L 3 U 365/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 726/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 365/14
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist ungeklärt bzw. unklärbar, ob der Tod auf einem Betriebsweg durch Selbsttötung geschehen oder verkehrsunfallbedingt eingetreten ist, trägt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beweislast dafür, dass ein Suizid vorgelegen hat.
Hinterbliebene sind nicht beweispflichtig dafür, dass der Versicherte nicht in Selbsttötungsabsicht gehandelt hat.
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Juli 2014 sowie der Bescheid vom 23. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2012 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 17. Januar 2012 um einen Arbeitsunfall des Ehemannes der Klägerin gehandelt hat.

II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass es sich bei dem Verkehrsunfall ihres Ehegatten mit tödlichem Ausgang vom 17.01.2012 um einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) gehandelt hat.

Der 1948 geborene Ehegatte der Klägerin (nachfolgend Versicherter) war bei der Beklagten als selbständiger Finanzmakler freiwillig versichert, als er am 17.01.2012 gegen 15:12 Uhr auf der Kreisstraße M 3 von A-Stadt kommend in westliche Richtung fuhr. Nach den Ermittlungen der Verkehrspolizeiinspektion A-Stadt lenkte er in der Gemarkung U-Stadt (nach Querung der E-Straße südlich des F-Sees) trotz gerade verlaufender Fahrbahn nach links und stieß mit dem von Herrn P. gelenkten LKW (MAN) frontal zusammen. Dies wurde durch den unbeteiligten Zeugen T. beobachtet.

Der Unfallort, insbesondere der Fahrbahnrand, wurde nach Reifenspuren abgesucht. In Fahrtrichtung des Versicherten konnten weder auf der Fahrbahn Bremsspuren noch am rechten Straßenbankett Reifenspuren aufgefunden werden, welche Rückschlüsse auf die Unfallursache ergeben würden. Auch an den rechten Rädern des PKW Smart waren keinerlei Erdanhaftungen oder Ähnliches erkennbar. Zur Unfallzeit herrschte Tageslicht, die Sicht war uneingeschränkt frei. Während der Unfallaufnahme wurde die Klägerin im Rahmen der Angehörigenverständigung befragt. Sie gab an, ihr sei vor einigen Tagen aufgefallen, dass die Lenkung am PKW Smart nicht in Ordnung gewesen sei. Weiterhin gab sie an, dass ihr Ehegatte finanzielle Probleme habe, welche jedoch aus ihrer Sicht nicht existenzbedrohend wären. Aufgrund dessen wurde der PKW sichergestellt. Eine Inaugenscheinnahme der Betriebsbremse ergab, dass der PKW Smart offensichtlich vor dem Frontalzusammenstoß mit dem LKW des P. nicht abgebremst wurde. Ferner konnten keine Hinweise auf mechanische Defekte im Bereich der Lenkungsbauteile und des Lenkgetriebes festgestellt werden.

Der von P. gelenkte LKW (ein beladener Kieslaster) befand sich in einem technisch einwandfreien Zustand. Für ihn war der Zusammenstoß laut Gutachten der Firma G. räumlich unvermeidbar, obwohl dessen gefahrene Geschwindigkeit 66 km/h anstatt erlaubter 60 km/h betrug. Nach dem Schlussvermerk der Verkehrspolizeiinspektion A-Stadt ließ sich die Unfallursache weder auf einen technischen Mangel noch auf die Fahrweise des LKW-Fahrers zurückführen. Auch die Obduktion des Leichnams des Versicherten ergab keine Hinweise auf eine vorbestehende innere Erkrankung als auslösende Ursache für den Verkehrsunfall, so das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der LMU A-Stadt vom 24.01.2012. Die angeordnete Blutalkoholbestimmung ergab einen Wert von 0,0 Promille. Der verstorbene Ehegatte der Klägerin war bei dem Unfall angegurtet und verstarb an den Folgen des schweren Polytraumas mit umfangreichen Skelett-, Organ- und Weichteilverletzungen.

Herr P. gab bei seiner Vernehmung am 08.02.2012 vor der Polizeiinspektion A-Stadt durch die Polizeihauptmeisterin (PHMin) M. an, dass der Versicherte mit beiden Händen in Richtung seines LKWs gelenkt und ihn dabei noch angesehen habe. Dies deutete aus Sicht der PHMin M. ausweislich des Schlussvermerks vom 12.06.2012 nicht auf einen Verkehrsunfall hin, sondern auf einen Suizid des Versicherten, da dieser auf gerader Strecke ohne zu bremsen mit relativ hoher Geschwindigkeit nach links lenkte und dabei einen frontalen Zusammenstoß mit einem 26 Tonnen schweren Fahrzeug herbeiführte. Der Grund für seinen Suizid dürften offensichtlich finanzielle Probleme gewesen sein. Ein Abschiedsbrief konnte im Fahrzeug, welches mit diversen beruflichen Unterlagen überhäuft war, nicht aufgefunden werden.

Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass sich der Ehegatte der Klägerin nach eigenem Bekunden kurz vor seinem Tod auf dem Rückweg in sein Büro in der P-Straße 40a in A-Stadt befand. Nach einem Termin bei den Steuerberatern A. und W. etwa um 13 Uhr in U-Stadt (nordwestlich von A-Stadt) hatte er noch um 15:05 Uhr bei seiner Assistentin M. angerufen (Hinweis: der Anruf hat entsprechend späterer Zeugenaussage bereits etwas nach 14 Uhr 30 stattgefunden) und gefragt, ob etwas Wichtiges vorgelegen habe. Er sei auf dem Rückweg, man sehe sich dann gleich.

Der Zeuge T. wurde noch am Unfalltag von PHMin M. zum Unfallhergang vernommen. Dieser befuhr im Bereich der späteren Unfallstelle im Gegenverkehr die Fahrbahn hinter einem Kieslaster. Er gab bei der Zeugenvernehmung an, dass plötzlich der entgegenkommende PKW des Versicherten aus dem Gegenverkehr auf seine, des Zeugen, Fahrbahn eingefahren sei, der entgegenkommende PKW Smart sei komplett in seine Fahrbahn eingefahren. Er schätzte den Abstand zwischen dem LKW vor ihm und dem entgegenkommenden PKW auf höchstens 100 Meter. Der LKW habe noch versucht zu bremsen, es sei dann aber bereits zu einem dumpfen Aufschlag gekommen.

Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater W. reichte am 23.01.2012 ein vorläufiges Zahlungsverbot mit einem Schuldanerkenntnis des verstorbenen Ehegatten der Klägerin vom 03.02.2011 ein. Danach schuldete der Versicherte Herrn W. 22.596,84 EUR zuzüglich Zinsen und Kosten.

Am 08.02.2012 wurde der Fahrer des LKW Herr P. befragt. Er gab an: "Ich habe gesehen, dass er mit mir Blickkontakt hatte und beide Hände am Lenkrad waren. Ich habe noch gesehen, dass er graue Haare hatte."

Dem unfallanalytischen Gutachten des Dipl.-Ing. P. S. vom 15.05.2012 (Firma G.), eingeholt durch die Verkehrspolizei A-Stadt, war zu entnehmen, dass der LKW mit 66 km/h die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Unfallstelle von 60 km/h überschritten hatte. Eine relevante Auswirkung der Geschwindigkeit auf das Unfallgeschehen wurde jedoch verneint. Die sicherheitsrelevanten Bauteile des PKW Smart waren ordnungsgemäß verschraubt und funktionstüchtig, insbesondere das Lenkgetriebe. Das funktionstüchtige Bremslicht war zum Kollisionszeitpunkt und auch davor nicht aktiviert gewesen. Die technische Untersuchung des Bremspedals und des im oberen Bereich abgebrochenen Gaspedals sowie die Spuren auf der rechten Fußsohle des Versicherten ergaben, dass sich der rechte Fuß mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Kollisionszeitpunkt auf dem Gaspedal befand. Weshalb der verstorbene Ehegatte der Klägerin mit hoher technischer Wahrscheinlichkeit vor der Kollision nicht gebremst habe, könne auf unfallanalytischem Wege nicht aufgeklärt werden. Technische Mängel seien nach derzeitigem Kenntnisstand ebenso auszuschließen wie eine fahrdynamische Unfallursache.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.08.2012 die Anerkennung des Ereignisses vom 17.01.2012 als Arbeitsunfall ab. Es habe sich nicht um einen Unfall im Sinne des Gesetzes gehandelt, sondern um ein willentlich herbeigeführtes Ereignis. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob sich der verstorbene Ehegatte der Klägerin tatsächlich auf einem versicherten Weg befunden habe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hob mit Widerspruchsbegründung vom 17.10.2012 hervor, dass es sich bei der Annahme eines Suizides des Versicherten um bloße Vermutungen handele. Durch das unfallanalytische Gutachten hätten technische Defekte zum Beispiel an der Lenkung durch die erheblichen Beschädigungen des Fahrzeugs, das im gesamten Frontalbereich komplett eingedrückt und verformt gewesen sei, gar nicht festgestellt werden können. Für einen technischen Defekt spräche, dass Mängel an der Lenkung vom Versicherten und dessen Ehefrau schon deutlich vor dem Unfall festgestellt worden seien und das Fahrzeug vom Versicherten selbst am 09.01.2012 zu einer Reparatur/Service für den 31.01.2012 angemeldet worden sei, mithin unmittelbar nach der geplanten Rückkehr von einem zwischenzeitlichen Urlaub, der mit dem PKW der Klägerin habe angetreten werden sollen. Gegen die These eines Suizides spreche ganz eindeutig die Tatsache, dass der Versicherte den Sicherheitsgurt angelegt hatte. Gegen die These eines Suizides spreche weiter, dass der Versicherte zwar finanzielle Schwierigkeiten gehabt habe, veranlasst durch den Kauf zweier Wohnungen in L-Stadt. Es gebe jedoch nicht den geringsten Anschein, dass der Versicherte depressiv geworden sei. Er sei ein lebensfroher und lebensbejahender Typ, der auch in manchmal schwierigen Situationen als Finanzberater immer ausgeglichen und positiv eingestellt gewesen sei. Die tatsächliche Unfallursache sei daher vorliegend ungeklärt und auch die Annahme einer Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit eines Unfalles führe nicht zum Ausschluss der Leistungsannahme eines Arbeitsunfalls. Der Bevollmächtigte der Klägerin legte des Weiteren eine Reservierung bezüglich eines Mietwagens bei der Firma S. im A. (A-Straße 6 in A-Stadt) für den 17.01.2012, 16:00 Uhr, vor. Nach dem Terminkalender des Versicherten habe dieser mit einem Mietwagen am 18.01.2012 zu einem Geschäftstermin fahren wollen.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.08.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2012 zurück. Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sei, dass die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis, der Gesundheitsschaden und die Unfallfolgen mit Gewissheit bewiesen sein müssten. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 27.12.2012 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Es habe sich um einen ungeklärten Verkehrsunfall gehandelt. Ganz wesentlich gegen einen Suizid spreche, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin angegurtet gewesen sei. Es hätten auch keinerlei Anzeichen von Depression oder entsprechenden Verstimmungen vorgelegen. Ob hier eine plötzliche Lenkbewegung wegen eines Ausweichmanövers, ein technischer Defekt oder auch ein sog. Sekundenschlaf die Ursache gewesen seien, könne man objektiv nicht mehr klären.

Das SG hat die Akten der Beklagten beigezogen und in der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2014 die Zeugen T. und M. einvernommen. Der Zeuge T. bestätigte im Wesentlichen die bereits vor der Polizei gemachten Angaben. Auf die Niederschrift vom 29.07.2014 wird verwiesen.

Die Zeugin M. (Assistentin des Versicherten) hat ausgesagt: "Der 17.01.2012 war ein ganz normaler Arbeitstag, ich habe im Büro gearbeitet, Herr P. war bei Terminen unterwegs. Er hat mich dann ungefähr um halb drei angerufen und hat gefragt, ob etwas Besonderes gewesen wäre und angekündigt, dass er bald kommen würde, er wäre auf dem Rückweg. Unser Büro war in der P-Straße. Wir haben noch kurz besprochen, ob Post gekommen sei, ob irgendein Kunde angerufen habe. Das Gespräch hat nur wenige Minuten gedauert. Ich war dort im Büro bei Herrn P. angestellt. Ich habe bei Herrn P. am 01.08.2008 angefangen zu arbeiten. Herr P. hat auf mich keinen deprimierten Eindruck gemacht, er war insgesamt sehr lebensfroh, hat mir auch öfter mal etwas erzählt und Tanzschritte gezeigt oder Witze gemacht. Mir ist in diesem Gespräch keine Veränderung zu sonst aufgefallen, auch nicht zu seiner Stimmung oder Stimme, ich hatte den Eindruck, er hatte sich gefreut wieder ins Büro zu kommen, er war gut drauf. Wir waren in einer Bürogemeinschaft untergebracht und ich war seine einzige Angestellte. Er wollte direkt ins Büro kommen. Davon, dass er noch zur Autovermietung wollte, weiß ich nichts. Auf welchem Termin am 17.01.2012 der verstorbene Ehegatte der Klägerin gewesen ist, hat die Zeugin M. nicht sagen können. Wir hatten auch Kunden in A-Stadt, genaueres kann ich dazu nicht mehr sagen. Ich kann mich erinnern, dass am 17.01.2012 ein Termin im Kalender eingetragen war, wo das war, weiß ich nicht mehr.

Nachdem der Zeuge P. nicht erschienen ist, hat das SG das Protokoll über dessen polizeiliche Vernehmung vom 08.02.2012 verlesen und zum Gegenstand der Sitzungsniederschrift gemacht.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.07.2014 abgewiesen. Zur Überzeugung des SG sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bei dem Ereignis vom 17.01.2012 durch ein willentliches Herbeiführen des Fahrbahnwechsels den daraufhin folgenden Frontalzusammenstoß herbeigeführt habe. Es liege somit nachgewiesenermaßen ein Lösen von der versicherten Tätigkeit durch eine willentliche Handlung des Versicherten vor.

Die Bevollmächtigten der Klägerin beantragen mit Berufung vom 04.09.2014 festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 17.01.2012 um einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall gehandelt hat. Sie heben mit Berufungsbegründung vom 22.10.2014 hervor, es gebe keinerlei objektive Anhaltspunkte für eine Selbsttötungsabsicht des Versicherten. Die Tatsache, dass der verunfallte Ehemann beide Hände am Lenkrad gehabt hat und dass vom Gutachter festgestellt worden ist, dass der Gashebel abgebrochen war, stellten keine objektiven Anhaltspunkte für eine Selbsttötungsabsicht dar, da diese Feststellungen auch bei einem Zusammenstoß bei einem Sekundenschlaf festzustellen sind. Der Versicherte sei auch nicht privat unterwegs gewesen. Insbesondere hätte auch der Zeuge P. gehört werden müssen.

Von Seiten des Senats werden die Unfallakten der Beklagten und die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen. Der potenzielle Zeuge P., der den LKW gelenkt hat, hat sich mit unbekanntem Aufenthalt am 01.06.2014 abgemeldet und kann somit nicht mehr einvernommen werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2015 erklärt die Klägerin, der Steuerberater A. sei Kunde des verstorbenen Ehemanns gewesen. Sie gibt weiterhin an, dass ihr Gatte vor dem Unfall bei einer Firma O. in A-Stadt gewesen sei. Dort könne man sich an den Besuch des Ehegatten am Unfalltag erinnern, wolle dies aber nicht schriftlich bestätigen. Im Übrigen habe ihr Ehemann regelmäßig bei der Firma S. einen Leihwagen für Fernfahrten genommen, um nicht mit dem Smart fahren zu müssen bzw. um den BMW der Klägerin zu schonen. Befragt zu der aktenkundigen Rechnung der Firma S. betreffend der Anmietung eines PKW von 17.01.2012 (16 Uhr) auf den 18.01.2012 (16 Uhr) erläutert die Klägerin, dass viele Rechnungen auch auf die Privatadresse ausgestellt worden seien, zumal ihr Gatte anfangs sein Büro nicht in der P-Straße, sondern zu Hause gehabt habe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.2014 sowie den Bescheid vom 23.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2012 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 17.01.2012 um einen Arbeitsunfall des Ehemannes der Klägerin handelt.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.

Das Urteil des SG vom 29.07.2014 sowie der Bescheid vom 23.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2012 sind aufzuheben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 17.01.2012 gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) um einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall gehandelt hat. Der Versicherte hat sich auch auf einem versicherten Betriebsweg befunden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

1) Die Klägerin hat ein entsprechendes Feststellungsinteresse. Denn sie begehrt Leistungen an Hinterbliebene im Sinne von §§ 63 ff. SGB VII und macht nicht Ansprüche des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin geltend (vergl. Bundessozialgericht - BSG - mit Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 21/08 R - jurisPR-SozR 19/2010).

2) Nach der neueren Rechtsprechung des BSG (BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R -; vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - ; vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R - ; vom 12.12.2006 - B 2 U 28/05 R - ) ist für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles im Sinne von § 8 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

a) Der Versicherte war als selbstständiger Finanzmakler und Finanzberater nach § 6 SGB VII freiwillig versichert. Nach den Feststellungen des Senats befand er sich am 17.01.2012 zum Unfallzeitpunkt gegen 15:12 Uhr auf einem versicherten Betriebsweg im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und vom Ort der Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen in sachlichem Zusammenhang mit der Versicherten Tätigkeit steht, ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und gegebenenfalls das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (BSG mit Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 48; UV-Recht Aktuell 2013, 951 - 960).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass sich der Versicherte auf einem versicherten Betriebsweg im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII befunden hat, als sich der tödliche Unfall ereignete. Diese Überzeugung stützt der Senat zunächst auf die Angaben der Klägerin vom 31.01.2012, welche sie nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.01.2015 glaubhaft bestätigte, wonach der Versicherte um 13 Uhr einen Termin bei den Steuerberatern A. und W. gehabt hat, die seine Kunden gewesen sind. Deren Kanzlei befindet sich in der M-Straße 3, U-Stadt. Die Frage, ob der Versicherte zwischen seinem Termin in U-Stadt und dem Unfall noch weitere Kunden (in A-Stadt) besuchte, musste nicht weiter aufgeklärt werden. Hierfür spricht zwar die aktenkundige Aussage der Zeugin M., dass der Versicherte in A-Stadt mehrere Kunden gehabt hat und die glaubhaften Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2015, wonach ihr Ehegatte am Nachmittag des Unfalltages eine Firma O. besucht habe. Im Vollbeweis ist jedenfalls nachgewiesen, dass der Versicherte von A-Stadt her kommend auf der Kreisstraße M 3 in Richtung U-Stadt fahrend nach der Querung der E-Straße südlich des F-Sees um 15:12 Uhr verunfallt ist. Zur Überzeugung des Senats ist weiterhin gesichert, dass er ab 16 Uhr einen reservierten PKW bei der Firma S. im A. (A-Straße 6, A-Stadt) hätte abholen wollen, um damit am nächsten Tag (18.01.2012) einen Kundenbesuch zu tätigen. Die Anmietung eines Leihwagens bei der Firma S. stand damit in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Aus der vorgelegten Reservierungsbestätigung der Firma S. ergibt sich aber auch, dass der Wagen nicht für die geplante Urlaubsreise verwendet werden sollte, da eine Rückgabe des Leihwagens für den 18.01.2012 um 16:00 Uhr vereinbart war. Weiterhin ist aufgrund der Zeugenaussage der Assistentin M. nachgewiesen, dass der Versicherte die Absicht hatte, noch am Unfalltag in das Büro in der P-Straße 40a in A-Stadt zurückzukehren.

Hiervon ausgehend ergibt die Würdigung des zumindest im Wesentlichen nachvollziehbaren Weges des Versicherten, dass dieser von der Steuerkanzlei A. und W. in U-Stadt über die Autobahnspange E 52 nach A-Stadt gefahren ist, um über die Kreisstraße M 3 in Richtung U-Stadt und dort weiter in Richtung A. zur Autovermietung S. mit dem Ziel zu fahren, dort den ab 16 Uhr zur Verfügung stehenden Mietwagen abzuholen. Gängige Routenplaner belegen, dass im Großraum A-Stadt der Weg von U-Stadt über die Autobahnspange E 52 nach A-Stadt und von dort aus in Richtung Innenstadt bzw. A. sinnvoll ist.

Auch der zeitliche Rahmen spricht für einen betrieblich veranlassten Weg: Auch wenn nicht gesichert ist, dass der Versicherte einen Kundenbesuch bei der Firma O. in A-Stadt tätigte, bietet der Unfallzeitpunkt 15:12 Uhr und der Abholtermin bei dem Autoverleiher Firma S. 16 Uhr ein in sich schlüssiges Bild, wenn man von einer geschätzten Fahrzeit vom Unfallort bis in den A. etwa 20 bis 30 Minuten in Berücksichtigung üblicher Verkehrsverhältnisse in A-Stadt zu veranschlagen sind und man davon ausgeht, dass der Versicherte bei der Firma S. den bereits reservierten Mietwagen möglichst pünktlich hätte übernehmen wollen.

Die Aussage der Zeugin M. vor dem SG in der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2014, der Versicherte hätte am Nachmittag des Unfalltages noch in das Büro in der P-Straße 40a in A-Stadt kommen wollen, steht vorstehenden Ausführungen nicht entgegen. Vielmehr ergibt sich ein schlüssiger Ablauf, wonach der Versicherte nach dem Abholen des gemieteten PKW anschließend durch die Innenstadt fahrend sein Büro aufgesucht hätte.

Die konkrete Verrichtung und der naheliegende Besuch der Firma O. im Zeitraum zwischen 13:30 Uhr und 15:00 Uhr musste nicht weiter aufgeklärt werden, da selbst durch eine eingeschobene private Verrichtung der Versicherungsschutz jedenfalls durch die Fortsetzung des Betriebsweges wieder aufgelebt wäre (vergl. BSG mit Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 19). Es liegt daher ein versicherter Betriebsweg vor, da die Handlungstendenz auf eine betriebliche Tätigkeit gerichtet war und dies durch zahlreiche objektive Umstände bestätigt wird.

b) Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder wie hier zum Tode führen.

Mit dem Erfordernis, dass das Ereignis "von außen" auf den Körper des Versicherten einwirken muss (vergl. dazu Keller, SGb 2012, S. 668 ff.), wird zum Ausdruck gebracht, dass ein allein aus innerer Ursache, d.h. aus dem Menschen selbst kommendes Geschehen nicht als Unfall anzusehen ist (Keller in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, K
§ 8 RdNr. 8; ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), z.B. BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, S. 269 ff; BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 42). Dieses Tatbestandsmerkmal dient ferner auch der Abgrenzung von Selbstschädigungen (Keller a.a.O mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 a.a.O).

Ausweislich dem Ergebnis der Obduktion (vergl. Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der LMU A-Stadt vom 24.01.2012 von Dr. H., Dr. P. und PD Dr. S.) haben sich keinerlei Hinweise für eine Erkrankung des Versicherten als auslösende Ursache des Verkehrsunfalls vom 17.01.2002 ergeben. Auch die polizeilich angeordnete Blutentnahme hat einen Blutalkoholgehalt von 0,0 Promille ergeben. Der Tod des Versicherten ist nach den Feststellungen der Obduktion durch die Folgen eines schweren Polytraumas mit umfangreichen Skelett-, Organ- und Weichteilverletzungen eingetreten.

Dem Begriff des Unfalls ist die Unfreiwilligkeit der Einwirkung immanent (Wagner, jurisPK-SGB VII, § 8, Rz.: 118). Daher steht das willentliche Herbeiführen einer Einwirkung der Annahme einer äußeren Einwirkung entgegen (vergl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Eine vorsätzliche Selbstschädigung im Sinne einer vollendeten Selbsttötung wäre daher nicht als Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu bewerten. Eine Selbsttötung ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht mit der gebotenen Sicherheit nachgewiesen.

Für eine Selbsttötung sprechen die Aussage des Zeugen P. vom 08.02.2012 gegenüber der Polizei sowie die Feststellungen des Unfallsachverständigen Dipl.-Ing. S. vom 15.05.2012, wonach sich der PKW des Versicherten in einem verkehrssicheren Zustand befunden hat, keine Unfallspuren auffindbar waren sowie die Schulden des Versicherten. Dies vermochte den Senat jedoch nicht zweifelsfrei von einem Suizid des Versicherten zu überzeugen.

Zunächst ist kein wirkliches Motiv des Versicherten für einen Suizid erkennbar. Die bestehenden Schulden von 22.596,84 EUR gegenüber dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater W. zuzüglich Zinsen und Kosten hat die Klägerin selbst als nicht existenzbedrohend beschrieben. Auch aus der Sicht des Senats ist bei einem selbständigen Finanzberater eher zu erwarten, dass bei drückender Schuldenlast eine Insolvenz angemeldet wird, als dass eine "Flucht in den Tod" gewählt wird, insbesondere wenn wie hier die Höhe der Schulden nicht als ungewöhnlich hoch zu bezeichnen ist. Eine Depression des Versicherten war nicht bekannt.

Der Rückschluss es müsse ein Suizid vorgelegen haben, weil keinerlei Reifen- oder Bremsspuren zu finden gewesen seien, ist ebenfalls nicht zwingend. Zum einen haben die Bevollmächtigten der Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich um einen Sekundenschlaf gehandelt haben könnte und der Versicherte erst im letzten Augenblick realisiert hat, dass ein unmittelbarer Frontalzusammenstoß mit dem entgegenkommenden LKW droht. Auch dies würde die aktenkundige Aussage des nicht mehr zur Verfügung stehenden Zeugen P. vom 08.02.2012 gegenüber der Polizei in sich schlüssig erklären, wenn dort ein Blickkontakt in den letzten Sekundenbruchteilen glaubhaft geschildert wird. Wenn der Versicherte hierbei noch die Hände am Lenkrad seines PKW Smart gehabt hat, kann dies auch darauf beruhen, dass er sich noch in der sogenannten "Schrecksekunde" befunden hat und nicht in der Lage gewesen war, nach einem als möglich denkbaren Sekundenschlaf wieder auf seine Fahrbahn zurückzusteuern. Ein Sekundenschlaf am frühen Nachmittag ist auch nichts Ungewöhnliches.

Insbesondere bei einem Sekundenschlaf des Versicherten würden die Feststellungen des Dipl.-Ing. S. in seinem Gutachten vom 15.05.2012 (Firma G.) einem anzuerkennenden Unfallereignis nicht zwingend entgegenstehen. Insoweit wären die Umstände, dass sich der PKW des Versicherten in einem verkehrssicheren Zustand befunden, der Versicherte seinen Fuß auf dem Gas- und nicht auf dem Bremspedal gehabt und der Versicherte mit beiden Händen am Lenkrad mit dem Fahrer des entgegenkommenden LKW P. im letzten Moment vor dem Frontalzusammenstoß Blickkontakt gehabt hat, unbeachtlich, da bei einem sogenannten Sekundenschlaf auch eine nur kurzzeitige Benommenheit möglich ist.

Zum anderen ist aktenkundig, dass der Versicherte in erheblichem Umfang Akten und Unterlagen im PKW Smart mit sich geführt hat, als es zu dem Verkehrsunfall vom 17.01.2012 gekommen ist. Dies lässt es als naheliegend möglich erscheinen, dass der Versicherte sich "in Gedanken" mit seinen Akten beschäftigt und nicht mit der gebotenen Sorgfalt auf den Straßenverkehr geachtet hat und aus Unachtsamkeit auf die Gegenfahrbahn geraten ist.

Gegen die Annahme eines Suizids spricht insbesondere, dass der Versicherte bei dem Unfall angegurtet gewesen ist und sich etwa eine halbe bis eine Stunde vor dem Unfall (die Zeiten sind abweichend angegeben: etwa 14 Uhr 30 bzw. 15 Uhr 05) bei seiner Assistentin M. telefonisch gemeldet und seine baldige Rückkunft in dem Büro in der P-Straße 40a in A-Stadt angekündigt hat. Vor dem SG hat die Zeugin ausgeführt, dass der Versicherte auf sie keinen deprimierten Eindruck machte und er insgesamt sehr lebensfroh war. In dem kurzen Gespräch seien ihr keine Veränderungen aufgefallen, auch nicht in seiner Stimmung oder der Stimme. Er habe nachgefragt, ob etwas besonderes gewesen wäre und angekündigt, dass er bald kommen werde, da er auf dem Rückweg sei. Ausdrücklich hat die Zeugin erklärt: "Er hatte sich gefreut wieder ins Büro zu kommen, er war gut drauf."

Aufgrund dieser Umstände und insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin M. bestehen für den Senat beachtliche Zweifel am Vorliegen eines Suizids. Die Aussage der Zeugin M. vor dem SG am 29.07.2014 konnte der Senat im Wege des Zeugenbeweises verwerten. Im Berufungsverfahren müssen abweichend vom Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 117 SGG Zeugen, die im erstinstanzlichen Verfahren einvernommen wurden, nicht mehr gehört werden, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Insbesondere hat das SG in den Urteilsgründen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin M. geäußert.

Für den Senat bestand auch unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 103 SGG keine weitere Möglichkeit, die Frage eines Suizids weiter aufzuklären. Insbesondere stand der Fahrer des LKW P. nicht mehr als Zeuge zur Verfügung, nachdem er sich am 01.06.2014 mit unbekanntem Aufenthalt ordnungsgemäß abgemeldet hat. Auch die Beklagte hat keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten mehr gesehen bzw. benennen können.

Das Vorliegen eines Suizids im Straßenverkehr ist ein anspruchsschädlicher Umstand, der im Vollbeweis nachzuweisen wäre. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt dies eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit voraus (BSG mit Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - juris). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eineTatbestandsmerkmal in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Aufgrund der Aussage der Zeugin M., dem glaubwürdigen Vortrag der Klägerin, der Tatsache, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt angeschnallt war und der oben dargestellten Umstände bestehen für den Senat erhebliche Zweifel bezüglich der Annahme einer Selbsttötung.

Ist ungeklärt bzw. unklärbar, ob der Tod durch Selbsttötung geschehen ist, trägt insoweit die Beklagte die objektive Beweislast (vergl. BSG mit Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31; Bereiter-Hahn/Mehretns, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8, 9.9). Das BSG hat mit Urteil vom 04.09.2007 - B 2 U 28/06 R - (juris, UV-Recht Aktuell 2008, 142 - 148) deutlich gemacht, dass nicht die Hinterbliebenen eines tödlich verunglückten Versicherten die Beweislast dafür tragen, dass der Versicherte im Zeitpunkt des tödlichen Ereignisses nicht mit Selbsttötungsabsicht gehandelt habe, da es insoweit an einer rechtlichen Grundlage mangele. Hierbei ist das BSG ausdrücklich einer in der älteren Literatur noch vertretenen Auffassung entgegengetreten, Hinterbliebene seien beweispflichtig dafür, dass der Versicherte nicht in Selbsttötungsabsicht gehandelt hat. Dieser Begründung des BSG schließt sich der Senat vollinhaltlich an.

c) Zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung bedarf es weiter einer ursächlichen Verknüpfung zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses und dem Unfallereignis, der sogenannten Unfallkausalität (BSG vom 12.04.2006 - B 2 U 11/04 R - ; vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - ; vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R - ; vom 12.12.2006 - B 2 U 28/05 R - ). Diese Verknüpfung wird regelmäßig und so auch hier vermutet, wenn es bei der versicherten Tätigkeit zu einem Unfallereignis gekommen ist und außer der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt werden, die im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein können. Ein nachgewiesener Suizid würde insoweit die Unfallkausalität ausschließen. Vorliegend ist jedoch, wie vorstehend bereits dargelegt, der Nachweis einer Selbsttötung nicht geführt. Es verbleibt daher bei der Vermutung der Unfallkausalität.

d) Durch den Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge ist der Tod des Versicherten unmittelbar am Unfallort eingetreten. Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats aus dem Protokoll und Gutachten der polizeilich angeordneten Leichenöffnung vom 24.01.2012 der Pathologen Dr. H., Dr. P. und PD Dr. S ... Somit ist eine haftungsbegründende Kausalität nach den Feststellungen des Senats ebenfalls zu bejahen.

Zusammenfassend ist daher weiterhin festzustellen, dass sich der Versicherte auf einem versicherten Betriebsweg im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII befunden hat, als er am 17.01.2012 um 15:12 Uhr auf der Kreisstraße M 3 in der Gemarkung U-Stadt tödlich verunfallt ist und damit ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt.

Nach alledem ist der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.2014 stattzugeben.

3) Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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