L 8 SF 99/13 E

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 23 U 30/09
Datum
-
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SF 99/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei der richterlichen Festsetzung der Vergütung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG) kann der Kostenrichter von der Verfügung des Kostenbeamten auch nach unten abweichen. es gilt nicht das Verbot der "refomartio in peius".
2. Besteht zwischen dem Sachverständigen und dem Freistaat eine wirksame Vereinbarung im Sinne des § 14 JVEG (früher: § 13 ZSEG) für die erbrachte Leistung, so darf hiervon abweichend keine andere Vergütung festgesetzt werden. Eine inzidente Prüfung, ob die wirksam vereinbarte Vergütung angemessen oder kostendeckend ist, bleibt dem Kostenrichter versagt.
3. Die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG zu erstattende Umsatzsteuer umfasst nicht die Portoauslagen für Universaldienstleistungen der Postdienste, weil diese nach § 4 Nr. 11b UStG umsatzsteuerbfereit sind.
Die Vergütung des Antragstellers wird auf 146,96 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Festsetzung einer höheren Vergütung für eine ergänzende Stellungnahme zu einem von ihm erstatteten medizinischen Sachverständigengutachten.

Zwischen dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) und dem Antragsteller besteht seit dem 07.04.2011 eine Vereinbarung nach § 14 des Justizvergütungs- und -entschädigungs-gesetzes (JVEG), wonach der Antragsteller für ein vom LSG in Auftrag gegebenes Gutachten 850 EUR, für eine Stellungnahme, die nach einer Gutachtenserstattung auf gerichtliche Anforderung abgegeben wird, hingegen eine Pauschalvergütung von 100 EUR erhält.

In einem vor dem LSG geführten Berufungsverfahren (L 6 U 172/10) über die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wurde der Antragsteller mit Beweisanordnung vom 28.06.2011 zum ärztlichen Sachverständigen auf orthopädischem Fachgebiet ernannt und mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nach den §§ 106, 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu mehreren Beweisfragen beauftragt. Das Gutachten wurde am 03.08.2011 erstattet.

Mit Verfügung des Senats vom 04.12.2012 wurde der Antragsteller um eine ausführliche ergänzende Stellungnahme zu seinem Gutachten vom 03.08.2011 gebeten, dem er mit Schreiben vom 07.02.2013 nachkam. Für diese ergänzende Stellungnahme machte der Antragsteller mit Vergütungsantrag vom gleichen Tage insgesamt 493,77 EUR geltend; im einzelnen berechnete er als Vergütung für die Leistung als Gutachter 390 EUR (Zeitaufwand von sechseinhalb Stunden à 60 EUR), Schreibauslagen in Höhe von 13,03 EUR, Portokosten in Höhe von 11,90 EUR und Umsatzsteuer auf die Gesamtsumme in Höhe von 78,84 EUR. Der Anweisungsbeamte des Sächsischen LSG kürzte mit Verfügung vom 12.02.2013 die Vergütung auf insgesamt 148,67 EUR, weil für die gutachterliche Leistung in der ergänzenden Stellungnahme nach der Pauschalvereinbarung nur 100 EUR geschuldet seien; dadurch verringere sich auch die zu erstattende Umsatzsteuer. Gegen die geringere Vergütung der gutachterlichen Leistung richtet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung vom 21.03.2013. Er ist der Auffassung, dass es sich bei der ergänzenden Stellungnahme um eine ausführliche Nachbegutachtung gehandelt habe.

Die Akten des Verfahrens L 6 U 172/10 einschließlich der dazugehörigen erstinstanzlichen Gerichtsakte und des Kostenhefts waren beigezogen.

II.

Über die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG beantragte richterliche Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 JVEG). Hierbei ist er weder an den Antrag des Sachverständigen noch an die Verfügung des Anweisungsbeamten gebunden. Denn der Antrag nach § 4 Abs. 1 JVEG ist kein Rechtsbehelf; die gerichtliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG stellt daher keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung, die die vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos macht. Das Gericht, das eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vornimmt, kann die Entschädigung daher auch niedriger festsetzen, als zuvor der Kostenbeamte; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl. Landessozialgericht München, Beschluss vom 21.11.2013 – L 15 SF 9/13 – juris RdNr. 14; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 4 JVEG RdNr. 10; Binz in: Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 2. Aufl., § 4 JVEG RdNr. 6 m. w. N.).

1. Die Vergütung für das erstattete Sachverständigengutachten ist auf insgesamt 146,96 EUR festzusetzen. Dies ist die Summe aus dem Honorar für die Leistung des Sachverständigen in Höhe von 100 EUR (hierzu unter lit. a), den Schreibauslagen in Höhe von 13,50 EUR (hierzu unter lit. b), der Umsatzsteuer auf die drei vorangegangen Positionen in Höhe von 21,56 (hierzu unter lit. c) und den hier unstreitigen Portokosten von 11,90 EUR.

a) Das Honorar für die Leistung der Sachverständigen ist abweichend von Antrag des Sachverständigen auf 100 EUR festzusetzen. Hierbei ist zu beachten, dass zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner eine wirksame Vergütungsvereinbarung besteht. Denn mit Sachverständigen, die häufiger herangezogen werden, kann die oberste Landesbehörde oder eine von diesen bestimmte Stelle eine Vereinbarung über die zu gewährende Vergütung treffen, § 14 JVEG. Diese Anforderungen erfüllt die Vereinbarung zwischen dem Sächsischen LSG und dem Antragsteller vom 07.04.2011 unstreitig. Eine solche Vergütungsvereinbarung hat aber zur Folge, dass abweichend hiervon keine andere Vergütung festgesetzt werden darf (Hartmann, Kostengesetze, § 14 JVEG, RdNr. 1; so wohl schon Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.01.2006 – 8 W 611/05 – juris RdNr. 21 zur fast inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 13 des Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen [ZSEG] sowie Hessisches LSG, Beschluss vom 20.11.1969 – L 9/S – 5/68, in: Breithaupt 1970, Seiten 805, 808), weil es in der Natur einer solchen Vereinbarung liegt, dass diese abschließend die zum Vertragsgegenstand gemachten Dienstleistungen und deren Vergütung regelt. Nach dieser Vereinbarung ist die hier abzurechenden Leistung des Antragstellers wegen des Vorgutachtens vom 03.08.2011 und der ihm am 04.12.2012 aufgegebenen Fragestellung nicht als eigenständiges Gutachten, sondern als Stellungnahme nach Gutachtenserstellung zu qualifizieren, die nach der Vereinbarung mit 100 EUR zu vergüten ist.

Der Antragsteller kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, die Vergütung sei allein wegen des Umfangs der Stellungnahme und des Aufwandes bei ihrer Erstellung nicht angemessen. Denn ob die vertraglich vereinbarte Entschädigung angemessen oder kostendeckend ist, obliegt nicht der Überprüfung des die Vergütung festsetzenden Gerichts (Hessisches LSG, Beschluss vom 20.11.1969, a.a.O; Hartmann, a.a.O, RdNr. 8), weil es nicht einschätzen kann, welche Motive (Aussicht auf häufigere Inanspruchnahme, Mischkalkulation, Verwaltungs- und Abrechnungsvereinfachung) die Vertragsparteien zum Abschluss der Vereinbarung bewegt haben, die in aller Regel (geringfügig) geringere, wegen § 14 JVEG jedoch niemals höhere als die individuell abzurechenden Vergütungen zum Inhalt haben.

b) Die Schreibauslagen sind mit 13,50 EUR zu beziffern. Dies ist das Produkt aus 18 und 0,75 EUR. Denn für die Erstellung des schriftlichen Stellungnahme werden 0,75 Euro je angefangene 1.000 Anschläge ersetzt, § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung, die auf die am 07.02.2013 erstattete ergänzende Stellungnahme noch anzuwenden ist. Nach der vorgelegten Wortanalyse hatte dieses Gutachten aber 17.374 Zeichen.

c) Als Umsatzsteuer sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4JVEG nur 21,56 EUR zu erstatten. Dies sind 19 v. H. von 113,50 EUR, der Summe aus den drei oben genannten Positionen. Für das Porto ist keine Umsatzsteuer zu ersetzen, weil dieses als Vergütung für eine Universaldienstleistung der Postdienste nach § 4 Nr. 11b des Umsatzsteuergesetzes umsatzsteuerbefreit ist.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Kirchberg Richter am Landessozialgericht
Rechtskraft
Aus
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