L 6 KR 76/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 29 KR 42/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 76/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Klägerin zu leistenden Beiträge im Rahmen der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) ab dem 1. Juli 2007.

Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin (im Weiteren nur Beklagte) seit dem 1. Juni 2005 kranken- und bei der Beigeladenen (bzw. der Rechtsvorgängerin) pflegeversichert und hat ein Kind. In ihrem Aufnahmeantrag gab sie als monatliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit 1.536,- EUR an. Weiterhin erhielt die Klägerin Überbrückungsgeld bis zum 14. September 2005.

Im Weiteren setzte die Beklagte - zugleich für die Pflegekasse handelnd - die Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung auf der Basis von rund 1.800,- EUR fest.

Am 30. November 2005 bat die Beklagte die Klägerin erstmalig, einen Einkommenssteuerbescheid einzureichen. Die Klägerin erwiderte, ihr läge bisher kein solcher Bescheid vor. Im September 2006 reagierte die Klägerin auf die Einkommensanfrage mit einer betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Monat August 2006. Auf eine erneute Nachfrage der Beklagten vom 12. Oktober 2007 legte die Klägerin einen Fragebogen vor. Erst nachdem zwei weitere schriftliche Nachfragen nach Einkommenssteuerbescheiden ergebnislos blieben, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 29. November 2007, dass man nun eine Einstufung entsprechend eines monatlichen Einkommens i. H. der Beitragsbemessungsgrenze i. H. v. 3.562,50 EUR ansetzen werde. Erst nach Ablauf dieser Frist übersandte die Klägerin den Steuerbescheid vom 5. Juni 2007 für das Jahr 2005. Steuern wurden danach nicht erhoben, da der Gewinn mit einem Verlustvortrag verrechnet wurde. Die Klägerin wies darauf hin, dass sich das Jahresergebnis durch Umschichtung des Umlaufvermögens i. H. v. 113.602,- EUR auf 107.111,- EUR erhöht habe. Sie verfüge nicht über flüssige Mittel, wie die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb auf den ersten Blick erscheinen ließen. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 setzte die Beklagte daraufhin die Beiträge mit 3.562,50 EUR - der Beitragsbemessungsgrenze - fest. Da der Einkommenssteuerbescheid vom 15. Juni 2007 nicht zeitnah übersandt worden sei, ergebe sich eine Beitragsneuberechnung ab dem 1. Juli 2007. Der Bescheid ergehe zugleich für die Pflegekasse.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, dass im Jahre 2006 nur ein Verlust von 15.000,- EUR erwirtschaftet worden sei. Sie betreibe seit mehreren Jahren eine gewerbliche Tätigkeit als Bauträger. Die Gewinnermittlung erfolge gem. § 4 Abs. 3 Einkommenssteuergesetz (EStG). Die Betriebsausgaben seien incl. Umlaufvermögen im Jahr des Abflusses als Betriebsausgabe verbucht worden. Dies habe in der Vergangenheit zu hohen steuerlichen Verlusten geführt. Der Gesetzgeber habe das Abflussprinzip gestrichen. Sie habe sich dann freiwillig für die Rücknahme dieser Betriebsausgaben entschieden, wodurch in einem Folgejahr ein hoher Gewinn entstanden sei, der mit den steuerrechtlichen Verlusten verrechnet werden konnte. Diese rein steuerrechtliche Gewinnkorrektur bewirke keine Einnahmen.

Ergänzend führte die Klägerin aus, sie besäße durch ihre Tätigkeit als Bauträger Immobilien ohne Mieteinnahmen oder Einnahmen durch Verkauf. Die Betriebsausgaben dieser Objekte mache sie jedoch steuerlich geltend. Bisher ständen diesen Ausgaben keine Einnahmen gegenüber. Die Änderung der Abführung führe dazu, aktuell weniger Betriebsausgaben geltend zu machen, um zum Zeitpunkt der Vermietung oder des Verkaufes diesen Gewinnen Ausgaben entgegensetzen zu können. Dem entsprechend sei im Steuerbescheid 2005 ein Gewinn ausgewiesen. Weiter hat der Steuerberater der Klägerin bestätigt, dass nach den eingereichten Unterlagen für das Jahr 2005 nur ein Verlust zu erwarten sei.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2008 setzte die Beklagte - ebenfalls für die Beigeladene handelnd - die Beiträge ab 1. Juli 2008 neu fest und blieb bei der bisherigen Beitragsbemessungsgrenze. Hiergegen legte die Klägerin am 5. August 2008 Widerspruch ein und wiederholte ihr bisheriges Vorbringen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2009 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch bezüglich der Festsetzung der Beiträge ab dem 1. Juli 2007 zurück und begründete dies mit § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Dies gelte gem. § 57 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Gesetzliche Pflegeversicherung - (SGB XI) auch für die Beitragsbemessung in der Pflegeversicherung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend dem Steuerbescheid zur Beitragsberechnung heranzuziehen. Es könne nicht Sinn und Zweck einer gesetzlichen Krankenkasse sein, jeweils zu ermitteln, warum und aus welchem Grund ein Gewinn oder kein Gewinn aus einem Gewerbebetrieb vorliege. Der Widerspruchsbescheid ergehe auch im Namen der IKK-Pflegekasse.

Im Weiteren reichte die Klägerin ihren Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006 ein (Eingang bei der Beklagten am 6. Februar 2009). Daraus ergab sich für das Jahr 2006 ein Verlust. Der Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG wurde auf 14.699,- EUR festgesetzt.

Am 20. Februar 2009 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie habe gerade nicht die Möglichkeit gehabt, die im Einkommenssteuerbescheid 2005 ausgewiesenen Einnahmen zu verbrauchen. Dieses Geld stehe ihr schlicht nicht zur Verfügung. Es handele sich lediglich um eine steuerrechtliche Umschichtung von Betriebsausgaben aus den Vorjahren. Nach dem neuen Steuerrecht sei es nicht sofort möglich, die getätigten Ausgaben bzw. Investitionen als solche in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu verbuchen. Investitionen würden in das Umlaufvermögen bzw. in den Warenbestand verbucht. Somit ständen den Ausgaben i. H. v. 1,5 Millionen ein Umlaufvermögen bzw. Warenstand in gleicher Höhe gegenüber, woraus sich ein Gewinn bzw. Verlust i. H. v. 0,- EUR ergebe. Die Ausgabe könne erst beim etwaigen Verkauf verbucht werden. Nach dem alten Steuerrecht seien die Investitionen i. H. v. 1,5 Millionen als Ausgaben zu verbuchen gewesen. Dem entsprechend hätte ein Verlust in dieser Höhe vorgelegen. Die Angaben in dem Steuerbescheid dürften zumindest dann nicht ungeprüft für die Berechnung der zu leistenden Beiträge übernommen werden, wenn sich aus den Gesamtumständen des Einzelfalles Hinweise auf eine andere Berechnungsweise ergebe. Im Übrigen habe sich hier der Ermittlungsaufwand aufgrund der fachkundigen Ausführungen des Steuerberaters in Grenzen gehalten. Die Beitragsneuberechnung zum 1. Juli 2007 sei nicht nachvollziehbar begründet. Es sei nicht ersichtlich, warum im Falle eines höheren Einkommens die Beitragsberechnung rückwirkend ab dem Monat stattfinde, der auf den Monat der Feststellung durch das Finanzamt folge. Aus § 240 Abs. 4 SGB V ergebe sich dies nicht.

Mit Urteil vom 27. Juni 2012 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und zur Begründung ausführlich die Rechtsprechung des BSG dargelegt, der sich die Kammer anschließe. § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V lasse grundsätzlich eine rückwirkende Beitragserhöhung zu.

Gegen das ihr am 8. August 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. September 2012 Berufung eingelegt und ihrem bisherigen Vortrag weiter vertieft.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. Juni 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2007 und 28. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin den vollständigen Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2005 vorgelegt. Danach ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte i. H. v. 118.398,- EUR. Hiervon wurde ein Verlustabzug nach § 12d EStG in gleicher Höhe vorgenommen. Abzüglich weiterer Vorsorgeaufwendungen und eines Sonderausgabenpauschbetrages ergab sich ein negatives Einkommen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte durch den Berichterstatter (§ 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG) entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2007 und 28. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

A. Es war zulässig, in einem Bescheid über die Beiträge zur GKV und sPV zu entscheiden. Hier hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden klargestellt, dass sie zugleich für die Pflegekasse auftrete. Insoweit sind die Bescheide sowohl von der Krankenkasse als auch der Pflegekasse erlassen worden. Um jegliche Missverständnisse auszuräumen, wird in den Bescheiden und dem Widerspruchsbescheid ausdrücklich klargestellt, dass diese auch im Namen der Pflegekasse ergehen. Da gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB XI die Organe der Pflegekassen die Organe der Krankenkassen sind, bei denen sie errichtet sind, hat hier auch jeweils das richtige Organ gehandelt. In der Sache handelt es sich damit um zwei Verwaltungsakte von zwei Sozialversicherungsträgern, die in einem Bescheid zusammengefasst wurden. Dies ist rechtlich unproblematisch seit jeher möglich, so dass es auf die Rechtsänderungen zum 1. Juli 2008 nicht mehr ankommt.

Andernfalls wäre dies durch den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 auch geheilt worden. Denn der Gesetzgeber hat diese Praxis in § 46 Abs. 2 Sätze 4 und 5 SGB XI in der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung noch einmal ausdrücklich bestätigt, da nach dem Wortlaut dieser Vorschrift Krankenkassen und Pflegekassen die Höhe der Beiträge bei Selbstzahlern in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen können. Dies zeigen die Gesetzesmaterialien, in denen ausgeführt wird: "Kranken- und Pflegekassen sind zwar jeweils selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Pflegekassen wurden aber unter dem Dach der Krankenkassen errichtet. Die Regelung ermöglicht im Interesse der Verwaltungsvereinfachung, dass die Krankenkassen für ihre Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben (freiwillige Mitglieder, Rentenantragsteller, schwangere Personen in einem zulässig aufgelösten Beschäftigungsverhältnis bzw. während einer Beurlaubung ohne Arbeitsentgelt im Sinne des § 192 Abs. 2 SGB V und Personen ohne anderweitigen Schutz im Krankheitsfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V), die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen können. Damit wird vermieden, dass zwei formal getrennte Bescheide durch die Krankenkasse und durch die Pflegekasse ergehen müssen. Die Krankenkasse handelt dabei im Namen der Pflegekasse, die bei etwaigen Klagen gegen den Beitragsbescheid weiterhin passivlegitimiert bleibt. In dem Bescheid muss darauf hingewiesen werden, dass der Bescheid über den Pflegeversicherungsbeitrag im Namen der Pflegekasse ergeht. Krankenkassen haben in der Vergangenheit in einem Bescheid an die Versicherten sowohl die Höhe des Beitrags zur Krankenversicherung als auch zur Pflegeversicherung festgestellt. Dies wurde vom Bundessozialgericht beanstandet, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gibt (Urteil vom 7. März 2007 – B 12 KR 33/06 R –). Nunmehr wird die bisherige Verwaltungspraxis durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung legitimiert." (BT-Drs. 16/8525 S. 99).

Im Hinblick auf § 75 Abs. 5 SGG kann offen bleiben, ob die Beigeladene danach nicht zutreffender Weise als weitere Beklagte hätte geführt werden müssen, obgleich die Klägerin die Klage nur gegen die Krankenkasse erhoben hat. Für die verfahrensrechtliche Stellung der Pflegekasse ist dies in jedem Zusammenhang unerheblich.

B. Rechtsgrundlage für die Änderung der Beitragshöhe durch den streitbefangenen Bescheid ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt aufzuheben. Ein Beitragsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn er erschöpft sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern begründet oder verändert inhaltlich ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis (vgl. BSG, 26.09.1991, 4 RK 5/91, juris). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, 19.02.1986, 7 RAr 55/84, juris).

1) Die wesentliche Änderung, die zur Festsetzung höherer Beiträge führte, ist der Ansatz höherer Einnahmen. Dabei hat die Beklagte der Beitragsbemessung zu Recht die im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt.

Die Klägerin ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten beitragspflichtig in der GKV (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der GKV folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sPV (§ 20 Abs. 3 SGB XI) sowie die Pflicht, Beiträge zur sPV zu entrichten (§ 54 Abs. 2 SGB XI).

Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der GKV Versicherten nach § 240 SGB V (in der Fassung vom 26.03.2007, BGBl. I 378), der über § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI für die Berechnung der Beiträge zur sPV entsprechend gilt. Danach wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt (§ 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dabei ist gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Nach § 14 der damals anwendbaren Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten gehören zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können (Einnahmen zum Lebensunterhalt) bis zum kalendertäglichen Betrag der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung. Diese Regelungen übernehmen die von der Rechtsprechung des BGH entwickelte Auslegung des § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V (vgl. BSG, 23.09.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 31 unter Verweis auf BT-Drucks. 11/2237 S 225; BSG, 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris Rn. 19). Eine solche Generalklausel genügt, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtigen Beschäftigten auch andere Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (BSG, 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris Rn. 19).

Erfasst werden auch die für die Beitragsbemessung nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V zwingend heranzuziehenden Einnahmen des freiwilligen Mitglieds, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (vgl. BSG, 21.09.2005, B 12 KR 12/04 R, juris Rn. 19). Zu den beitragspflichtigen Einnahmen eines versicherungspflichtigen Mitglieds gehört gemäß § 226 Abs. 1 SGB V u.a. das Arbeitseinkommen. Soweit Einkünfte als Arbeitseinkommen zu qualifizieren sind, sind sie demnach zwingend der Bemessung der Beiträge freiwillig Versicherter zugrunde zu legen. Arbeitseinkommen ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der Fassung vom 23.01.2006 (BGBl. I 86) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Diese seit 1995 bestehende Parallelität von Sozialversicherungsrecht und Einkommenssteuerrecht begründete der Gesetzgeber mit der Verwaltungsvereinfachung (BT-Drucks. 12/5700 S 92). Die zuvor gültige Regelung, wonach steuerliche Vergünstigungen nicht zu berücksichtigen seien, hatte zu erheblichen Schwierigkeiten in der Praxis geführt. Der Gesetzgeber entschied sich daher für die Gleichsetzung von Arbeitseinkommen und steuerrechtlichem Gewinn, der "unverändert aus dem Steuerbescheid des Selbständigen" zu übernehmen sei, eigene Nachprüfungen der Sozialversicherungsträger entfallen (BT-Drucks. 12/5700 S. 92). Für Selbständige steht außer dem am Einkommenssteuerrecht ausgerichteten Arbeitseinkommen kein gesetzlich oder anderweitig geregeltes System der Einkommensermittlung zur Verfügung, das verwaltungsmäßig durchführbar wäre und ohne unzumutbare Benachteiligung dieses Personenkreises verwirklicht werden könnte (BSG, 3.05.2005, B 13 RJ 8/04 R, juris Rn. 34 m.w.N.).

Eine wie von der Klägerin präferierte Prüfung dahingehend, welche Einkünfte tatsächlich zugeflossen sind, findet demnach nicht statt (siehe auch Sächsisches LSG, 26.06.2008, L 2 U 126/07, Juris). Auf die finanzamtliche Feststellung im Einkommenssteuerbescheid darf jedenfalls dann ohne erneute Prüfung durch die Sozialgerichte zurückgegriffen werden, wenn der Versicherte bzw. Steuerpflichtige gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder die steuerrechtliche Bewertung des Finanzamtes keine (schlüssigen und erheblichen) Einwendungen erhebt (BSG, 30.09.1997, 4 RA 122/95, juris Rn. 16 m.w.N.; Ulmer, Beck-online Kommentar, § 240 SGB V, Rn. 16. 1 Stichwort Arbeitseinkommen). Gegen die Richtigkeit der steuerrechtlichen Handhabung hat die Klägerin hier aber keine Einwendungen erhoben.

Sie wendet sich allein gegen die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Einkünfte. Diese folgt jedoch wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der steuerrechtlichen Behandlung. Ausdrücklich ist in dieser Norm festgelegt, dass Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit ist. Damit ist bei der Feststellung des Arbeitseinkommens ein Verlustvortrag oder Verlustrücktrag nach § 7g EStG, nicht aber § 10d EStG zu berücksichtigen (vgl. BSG, 6.11. 2008 , B 1 KR 28/07 R, SozR 4-2500 § 47 Nr. 10; Fischer in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 15 Rn. 43; nachvollziehbar anders für das SGB II BSG, 21.6. 2011 , B 4 AS 21/10 R, BSGE 108, 258-267). Letzterer zählt nach Gesetzeswortlaut und Systematik des EStG nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts; andernfalls wäre auch ein abschnittsübergreifender Verlustabzug möglich (vgl. LSG Bayern, 18.12. 2012, L 1 LW 2/11 , juris; LSG Berlin-Brandenburg, 20.8. 2009, L 9 KR 304/08, juris zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung und zu Parallelen in anderen Vorschriften des Sozialrechts; siehe auch Fischer in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 15 Rn. 65); dies würde gegen das Gleichbehandlungsgebot mit versicherungspflichtig Beschäftigte verstoßen, die einen solchen Verlust nicht beitragsmindernd geltend machen können. Ähnliche Grundsätze gelten für Veräußerungsgewinne i.S.d. §§ 14-17, 18 Abs. 3 EStG (BSG, 22.3. 2006, B 12 KR 8/05 R, juris).

Soweit die Klägerin sich auf die Rechtsprechung des BSG in dem Urteil vom 14. Dezember 2006 (B 1 KR 11/06 R, BSGE 98, 43-48) beruft, so ist dies zur Berechnung des Krankengeldes ergangen. Der hierbei anzuwendende § 47 SGB V stellt auf das aktuelle Einkommen ab und ist damit unterschiedlich und nicht vergleichbar (siehe hierzu auch Ulmer, SGb 2010, 44 ff). Nur vor diesem Hintergrund führt das BSG (a.a.O.) aus: "Liegen - anders als im vorliegenden Fall - ausnahmsweise konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betrag, welcher zuletzt vor Eintritt der AU der Beitragsbemessung zu Grunde lag, hinsichtlich des Arbeitseinkommens erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der AU entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitseinkommen wesentlich geringer war, ist eine möglichst zeitnahe Ermittlung des maßgeblichen Arbeitseinkommens anzustreben."

Unerheblich ist ebenfalls der Einwand der Klägerin, dass ihr liquide Mittel nicht zur Verfügung ständen. Wie das BSG in dem Urteil vom 17. März 2010 (B 12 KR 4/09 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 14 Rn. 21) bereits ausgeführt hat, wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht (zwingend) von der Höhe der liquiden Mittel bestimmt (siehe zu Sanierungsgewinnen BSG, 23.1.2014, B 12 KR 18/13 B, juris). Es ist belanglos, wann sich jene Verluste faktisch gewinnmindernd auswirken. Letztlich bestätigt die Klägerin selbst in ihrem Berufungsvorbringen unter dem 11. Juni 2014 (S. 2), dass Hintergrund jener Umschichtung war, dass es damals nicht sinnvoll gewesen sei, die Verlustvorträge für die Folgejahre fortschreiben zu lassen, da die steuerpflichtigen Einkünfte aufgrund ihrer geringen Einnahmen ohnehin niedrig ausfielen. Ausdrücklich bestätigt sie, dass die Verluste erst später geltend gemacht werden sollen. An diesen zukünftig ergehenden Steuerbescheiden müsste sich die Beklagte jedoch orientieren. Das System des § 240 SGB V wäre gänzlich unpraktikabel, wenn die Beklagte später selbst bei in sich schlüssigen Steuerbescheiden, die keine Einnahmen ausweisen, gleichwohl immer wieder steuerrechtliche Hintergründe ausleuchten müsste. Genau dies soll nach § 15 SGB IV vermieden werden.

Sofern die Klägerin meint, § 240 SGB V impliziere ein Überforderungsverbot, so ist ein solches Überforderungsverbot bisher weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur aufgestellt worden (vgl. insbesondere im Zusammenhang von Sanierungsgewinnen BSG, 23.1.2014, B 12 KR 18/13 B, juris). Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass eine solche Überforderung bei der Klägerin, die nach ihrem eigenen Vortrag mit großen wirtschaftlichen Summen hantiert, gegeben sein könnte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin selbst vorträgt, es habe sich um eine steuerrechtlich motivierte Verschiebung von Einnahmen bzw. Ausgaben zwischen verschiedenen Kalenderjahren gehandelt. Es ist weder ersichtlich noch behauptet, dass die Klägerin hier nicht entsprechend von der niedrigeren Verbeitragung in anderen Beitragsjahren profitiert hat oder profitieren wird. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Klägerin über Jahre trotz der Investition eines Millionenvermögens zu dem Mindestbeitrag bei der Beklagten versichert war.

Für die Festsetzung der Beiträge der Klägerin zur sPV durch die Beigeladene gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend, da nach § 57 Abs. 4 S 1 SGB XI für die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der GKV § 240 SGB V entsprechend anzuwenden ist.

2) Die Beklagte durfte rückwirkend die Beiträge ab dem 1. Juli 2007 erhöhen. Nach
§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Nach § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V haben Versicherte Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erheblich sind und nicht durch Dritte gemeldet werden, unverzüglich mitzuteilen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der langjährig freiwillig versicherten Klägerin diese Pflicht bekannt ist. Hier ist die Klägerin mehrfach darüber belehrt wurden; ebenso wurde sie mehrfach gebeten, geeignete Nachweise (z.B. aktuelle Steuerbescheide) vorzulegen. Bereits am 30. November 2005 bat die Beklagte die Klägerin, einen Einkommenssteuerbescheid vorzulegen. Weiter versicherte die Klägerin unter dem 13. Oktober 2006 ausdrücklich, dass sobald ihr ein neuer Einkommenssteuerbescheid vorliege, sie diesen umgehend nachreichen werde. Bereits hier musste sie zur Kenntnis nehmen, dass unvollständige oder unwahre Angaben zu Beitragsnachberechnungen führen würden (so ausdrücklich der fettgedruckte Text unmittelbar vor der Unterschrift der Klägerin). Dass die verspätete Vorlage von Einkommensnachweisen zu Beitragsnachberechnungen führt, hat die Beklagte nochmals in dem Bescheid vom 11. Dezember 2006 ausgeführt. Obgleich in dem von der Klägerin am 12. Oktober 2007 ausgefüllten Fragebogen in Fettdruck ausdrücklich nach dem Einkommenssteuerbescheid gefragt wurde, hat sie diesen kommentarlos nicht übersandt, obgleich er ihr zu diesem Zeitpunkt vorlag. Damit ist sie vorsätzlich ihren Pflichten nicht nachgekommen und hat die Beklagte bewusst über ihre Einkommensverhältnisse getäuscht.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Beiträge ab dem Monatsersten des Monats nach Erlass des Einkommenssteuerbescheides - also dem 1. Juli 2007 - erhöht und damit Beiträge für die Vergangenheit nachfordert. Eine atypische Fallsituation, in der ausnahmsweise die Ausübung von Ermessen erforderlich wäre, liegt nicht vor. Der Vorgehensweise der Beklagten steht auch nicht § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V (in der Fassung vom 26.03.2007) entgegen. Danach können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Damit wirken sich grundsätzlich Einkommensänderungen sowohl positiv als auch negativ nur zeitverzögert auf die Beitragshöhe aus (BSG, 11.03.2009, B 12 KR 30/07 R, juris Rn. 18; BSG, 22.3.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119; Ulmer in Beck-online Kommentar, § 240 SGB V, Rn. 17). Beitragskorrekturen für die Vergangenheit aufgrund der Vorlage eines Steuerbescheides sollten durch diese Regelung vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 12/3937 S. 17). Hiervon bleiben jedoch rückwirkende Änderungen aufgrund von höheren Einnahmen ab Erlass des Einkommenssteuerbescheids unberührt. Auf den Zeitpunkt der Vorlage des Bescheids kann es in diesen Fällen nicht ankommen, denn andernfalls hätte der Beitragspflichtige den Zeitpunkt der Beitragserhöhung in der Hand (vgl. BSG, 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 19; überzeugend LSG Baden-Württemberg, 13.11.2012, L 11 KR 5353/11; zustimmend Ulmer in Beck-online Kommentar, § 240 SGB V, Rn. 17).

Weitere Einwendungen gegen die Berechnung der Höhe der Beiträge sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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