L 9 KR 53/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 KR 1166/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 53/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. März 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 30. März 1998 in der Fassung des Bescheides vom 16. Juli 1998 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 11. November 1998 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 1. Dezember 1999 in seiner Beschäftigung bei der Firma Sch. GmbH & Co. versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosen- versicherung war. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechts- streits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Student in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zwischen dem 1. April 1998 und dem 1. Dezember 1999 versicherungsfrei war.

Der 1973 geborene Kläger nahm am 1. Oktober 1996 an der Technischen Fachhochschule (TFH) Berlin im Rahmen eines dualen Studienganges ein Studium in der Fachrichtung „Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik“ auf. Das insgesamt achtsemestrige Studium gliedert sich nach der hier maßgeblichen Studienordnung vom 19. Juni 1995 in ein dreisemestriges Grund- und ein viersemestriges Hauptstudium sowie in das Abschlussprüfungssemester. Die Semester des Grund- und Hauptstudiums gliedern sich in eine zwölfwöchige Studienzeit an der TFH und in eine unmittelbar sich anschließende ca. dreimonatige Praxisphase in einem Unternehmen. Die Zulassung zu dem dualen Studiengang „Betriebswirtschaftslehre“ setzt den Nachweis eines mit Hinsicht auf diesen Studiengang geeigneten Praxisplatzes für die Dauer des Studiums voraus.

Hierzu hat der Kläger am 26. September 1996 einen so genannten Praktikantenvertrag mit der Firma A. Sch.GmbH & Co. geschlossen. Die Firma verpflichtete sich in diesem Vertrag, im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten dem Kläger in der Zeit vom 15. September 1996 bis zum 31. Juli 2000 ein aus sieben Phasen bestehendes Praktikum zu ermöglichen und ihm die in der genannten Studienordnung aufgeführten Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Der Kläger verpflichtete sich, die ihm im Rahmen des Praktikums übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, die für die Firma geltende Ordnung zu beachten und der Firma ein Fernbleiben unverzüglich anzuzeigen. Während der Vertragsdauer standen dem Kläger außerhalb der Theoriephasen dreißig freie Tage pro Kalenderjahr zu. Während des Grundstudiums erhielt er von der Firma eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe von monatlich brutto 1.098,00 DM. Nach Bestehen der Diplomvorprüfung wurde dem Kläger eine Erhöhung dieser Vergütung auf monatlich brutto 1.271,00 DM in Aussicht gestellt. Zur Durchführung der Praktikantentätigkeit schlossen die TFH und die Ausbildungsfirma einen Kooperationsvertrag. Danach verpflichtete sich die Firma, die betrieblichen Praxisphasen in ständiger Abstimmung mit der TFH durchzuführen, insbesondere die betrieblichen Praxisphasen gemäß der Studienordnung durchzuführen, die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Anfertigung und Betreuung der Diplom-Arbeiten sicherzustellen und je einen qualifizierten Mitarbeiter zur Betreuung der Praxisphasen bereitzustellen. Dieser Betreuer erhielt von der TFH einen Lehrauftrag. Er war für die Beurteilung der von den Studenten in den betrieblichen Praxisphasen zu erbringenden Leistungen verantwortlich. Voraussetzung für die Tätigkeit als Lehrbeauftragter war, dass der Betreuer über eine notwendige Qualifikation - insbesondere über einen Hochschulabschluss und einschlägige Berufspraxis - verfügte. Die Vergütungen wurden dem Kläger auch für die Theoriephasen des Studiums gezahlt. Nachdem die A. Sch. GmbH & Co. in Insolvenz geraten ist, setzte der Kläger ab dem 1. Dezember 1999 seine Praktikantentätigkeit bei der Firma R. K. M. + V. GmbH fort.

Nach Prüfung dieses Vorgangs teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30. März 1998 mit, dass er als Student eines dualen (praxisorientierten) Studienganges im Rahmen eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnisses ein Studium absolviere und deshalb als zur Berufsausbildung bzw. gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter (Arbeitnehmer) anzusehen sei. Das Studium sei integrierter Bestandteil des Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnisses. Derartige Personen unterlägen der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Auf seinen hiergegen gerichteten Widerspruch änderte die Beklagte ihre Entscheidung mit Bescheid vom 16. Juli 1998 insoweit ab, als sie es bei der bis zum 31. März 1998 durchgeführten Krankenversicherung der Studenten aus Vertrauensschutzgründen beließ. Ab dem 1. April 1998 seien aber Beiträge aufgrund der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen.

Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 1998 als unbegründet zurück. Während seiner Praktikantentätigkeit bei der Firma A. Sch. GmbH & Co. sei der Kläger als Beschäftigter versicherungspflichtig. Hierfür sei die besondere Ausgestaltung des Studienganges des Klägers maßgebend, die sich vom Regelfall eines Hochschulstudienganges durch die fortdauernde planmäßige Berufstätigkeit der Studierenden erheblich unterscheide. Anders als bei einem Werkstudenten, der neben seinem Studium eine nach Zweck und Dauer diesem untergeordnete Beschäftigung ausübe, um erforderliche Mittel für sein Studium und seinen Lebensunterhalt hinzuzuverdienen, stelle sich die Sachlage des so genannten „berufsintegrierenden“ Studiums anders dar: Ein Studierender dieses Studienganges führe gleichzeitig in verringertem Umfang eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Ausbildung und sein Studium durch. Bei dieser Sachlage werde der Status der betreffenden Person von der Beschäftigung und nicht vom gleichzeitig ausgeübten Studium geprägt, so dass - wie grundsätzlich bei jedem gegen Entgelt Beschäftigten - Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung bestehe. Der Versicherungsschutz von Werkstudenten sei demgegenüber auf eng begrenzte Ausnahmefälle zu beschränken. Eine Ungleichbehandlung der Studierenden in den berufsintegrierenden Studiengängen im Vergleich zu Werkstudenten ergebe sich nicht, da es sich insoweit um Personengruppen mit unterschiedlichen Ausbildungs- und Lebenssituationen handele.

Mit seiner am 13. November 1998 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und im Wesentlichen vorgetragen, dass er als Werkstudent nicht versicherungspflichtig sei. Er sei nicht in erster Linie Arbeitnehmer, sondern Student. Die praktische Tätigkeit sei dem Studium untergeordnet, um dem Studienzweck und Studienziel zu dienen. Ziel seiner akademischen Ausbildung sei nicht, eine Facharbeiterausbildung zu erreichen, sondern den akademischen Grad eines Betriebswirtes.

Mit Urteil vom 24. März 2000 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach seiner Auffassung der Versicherungsstatus praxisorientierter Studiengänge nicht mehr sachgerecht anhand des für den Werkstudenten entwickelten Kriteriums des äußeren Erscheinungsbildes beurteilt werden könne. Denn dieses entstamme einer Zeit, in der die Studiengänge an den Hochschulen üblicherweise als rein wissenschaftliche Studien ausgestaltet gewesen seien, so dass praktische Tätigkeiten neben dem Studium üblicherweise der Finanzierung des Lebensunterhalts gedient oder die untergeordnete Rolle eines kurzen Einblicks in die spätere praktische Tätigkeit dargestellt habe. Mit der zunehmenden Einbindung des Studierenden in einen Praxisbezug verliere das „klassische Erscheinungsbild“ gegenüber solchen Kriterien an Gewicht, die für oder gegen eine Privilegierung bei der Heranziehung zur Beitragsentrichtung sprächen. Nach Auffassung des Gerichts spreche deshalb gegen die Versicherungsfreiheit des Klägers die Tatsache, dass er aufgrund einer regelmäßigen und nicht geringfügig erzielten Ausbildungsbeihilfe nicht mehr dem Personenkreis des typischerweise bedürftigen Studenten zugehörig gewesen sei, der zur Finanzierung seines Studiums einer Arbeitstätigkeit gegen Entgelt nachgehen müsse. Ferner sei es aufgrund der engen Verflechtung des praktischen und theoretischen Studienteils nicht gerechtfertigt, den Kläger gegenüber einem zur Berufsausbildung beschäftigten Arbeitnehmer zu privilegieren.

Gegen das ihm am 13. Mai 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Mai 2000 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. März 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 30. März 1998 in der Fassung des Bescheides vom 16. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1998 aufzuheben und festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 1. Dezember 1999 in seiner Beschäftigung bei der Firma S. GmbH & Co. versicherungsfrei in allen Zweigen der Sozialversicherung war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, die sie für unbegründet hält.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes SGG) Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30. März 1998 in der Fassung des Bescheides vom 16. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1998 ist rechtswidrig. Der Kläger war in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 1. Dezember 1999 in seiner Beschäftigung bei der Firma S.GmbH & Co. in der Kranken-, Pflege-, Renten- und in der Arbeitslosenversicherung als Student versicherungsfrei.

In der Kranken- und Pflegeversicherung sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw. nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Entgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig. Das gleiche gilt in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) für Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. In der Arbeitslosenversicherung stehen Personen gemäß § 24 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Versicherungspflichtig sind nach § 25 Abs. 1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung (versicherungspflichtige Beschäftigung) beschäftigt sind.

Die verschiedenen Zweige der gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung sehen von dieser grundsätzlichen Versicherungspflicht aber Ausnahmen vor.

So sind in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI in der für den hier streitbefangenen Zeitraum (1. April 1998 bis 30. November 1999) maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998), in Kraft getreten am 1. Januar 1998, Personen, die dem Grunde nach gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig sind, versicherungsfrei, die während der Dauer des Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule ein Praktikum ableisten, das in ihrer Studienordnung oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist. Ein solcher Tatbestand liegt hier vor. Der Kläger war ordentlicher (immatrikulierter) Student der TFH und er hat bei der Firma A. Sch. GmbH & Co. ein Praktikum durchlaufen, das in der maßgebenden Studienordnung für den dualen Studiengang „Betriebswirtschaftslehre“ der TFH vom 19. Juni 1995 vorgeschrieben war. Das Praktikum war Voraussetzung für die Zulassung zum Studium und unabdingbar für den ordnungsgemäßen Ablauf des Studiums. Für die Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI ist weder die Dauer des Praktikums noch die Höhe eines eventuell erzielten Arbeitsentgelts oder die wöchentliche Arbeitszeit von Bedeutung (Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 5 RdNr. 87 und Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Std.: Januar 2002, § 5 SGB VI Anm. 23 a).

In der Kranken- und Pflege- sowie in der Arbeitslosenversicherung sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V bzw. nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sowie gemäß § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind bzw. eine Beschäftigung ausüben. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers erfüllt.

Die Rechtsprechung hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Frage befasst, wann für Studenten Versicherungsfreiheit besteht und wann es bei dem Grundsatz der Versicherungspflicht der abhängig Beschäftigten bleibt. Sie hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschäftigung dann versicherungsfrei ist, wenn sie „neben“ dem Studium, d.h. ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt wird, das Studium also die Haupt- und die Beschäftigung die Nebensache ist. Umgekehrt ist danach derjenige, der seinem „Erscheinungsbild“ nach zum Kreis der Beschäftigten gehört, durch ein gleichzeitiges Studium in der Beschäftigung nicht versicherungsfrei; Versicherungsfreiheit besteht insoweit vielmehr nur für Personen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium beansprucht werden; diese Wertung ist im Wege einer Gesamtschau vorzunehmen (Urteil des Bundessozialgericht BSG vom 11. Februar 1993 - 7 RAr 52/92 -, SozR 3-4100 § 169 b Nr. 1 m.w.Nachw.).

Zur Konkretisierung der vorbezeichneten Grundsätze hat das BSG darin, dass während des Semesters - bei einer üblichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden - eine Arbeitszeit von 20 Stunden überschritten wurde, ein wesentliches Beweisanzeichen für Versicherungspflicht im Rahmen einer Beschäftigung gesehen, während die Erwerbstätigkeit eines Studenten ausschließlich während der Sommerferien unabhängig vom Umfang der Tätigkeit regelmäßig nicht versicherungspflichtig ist. Indes wurde betont, dass es keine festen zeitlichen Grenzen gebe und immer eine Prüfung im Einzelfall erforderlich sei. Vollschichtige Arbeit in der vorlesungsfreien Zeit und bis zu grundsätzlich halbschichtige Arbeit in der Vorlesungszeit sind - ebenso wie bei einer Beschäftigungsdauer von 26 Wochen innerhalb eines Jahres - Richtwerte für Obergrenzen und stehen sämtlich unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit einem ordnungsgemäßen Studium. Diese Vereinbarkeit dürfte sich, wenn die Obergrenzen über längere Zeit ausgeschöpft werden, kaum noch ergeben (BSG a.a.O., m.w.Nachw.).

Diese Ausführungen betrafen den typischen „Werkstudenten“, der neben seinem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausübte. Darüber hinaus hat das BSG entschieden, dass die Versicherungsfreiheit als Student nicht auf diesen Personenkreis beschränkt ist. Da die Abgrenzung der versicherungsfreien Studentenbeschäftigung von der versicherungspflichtigen Beschäftigung danach zu erfolgen hat, ob Zeit und Arbeitskraft des Betreffenden überwiegend vom Studium oder überwiegend von der Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen werden, ob also der Betreffende seinem Erscheinungsbild nach Student oder Erwerbstätiger ist, sind durch die Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebene (zeitlich gegenüber der reinen Studienzeit untergeordnete) Zwischenpraktika im Rahmen des Studiums versicherungsfrei. Die Freistellung einer Beschäftigung von der Versicherungspflicht mag zwar ursprünglich auf den so genannten Werkstudenten ausgerichtet gewesen sein. Dahinter stand jedoch auch der Gedanke, dass ein Student seinem Status nach grundsätzlich nicht zum von der Sozialversicherung erfassten Personenkreis der Beschäftigten gehört und deshalb nicht aufgrund meist kurzfristiger Beschäftigungen vorübergehend wegen dieser Beschäftigung, also nicht über seinen Status als Student, in die Sozialversicherung einbezogen werden soll. Es gilt vielmehr der Grundsatz der versicherungsrechtlichen Kontinuität; ein Wechsel des Versicherungsgrundes soll während des Studiums möglichst vermieden werden (BSG a.a.O., m.w.Nachw.).

Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich die Beitragspflicht des Klägers während des streitbefangenen Zeitraums. Seinem Erscheinungsbild nach war der Kläger auch während seiner Praktikantentätigkeit bei der Firma A. Sch. GmbH & Co. Student. Das Praktikum diente allein dem ordnungsgemäßen Fortgang des Studiums. Nach der maßgeblichen Studienordnung für den dualen Studiengang „Betriebswirtschaftslehre“ der TFH gliederten sich die Semester in eine zwölfwöchige Studienzeit und eine sich unmittelbar anschließende ca. dreimonatige Praxisphase. Der Kläger hat während dieser Praxisphase sein Studium fortgesetzt, dies aber gewissermaßen von der TFH örtlich in den Betrieb der Firma A. Sch. GmbH & Co. verlagert. Dass diese Praktikantentätigkeit Teil des Studiums ist, zeigt sich gerade auch in der von der maßgeblichen Studienordnung in § 6 vorgeschriebenen fachlichen Begleitung dieser Praxisphase durch die Hochschullehrer der TFH. Diese Beratung dient dem Zweck, fachbezogene Problemstellungen der Praxisphase zu analysieren sowie Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten und zu bewerten. Verbunden ist die Fachberatung mit einer didaktischen Aufarbeitung der Ergebnisse der Praxisphase und deren Aufnahme in die Lehrinhalte der Lehrveranstaltungen. Dadurch sollen die Studenten befähigt werden, komplexe betriebswirtschaftliche Probleme theoretisch fundiert und praxisgerecht zu lösen, sowie die Auswirkungen von betrieblichen Entscheidungen zu erkennen, zu bewerten und Planungs- und Entscheidungsprozesse effektiv zu gestalten (§ 1 der genannten Studienordnung). Dies verdeutlicht, dass es sich bei dem Praktikum um eine in einen Betrieb verlagerte Hochschulausbildung gehandelt hat, die Teil des Studiums war, und keine betriebliche Ausbildung vorgelegen hat. Dies zeigt auch der zwischen der Ausbildungsfirma und der TFH geschlossene Kooperationsvertrag. Der von der Firma zu stellende Betreuer der Studenten erhielt zur Durchführung seiner Aufgabe von der TFH einen Lehrauftrag. Er war für die Sicherstellung der Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Anfertigung und Betreuung der Diplom-Arbeiten und für die Beurteilung der von den Studenten in den betrieblichen Praxisphasen zu erbringenden Leistungen verantwortlich.

Dass diese Ausbildung vergleichbar einem Beschäftigungsverhältnis durchgeführt wurde, ändert nichts daran, dass die gesamte Tätigkeit geprägt und bestimmt war durch die Anforderungen des Studiums sowie durch das Ziel, durch Ableisten des Praktikums das Studium erfolgreich abzuschließen. Die Tätigkeit bei der Firma A. Sch. GmbH & Co. war damit insgesamt dem Studium zuzuordnen; unter diesen Umständen würde es dem Gedanken der versicherungsrechtlichen Kontinuität widersprechen, den Kläger sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer zu behandeln.

Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BSG vom 10. Dezember 1998 (B 12 KR 22/97 R, SozR 3-2500 § 6 Nr. 16). Die Besonderheit des dortigen Sachverhaltes im Vergleich zu der hier vorliegenden Konstellation lag darin, dass die dortige Klägerin während ihres Studiums ihren erlernten Beruf während des Semester als Teilzeitbeschäftigung und während der Semesterferien als Vollzeitbeschäftigung ausgeübt hatte. Studienvoraussetzung in diesem Fall war gerade eine Beschäftigung in dem erlernten Beruf, die abwechselnd an zwei oder drei Tagen in der Woche ausgeübt werden musste. Diese Situation ist mit der vorliegenden nicht zu vergleichen, in der sich an eine zwölfwöchige Studienzeit eine ca. dreimonatige Praxisphase anschloss. In dieser Praxisphase hat der Student nicht in seinem erlernten Beruf gearbeitet, sondern diese Praxisphase diente der Ausbildung und damit der Erlangung eines Hochschulabschlusses. Insoweit weicht der Sachverhalt auch von den Sachverhalten ab, über die das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in den von der Beklagten zitierten Urteilen vom 5. November 1996 (L 1 Kr 47/96) und vom 17. Juni 1997 (L 1 Kr 7/97) zu entscheiden hatte. Auch in diesen Sachverhalten standen die Studenten vor Aufnahme des Studiums bereits in einem Aus- oder einem Beschäftigungsverhältnis. Mit Aufnahme des Studiums wurden diese Verhältnisse nicht beendet, sondern sie bestanden auch während des Studiums fort. Die Anmeldung zum Studium erfolgte durch den Arbeitgeber, der auch die Studieneinrichtung mit anderen Arbeitgebern finanzierte. Zudem war der dortige Theorieanteil dem Praxisanteil zeitlich untergeordnet. Dem Erscheinungsbild nach waren die dortigen Kläger mit der Aufnahme des Studiums Arbeitnehmer geblieben, weil auch während des Studiums die Beschäftigung bei ihrem Arbeitgeber im Vordergrund stand. Im vorliegenden Fall ist es aber gerade umgekehrt. Hier stand das Studium im Vordergrund. Erst mit Aufnahme dieses Studiums schloss der Kläger mit der Firma A. Sch. GmbH & Co. einen Praktikantenvertrag und erst nach Aufnahme des Studiums hat er diese Praktikantentätigkeit aufgenommen.

Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob der Kläger in seiner Praktikantentätigkeit bei der Firma R. K. M. + V. GmbH vom 1. Dezember 1999 bis zum 31. Juli 2000 in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert war. Hierüber hat die Beklagte keine Entscheidung getroffen. Sie hat ihre Entscheidung ausschließlich auf die Praktikantentätigkeit des Klägers bei der Firma A. Sch. GmbH & Co. beschränkt. Die Beiladung der Firma R. K. M. und V. GmbH war daher entbehrlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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