstante ausgedehnte Osteolyse in der rechten Beckenschaufel fest, woraufhin der Kläger am 14.08.2007 erneut aufgrund einer Exacerbation der Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte in der Charité stationär aufgenommen wurde. Nach den Angaben der Ärzte der Charité hätten sich röntgenologisch eine bekannte ältere, nicht dislozierte Fraktur am oberen Schambeinast rechts und kein Anhalt für eine neu aufgetretene Fraktur als Ursache der zunehmenden Beschwerden ergeben. Unter Optimierung der Schmerzmedikation sei der Kläger beschwerdeärmer geworden. Am 30.06.2009 stellten die Ärzte der Charité keine erkennbaren Osteolysen oder Frakturen im Bereich der Wirbelsäule fest.

Sodann holte die Beklagte das nach Aktenlage erstellte Gutachten des Prof. Dr. E., Direktor an der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Unfallkrankenhauses Berlin, vom 01.09.2011 ein. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, der Unfall vom 16.05.2007 habe zu einer Beckenprellung rechts, die nach sechs Wochen als ausgeheilt zu betrachten sei, geführt. Der Aktenlage sei kein nach diesem Unfall entstandener Körperschaden zu entnehmen. Der Kläger habe sich nach dem Stolpersturz nicht ärztlich vorgestellt. In den anschließenden dokumentierten ärztlichen Vorstellungen, welche sämtlich wegen der bekannten Grunderkrankung, des Plasmozytoms, erfolgt seien, sei ein Trauma nie erwähnt worden. In den unfallzeitpunktnahen ärztlichen Konsultationen sei bildmorphologisch eine ausgedehnte neue Osteolyse im Bereich des rechten Beckens und des rechten Schambeinastes diagnostiziert und mehrfach kontrolliert worden. Die Fraktur des oberen Schambeinastes rechts sei Folge der Grunderkrankung des Plasmozytoms und infolge einer neu aufgetretenen Osteolyse im Beckenkamm entstanden, jedoch nicht Traumafolge. Eine Verschlechterung der Befindlichkeit bezüglich der Wirbelsäule sei weder in den klinischen Untersuchungen noch in den bildgebenden Verfahren bestätigt.

Mit Bescheid vom 06.12.2011 führte die Beklagte aus, der Kläger habe wegen der Folgen seines Versicherungsfalls keinen Anspruch auf Rente. Eine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei wegen der Folgen des Versicherungsfalls nicht verblieben. Der Versicherungsfall habe zu einer ausgeheilten Beckenprellung rechts bei unfallfremdem Vorschaden geführt. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege eine Plasmozytom-Erkrankung seit 2004 mit bekannten Skelett-Osteolysen vor. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2012 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 21.03.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat zur Begründung ausgeführt, schon der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Sturz am 16.05.2007 und der Klage über zunehmende Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte Anfang Juli 2007 sowie der Verschlechterung im August 2007 sei ein Anhaltspunkt dafür, dass die drastische Verschlechterung ihre Ursache in dem Sturz habe. Ferner stehe es zumindest nicht fest, dass seine Grunderkrankung als innere Ursache den Gesundheitsschaden herbeigeführt habe. Er hat ferner ausgeführt, nach dem Sturz habe er stechende Schmerzen im gesamten Hüftgelenksbereich, in der Schambeinfuge und im Wirbelsäulenbereich bekommen. Er habe zuerst den ganzen Vorfall verarbeiten müssen und eine Ruhestellung einnehmen müssen, um weitere Schmerzen zu vermeiden. Wochen danach habe er die Dosis der Schmerzmittel erhöhen müssen, damit er mit Begleitung und Gehhilfen die Charité habe erreichen können. Er hat die Arztbriefe des Dr. S. vom 16.03.2007 und 17.01.2008 sowie der Charité vom 30.09.2008 vorgelegt. Daraus geht unter anderem hervor, dass von Dr. S. magnetresonanztomographisch am 16.03.2007 ein diffuses Befallsmuster der gesamten Brust- und Lendenwirbelsäule im Rahmen des Plasmozytoms ohne Nachweis größerer stabilitätsgefährdender Osteolysen sowie am 17.01.2008 eine konstant große bis an das Acetubulum und in das Schambein reichende Osteolyse in der rechten Beckenschaufel, neu aufgetretene Osteolysen im linken Os sacrum sowie neu aufgetretene Schambeinfrakturen rechts und die Ärzte der Charité computertomographisch ausgeprägt größenstationäre osteolytisch/osteopene Knochenstrukturveränderungen bei bekanntem Plasmozytom festgestellt haben.

Sodann hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. Sch., Chefarzt der Chirurgie des St. Josephs-Krankenhauses Freiburg, vom 06.08.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, in der Folge des sich am 16.05.2007 ereigneten Sturzes sei keine ärztliche Vorstellung, Röntgendiagnostik oder andere Befunderhebung erfolgt. Bei weiteren im Rahmen der Plasmozytom-Behandlung durchgeführten Röntgenkontrollen habe sich ein osteolytischer Befall im Bereich der rechten Beckenschaufel gezeigt. Aufgrund dieser Befunde sei eine Bestrahlungsbehandlung erfolgt. Das Unfallgeschehen sei nicht Ursache der jetzt erhobenen Befunde. Die radiologisch dokumentierten Veränderungen seien Folgen der Plasmozytom-Erkrankung. Es sei allenfalls von einer vorübergehenden Symptomatik aufgrund einer sich beim Sturz zugezogenen Hüftprellung auszugehen.

Sodann hat der Kläger das Attest des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. L. vom 18.10.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt worden, der Kläger habe im Rahmen der therapeutischen Behandlungen beschrieben, dass seit Mai 2007 im Zusammenhang mit einem Sturzereignis Ängste und psychische Beschwerden erheblich zugenommen hätten. In seiner vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft vom 03.02.2013 hat Dr. L. ausgeführt, der Kläger sei vom 30.01.2006 bis zum 27.06.2011 in psychotherapeutischer Behandlung gewesen.

Daraufhin hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. E., Leiter der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, vom 23.05.2013 eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger leide unter einem depressiven und einem phobischen Syndrom. Die depressive Episode im Rahmen der rezidivierenden depressiven Störung werde nicht durch das Unfallgeschehen verursacht. Die phobische Befürchtung beziehungsweise Entwicklung sei durch das Unfallgeschehen beziehungsweise durch das Erlebnis des Unfallgeschehens und das Erinnern daran verursacht worden. Die unfallbedingte Störung könne als phobische Entwicklung bezeichnet werden. Eine MdE ergebe sich dadurch nicht.

In seiner ergänzenden sachverständigen Zeugenauskunft vom 28.10.2013 hat Dr. L. ausgeführt, die eingetretene phobische Entwicklung lasse sich auf den Unfall zurückführen. Insofern lasse sich hierdurch eine Verschlimmerung des gesamten Krankheitsbildes erkennen. Die depressive Episode selbst sei multikausal. Als weitere wichtige unterstützende Kausalität sei dabei auch die unfallbedingte phobische Entwicklung zu sehen.

Schließlich hat der Kläger den Arztbrief des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 10.10.2013 vorgelegt. Dieser hat darin ausgeführt, der Kläger sei durch die anhaltend erlebte Ungerechtigkeit der Nichterkennung seines Wegeunfalls in seiner Lebensfreude blockiert.

Mit Urteil vom 24.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, auf orthopädischem Fachgebiet habe der Kläger durch den Arbeitsunfall lediglich eine folgenlos ausgeheilte Beckenprellung erlitten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. Sch., der nachvollziehbar dargelegt habe, dass die radiologisch dokumentierten Veränderungen Folgen der Plasmozytom-Erkrankung seien. Darin habe er mit der Einschätzung des Prof. Dr. E. übereingestimmt, der ebenfalls davon ausgegangen sei, dass die Osteolysen und die Fraktur des Beckens nicht auf den Sturz, sondern auf die Grunderkrankung des Klägers zurückzuführen seien. Ihre Auffassung hätten beide Gutachter übereinstimmend auf die Röntgenbilder und den Krankheitsverlauf des Klägers gestützt. Es gebe keinen Anlass, diesem schlüssigen Gutachten nicht zu folgen. Auch auf psychiatrischem Fachgebiet habe der Kläger durch den Sturz keine Gesundheitsstörung erlitten, die die Feststellung einer MdE um mindestens 20 vom Hundert (v. H.) rechtfertigen würde. Prof. Dr. E. habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Kläger an einem depressiven Syndrom und einem phobischen Syndrom leide, wobei das depressive Syndrom nicht Folge des Sturzes sei. Dieser Einschätzung sei zu folgen. Prof. Dr. E. habe nachvollziehbar dargelegt, dass das depressive Syndrom des Klägers bereits Jahre vor dem Sturz bestanden habe und der Kläger deswegen schon vor dem Sturz in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei. Eine richtungsweisende Verschlimmerung des depressiven Syndrom durch den Sturz werde von Prof. Dr. E. nicht gesehen, da sich auch der Krankheitszustand des Klägers im Rahmen der Plasmozytom-Erkrankung in diesem Zeitraum verschlechtert habe. Durch den Sturz habe der Kläger zwar ein phobisches Syndrom entwickelt, dies führe nach Einschätzung von Prof. Dr. E. jedoch nicht zu einer MdE. Anhaltspunkte für eine MdE ausschließlich durch das phobische Syndrom seien nicht erkennbar. Es sei zudem nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass sich das schon vor dem Sturz bestehende depressive Syndrom ausschließlich durch den Sturz und die eingetretene phobische Entwicklung richtungsweisend verschlechtert habe. Insoweit stelle Dr. L. auch lediglich fest, dass die depressive Episode multikausal sei und die phobische Entwicklung als weitere wichtige unterstützende Kausalität zu sehen sei. Nachweise dafür, dass die Verschlechterung der psychischen Symptome ausschließlich oder zumindest wesentlich auf den Sturz beruhten, würden jedoch nicht erbracht. Die Stellungnahme des Dr. W. sei ebenfalls nicht geeignet, die Einschätzung des Prof. Dr. E. zu entkräften. Dieser führe lediglich aus, dass der Kläger durch die anhaltend erlebte Ungerechtigkeit der Nichtanerkennung seines Wegeunfalls in seiner Lebensfreude blockiert sei. Dies führe jedoch nicht dazu, dass der Sturz selbst ursächlich für die Beschwerden des Klägers sei. Lediglich der Rechtsstreit über die Folgen des Sturzes führe zur Frustration des Klägers.

Gegen das ihm am 11.07.2014 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 11.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er ist weiterhin der Ansicht, dass ausschließliche Ursache des phobischen Syndroms der Sturz gewesen sei und dieses auch zu einer MdE geführt habe. Ferner sei eine durch den Arbeitsunfall verursachte Beckenringfraktur beziehungsweise Verletzung des Schambeins bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden. Er hat außerdem moniert, dass das Gutachten des Prof. Dr. E. nur nach Aktenlage erstellt worden sei. Auch ergebe sich aus den Unterlagen, dass vor dem Arbeitsunfall keine Schambeinfraktur diagnostiziert worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juni 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die jetzt vorgetragenen Berufungsgründe seien nicht geeignet, die insbesondere in den Gutachten von Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. E. schlüssig und überzeugend getroffenen medizinischen Feststellungen zu widerlegen.

Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 28.01.2015 erörtert. Er hat die Beteiligten darauf hingewiesen, es sei für den Fall, dass es nicht zu einer Berufungsrücknahme komme, eine Entscheidung durch Beschluss beabsichtigt. Die Beteiligten haben sich mit einer solchen Verfahrensweise einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgericht (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden, da das SG nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat die hiergegen eingelegte Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat die Beteiligten hierzu vorher gehört.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 24.06.2014, mit dem die auf die Gewährung einer Verletztenrente und die dementsprechende Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 06.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2012 gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 SGG abgewiesen worden ist.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 in Verbindung mit § 72 und § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII).

Renten werden an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, der Versicherungsfall eingetreten ist (§ 72 Abs. 1 SGB VII).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 16 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris). Für die Gewährung einer Verletztenrente ist erforderlich, dass aufgrund des Gesundheitserstschadens länger andauernde und mit einer rentenberechtigenden MdE zu bewertende Unfallfolgen - Gesundheitsdauerschaden - entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität). Bei der Bemessung der MdE handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, die das Tatsachengericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 23.04.1987 - 2 RU 42/86 - juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 28 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht fest, dass die beim Kläger verbliebenen Unfallfolgen keine MdE um 20 v. H. bedingen und somit der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente hat.

Zwar hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid festgestellt, dass der Kläger am 16.05.2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Hierdurch ist es nach den Gutachten des Prof. Dr. E. und Prof. Dr. Sch. zu einer nach sechs Wochen ausgeheilten Hüft- oder Beckenprellung rechts gekommen, die keine MdE bedingt.

Prof. Dr. E. und Prof. Dr. Sch. haben übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass sich der Kläger unmittelbar nach dem Unfall nicht ärztlich vorgestellt hat, in den anschließenden wegen des vorbestehenden Plasmozytoms erfolgten ärztlichen Vorstellungen bei Dr. S. und in der Charité ein Trauma nicht erwähnt worden ist und in den unfallzeitpunktnahen ärztlichen Konsultationen bildmorphologisch nur eine ausgedehnte neue Osteolyse im Bereich des rechten Beckens und des rechten Schambeinastes diagnostiziert und mehrfach kontrolliert worden ist. Beide Sachverständigen haben hieraus für den Senat sehr gut nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass die Fraktur des rechten oberen Schambeinastes als Folge des Plasmozytoms und einer neu aufgetretenen Osteolyse im Beckenkamm entstanden ist und damit nicht Traumafolge ist. Sie haben ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Verschlechterung der Befindlichkeit bezüglich der Wirbelsäule weder in den klinischen Untersuchungen noch in den bildgebenden Verfahren bestätigt worden ist und damit ebenfalls nicht als Unfallfolge berücksichtigt werden kann. Das SG ist in seiner Entscheidung dieser gutachterlichen Einschätzung zu Recht gefolgt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung gemäß § 153 Abs. 2 SGG unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Der Senat folgt dem SG auch insoweit, als es dargelegt hat, dass der Kläger auch auf psychiatrischem Fachgebiet keine unfallbedingte Gesundheitsstörung erlitten hat, die eine MdE um mindestens 20 v. H. rechtfertigen würde. Zwar leidet der Kläger nach dem Gutachten des Prof. Dr. E. an einem depressiven und phobischen Syndrom. Dass das depressive Syndrom nicht Folge des Unfalls ist, hat Prof. Dr. E. nachvollziehbar dargelegt, indem er darauf hingewiesen hat, dass das depressive Syndrom des Klägers bereits Jahre vor dem Sturz bestanden hat und der Kläger deswegen schon vor dem Unfall in psychotherapeutischer Behandlung gewesen ist. Auch eine unfallbedingte richtungsweisende Verschlimmerung des depressiven Syndrom hat der Sachverständige mit schlüssiger Argumentation verneint. Da sich der Krankheitszustand des Klägers im Rahmen der Plasmozytom-Erkrankung in diesem Zeitraum verschlechtert hat, sprechen nicht mehr Gründe für als gegen einen Zusammenhang zwischen Unfall und Verschlechterung des depressiven Syndroms. Doch selbst wenn dem Sturz im Sinne der von Dr. L. angenommenen Multikausalität der depressiven Episode eine Mitursache beizumessen wäre, so wären dem Senat keine Gründe ersichtlich, den Unfall als wesentliche Ursache auch für eine etwaige Verschlimmerung anzusehen. Dr. L. gab zwar an, dass es für den Kläger eine Verschlimmerung darstelle. Er konnte aber nicht angeben, inwieweit es sich tatsächlich um eine Verschlimmerung handelte. Es fehlen psychiatrische Befunde zu dieser Zeit. Daraus zieht Prof. Dr. E. zu Recht den Schluss, dass es unmöglich ist, eine Verantwortlichkeit des Unfallereignisses für diese Symptome wahrscheinlich zu machen. Prof. Dr. E. hat ferner gut nachvollziehbar dargelegt, dass sich durch den Unfall zwar ein phobisches Syndrom entwickelt hat. Es handelt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen dabei um beginnende Ängste vor erneuten Stürzen und Unsicherheit. Diese bedingen aber auch nach Einschätzung des Senats keine rentenberechtigende MdE. Unter Heranziehung der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 5.1.16, S. 158) handelt es sich bei dieser Phobie des Klägers noch nicht um eine mit einer MdE bis 30 v. H. zu bewertende Phobie bei zentralen Situationen der allgemeinen Arbeitswelt oder mehreren bedeutsamen, begrenzten Arbeitssituationen, sondern nur um eine mit einer MdE bis 10 v. H. zu bewertende Phobie bei eng begrenzten und für die Arbeitswelt wenig bestimmenden Situationen. Denn der Kläger verzichtet wegen seiner Angststörung lediglich auf Fahrten mit der U-Bahn und dem Fahrrad. Eine wesentliche Beeinträchtigung durch die Angststörung in Bezug auf die Arbeitswelt besteht also nicht. Diese Einschränkung ist daher aus Sicht des Senats mit einer MdE zwischen 0 und 10 v. H. zu bewerten.

Nach alledem lässt sich beim Kläger keine rentenberechtigende MdE um mindestens 20 v. H. rechtfertigen. Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente.

Daher war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
Aus
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