Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 1301/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Maklerlohnanspruch des gewerblichen Arbeitsvermittlers nach § 45 Abs. 4 S. 3 Nr. 2, Abs. 6 SGB III als Vermittlungsmakler i. S. des § 652 BGB entsteht bei erfolgreicher Vermittlung in Beschäftigung. Die Kausalität seiner Vermittlungstätigkeit für den Vertragsschluss wird, anders als beim Nachweismakler, nicht durch Vorkenntnis der Gelegenheit zum Vertragsschluss beim Vermittelten ausgeschlossen. Auch parallele Vermittlungsbemühungen Dritter, hier der Bundesagentur für Arbeit, schließen einen Maklerlohnanspruch des Arbeitsvermittlers nicht notwendig aus.
1. Der Bescheid des Beklagten vom 13.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2011 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin 1.000,- EUR zu zahlen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Beschluss: Der Streitwert wird auf 1.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Auszahlung einer Vermittlungsvergütung aus Vermittlungsgutschein des Beklagten hat.
Die Klägerin betreibt als Einzelunternehmen mit Sitz in A ... unter der Firma V die gewerbliche Vermittlung von Arbeitsuchenden in Arbeitsverhältnisse. Sie hat bei der Stadt A ... mindestens seit März 2008 die Personalvermittlung als Gegenstand ihrer gewerblichen Tätigkeit angezeigt (Bl. 3 Beklagtenakte, nachfolgend BA). Am 27.08.2010 beauftragte ein Kunde des Beklagten, der Beigeladene B ..., die Klägerin mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle. In dem als "Vermittlungsvereinbarung" bezeichneten Vertrag ist vermerkt, dass dem Bewerber "durch die Vermittlung bei Vorlage eines gültigen Vermittlungsgutscheins vom Arbeitsamt/ARGE keine Kosten" entstünden (Bl. 2 BA). Ohne gültigen Vermittlungsgutschein sei bei Abschluss eines Arbeitsvertrages eine Erfolgsprovision zu zahlen. Bestehe das Arbeitsverhältnis kürzer bzw. einschließlich 4 Wochen, sei eine Provision von 100,- EUR brutto fällig. Bei darüber hinaus gehenden Beschäftigungsverhältnissen sei eine Erfolgsprovision in Höhe von 250,- EUR brutto zu zahlen (aaO. Ziff. 5). Der Beigeladene händigte der Klägerin einen Vermittlungsgutschein des Beklagten über 2.250 EUR nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 421g SGB III mit Gültigkeit vom 24.08.2010 bis 23.11.2010 aus (Bl. 1 BA). In dem Vermittlungsgutschein heißt es u. a.: "Der oben angegebene Betrag wird an einen von Ihnen eingeschalteten privaten Vermittler gezahlt, wenn Sie von ihm in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt wurden. Die Zahlung erfolgt in Höhe von 1.000,- EUR nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Der Restbetrag wird gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis mindestens sechs Monate gedauert hat. Die Vergütung wird nur gezahlt, wenn [ ] Sie bei demselben Arbeitgeber während der letzten vier Jahre vor der Arbeitslosmeldung nicht oder nicht länger als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt waren, der von Ihnen beauftragte Vermittler nicht bereits von der Agentur für Arbeit mit Ihrer Vermittlung beauftragt ist, sie vor der Vermittlung mit dem Vermittler einen schriftlichen Vermittlungsvertrag geschlossen haben, der Vermittler aufgrund dieses Vertrages gegen Sie einen Anspruch auf eine Vermittlungsvergütung hat [ ]." Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Vermittlungsgutschein verwiesen.
Die Klägerin ließ den Beigeladenen zunächst seine Bewerbungsunterlagen überarbeiten, wobei sie ihn an eine hierzu eingerichtete Dienststelle des Beklagten verwies. Am 14.10.2010 ließ sie den Beigeladenen aus ihren Geschäftsräumen bei der Firma B , einem Callcenterbetreiber, als Bewerber anrufen, nachdem sie ihn auf sein Einverständnis im Beratungsgespräch unmittelbar zuvor per Email dort angemeldet hatte. Dieses Vorgehen entsprach einer durch die Klägerin mit jener Firma vorab getroffenen Übereinkunft über die Bewerbungsmodalitäten für Stellen im Callcenter. Das Telefoninterview verlief erfolgreich. Der Beigeladene wurde daraufhin zunächst zum Vorstellungsgespräch und zu einem anschließenden Assessment Center eingeladen. Nach dem Telefoninterview hatte die Klägerin mit dem Beigeladenen Emailverkehr geführt, um ihn das Verfassen von Texten und die Beachtung von Groß- und Kleinschreibung üben zu lassen und ihn so auf die Anforderungen als Bewerber im Assessment für das Callcenter vorzubereiten. Auch Vorstellungsgespräch und Assessment Center verliefen für den Beigeladenen erfolgreich. Er wurde zum 01.11.2010 befristet bis 30.04.2011 bei der B als Mitarbeiter eingestellt (Bl. 9 BA). Der Arbeitsvertrag des Beigeladenen wurde in der Folge vorzeitig entfristet, er ist weiterhin dort erwerbstätig.
Bereits in einem Beratungsgespräch am 17.08.2010 war der Beigeladene durch den Arbeitsvermittler Jung des Beklagten auf ein Angebot der B angesprochen worden, nachdem er im Verlauf erkennen lassen hatte, dass er sich auch eine Arbeit im Callcenter zutraue. Dem Beigeladenen wurde dabei der Termin für eine Informationsveranstaltung am 19.08.2010 mitgeteilt und sein Name in die Teilnehmerliste jener Informationsveranstaltung eingetragen (Bl. 20, 22 BA). Wegen Erkrankung hatte der Beigeladene an dieser Informationsveranstaltung jedoch nicht teilgenommen (Bl. 21 f. BA). Bei einer weiteren Vorsprache beim Beklagten am 03.09.2010 hatte der Beigeladene dem Beklagten mitgeteilt, er sei an einer Tätigkeitsaufnahme bei der B nicht interessiert und wolle nicht zur Informationsveranstaltung eingeladen werden (Bl. 24 BA). Hierwegen hat der Beklagte gegen den Beigeladenen einen bestandskräftigen Sanktionsbescheid erlassen und das ALG II des Beigeladenen ab November 2010 um 100 % gekürzt. Im November 2010 erhielt der Beigeladene lediglich Lebensmittelgutscheine vom Beklagten.
Die Klägerin meint, ihr dürfe aus dem Verhalten eines Arbeitsuchenden gegenüber dem Beklagten kein Nachteil entstehen. Der Abschluss des Arbeitsvertrages des Beigeladenen sei auf ihre Vermittlungstätigkeit zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 1.000,- EUR an die Klägerin auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe den Beigeladenen nicht erfolgreich an die B vermitteln können. Denn da der Beigeladene bereits vor Beauftragung der Klägerin durch Gespräche mit den Arbeitsvermittlern des Beklagten von der dort bestehenden Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme gewusst habe und der Beklagte sich selbst bemüht habe, den Beigeladenen in ein Arbeitsverhältnis mit jener Firma zu bringen, entspreche es nicht dem Sinn des Vermittlungsgutscheines, dass ein Bewerber ein Vermittlungsangebot der BA ablehne, sich aber wenige Tage später durch einen privaten Arbeitsvermittler entgeltlich gerade in dieselbe Beschäftigung vermitteln lasse. Die Situation sei für die durch den Beigeladenen nicht über die parallelen Vermittlungsbemühungen des Beklagten informierte Klägerin zwar misslich, dies sei aber ein Problem innerhalb der vertraglichen Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die beigezogene Beklagtenakte und das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist begründet. Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt Rechte der Klägerin, weil die Klägerin einen fälligen Anspruch auf Zahlung von Vermittlungsvergütung gegen den Beklagten gemäß §§ 16 Abs. 1 SGB II, 421 g SGB III damaliger Fassung aus dem Vermittlungsvertrag mit dem Beigeladenen in Verbindung mit dem Vermittlungsgutschein des Beklagten hat.
1. Bei dem Vertrag der Klägerin mit dem Beigeladenen handelt es sich um einen öffentlich-rechtlich überlagerten Maklervertrag, § 652 BGB (vgl. grundlegend und ausführlich BSG, Urteil vom 06. April 2006, Az. B 7a AL 56/05 R, Rz. 14 f. m. w. N., zitiert nach juris). Die Klägerin war dabei als Vermittlungsmakler, nicht als bloßer Nachweismakler beauftragt, §§ 296 Abs. 2 SGB III, 652 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Ihre Vertragspflicht und Leistung als Arbeitsvermittlungsmaklerin bestand danach nicht im bloßen Nachweis einer Gelegenheit zum Abschluss eines Arbeitsvertrages, sondern in der Vermittlung einer Arbeitsstelle einschließlich der Vorbereitung und Durchführung der Vermittlung, wie der Feststellung der Kenntnisse des Beigeladenen und der mit der Vermittlung verbundenen Berufsberatung (§ 296 Abs. 1 S. 1, 3 SGB III). Hierzu gehört auch das Einwirken auf die Willensbildung potentieller Arbeitgeber zur Förderung ihrer Bereitschaft zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Beigeladenen, u. a. auch durch Ratschläge an die Parteien des avisierten Arbeitsvertrages (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 70. Auflage, § 652 Rz. 27). Diese Vertragspflichten hat die Klägerin im vorliegenden Fall exemplarisch erfüllt, indem sie zunächst die Kenntnisse, Fertigkeiten und Eigenheiten des Beigeladenen mit dem Anforderungsprofil in Frage kommender Arbeitsstellen abgeglichen und den Beigeladenen sodann gezielt auf das Telefoninterview und das Bewerbungsgespräch mit Assessment Center vorbereitet hat. Damit hat die Klägerin zugleich auf den Vertragspartner des Beigeladenen eingewirkt, indem sie nämlich dem Beigeladenen als ihrem Auftraggeber geholfen hat, seinen künftigen Arbeitgeber von sich zu überzeugen.
2. Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer durch ihre Vermittlung auch innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheins des Beklagten den vertragsgemäß geschuldeten Erfolg erzielt, nämlich einen Arbeitsvertrag, der allen übrigen Anforderungen hinsichtlich Dauer, zeitlichem Umfang und Sozialversicherungspflicht genügt.
a) Die Kammer ist von der Kausalität der Vermittlungstätigkeit der Klägerin für den Abschluss des Arbeitsvertrages des Beigeladenen in tatsächlicher Hinsicht nach dem von ihr und dem Beigeladenen übereinstimmend und plausibel geschilderten Ablauf der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen überzeugt. Denn der Beklagte selbst hat den Beigeladenen weder zur ersten Kontaktaufnahme mit seinem späteren Arbeitgeber bewegen können, was ihn sogar zur Sanktionierung des Beigeladenen veranlasste, noch ihn konkret wie die Klägerin auf die weiteren einzelnen Einstellungsschritte beim künftigen Arbeitgeber vorbereitet. Folglich wären hier zur Gewissheit der Kammer ohne die Tätigkeit der Klägerin der Beigeladene und sein Arbeitgeber nicht zum konkreten Vertragsschluss gelangt.
b) Die Kausalität der klägerischen Vermittlungstätigkeit entfällt auch nicht aus rechtlichen Gründen durch die vorhergehenden eigenen Vermittlungsbemühungen des Beklagten. Dass die Tätigkeit der Klägerin auch Gegenstand der eigenen Arbeitsvermittlung des Beklagten ist, steht ihrem Maklerlohnanspruch als Vermittlungsmakler nämlich nicht entgegen, wie sich schon aus §§ 35 Abs. 1, 2, 296 Abs. 1 SGB III im Umkehrschluss und daneben ausdrücklich aus dem Wortlaut des Vermittlungsgutscheins selbst ergibt. Denn auch die Beauftragung mehrerer Makler ist nach dessen klarem Wortlaut uneingeschränkt und unabhängig von der weiteren Inanspruchnahme der Vermittlungsangebote des Beklagten zulässig.
Eine Einschränkung der Kausalität ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache. Während der kausale Nachweis einer Gelegenheit zum Vertragsabschluss regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn jene Gelegenheit beim Auftraggeber des Nachweismaklers bereits zuvor bekannt ist (vgl. Palandt aaO. Rz. 47 – 50), ist die hier geschuldete Tätigkeit des Vermittlungsmaklers rechtlich bereits dann als kausal für den Vertragsabschluss anzusehen, wenn er durch seine Tätigkeit die Abschlussbereitschaft des Dritten tatsächlich gefördert hat (Palandt aaO. Rz. 51). Daran besteht hier wie unter a) gezeigt kein Zweifel. Die vergeblichen Bemühungen des Beklagten haben die notwendige Abschlussbereitschaft des Beigeladenen und seines Arbeitgebers demgegenüber gerade nicht zu heben vermocht. Dass sich der Beigeladene hier zum Verdruss des Beklagten nicht schon auf dessen Vermittlungsbemühungen, sondern erst auf die gleichgerichteten Schritte der Klägerin hin um Arbeit bei B bemüht hat, berührt damit in keiner Weise den zivilrechtlichen Vermittlungsmaklerlohnanspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen und damit auch nicht ihren daraus resultierenden Zahlungsanspruch aufgrund des mit Vermittlungsgutschein begebenen Schuldversprechens des Beklagten. Die entgegenstehende Auffassung des Beklagten, der sich auf die vereinzelt gebliebene Ansicht des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 19. Februar 2008, L 7 AL 213/05, zitiert nach juris, stützt, überzeugt wegen Verkennung der grundsätzlich unterschiedlichen Kausalitätsanforderungen zwischen Nachweis- und Vermittlungsmakler nicht (vgl. hierzu zwar einschränkend, aber wiederum ungenau Nachweis- und Vermittlungsmakler gleichsetzend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05. Februar 2014, Az. L 2 AL 88/13 B ER, Rz. 25 einerseits – Vermittlungsmakler – und Rz. 28 andererseits – Nachweismakler). Freilich geht auch die Kammer davon aus, dass private Arbeitsvermittler nach dem Ziel des Gesetzgebers in §§ 296, 412 g SGB III a. F. nicht als bloße Trittbrettfahrer erfolgreicher öffentlicher Vermittlungsbemühungen noch zusätzliche Vergütung verdienen sollen. Dieses ist aber nicht durch eine systematisch unstimmige Vermengung der Kausalitätsanforderungen bei Nachweis- und Vermittlungsmaklertätigkeit umzusetzen. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der Vergütung beanspruchende Makler wie hier tatsächlich Vermittlungstätigkeit entfaltet hat und ob sich diese wie hier tatsächlich fördernd auf den Arbeitsvertragsschluss ausgewirkt hat.
c) Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass es dem Beklagten frei stand, einen – hier nach dem konkreten Geschehensablauf nicht gegebenen - Mitnahmeeffekt seiner Vermittlungsbemühungen durch private Arbeitsvermittler generell zu vermeiden. Denn er hätte sein öffentlich-rechtliches Zahlungsversprechen bereits in seinem Vermittlungsgutschein ggf. hinsichtlich konkret eingeleiteter Eigenvermittlung zu einzelnen Arbeitgebern einschränken können, wenn er meinte, dass für private Vermittlungstätigkeit an jene Arbeitgeber mangels Entlastung der öffentlichen Arbeitsvermittlung keine Vergütung geleistet werden soll. Ohne solche Einschränkung des Zahlungsversprechens aus dem Vermittlungsgutschein wie hier sind eigene erfolglose Vermittlungsversuche des Beklagten lediglich im Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und dem Beklagten von Bedeutung; sie haben sich hier folgerichtig in der Sanktionierung des Beigeladenen durch den Beklagten realisiert.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, ist er ohne Kostenrisiko beteiligt, §§ 69 Nr. 3 SGG, 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Deshalb gebietet die Billigkeit nicht, seine außergerichtlichen Auslagen Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen.
III. Der Streitwert wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG antragsgemäß auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Auszahlung einer Vermittlungsvergütung aus Vermittlungsgutschein des Beklagten hat.
Die Klägerin betreibt als Einzelunternehmen mit Sitz in A ... unter der Firma V die gewerbliche Vermittlung von Arbeitsuchenden in Arbeitsverhältnisse. Sie hat bei der Stadt A ... mindestens seit März 2008 die Personalvermittlung als Gegenstand ihrer gewerblichen Tätigkeit angezeigt (Bl. 3 Beklagtenakte, nachfolgend BA). Am 27.08.2010 beauftragte ein Kunde des Beklagten, der Beigeladene B ..., die Klägerin mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle. In dem als "Vermittlungsvereinbarung" bezeichneten Vertrag ist vermerkt, dass dem Bewerber "durch die Vermittlung bei Vorlage eines gültigen Vermittlungsgutscheins vom Arbeitsamt/ARGE keine Kosten" entstünden (Bl. 2 BA). Ohne gültigen Vermittlungsgutschein sei bei Abschluss eines Arbeitsvertrages eine Erfolgsprovision zu zahlen. Bestehe das Arbeitsverhältnis kürzer bzw. einschließlich 4 Wochen, sei eine Provision von 100,- EUR brutto fällig. Bei darüber hinaus gehenden Beschäftigungsverhältnissen sei eine Erfolgsprovision in Höhe von 250,- EUR brutto zu zahlen (aaO. Ziff. 5). Der Beigeladene händigte der Klägerin einen Vermittlungsgutschein des Beklagten über 2.250 EUR nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 421g SGB III mit Gültigkeit vom 24.08.2010 bis 23.11.2010 aus (Bl. 1 BA). In dem Vermittlungsgutschein heißt es u. a.: "Der oben angegebene Betrag wird an einen von Ihnen eingeschalteten privaten Vermittler gezahlt, wenn Sie von ihm in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt wurden. Die Zahlung erfolgt in Höhe von 1.000,- EUR nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Der Restbetrag wird gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis mindestens sechs Monate gedauert hat. Die Vergütung wird nur gezahlt, wenn [ ] Sie bei demselben Arbeitgeber während der letzten vier Jahre vor der Arbeitslosmeldung nicht oder nicht länger als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt waren, der von Ihnen beauftragte Vermittler nicht bereits von der Agentur für Arbeit mit Ihrer Vermittlung beauftragt ist, sie vor der Vermittlung mit dem Vermittler einen schriftlichen Vermittlungsvertrag geschlossen haben, der Vermittler aufgrund dieses Vertrages gegen Sie einen Anspruch auf eine Vermittlungsvergütung hat [ ]." Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Vermittlungsgutschein verwiesen.
Die Klägerin ließ den Beigeladenen zunächst seine Bewerbungsunterlagen überarbeiten, wobei sie ihn an eine hierzu eingerichtete Dienststelle des Beklagten verwies. Am 14.10.2010 ließ sie den Beigeladenen aus ihren Geschäftsräumen bei der Firma B , einem Callcenterbetreiber, als Bewerber anrufen, nachdem sie ihn auf sein Einverständnis im Beratungsgespräch unmittelbar zuvor per Email dort angemeldet hatte. Dieses Vorgehen entsprach einer durch die Klägerin mit jener Firma vorab getroffenen Übereinkunft über die Bewerbungsmodalitäten für Stellen im Callcenter. Das Telefoninterview verlief erfolgreich. Der Beigeladene wurde daraufhin zunächst zum Vorstellungsgespräch und zu einem anschließenden Assessment Center eingeladen. Nach dem Telefoninterview hatte die Klägerin mit dem Beigeladenen Emailverkehr geführt, um ihn das Verfassen von Texten und die Beachtung von Groß- und Kleinschreibung üben zu lassen und ihn so auf die Anforderungen als Bewerber im Assessment für das Callcenter vorzubereiten. Auch Vorstellungsgespräch und Assessment Center verliefen für den Beigeladenen erfolgreich. Er wurde zum 01.11.2010 befristet bis 30.04.2011 bei der B als Mitarbeiter eingestellt (Bl. 9 BA). Der Arbeitsvertrag des Beigeladenen wurde in der Folge vorzeitig entfristet, er ist weiterhin dort erwerbstätig.
Bereits in einem Beratungsgespräch am 17.08.2010 war der Beigeladene durch den Arbeitsvermittler Jung des Beklagten auf ein Angebot der B angesprochen worden, nachdem er im Verlauf erkennen lassen hatte, dass er sich auch eine Arbeit im Callcenter zutraue. Dem Beigeladenen wurde dabei der Termin für eine Informationsveranstaltung am 19.08.2010 mitgeteilt und sein Name in die Teilnehmerliste jener Informationsveranstaltung eingetragen (Bl. 20, 22 BA). Wegen Erkrankung hatte der Beigeladene an dieser Informationsveranstaltung jedoch nicht teilgenommen (Bl. 21 f. BA). Bei einer weiteren Vorsprache beim Beklagten am 03.09.2010 hatte der Beigeladene dem Beklagten mitgeteilt, er sei an einer Tätigkeitsaufnahme bei der B nicht interessiert und wolle nicht zur Informationsveranstaltung eingeladen werden (Bl. 24 BA). Hierwegen hat der Beklagte gegen den Beigeladenen einen bestandskräftigen Sanktionsbescheid erlassen und das ALG II des Beigeladenen ab November 2010 um 100 % gekürzt. Im November 2010 erhielt der Beigeladene lediglich Lebensmittelgutscheine vom Beklagten.
Die Klägerin meint, ihr dürfe aus dem Verhalten eines Arbeitsuchenden gegenüber dem Beklagten kein Nachteil entstehen. Der Abschluss des Arbeitsvertrages des Beigeladenen sei auf ihre Vermittlungstätigkeit zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 1.000,- EUR an die Klägerin auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe den Beigeladenen nicht erfolgreich an die B vermitteln können. Denn da der Beigeladene bereits vor Beauftragung der Klägerin durch Gespräche mit den Arbeitsvermittlern des Beklagten von der dort bestehenden Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme gewusst habe und der Beklagte sich selbst bemüht habe, den Beigeladenen in ein Arbeitsverhältnis mit jener Firma zu bringen, entspreche es nicht dem Sinn des Vermittlungsgutscheines, dass ein Bewerber ein Vermittlungsangebot der BA ablehne, sich aber wenige Tage später durch einen privaten Arbeitsvermittler entgeltlich gerade in dieselbe Beschäftigung vermitteln lasse. Die Situation sei für die durch den Beigeladenen nicht über die parallelen Vermittlungsbemühungen des Beklagten informierte Klägerin zwar misslich, dies sei aber ein Problem innerhalb der vertraglichen Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die beigezogene Beklagtenakte und das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist begründet. Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt Rechte der Klägerin, weil die Klägerin einen fälligen Anspruch auf Zahlung von Vermittlungsvergütung gegen den Beklagten gemäß §§ 16 Abs. 1 SGB II, 421 g SGB III damaliger Fassung aus dem Vermittlungsvertrag mit dem Beigeladenen in Verbindung mit dem Vermittlungsgutschein des Beklagten hat.
1. Bei dem Vertrag der Klägerin mit dem Beigeladenen handelt es sich um einen öffentlich-rechtlich überlagerten Maklervertrag, § 652 BGB (vgl. grundlegend und ausführlich BSG, Urteil vom 06. April 2006, Az. B 7a AL 56/05 R, Rz. 14 f. m. w. N., zitiert nach juris). Die Klägerin war dabei als Vermittlungsmakler, nicht als bloßer Nachweismakler beauftragt, §§ 296 Abs. 2 SGB III, 652 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Ihre Vertragspflicht und Leistung als Arbeitsvermittlungsmaklerin bestand danach nicht im bloßen Nachweis einer Gelegenheit zum Abschluss eines Arbeitsvertrages, sondern in der Vermittlung einer Arbeitsstelle einschließlich der Vorbereitung und Durchführung der Vermittlung, wie der Feststellung der Kenntnisse des Beigeladenen und der mit der Vermittlung verbundenen Berufsberatung (§ 296 Abs. 1 S. 1, 3 SGB III). Hierzu gehört auch das Einwirken auf die Willensbildung potentieller Arbeitgeber zur Förderung ihrer Bereitschaft zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Beigeladenen, u. a. auch durch Ratschläge an die Parteien des avisierten Arbeitsvertrages (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 70. Auflage, § 652 Rz. 27). Diese Vertragspflichten hat die Klägerin im vorliegenden Fall exemplarisch erfüllt, indem sie zunächst die Kenntnisse, Fertigkeiten und Eigenheiten des Beigeladenen mit dem Anforderungsprofil in Frage kommender Arbeitsstellen abgeglichen und den Beigeladenen sodann gezielt auf das Telefoninterview und das Bewerbungsgespräch mit Assessment Center vorbereitet hat. Damit hat die Klägerin zugleich auf den Vertragspartner des Beigeladenen eingewirkt, indem sie nämlich dem Beigeladenen als ihrem Auftraggeber geholfen hat, seinen künftigen Arbeitgeber von sich zu überzeugen.
2. Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer durch ihre Vermittlung auch innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheins des Beklagten den vertragsgemäß geschuldeten Erfolg erzielt, nämlich einen Arbeitsvertrag, der allen übrigen Anforderungen hinsichtlich Dauer, zeitlichem Umfang und Sozialversicherungspflicht genügt.
a) Die Kammer ist von der Kausalität der Vermittlungstätigkeit der Klägerin für den Abschluss des Arbeitsvertrages des Beigeladenen in tatsächlicher Hinsicht nach dem von ihr und dem Beigeladenen übereinstimmend und plausibel geschilderten Ablauf der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen überzeugt. Denn der Beklagte selbst hat den Beigeladenen weder zur ersten Kontaktaufnahme mit seinem späteren Arbeitgeber bewegen können, was ihn sogar zur Sanktionierung des Beigeladenen veranlasste, noch ihn konkret wie die Klägerin auf die weiteren einzelnen Einstellungsschritte beim künftigen Arbeitgeber vorbereitet. Folglich wären hier zur Gewissheit der Kammer ohne die Tätigkeit der Klägerin der Beigeladene und sein Arbeitgeber nicht zum konkreten Vertragsschluss gelangt.
b) Die Kausalität der klägerischen Vermittlungstätigkeit entfällt auch nicht aus rechtlichen Gründen durch die vorhergehenden eigenen Vermittlungsbemühungen des Beklagten. Dass die Tätigkeit der Klägerin auch Gegenstand der eigenen Arbeitsvermittlung des Beklagten ist, steht ihrem Maklerlohnanspruch als Vermittlungsmakler nämlich nicht entgegen, wie sich schon aus §§ 35 Abs. 1, 2, 296 Abs. 1 SGB III im Umkehrschluss und daneben ausdrücklich aus dem Wortlaut des Vermittlungsgutscheins selbst ergibt. Denn auch die Beauftragung mehrerer Makler ist nach dessen klarem Wortlaut uneingeschränkt und unabhängig von der weiteren Inanspruchnahme der Vermittlungsangebote des Beklagten zulässig.
Eine Einschränkung der Kausalität ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache. Während der kausale Nachweis einer Gelegenheit zum Vertragsabschluss regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn jene Gelegenheit beim Auftraggeber des Nachweismaklers bereits zuvor bekannt ist (vgl. Palandt aaO. Rz. 47 – 50), ist die hier geschuldete Tätigkeit des Vermittlungsmaklers rechtlich bereits dann als kausal für den Vertragsabschluss anzusehen, wenn er durch seine Tätigkeit die Abschlussbereitschaft des Dritten tatsächlich gefördert hat (Palandt aaO. Rz. 51). Daran besteht hier wie unter a) gezeigt kein Zweifel. Die vergeblichen Bemühungen des Beklagten haben die notwendige Abschlussbereitschaft des Beigeladenen und seines Arbeitgebers demgegenüber gerade nicht zu heben vermocht. Dass sich der Beigeladene hier zum Verdruss des Beklagten nicht schon auf dessen Vermittlungsbemühungen, sondern erst auf die gleichgerichteten Schritte der Klägerin hin um Arbeit bei B bemüht hat, berührt damit in keiner Weise den zivilrechtlichen Vermittlungsmaklerlohnanspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen und damit auch nicht ihren daraus resultierenden Zahlungsanspruch aufgrund des mit Vermittlungsgutschein begebenen Schuldversprechens des Beklagten. Die entgegenstehende Auffassung des Beklagten, der sich auf die vereinzelt gebliebene Ansicht des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 19. Februar 2008, L 7 AL 213/05, zitiert nach juris, stützt, überzeugt wegen Verkennung der grundsätzlich unterschiedlichen Kausalitätsanforderungen zwischen Nachweis- und Vermittlungsmakler nicht (vgl. hierzu zwar einschränkend, aber wiederum ungenau Nachweis- und Vermittlungsmakler gleichsetzend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05. Februar 2014, Az. L 2 AL 88/13 B ER, Rz. 25 einerseits – Vermittlungsmakler – und Rz. 28 andererseits – Nachweismakler). Freilich geht auch die Kammer davon aus, dass private Arbeitsvermittler nach dem Ziel des Gesetzgebers in §§ 296, 412 g SGB III a. F. nicht als bloße Trittbrettfahrer erfolgreicher öffentlicher Vermittlungsbemühungen noch zusätzliche Vergütung verdienen sollen. Dieses ist aber nicht durch eine systematisch unstimmige Vermengung der Kausalitätsanforderungen bei Nachweis- und Vermittlungsmaklertätigkeit umzusetzen. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der Vergütung beanspruchende Makler wie hier tatsächlich Vermittlungstätigkeit entfaltet hat und ob sich diese wie hier tatsächlich fördernd auf den Arbeitsvertragsschluss ausgewirkt hat.
c) Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass es dem Beklagten frei stand, einen – hier nach dem konkreten Geschehensablauf nicht gegebenen - Mitnahmeeffekt seiner Vermittlungsbemühungen durch private Arbeitsvermittler generell zu vermeiden. Denn er hätte sein öffentlich-rechtliches Zahlungsversprechen bereits in seinem Vermittlungsgutschein ggf. hinsichtlich konkret eingeleiteter Eigenvermittlung zu einzelnen Arbeitgebern einschränken können, wenn er meinte, dass für private Vermittlungstätigkeit an jene Arbeitgeber mangels Entlastung der öffentlichen Arbeitsvermittlung keine Vergütung geleistet werden soll. Ohne solche Einschränkung des Zahlungsversprechens aus dem Vermittlungsgutschein wie hier sind eigene erfolglose Vermittlungsversuche des Beklagten lediglich im Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und dem Beklagten von Bedeutung; sie haben sich hier folgerichtig in der Sanktionierung des Beigeladenen durch den Beklagten realisiert.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, ist er ohne Kostenrisiko beteiligt, §§ 69 Nr. 3 SGG, 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Deshalb gebietet die Billigkeit nicht, seine außergerichtlichen Auslagen Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen.
III. Der Streitwert wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG antragsgemäß auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved