Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 6805/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4612/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Kosten des Gerichts in Höhe von 225,- EUR auferlegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer großen Witwenrente an Geschiedene ab einem früheren Zeitpunkt.
Die 1918 geborene Klägerin war nach ihren Angaben von 1948 bis zur Scheidung im Jahr 1964 mit dem 1913 geborenen und am 1978 verstorbenen H. H. (Versicherter) verheiratet. Dieser hatte vom 1. Januar 1967 bis 31. Mai 1978 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, Beklagte, Rente bezogen.
Am 18. August 1993 wandte sich die Klägerin erstmals an die BfA und beantragte die Gewährung der großen Witwenrente an Geschiedene, die ihr mit Bescheid vom 11. Oktober 1993 für die Zeit ab 1. September 1993 bewilligt worden ist.
Am 8. Juli 2013 beantragte die Klägerin dann bei der Beklagten die Gewährung der großen Witwenrente an Geschiedene auch für die Zeit vom Tod des Versicherten bis zum 31. August 1993. Die BfA habe ihr nie einen Hinweis auf die Berechtigung zum Erhalt der großen Witwenrente an Geschiedene erteilt, wozu sie verpflichtet gewesen wäre. Die Rente sei erst ab dem Monat nach der Antragstellung gewährt worden und nicht rückwirkend, "wie dies im jetzigen Recht gemäß § 99 SGB VI für Hinterbliebenenrenten vorgesehen" sei. Wie sie jetzt von einem Bekannten erfahren habe, hätte sie schon früher einen Anspruch auf die Rente gehabt.
Die Beklagte wertete das Begehren als Antrag auf Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 11. Oktober 1993 und lehnte die (teilweise) Rücknahme des Bescheids sowie die Gewährung der Rente schon ab einem früheren Zeitpunkt mit Bescheid vom 24. Juli 2013 ab. Bei Erlass des Bescheides vom 11. Oktober 1993 sei man weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch sei das Recht unrichtig angewandt worden. Nach § 268 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) würden Witwenrenten an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten vom Ablauf des Kalendermonats an geleistet, in dem die Rente beantragt werde. Folgerichtig sei die Rente auf Grund des Antrags vom 18. August 1993 ab 1. September 1993 geleistet worden. Ein früherer Rentenbeginn komme auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht, da eine Verletzung von Hinweis-, Aufklärungs- oder Beratungspflichten nicht nachgewiesen sei. Die Existenz der Klägerin als frühere Ehefrau sei dem Rentenversicherungsträger nicht bekannt gewesen und es sei auch nicht dargetan, dass eine Anfrage zu einem Rentenanspruch erfolgt sei. Insofern habe keine Veranlassung für einen Hinweis auf einen eventuellen bestehenden Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestanden.
Ihren Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie durch die verspätete Rentenzahlung "einen Verlust von über 80.000,00 EUR erlitten" habe, einem Betrag, der ihr von Rechts wegen zugestanden hätte. Sie empfinde dies als empörend. Es könne nicht rechtens sein, dass sie von der Rentenversicherung weder von dem Tod ihres geschiedenen Mannes noch vom Bestehen eines Anspruchs auf große Witwenrente an Geschiedene informiert worden sei und es könne auch nicht rechtens sein, dass derartige Informationen des Rentenversicherungsträgers nicht zwingend an die "Versicherungsnehmer" weitergeleitet würden. Die Rente sei für die Zeit ab dem Tod des Versicherten nachzuzahlen.
Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 zurück. Sie sei nicht zur Rücknahme des Rentenbescheids und zur Gewährung von Rente für die Zeit vor dem 1. September 1993 verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Wegen des Widerspruchsbescheids hat die Klägerin am 3. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte habe sich letztlich zu ihren Lasten "um über 80.000,00 EUR bereichert". Es könne nicht rechtens sein und entspreche auch nicht dem geltenden Recht, dass die Beklagte einen Rentenanspruch erst ab Antragstellung erfülle, wenn sie zuvor den Bezugsberechtigten weder über die Rechtslage noch über das tatsächliche Bestehen des Rentenanspruchs informiert habe. Anwartschaften und Ansprüche auf Renten seien "dem Eigentumsbegriff zuzuordnen, der grundsätzlich geschützt" sei. Auf den vorenthaltenen Betrag von mindestens 80.000,00 EUR habe sie dem Grunde nach einen gesetzlichen Anspruch. Fehlende Informationen des Berechtigten könnten nicht zum Verlust des grundsätzlich geschützten Rechts führen. Weder könne es rechtens sein, dass Geschiedenen, die nicht über den Tod des geschiedenen Ehegatten informiert seien, oder Geschiedenen, die nicht über ihre Ansprüche auf Witwenrente nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten informiert seien, diese Ansprüche vorenthalten würden und sich die Beklagte "mit hohen Summen bereichere", denen letztlich Beiträge des Verstorbenen zu Grunde lägen. Bei beitragsfinanzierten Ansprüchen könne die Versagung von im Grunde nach berechtigten Ansprüchen letztlich nur auf Grund von Unkenntnis und fehlenden Informationen "nicht rechtens sein und die Beklagte bereichern". Eine derartige Regelung verstoße "letztlich gegen das Grundgesetz".
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Bewilligung der Witwenrente ab 1. September 1993 sei rechtmäßig gewesen. Eine rückwirkende Zahlung bereits ab dem Todestag komme nicht in Betracht. Insofern sei die Bestimmung des § 268 SGBVI maßgebend, wonach Witwenrenten an den geschiedenen Ehegatten vom Ablauf des Monats geleistet würden, in dem die Rente beantragt werde. Eine fehlerhafte oder unterlassene Beratung des Rentenversicherungsträgers liege nicht vor. Vor dem 18. August 1993 habe sich die Klägerin nicht an den Rentenversicherungsträger gewandt. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches seien auch nicht erfüllt.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. September 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids vom 11. Oktober 1993 und die Gewährung der großen Witwenrente für vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGBX) seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheids vom 11. Oktober 1993 das Recht nicht unrichtig angewandt. Der Rentenbeginn sei zutreffend auf den 1. September 1993 festgesetzt, was sich aus § 268 SGB VI ergebe, nachdem die Klägerin die Rente am 18. August 1993 beantragt habe. Im Übrigen könne die Klägerin auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als hätte sie den Antrag auf Zahlung der Rente bereits früher gestellt. Eine einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich. Eine solche sei weder im Hinblick auf eine Verletzung einer Beratungs- noch im Hinblick auf die Verletzung einer Auskunftspflicht mangels entsprechendem Begehren feststellbar. Auch eine Pflichtverletzung im Hinblick auf eine mögliche Verpflichtung zur Spontanberatung sei nicht festzustellen, da für die Beklagte keine objektive Veranlassung bestanden habe, die Klägerin auf einen Anspruch auf eine große Witwenrente an Geschiedene hinzuweisen. Der Rentenversicherungsträger habe damals keine Kenntnis vom Vorhandensein einer früheren Ehefrau gehabt und die Klägerin habe nach eigenem Bekunden sich erstmalig im August 1993 an die Beklagte gewandt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.
Gegen den am 6. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. November 2014 Berufung eingelegt. Es sei zwar richtig, dass § 268 SGBVI bestimme, dass die Rente erst nach Ablauf des Kalendermonats, in dem sie beantragt werde, gewährt werde. Ebenso richtig sei aber auch, dass sie einen Anspruch auf die große Witwenrente bereits ab 1. Juni 1978 gehabt habe und ihr von diesem Zeitpunkt bis 31. August 1993 die Rente nicht gewährt worden sei, was überschlägig einen Betrag von ca. 80.000,00 EUR ausmache. Dass Anspruchsberechtigte nur, weil sie möglicherweise vom Tod eines geschiedenen Ehegatten nichts erfahren hätten oder nichts von dem Anspruch auf große Witwenrente gewusst hätten, diese Ansprüche verlieren würden, könne nicht rechtens sein. Diese Ansprüche seien reale Rentenanwartschaften, die unter dem eigentumsrechtlichen Schutz des Grundgesetzes stünden. Mit Einführung des Versorgungsausgleichs sei umgesetzt worden, was auch vorher bereits dem Grunde nach gegolten habe, nämlich dass die Rechte Geschiedener im Hinblick auf Rentenansprüche berücksichtigt werden müssten und sich nicht eine Rentenversicherung an beitragsfinanzierten Ansprüchen Geschiedener bereichern dürfe. Von der Beklagten habe sie keinerlei Informationen über den Tod ihres geschiedenen Ehemannes und bzw. oder ihren Anspruch als Geschiedene auf die große Witwenrente erhalten. Von dieser Möglichkeit habe sie per Zufall erst 15 Jahre nach dem Tod des Versicherten erfahren und dann den entsprechenden Antrag gestellt. Die Weigerung der Beklagten, eigentlich zustehende Rentenbeträge auszuzahlen, sei daher rechtswidrig und sei auch unter dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips und des grundrechtlichen Schutzes des Eigentums als verfassungswidrig einzustufen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Juli 2013 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 11. Oktober 1993 abzuändern und ihr die große Witwenrente an Geschiedene auch für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. August 1993 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen und die erstinstanzliche Entscheidung.
Die Klägerin ist noch vom Senat darauf hingewiesen worden, dass unabhängig von der Frage, ob vom Vorliegen eines Herstellungsanspruches ausgegangen werden könne, einer Leistung für die strittige Zeit auch § 44 Abs. 4 SGB X entgegenstehen dürfte.
Ferner hat der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung auf die Regelung des § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie darauf hingewiesen, aus welchen Gründen das Begehren der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg habe und dass die Fortsetzung des Rechtsstreits durch die Klägerin rechtsmissbräuchlich erscheine.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Diese hat keinen Anspruch auf Abänderung der Bewilligungsentscheidung vom 11. Oktober 1993 sowie auf Gewährung von großer Witwenrente an Geschiedene für die Zeit vor dem 1. September 1993.
Über den hier streitigen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von großer Witwenrente an Geschiedene und den Beginn dieser Rente hat die Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 1993, der nicht angefochten und damit bindend geworden ist (§ 77 SGG), entschieden.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt nach dieser Vorschrift mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Leistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitraum der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Einer auf § 44 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung bezüglich der Leistungsgewährung bzw. -ablehnung vor dem 1. September 1993 auf Grund des Antrags der Klägerin vom 8. Juli 2013 steht hier bereits die Verfallklausel des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Eine Rücknahme des Bescheides vom 11. Oktober 1993 kann wegen Ablauf der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X keine Auswirkungen mehr haben, denn Leistungen könnten auf Grund des Antrages vom 8. Juli 2013 für die Zeit vor dem 1. Januar 2009 nicht mehr gewährt werden. Diese Vollzugsregelung steht für die länger als vier Jahre zurückliegende Zeit, für die keine Leistungen mehr erbracht werden dürfen, einem Rücknahme- und einem Ersetzungsakt entgegen (BSG, Urteil vom 6. März 1991, Az 9b RAr 7/90 –, BSGE 68, 180-183). Die diesbezügliche Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X ist auf die Rücknahmeregelung des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X bezogen, die voraussetzt, dass infolge der unrichtigen Entscheidung Sozialleistungen nicht erbracht wurden. "Erbringen" bedeutet tatsächliches Leisten (BSG a.a.O., m.w.N.). Eine Aufhebungsentscheidung nach § 44 Abs.1 SGB X ist demnach schon nicht mehr zu erlassen, wenn sie materiell nicht ausgeführt werden darf. Sie wäre wirkungslos. Von der Verwaltung darf keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden. Ein Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten darf, hat kein rechtliches Interesse an der Rücknahme und der zusprechenden Entscheidung, die nach Abs. 4 nicht vollzogen werden dürfte. Maßgeblich für die Vier-Jahres-Frist ist vorliegend der entsprechende Überprüfungsantrag aus dem Jahr 2013 (§ 44 Abs. 4 S. 3 SGB X), so dass die Klägerin selbst bei (unterstellter) Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung, Leistungen für das Jahr 1993 und früher nicht mehr beanspruchen kann. Die Beklagte wäre daher schon nicht zur Prüfung verpflichtet gewesen, ob der unanfechtbare und hinsichtlich des festgesetzten Rentenbeginns zum 1. September 1993 belastende Verwaltungsakt vom 11. Oktober 1993 rechtswidrig war, da dieser in den letzten vier Jahren vor dem Überprüfungsantrag keine Wirkungen mehr hatte, die durch die Aufhebung und Ersetzung dieses Verwaltungsakts hätte beseitigt werden können.
Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht die weiteren Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X verneint, denn die Entscheidung vom 11. Oktober 1993, mit der die damalige BfA die große Witwenrente an Geschiedene erst ab 1. September 1993 bewilligt hat, ist nicht zu beanstanden. Die BfA ist bei ihrer Entscheidung vom 11. Oktober 1993 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Einer früheren Rentengewährung steht bereits die Bestimmung des § 268 SGB VI entgegen, wonach Witwenrenten aus der Rentenanwartschaft eines vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehegatten vom Ablauf des Kalendermonats an geleistet werden, in dem die Rente beantragt wird. Hier hat die Klägerin, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977, nämlich 1964, geschieden wurde, diese Rente erst am 18. August 1993 beantragt, sodass ein früherer Anspruch auf Rente nicht in Betracht kommt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 268 SGB VI, die der Regelung in § 99 SGB VI vorgeht und im Übrigen auch der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Vorgängerregelung in § 1290 Abs. 4 Reichsversicherungsordnung entspricht, bestehen nicht, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Eigentumsschutz des Art. 14 Grundgesetz. Sie ist im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten Ermessens, dessen Grenzen auch im Hinblick auf die Beitragsfinanzierung der Rente nicht überschritten ist, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Dass die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt bereits die Rente beantragt hat oder sich überhaupt an die Beklagte bzw. die BfA gewandt hat, ist weder dargetan, noch ersichtlich.
Im Übrigen kann auch ein früherer Rentenantrag nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden. Insofern hat die BfA bzw. die Beklagte weder eine Beratungspflicht auf ein Beratungsersuchen oder im Rahmen der Verpflichtung zur Spontanberatung verletzt, noch war sie aus sonstigen Gründen zu Hinweisen an die Klägerin verpflichtet. Deren Existenz als geschiedene Ehefrau war ihr weder bekannt, noch konnte sie ihr bekannt sein.
Des weiteren stünde selbst bei Annahme der Voraussetzungen eines Herstellungsanspruches der rückwirkenden Gewährung von Rentenleistungen vor dem 1. September 1993 und der teilweisen Rücknahme und Änderung des Bescheids vom 11. Oktober 1993 die analog auch beim Herstellungsanspruch heranzuziehenden Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen, wonach auch in diesen Fällen Rentenleistungen für die Vergangenheit nur für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Antragstellung, hier dem 8. Juli 2013, zu gewähren sind. Das BSG hat hierzu an seiner bisherigen Rechtsprechung insofern festgehalten und in seiner Entscheidung vom 24. April 2014, B 13 R 23/13 R, juris, ausdrücklich klargestellt, dass, wenn ein Anspruch auf rückwirkende Gewährung von Leistungen auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs besteht, dieser Anspruch längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend zu erbringen ist. Die Vorschrift des §§ 44 Abs. 4 SGB X sei entsprechend anzuwenden. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich an (so auch Senatsurteil vom 19. November 20014, L 13 R 26/14 m.w.N).
Da das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2015, in der die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt vertreten war, erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall missbräuchlich. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder (wie hier) unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni 2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18. September 2003 - L 2 RA 379/03 - beide veröffentlicht in Juris). Maßgeblich für die Auferlegung von Verschuldenskosten war für den Senat, dass der rechtserhebliche Sachverhalt eindeutig und unumstritten ist, dem Begehren bereits die Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X entgegensteht und im Übrigen die gesetzliche Regelung zu den Voraussetzungen und zum Beginn einer Witwenrenten aus der Rentenanwartschaft eines vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehegatten eindeutig und auch nicht verfassungswidrig ist und auch keinerlei Anhalt für eine einen Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung besteht. Damit muss sich auch der anwaltlich vertretenen Klägerin aufdrängen, dass ihr Begehren jeder nachvollziehbaren Grundlage entbehrt. Dass dennoch demonstrierte fortwährende Beharren der Klägerin auf Gewährung der Rente vor dem 1. September 1993 zeigt daher aus Sicht des Senats ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, welches die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtfertigt. Der Senat hält daher im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Für die Höhe der dem Senat verursachten Kosten erscheint die gesetzliche Mindestgebühr, obwohl tatsächlich diese überschreitend, als zunächst angemessen (§ 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).
Im Übrigen war für den Senat bezüglich der Kostenentscheidung im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Kosten des Gerichts in Höhe von 225,- EUR auferlegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer großen Witwenrente an Geschiedene ab einem früheren Zeitpunkt.
Die 1918 geborene Klägerin war nach ihren Angaben von 1948 bis zur Scheidung im Jahr 1964 mit dem 1913 geborenen und am 1978 verstorbenen H. H. (Versicherter) verheiratet. Dieser hatte vom 1. Januar 1967 bis 31. Mai 1978 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, Beklagte, Rente bezogen.
Am 18. August 1993 wandte sich die Klägerin erstmals an die BfA und beantragte die Gewährung der großen Witwenrente an Geschiedene, die ihr mit Bescheid vom 11. Oktober 1993 für die Zeit ab 1. September 1993 bewilligt worden ist.
Am 8. Juli 2013 beantragte die Klägerin dann bei der Beklagten die Gewährung der großen Witwenrente an Geschiedene auch für die Zeit vom Tod des Versicherten bis zum 31. August 1993. Die BfA habe ihr nie einen Hinweis auf die Berechtigung zum Erhalt der großen Witwenrente an Geschiedene erteilt, wozu sie verpflichtet gewesen wäre. Die Rente sei erst ab dem Monat nach der Antragstellung gewährt worden und nicht rückwirkend, "wie dies im jetzigen Recht gemäß § 99 SGB VI für Hinterbliebenenrenten vorgesehen" sei. Wie sie jetzt von einem Bekannten erfahren habe, hätte sie schon früher einen Anspruch auf die Rente gehabt.
Die Beklagte wertete das Begehren als Antrag auf Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 11. Oktober 1993 und lehnte die (teilweise) Rücknahme des Bescheids sowie die Gewährung der Rente schon ab einem früheren Zeitpunkt mit Bescheid vom 24. Juli 2013 ab. Bei Erlass des Bescheides vom 11. Oktober 1993 sei man weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch sei das Recht unrichtig angewandt worden. Nach § 268 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) würden Witwenrenten an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten vom Ablauf des Kalendermonats an geleistet, in dem die Rente beantragt werde. Folgerichtig sei die Rente auf Grund des Antrags vom 18. August 1993 ab 1. September 1993 geleistet worden. Ein früherer Rentenbeginn komme auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht, da eine Verletzung von Hinweis-, Aufklärungs- oder Beratungspflichten nicht nachgewiesen sei. Die Existenz der Klägerin als frühere Ehefrau sei dem Rentenversicherungsträger nicht bekannt gewesen und es sei auch nicht dargetan, dass eine Anfrage zu einem Rentenanspruch erfolgt sei. Insofern habe keine Veranlassung für einen Hinweis auf einen eventuellen bestehenden Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestanden.
Ihren Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie durch die verspätete Rentenzahlung "einen Verlust von über 80.000,00 EUR erlitten" habe, einem Betrag, der ihr von Rechts wegen zugestanden hätte. Sie empfinde dies als empörend. Es könne nicht rechtens sein, dass sie von der Rentenversicherung weder von dem Tod ihres geschiedenen Mannes noch vom Bestehen eines Anspruchs auf große Witwenrente an Geschiedene informiert worden sei und es könne auch nicht rechtens sein, dass derartige Informationen des Rentenversicherungsträgers nicht zwingend an die "Versicherungsnehmer" weitergeleitet würden. Die Rente sei für die Zeit ab dem Tod des Versicherten nachzuzahlen.
Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 zurück. Sie sei nicht zur Rücknahme des Rentenbescheids und zur Gewährung von Rente für die Zeit vor dem 1. September 1993 verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Wegen des Widerspruchsbescheids hat die Klägerin am 3. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte habe sich letztlich zu ihren Lasten "um über 80.000,00 EUR bereichert". Es könne nicht rechtens sein und entspreche auch nicht dem geltenden Recht, dass die Beklagte einen Rentenanspruch erst ab Antragstellung erfülle, wenn sie zuvor den Bezugsberechtigten weder über die Rechtslage noch über das tatsächliche Bestehen des Rentenanspruchs informiert habe. Anwartschaften und Ansprüche auf Renten seien "dem Eigentumsbegriff zuzuordnen, der grundsätzlich geschützt" sei. Auf den vorenthaltenen Betrag von mindestens 80.000,00 EUR habe sie dem Grunde nach einen gesetzlichen Anspruch. Fehlende Informationen des Berechtigten könnten nicht zum Verlust des grundsätzlich geschützten Rechts führen. Weder könne es rechtens sein, dass Geschiedenen, die nicht über den Tod des geschiedenen Ehegatten informiert seien, oder Geschiedenen, die nicht über ihre Ansprüche auf Witwenrente nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten informiert seien, diese Ansprüche vorenthalten würden und sich die Beklagte "mit hohen Summen bereichere", denen letztlich Beiträge des Verstorbenen zu Grunde lägen. Bei beitragsfinanzierten Ansprüchen könne die Versagung von im Grunde nach berechtigten Ansprüchen letztlich nur auf Grund von Unkenntnis und fehlenden Informationen "nicht rechtens sein und die Beklagte bereichern". Eine derartige Regelung verstoße "letztlich gegen das Grundgesetz".
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Bewilligung der Witwenrente ab 1. September 1993 sei rechtmäßig gewesen. Eine rückwirkende Zahlung bereits ab dem Todestag komme nicht in Betracht. Insofern sei die Bestimmung des § 268 SGBVI maßgebend, wonach Witwenrenten an den geschiedenen Ehegatten vom Ablauf des Monats geleistet würden, in dem die Rente beantragt werde. Eine fehlerhafte oder unterlassene Beratung des Rentenversicherungsträgers liege nicht vor. Vor dem 18. August 1993 habe sich die Klägerin nicht an den Rentenversicherungsträger gewandt. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches seien auch nicht erfüllt.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. September 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids vom 11. Oktober 1993 und die Gewährung der großen Witwenrente für vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGBX) seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheids vom 11. Oktober 1993 das Recht nicht unrichtig angewandt. Der Rentenbeginn sei zutreffend auf den 1. September 1993 festgesetzt, was sich aus § 268 SGB VI ergebe, nachdem die Klägerin die Rente am 18. August 1993 beantragt habe. Im Übrigen könne die Klägerin auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als hätte sie den Antrag auf Zahlung der Rente bereits früher gestellt. Eine einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich. Eine solche sei weder im Hinblick auf eine Verletzung einer Beratungs- noch im Hinblick auf die Verletzung einer Auskunftspflicht mangels entsprechendem Begehren feststellbar. Auch eine Pflichtverletzung im Hinblick auf eine mögliche Verpflichtung zur Spontanberatung sei nicht festzustellen, da für die Beklagte keine objektive Veranlassung bestanden habe, die Klägerin auf einen Anspruch auf eine große Witwenrente an Geschiedene hinzuweisen. Der Rentenversicherungsträger habe damals keine Kenntnis vom Vorhandensein einer früheren Ehefrau gehabt und die Klägerin habe nach eigenem Bekunden sich erstmalig im August 1993 an die Beklagte gewandt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.
Gegen den am 6. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. November 2014 Berufung eingelegt. Es sei zwar richtig, dass § 268 SGBVI bestimme, dass die Rente erst nach Ablauf des Kalendermonats, in dem sie beantragt werde, gewährt werde. Ebenso richtig sei aber auch, dass sie einen Anspruch auf die große Witwenrente bereits ab 1. Juni 1978 gehabt habe und ihr von diesem Zeitpunkt bis 31. August 1993 die Rente nicht gewährt worden sei, was überschlägig einen Betrag von ca. 80.000,00 EUR ausmache. Dass Anspruchsberechtigte nur, weil sie möglicherweise vom Tod eines geschiedenen Ehegatten nichts erfahren hätten oder nichts von dem Anspruch auf große Witwenrente gewusst hätten, diese Ansprüche verlieren würden, könne nicht rechtens sein. Diese Ansprüche seien reale Rentenanwartschaften, die unter dem eigentumsrechtlichen Schutz des Grundgesetzes stünden. Mit Einführung des Versorgungsausgleichs sei umgesetzt worden, was auch vorher bereits dem Grunde nach gegolten habe, nämlich dass die Rechte Geschiedener im Hinblick auf Rentenansprüche berücksichtigt werden müssten und sich nicht eine Rentenversicherung an beitragsfinanzierten Ansprüchen Geschiedener bereichern dürfe. Von der Beklagten habe sie keinerlei Informationen über den Tod ihres geschiedenen Ehemannes und bzw. oder ihren Anspruch als Geschiedene auf die große Witwenrente erhalten. Von dieser Möglichkeit habe sie per Zufall erst 15 Jahre nach dem Tod des Versicherten erfahren und dann den entsprechenden Antrag gestellt. Die Weigerung der Beklagten, eigentlich zustehende Rentenbeträge auszuzahlen, sei daher rechtswidrig und sei auch unter dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips und des grundrechtlichen Schutzes des Eigentums als verfassungswidrig einzustufen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Juli 2013 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 11. Oktober 1993 abzuändern und ihr die große Witwenrente an Geschiedene auch für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. August 1993 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen und die erstinstanzliche Entscheidung.
Die Klägerin ist noch vom Senat darauf hingewiesen worden, dass unabhängig von der Frage, ob vom Vorliegen eines Herstellungsanspruches ausgegangen werden könne, einer Leistung für die strittige Zeit auch § 44 Abs. 4 SGB X entgegenstehen dürfte.
Ferner hat der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung auf die Regelung des § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie darauf hingewiesen, aus welchen Gründen das Begehren der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg habe und dass die Fortsetzung des Rechtsstreits durch die Klägerin rechtsmissbräuchlich erscheine.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Diese hat keinen Anspruch auf Abänderung der Bewilligungsentscheidung vom 11. Oktober 1993 sowie auf Gewährung von großer Witwenrente an Geschiedene für die Zeit vor dem 1. September 1993.
Über den hier streitigen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von großer Witwenrente an Geschiedene und den Beginn dieser Rente hat die Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 1993, der nicht angefochten und damit bindend geworden ist (§ 77 SGG), entschieden.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt nach dieser Vorschrift mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Leistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitraum der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Einer auf § 44 SGB X gestützten Aufhebungsentscheidung bezüglich der Leistungsgewährung bzw. -ablehnung vor dem 1. September 1993 auf Grund des Antrags der Klägerin vom 8. Juli 2013 steht hier bereits die Verfallklausel des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Eine Rücknahme des Bescheides vom 11. Oktober 1993 kann wegen Ablauf der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X keine Auswirkungen mehr haben, denn Leistungen könnten auf Grund des Antrages vom 8. Juli 2013 für die Zeit vor dem 1. Januar 2009 nicht mehr gewährt werden. Diese Vollzugsregelung steht für die länger als vier Jahre zurückliegende Zeit, für die keine Leistungen mehr erbracht werden dürfen, einem Rücknahme- und einem Ersetzungsakt entgegen (BSG, Urteil vom 6. März 1991, Az 9b RAr 7/90 –, BSGE 68, 180-183). Die diesbezügliche Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X ist auf die Rücknahmeregelung des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X bezogen, die voraussetzt, dass infolge der unrichtigen Entscheidung Sozialleistungen nicht erbracht wurden. "Erbringen" bedeutet tatsächliches Leisten (BSG a.a.O., m.w.N.). Eine Aufhebungsentscheidung nach § 44 Abs.1 SGB X ist demnach schon nicht mehr zu erlassen, wenn sie materiell nicht ausgeführt werden darf. Sie wäre wirkungslos. Von der Verwaltung darf keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden. Ein Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten darf, hat kein rechtliches Interesse an der Rücknahme und der zusprechenden Entscheidung, die nach Abs. 4 nicht vollzogen werden dürfte. Maßgeblich für die Vier-Jahres-Frist ist vorliegend der entsprechende Überprüfungsantrag aus dem Jahr 2013 (§ 44 Abs. 4 S. 3 SGB X), so dass die Klägerin selbst bei (unterstellter) Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung, Leistungen für das Jahr 1993 und früher nicht mehr beanspruchen kann. Die Beklagte wäre daher schon nicht zur Prüfung verpflichtet gewesen, ob der unanfechtbare und hinsichtlich des festgesetzten Rentenbeginns zum 1. September 1993 belastende Verwaltungsakt vom 11. Oktober 1993 rechtswidrig war, da dieser in den letzten vier Jahren vor dem Überprüfungsantrag keine Wirkungen mehr hatte, die durch die Aufhebung und Ersetzung dieses Verwaltungsakts hätte beseitigt werden können.
Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht die weiteren Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X verneint, denn die Entscheidung vom 11. Oktober 1993, mit der die damalige BfA die große Witwenrente an Geschiedene erst ab 1. September 1993 bewilligt hat, ist nicht zu beanstanden. Die BfA ist bei ihrer Entscheidung vom 11. Oktober 1993 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Einer früheren Rentengewährung steht bereits die Bestimmung des § 268 SGB VI entgegen, wonach Witwenrenten aus der Rentenanwartschaft eines vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehegatten vom Ablauf des Kalendermonats an geleistet werden, in dem die Rente beantragt wird. Hier hat die Klägerin, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977, nämlich 1964, geschieden wurde, diese Rente erst am 18. August 1993 beantragt, sodass ein früherer Anspruch auf Rente nicht in Betracht kommt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 268 SGB VI, die der Regelung in § 99 SGB VI vorgeht und im Übrigen auch der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Vorgängerregelung in § 1290 Abs. 4 Reichsversicherungsordnung entspricht, bestehen nicht, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Eigentumsschutz des Art. 14 Grundgesetz. Sie ist im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten Ermessens, dessen Grenzen auch im Hinblick auf die Beitragsfinanzierung der Rente nicht überschritten ist, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Dass die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt bereits die Rente beantragt hat oder sich überhaupt an die Beklagte bzw. die BfA gewandt hat, ist weder dargetan, noch ersichtlich.
Im Übrigen kann auch ein früherer Rentenantrag nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden. Insofern hat die BfA bzw. die Beklagte weder eine Beratungspflicht auf ein Beratungsersuchen oder im Rahmen der Verpflichtung zur Spontanberatung verletzt, noch war sie aus sonstigen Gründen zu Hinweisen an die Klägerin verpflichtet. Deren Existenz als geschiedene Ehefrau war ihr weder bekannt, noch konnte sie ihr bekannt sein.
Des weiteren stünde selbst bei Annahme der Voraussetzungen eines Herstellungsanspruches der rückwirkenden Gewährung von Rentenleistungen vor dem 1. September 1993 und der teilweisen Rücknahme und Änderung des Bescheids vom 11. Oktober 1993 die analog auch beim Herstellungsanspruch heranzuziehenden Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen, wonach auch in diesen Fällen Rentenleistungen für die Vergangenheit nur für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Antragstellung, hier dem 8. Juli 2013, zu gewähren sind. Das BSG hat hierzu an seiner bisherigen Rechtsprechung insofern festgehalten und in seiner Entscheidung vom 24. April 2014, B 13 R 23/13 R, juris, ausdrücklich klargestellt, dass, wenn ein Anspruch auf rückwirkende Gewährung von Leistungen auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs besteht, dieser Anspruch längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend zu erbringen ist. Die Vorschrift des §§ 44 Abs. 4 SGB X sei entsprechend anzuwenden. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich an (so auch Senatsurteil vom 19. November 20014, L 13 R 26/14 m.w.N).
Da das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2015, in der die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt vertreten war, erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall missbräuchlich. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder (wie hier) unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni 2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18. September 2003 - L 2 RA 379/03 - beide veröffentlicht in Juris). Maßgeblich für die Auferlegung von Verschuldenskosten war für den Senat, dass der rechtserhebliche Sachverhalt eindeutig und unumstritten ist, dem Begehren bereits die Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X entgegensteht und im Übrigen die gesetzliche Regelung zu den Voraussetzungen und zum Beginn einer Witwenrenten aus der Rentenanwartschaft eines vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehegatten eindeutig und auch nicht verfassungswidrig ist und auch keinerlei Anhalt für eine einen Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung besteht. Damit muss sich auch der anwaltlich vertretenen Klägerin aufdrängen, dass ihr Begehren jeder nachvollziehbaren Grundlage entbehrt. Dass dennoch demonstrierte fortwährende Beharren der Klägerin auf Gewährung der Rente vor dem 1. September 1993 zeigt daher aus Sicht des Senats ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, welches die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtfertigt. Der Senat hält daher im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Für die Höhe der dem Senat verursachten Kosten erscheint die gesetzliche Mindestgebühr, obwohl tatsächlich diese überschreitend, als zunächst angemessen (§ 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).
Im Übrigen war für den Senat bezüglich der Kostenentscheidung im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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