Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 176 R 5321/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 748/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2012 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab dem 1. September 2014 bis zum 31. August 2017 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu 1/3 zu erstatten. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1954 geborene Klägerin begehrt die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist gelernte Zahnarzthelferin, arbeitete zuletzt jedoch von 1975 bis 2010 als Bankkauffrau, ohne entsprechende Ausbildung. Seit dem 1. Juli 2010 befindet sie sich im Vorruhestand und bezieht von ihrer Arbeitgeberin Vorruhestandsgeld.
Im Februar 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab hierzu an, sie leide unter psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen, Angst- und Panikattacken sowie einem akuten Bandscheibenvorfall in Lenden- und Halswirbelsäule und habe im Jahr 2009 eine Operation wegen Gebärmutterhalskrebs durchführen lassen müssen. Seit November 2009 sei sie arbeitsunfähig krank.
Die Beklagte beauftrage daraufhin den Facharzt für Orthopädie Dr. M und den Facharzt für Nervenheilkunde Dr. K mit der Erstellung von Gutachten. Mit Bescheid vom 15. Juni 2010 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Rente ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf als Bankkauffrau weiterhin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch holte die Beklagte Befundberichte des die Klägerin seit April 2010 behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B und der Fachärztin für Orthopädie Dr. G ein. Ferner legte die Klägerin ein Attest der psychologischen Psychotherapeutin A vom 5. August 2010 vor, wonach sich die Klägerin seit dem Jahr 2000 regelmäßig in ihrer psychotherapeutischen Behandlung befinde. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 18. Oktober 2010 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und vorgetragen, die Beklagte habe ihren Gesundheitszustand unzutreffend gewürdigt. Ihre behandelnden Ärzte seien der Ansicht, dass sie nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, die Verwaltungsakten des Versorgungsamts Berlin zu einem Verfahren beigezogen, in dessen Ergebnis die Klägerin mit Bescheid vom 23. Juni 2010 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt bekommen hatte, sowie schließlich Beweis erhoben durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. In deren Gutachten vom 14. Juni 2011 ist die Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin seien festzustellen:
- Angst und depressive Störung, gemischt, - Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Bandscheibenschäden mit gelegentlicher Wurzelreizsymptomatik, - Chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, - Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten sowie - Hypertonus.
Nach Einschätzung der Sachverständigen könne die Klägerin ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten verrichten. Die Arbeit könne überwiegend im Sitzen oder im Wechsel der Haltungsarten erfolgen, wobei ein bestimmter Wechsel nicht erforderlich sei. Vermieden werden sollten Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung und unter Zeitdruck, Tätigkeiten im festgelegten Arbeitsrhythmus seien hingegen möglich. Das Heben und Tragen von Lasten über 12 kg sollte vermieden werden. Arbeiten im Wechsel von Früh- und Spätschicht seien möglich, Nachtschichtarbeit solle hingegen nicht ausgeübt werden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten wegen der wiederkehrenden kurzfristigen Schwindelsymptomatik nicht ausgeübt werden. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei leichtgradig eingeschränkt, die Fingergeschicklichkeit, die Belastbarkeit der Arme und Beine hingegen gegeben. Eine Computertauglichkeit bestehe ebenso. Die festgestellten Leiden schränkten die Klägerin nicht ein in der Ausübung aller geistigen Arbeiten entsprechend ihres Ausbildungsstandes. Es bestünden keine Einschränkungen bzgl. des Sehvermögens, hingegen sollten Arbeiten unter Lärmexposition vermieden werden. Reaktionsvermögen, Lese- und Schreibgewandtheit, Auffassungsgabe, Lern- und Merkfähigkeit, Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien gegeben. Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit seien nicht eingeschränkt. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien möglich. Das Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. August 2012 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. S gestützt.
Mit der am 3. September 2012 erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Nachdem sie ihr ursprünglich auf Zuerkennung einer Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung gerichtetes Klageziel auf die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränkt hat, beantragt sie noch,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Februar 2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, gegebenenfalls bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Sachverständigen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P eingeholt. In dessen Gutachten vom 25. Juni 2013 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin lägen vor: - Agoraphobie mit Panik, - Dysthymia, - Psychische Faktoren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten. - Chronisches Lumbalsyndrom bei Bandscheibenschäden, - Chronisches Zervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen sowie - Hypertonie.
Gegenüber den vorliegenden Befunden seien keine wesentlich neuen Ergebnisse erhoben worden. Es scheine eine mäßige Verschlechterung des Befindens eingetreten zu sein, so dass jetzt im Gegensatz zum Gutachten der Sachverständigen Dr. S von einer Agoraphobie und eigenständigen Dysthymia gesprochen werden müsse. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei gemindert und bei weiterer Chronifizierung gefährdet, allerdings liege keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor. Nach seiner Einschätzung könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten regelmäßig verrichten. Die Arbeit sollte im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen durchgeführt werden, wobei einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen zu vermeiden seien. Lasten über 12 kg sollten vermieden werden. Arbeiten im Wechsel von Früh- und Spätschicht seien möglich, Nachtschicht hingegen sollte nicht ausgeübt werden. Wegen des Schwindels sollten Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vermieden werden. Zeitliche Leistungseinschränkungen bestünden nicht. Das Leistungsvermögen reiche für die volle Arbeitszeit von acht Stunden täglich aus. Die Klägerin könne insbesondere eine Tätigkeit als Bankkauffrau noch ausüben, ohne dies auf Kosten der Gesundheit zu tun.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben nach § 109 SGG durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. W vom 28. April 2014. Nach dessen Einschätzung sei auf seinem Fachgebiet aufgrund einer am 25. Februar 2014 durchgeführten Untersuchung bei der Klägerin wie folgt zu diagnostizieren:
1. Chronische Lumboischialgie links bei degenerativen Veränderungen und multipler Osteochondrose der Lendenwirbelsäule, Punktum Maximum L2/3 und L3/4 sowie 2. Zervikobrachialgie beidseits bei ausgeprägter Osteochondrose C4/5, C5/6 und C6/7 mit konsekutiver neuroforaminaler Einengung.
Es handele sich bei den festgestellten ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit einem Instabilitätszeichen der Lendenwirbelsäule um schwerste Wirbelsäulenerkrankungen, die eine Erwerbsfähigkeit minderten. Seit dem Jahr 2009 bestehe aus qualitativer Sicht eine Einschränkung für das Heben und Tragen von Gewichten, Arbeiten in vornübergebeugter Körperhaltung, Arbeiten in gebückter und hockender Position, Arbeiten über den Kopf sowie auf Leitern und Gerüsten, außerdem für Arbeiten unter erheblichem Kraftaufwand. Weiterhin seien Arbeiten am Computerarbeitsplatz bzw. überwiegend sitzend eingeschränkt. Ferner bestünden aufgrund der ausgeprägten degenerativen Veränderungen auch quantitative Leistungseinschränkungen. Das verbliebende Leistungsvermögen reiche dazu aus, eine Arbeitszeit von drei bis unter sechs Stunden täglich auszuüben. Insbesondere die degenerativen Veränderungen, aber auch die Instabilitätszeichen an der Lendenwirbelsäule, führten im Laufe des Tages zu einer Zunahme der Verspannungen und Kompressionssymptomatik an den Nerven der Halswirbelsäule. Es bestehe daher ein verbliebenes Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie für den zuletzt durchgeführten Beruf einer Bankkauffrau. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, auch nicht durch Durchführung von Heilverfahren.
Die Klägerin hat weiter ein Attest der Fachärztin für radiologische Diagnostik H vom 1. April 2014 vorgelegt, wonach aufgrund einer Röntgenaufnahme der rechten Hand ein Verdacht auf Fingerpolyarthrose mit Differenzdiagnostik Rheuma bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 1827) mit Folgeänderungen. Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs. 1 und Abs. 2, jeweils Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Nachdem die Klägerin ihr Klagebegehren auf die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränkt hat und das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis zur Gegenwart nicht in Frage steht, hatte der Senat nur darüber zu befinden, ob und ggf. ab wann das Leistungsvermögen der Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes krankheits- oder behinderungsbedingt auf unter sechs Stunden täglich gesunken ist. Der Senat folgt insofern der Einschätzung des Facharztes für Orthopädie Dr. W. aus dem Gutachten vom 28. April 2014. Der Sachverständige hat darin nach eingehender und umfassender Untersuchung der Klägerin inhaltlich plausibel und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin an schwersten Wirbelsäulenerkrankungen leidet. Diese Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule finden ihren Ausdruck auch in der bereits im Juni 2010 erfolgten Zuerkennung eines GdB von 50, bei dem ein Einzel-GdB für die Wirbelsäule von 40 zugrunde gelegt wurde. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass im Verlaufe des Tages eine Kompressionssymptomatik an den Nerven der Halswirbelsäule zunehme und im Zusammenspiel mit Verspannungen und den Instabilitätszeichen der Lendenwirbelsäule das Restleistungsvermögen der Klägerin auf unter sechs Stunden drücke. Dieser überzeugenden Einschätzung des medizinischen Sachverständigen ist die Beklagte auch nicht substantiiert entgegengetreten. Allerdings hat der Senat keine Überzeugung davon erlangen können, dass die geschilderte Minderung des Leistungsvermögens bereits zu einem Zeitpunkt vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. W. am 25. Februar 2014 eingetreten war. Zwar wurde durch das Land Berlin bereits Mitte 2010 der GdB von 50 festgestellt, doch hat die die Klägerin behandelnde Fachärztin für Orthopädie Dr. G. noch im Dezember 2010 gegenüber dem Sozialgericht Berlin angegeben, die Klägerin könne aus orthopädischer Sicht eine leichte körperliche Tätigkeit für sechs Stunden täglich verrichten. Mithin ist von einem Eintritt des Versicherungsfalls am 25. Februar 2014 auszugehen, so dass gem. §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 2 SGB VI die Rentenzahlung auf drei Jahre ab dem siebten Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zuzuerkennen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die 1954 geborene Klägerin begehrt die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist gelernte Zahnarzthelferin, arbeitete zuletzt jedoch von 1975 bis 2010 als Bankkauffrau, ohne entsprechende Ausbildung. Seit dem 1. Juli 2010 befindet sie sich im Vorruhestand und bezieht von ihrer Arbeitgeberin Vorruhestandsgeld.
Im Februar 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab hierzu an, sie leide unter psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen, Angst- und Panikattacken sowie einem akuten Bandscheibenvorfall in Lenden- und Halswirbelsäule und habe im Jahr 2009 eine Operation wegen Gebärmutterhalskrebs durchführen lassen müssen. Seit November 2009 sei sie arbeitsunfähig krank.
Die Beklagte beauftrage daraufhin den Facharzt für Orthopädie Dr. M und den Facharzt für Nervenheilkunde Dr. K mit der Erstellung von Gutachten. Mit Bescheid vom 15. Juni 2010 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Rente ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf als Bankkauffrau weiterhin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch holte die Beklagte Befundberichte des die Klägerin seit April 2010 behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B und der Fachärztin für Orthopädie Dr. G ein. Ferner legte die Klägerin ein Attest der psychologischen Psychotherapeutin A vom 5. August 2010 vor, wonach sich die Klägerin seit dem Jahr 2000 regelmäßig in ihrer psychotherapeutischen Behandlung befinde. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 18. Oktober 2010 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und vorgetragen, die Beklagte habe ihren Gesundheitszustand unzutreffend gewürdigt. Ihre behandelnden Ärzte seien der Ansicht, dass sie nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, die Verwaltungsakten des Versorgungsamts Berlin zu einem Verfahren beigezogen, in dessen Ergebnis die Klägerin mit Bescheid vom 23. Juni 2010 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt bekommen hatte, sowie schließlich Beweis erhoben durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. In deren Gutachten vom 14. Juni 2011 ist die Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin seien festzustellen:
- Angst und depressive Störung, gemischt, - Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Bandscheibenschäden mit gelegentlicher Wurzelreizsymptomatik, - Chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, - Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten sowie - Hypertonus.
Nach Einschätzung der Sachverständigen könne die Klägerin ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten verrichten. Die Arbeit könne überwiegend im Sitzen oder im Wechsel der Haltungsarten erfolgen, wobei ein bestimmter Wechsel nicht erforderlich sei. Vermieden werden sollten Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung und unter Zeitdruck, Tätigkeiten im festgelegten Arbeitsrhythmus seien hingegen möglich. Das Heben und Tragen von Lasten über 12 kg sollte vermieden werden. Arbeiten im Wechsel von Früh- und Spätschicht seien möglich, Nachtschichtarbeit solle hingegen nicht ausgeübt werden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten wegen der wiederkehrenden kurzfristigen Schwindelsymptomatik nicht ausgeübt werden. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei leichtgradig eingeschränkt, die Fingergeschicklichkeit, die Belastbarkeit der Arme und Beine hingegen gegeben. Eine Computertauglichkeit bestehe ebenso. Die festgestellten Leiden schränkten die Klägerin nicht ein in der Ausübung aller geistigen Arbeiten entsprechend ihres Ausbildungsstandes. Es bestünden keine Einschränkungen bzgl. des Sehvermögens, hingegen sollten Arbeiten unter Lärmexposition vermieden werden. Reaktionsvermögen, Lese- und Schreibgewandtheit, Auffassungsgabe, Lern- und Merkfähigkeit, Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien gegeben. Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit seien nicht eingeschränkt. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien möglich. Das Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. August 2012 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. S gestützt.
Mit der am 3. September 2012 erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Nachdem sie ihr ursprünglich auf Zuerkennung einer Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung gerichtetes Klageziel auf die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränkt hat, beantragt sie noch,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Februar 2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, gegebenenfalls bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Sachverständigen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P eingeholt. In dessen Gutachten vom 25. Juni 2013 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin lägen vor: - Agoraphobie mit Panik, - Dysthymia, - Psychische Faktoren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten. - Chronisches Lumbalsyndrom bei Bandscheibenschäden, - Chronisches Zervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen sowie - Hypertonie.
Gegenüber den vorliegenden Befunden seien keine wesentlich neuen Ergebnisse erhoben worden. Es scheine eine mäßige Verschlechterung des Befindens eingetreten zu sein, so dass jetzt im Gegensatz zum Gutachten der Sachverständigen Dr. S von einer Agoraphobie und eigenständigen Dysthymia gesprochen werden müsse. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei gemindert und bei weiterer Chronifizierung gefährdet, allerdings liege keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor. Nach seiner Einschätzung könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten regelmäßig verrichten. Die Arbeit sollte im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen durchgeführt werden, wobei einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen zu vermeiden seien. Lasten über 12 kg sollten vermieden werden. Arbeiten im Wechsel von Früh- und Spätschicht seien möglich, Nachtschicht hingegen sollte nicht ausgeübt werden. Wegen des Schwindels sollten Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vermieden werden. Zeitliche Leistungseinschränkungen bestünden nicht. Das Leistungsvermögen reiche für die volle Arbeitszeit von acht Stunden täglich aus. Die Klägerin könne insbesondere eine Tätigkeit als Bankkauffrau noch ausüben, ohne dies auf Kosten der Gesundheit zu tun.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben nach § 109 SGG durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. W vom 28. April 2014. Nach dessen Einschätzung sei auf seinem Fachgebiet aufgrund einer am 25. Februar 2014 durchgeführten Untersuchung bei der Klägerin wie folgt zu diagnostizieren:
1. Chronische Lumboischialgie links bei degenerativen Veränderungen und multipler Osteochondrose der Lendenwirbelsäule, Punktum Maximum L2/3 und L3/4 sowie 2. Zervikobrachialgie beidseits bei ausgeprägter Osteochondrose C4/5, C5/6 und C6/7 mit konsekutiver neuroforaminaler Einengung.
Es handele sich bei den festgestellten ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit einem Instabilitätszeichen der Lendenwirbelsäule um schwerste Wirbelsäulenerkrankungen, die eine Erwerbsfähigkeit minderten. Seit dem Jahr 2009 bestehe aus qualitativer Sicht eine Einschränkung für das Heben und Tragen von Gewichten, Arbeiten in vornübergebeugter Körperhaltung, Arbeiten in gebückter und hockender Position, Arbeiten über den Kopf sowie auf Leitern und Gerüsten, außerdem für Arbeiten unter erheblichem Kraftaufwand. Weiterhin seien Arbeiten am Computerarbeitsplatz bzw. überwiegend sitzend eingeschränkt. Ferner bestünden aufgrund der ausgeprägten degenerativen Veränderungen auch quantitative Leistungseinschränkungen. Das verbliebende Leistungsvermögen reiche dazu aus, eine Arbeitszeit von drei bis unter sechs Stunden täglich auszuüben. Insbesondere die degenerativen Veränderungen, aber auch die Instabilitätszeichen an der Lendenwirbelsäule, führten im Laufe des Tages zu einer Zunahme der Verspannungen und Kompressionssymptomatik an den Nerven der Halswirbelsäule. Es bestehe daher ein verbliebenes Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie für den zuletzt durchgeführten Beruf einer Bankkauffrau. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, auch nicht durch Durchführung von Heilverfahren.
Die Klägerin hat weiter ein Attest der Fachärztin für radiologische Diagnostik H vom 1. April 2014 vorgelegt, wonach aufgrund einer Röntgenaufnahme der rechten Hand ein Verdacht auf Fingerpolyarthrose mit Differenzdiagnostik Rheuma bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 1827) mit Folgeänderungen. Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs. 1 und Abs. 2, jeweils Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Nachdem die Klägerin ihr Klagebegehren auf die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränkt hat und das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis zur Gegenwart nicht in Frage steht, hatte der Senat nur darüber zu befinden, ob und ggf. ab wann das Leistungsvermögen der Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes krankheits- oder behinderungsbedingt auf unter sechs Stunden täglich gesunken ist. Der Senat folgt insofern der Einschätzung des Facharztes für Orthopädie Dr. W. aus dem Gutachten vom 28. April 2014. Der Sachverständige hat darin nach eingehender und umfassender Untersuchung der Klägerin inhaltlich plausibel und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin an schwersten Wirbelsäulenerkrankungen leidet. Diese Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule finden ihren Ausdruck auch in der bereits im Juni 2010 erfolgten Zuerkennung eines GdB von 50, bei dem ein Einzel-GdB für die Wirbelsäule von 40 zugrunde gelegt wurde. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass im Verlaufe des Tages eine Kompressionssymptomatik an den Nerven der Halswirbelsäule zunehme und im Zusammenspiel mit Verspannungen und den Instabilitätszeichen der Lendenwirbelsäule das Restleistungsvermögen der Klägerin auf unter sechs Stunden drücke. Dieser überzeugenden Einschätzung des medizinischen Sachverständigen ist die Beklagte auch nicht substantiiert entgegengetreten. Allerdings hat der Senat keine Überzeugung davon erlangen können, dass die geschilderte Minderung des Leistungsvermögens bereits zu einem Zeitpunkt vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. W. am 25. Februar 2014 eingetreten war. Zwar wurde durch das Land Berlin bereits Mitte 2010 der GdB von 50 festgestellt, doch hat die die Klägerin behandelnde Fachärztin für Orthopädie Dr. G. noch im Dezember 2010 gegenüber dem Sozialgericht Berlin angegeben, die Klägerin könne aus orthopädischer Sicht eine leichte körperliche Tätigkeit für sechs Stunden täglich verrichten. Mithin ist von einem Eintritt des Versicherungsfalls am 25. Februar 2014 auszugehen, so dass gem. §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 2 SGB VI die Rentenzahlung auf drei Jahre ab dem siebten Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zuzuerkennen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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