L 4 R 1083/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 4354/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1083/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Januar 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011, soweit er Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 72.354,41 wegen der Beigeladenen zu 1) bis 4) nachfordert, aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 4).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 72.354,41 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Umlage U 2 nach dem Aufwendungsausgleichgesetz (AAG), im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 wegen der zu 1) bis 4) beigeladenen, bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer.

Die Klägerin vertreibt mit etwa 80 Angestellten Dekorationsartikel, nach ihren Angaben vor allem im Weihnachtsgeschäft zwischen Oktober bis Dezember eines Jahres. Bei ihr waren im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 die Beigeladenen zu 1) bis 4) als Außendienstmitarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Der jeweils mit den Beigeladenen zu 1) bis 4) geschlossene Arbeitsvertrag enthielt in der im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung folgende Vereinbarung, wobei dem Beigeladenen zu 2) ein Firmenwagen nicht zur Verfügung gestellt wurde, so dass die entsprechenden Vereinbarungen bei ihm entfielen, und seine Mindestvergütung EUR 28.800,00/brutto jährlich bzw. EUR 2.400,00 monatlich betrug:

§ 2 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält 1. ein Gehaltsfixum (Mindestvergütung) - wird mit der Provision verrechnet - 2. Firmenwagen - wird mit der Provision verrechnet - 3. Spesenvergütung - wird mit der Provision verrechnet - 4. Provision

1. Mindestvergütung Das garantierte außertarifliche Jahreseinkommen beträgt, mit einem 13. Monatsgehalt, sowie allen tariflichen und freiwilligen Leistungen inklusive Überstundenpauschale EUR 23.400,00/brutto [Beigeladene zu 1), 3) und 4)], EUR 28.800,00/brutto [Beigeladener zu 2)]. Die monatliche Auszahlung von EUR 1.950,00 [Beigeladene zu 1), 3) und 4)] EUR 2.400,00 [Beigeladener zu 2)] ist gleichzeitig die Vorauszahlung auf die Umsatzbeteiligung und den Aufwendungsersatz. Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit ist nur auf ausdrückliche Anordnung der Geschäftsleitung zu leisten. Insoweit anfallende Grundvergütungen und Zuschläge sind mit dem Gehaltsfixum abgegolten.

2. Firmenwagen [Beigeladene zu 1), 3) und 4)] Dem Mitarbeiter wird ein Firmenfahrzeug mit Dieselmotor ( ...) uneingeschränkt zur Verfügung gestellt, das auch zu privaten Zwecken genutzt werden kann. Die gesamten durch das Fahrzeug verursachten Kosten werden mit dem Provisionsanspruch verrechnet, d.h. in Abzug gebracht. Den Lohnsteuer- und Umsatzsteueranteil für die private Nutzung trägt der Mitarbeiter. Die Versteuerung der Privatnutzung richtet sich nach den jeweiligen geltenden steuerlichen Vorschriften. Zur Berechnung der Lohn- bzw. Kirchensteuer sowie der Beiträge zur Sozialversicherung werden den steuerpflichtigen Bezügen des Mitarbeiters zugeschlagen, derzeit 1% des Listenpreises zzgl. 16% [Mehrwertsteuer] aus 1% privater Kfz-Nutzung.

3. Aufwendungsersatz Als Aufwendungen werden ersetzt, soweit deren Veranlassung vorher genehmigt wurde: &61485; erforderliche Telefongebühren, &61485; Verpflegungs- und Übernachtungspauschale &61485; Kilometerpauschale (entfällt bei Nutzung des Firmenwagens) &61485; Park- und Garagengebühren &61485; Bewirtungskosten jeweils nach Belegen. Der Aufwendungsersatz für Reise, Verpflegung und Übernachtung wird nach den Sätzen der Steuervorschriften geleistet. Die Spesen sind vom Arbeitnehmer jeweils zum Monatsende abzurechnen und müssen der Firma spätestens am 10. des Folgemonats vorliegen. Die Abrechnung erfolgt mit der nächsten Gehaltszahlung.

4. Provisionspflichtige Geschäfte a) Provisionsfähig sind nur solche Geschäfte, die durch unmittelbare Mitwirkung des Vertreters zustande kommen, ausgeführt und bezahlt worden sind. Die Provision ist endgültig erst mit vollständigem Rechnungsausgleich verdient. Bei Stornierung, gleich aus welchem Rechtsgrund, entfällt der Provisionsanspruch. b) ( ...). c) ( ...). d) ( ...).

5. Provision Als Vergütung für seine Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer eine Provision.

5.1 Provisionssätze auf Basis des jeweils gültigen Kataloges. Der Provisionssatz wird anhand der Rabattkennziffer (RKZ), welche Bestandteil der Artikelnummer ist, festgelegt. ( ...).

5.5 Fälligkeit der Provision a) ( ...) b) der Abrechnungszeitraum beginnt und endet mit dem Geschäftsjahr.

§ 3 Abrechnung

1. Über das Gehaltsfixum, die Kosten des Firmenwagens, die Aufwendungsvergütung und die Provision wird monatlich abgerechnet. 2. Zum Ende jeden Monat des Geschäftsjahres wird eine vorläufige Provisionsabrechnung erstellt. Hierbei werden die durch den Arbeitnehmer unmittelbar verursachten Kosten (Mindestvergütung sowie der geleistete Aufwendungsersatz, einschließlich der Kosten des Firmenwagens) abgesetzt. Der Aufwendungsersatz umfasst auch Boni und Werbegeschenke. Der Arbeitgeberanteil der [Sozialversicherung] wird nicht in Abzug gebracht. Die Monatsabrechnungen fließen in die Quartalsabrechnung und diese in die Jahresabschlussrechnung ein. In dieser wird das Ergebnis der Quartalsabrechnungen für die Provision in dem Geschäftsjahr (1. Februar eines Jahres bis 31. Januar des Folgejahres) zusammengefasst. Der so errechnete Bruttobetrag ist mit der Abrechnung zur Zahlung fällig, wobei [die Klägerin] die gesetzlichen Abzüge vornimmt.

Die Gehaltsberechnungen nahm die Klägerin in Form von wie folgt ausgestalteten Excel-Tabellen vor:

Name des Mitarbeiters Geschäftsjahr 200x" Monat Warenwert Gehalt brutto Maximale Provision Verdiente Provision Spesen Handy Benzin Leasing oder Kfz-Kosten ausbezahlte Provision noch offen kumuliert

Die Klägerin zahlte den Beigeladenen zu 1) bis 4) monatlich die vereinbarte Mindestvergütung. Weitere Zahlungen erfolgten nur, wenn sich (auch unter Berücksichtigung der Vorjahreswerte) in der Spalte kumuliert ein positiver Betrag ergab. In der Zeit von Januar 2006 bis Dezember 2009 erfolgten solche weitere Zahlungen nur an die Beigeladenen zu 1) und 2). Für die Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags behandelte die Klägerin diese weiteren Zahlungen als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt.

Die Beklagte führte an vier Tagen in der Zeit vom 27. Mai bis 29. Juli 2010 bei der Klägerin für den Prüfzeitraum vom 1. März 2006 bis 31. Dezember 2009 eine Arbeitgeberprüfung durch. Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 18. Juni 2010) setzte sie mit Bescheid vom 29. Juli 2010 eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen (EUR 112.253,03) und Säumniszuschlägen (EUR 5.638,00) in Höhe von insgesamt EUR 117,198,03 fest. Sie beanstandete unter anderem, dass die den Beigeladenen zu 1) bis 4) gezahlten umsatzabhängigen Jahresprovisionen nicht richtig verbeitragt worden seien. Insoweit forderte die Beklagte (Berechnung in einer Anlage zum Bescheid) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 72.354,41 nach sowie (nach ihren Angaben im Berufungsverfahren) keine Säumniszuschläge. Sie berücksichtigte neben dem monatlich gezahlten Gehalt als zusätzliches beitragspflichtiges Arbeitsentgelt die in der jeweiligen für die Beigeladenen zu 1) bis 4) geführten Excel-Tabelle in den Spalten "Spesen, Handy, Benzin und Leasing" ausgewiesenen Beträge.

Die Klägerin erhob Widerspruch, beschränkt auf die Nachforderung wegen der Beigeladenen zu 1) bis 4). Sie reichte Erklärungen der Beigeladenen zu 1), 2) und 3) vom 11. August 2010 zum jeweiligen Arbeitsvertrag sowie Nachträge zum jeweiligen Arbeitsvertrag, die die Klägerin am 2. August 2010 und die Beigeladenen zu 1), 2) und 3) am 11. August 2010 unterschrieben, ein. Die Erklärungen haben folgenden Wortlaut:

Im Hinblick auf die Vergütungsregelungen des Arbeitsvertrages und wie diese aus meiner Sicht zu verstehen sind und in der Praxis auch umgesetzt worden sind, möchte ich folgende Erklärung abgeben. ( ) Mir war immer bewusst und so habe ich den Vertrag auch verstanden, dass ich keinen Provisionsanspruch bekomme, der unabhängig von der Höhe der aufgewandten Spesen entsteht und dass ich diesen auch nicht unabhängig geltend machen kann. Die monatlichen Abrechnungen, die ich erhalten habe, stellen eine Aufstellung der bisherigen Umsätze und Spesen dar und dienen als Übersicht über den derzeitigen Stand des Provisionsanspruchs. Eine Aufrechnung meines Anspruches auf Spesenerstattung mit einem anderen Anspruch ist für mich nicht erfolgt. Die Spesen habe ich immer voll ausgezahlt erhalten und der Provisionsanspruch errechnet sich ja erst nach Abzug der Spesen.

Die Nachträge haben folgenden Wortlaut:

Der Arbeitsvertrag enthält in den Regelungen zur Vergütung nach § 2 sowie hinsichtlich der Bezeichnung wie Berechnung der variablen Vergütung (Provision) missverständliche Formulierungen. Zur Klarstellung und in Übereinstimmung mit dem Parteiwillen wie die Regelungen von Anfang an zu verstehen waren, werden die Regelungen des § 2 wie folgt neu formuliert:

§ 2 Vergütung Der Mitarbeiter erhält 1. ein Gehaltsfixum (Mindestvergütung) 2. Spesenvergütung 3. variable Vergütung (Provision)

1. Mindestvergütung ( ...)

2. Spesenvergütung Als Aufwendungen werden ersetzt, soweit deren Veranlassung vorher genehmigt wurde: ( ...)

3. Variable Vergütung Der Arbeitnehmer erhält einen variablen Gehaltsbestandteil, der sich aus den vermittelten Umsätzen über den vereinbarten Mindestumsatz hinaus unter Berücksichtigung der hierfür ausgehandelten Konditionen und der dabei entstandenen Aufwandsentschädigungen/Spesenvergütungen wie folgt ermittelt.

Hierfür wird zunächst eine "Rohprovision" auf Basis der einzubeziehenden Geschäfte ab einem Mindestumsatz nach Ziff. 3.1 und eine Ermittlung nach den vermittelten Umsätzen nach den Regelungen der Ziff. 3.2 bis 3.5 ermittelt und dann um die hierfür angefallenen Aufwendungen nach Ziff. 3.6 gekürzt. Die Fälligkeit richtet sich nach Ziff. 3.7. Die Höhe der Vorauszahlung ergibt sich aus Ziff. 3.8.

Die Ermittlung der "Rohprovision" stellt einen rein rechnerischen Zwischenschritt dar. Ein selbstständiger Anspruch auf Auszahlung der Rohprovision besteht nicht. Soweit die Aufwendungen die Rohprovision übersteigen sollten, wird überhaupt kein variabler Vergütungsanspruch begründet.

3.1. Provisionspflichtige Geschäfte ( ...)

3.2. Provisionssätze auf Basis des jeweils gültigen Kataloges ( ...).

3.3. bis 3.5. ( ...)

3.6. Abzug der angefallenen Aufwendungen Auf die nach den Ziff. 3.1. bis 3.5. ermittelte "Rohprovision" werden die Kosten der angefallenen Aufwendungen in Abzug gebracht. Der Aufwendungsersatz umfasst auch Boni und Werbegeschenke.

Der verbleibende Differenzbetrag ergibt den variablen Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers (Provisionsanspruch) nach § 2 Ziff. 3.

3.7. Fälligkeit des variablen Gehaltsanspruches a) Der Anspruch auf die variable Vergütung entsteht, sobald und soweit der Kunde gezahlt hat. Die Zahlung gilt als erfolgt, wenn sie beim Unternehmer eingegangen ist und er darüber frei verfügen kann. Wechsel und Scheck gelten erst mit Einlösung als Zahlungseingang. b) Der Abrechnungszeitraum beginnt und endet mit dem Geschäftsjahr.

3.8. Vorauszahlung Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Vorauszahlung, die auf die voraussichtliche Höhe der gesamten variablen Vergütung im Geschäftsjahr nach der Abrechnung nach § 3 anzupassen ist."

Der Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. Juli 2010 hinsichtlich der Nachforderung von Gesamtversicherungsbeiträgen für die Beigeladenen zu 1) bis 4) anzuordnen, blieb erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn [SG] vom 18. Oktober 2010 - S 2 R 3172/10 ER -; Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Juli 2011 - L 4 R 5439/10 ER-B -).

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. November 2011). Zur Begründung führte er aus, im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufende Einnahmen das so genannte Entstehungsprinzip. Deshalb ergebe sich für die Sozialversicherung das maßgebliche laufende Arbeitsentgelt aus dem für den Arbeitnehmer geltenden Arbeits- oder Tarifvertrag. Provisionen seien im Bereich der Sozialversicherung grundsätzlich laufender beitragspflichtiger Arbeitslohn. Würden Provisionen nachträglich in größeren Zeitabständen in einer Summe ausgezahlt, handle es sich um Gehaltsnachzahlungen, die auf die Lohnzahlungszeiträume zu verteilen seien, für die sie gezahlt würden. Etwas anderes gelte nur, wenn Provisionen keinen bestimmten Bezug auf bestimmte Entgeltzeiträume hätten. Würden Provisionen nicht im nächsten oder übernächsten Monat, sondern erst später (z.B. vierteljährlich oder halbjährlich) abgerechnet, müssten die Lohnabrechnungen für die Lohnzahlungszeiträume, für die die Provisionszahlung erfolge, wieder aufgerollt werden. Es bestünden keine Bedenken, wenn diese Provisionen dann gleichmäßig auf den Zahlungszeitraum verteilt würden. Die Ansprüche der Beigeladenen zu 1) bis 4) auf monatliche Provisionen nach den vertraglichen Regelungen habe die Klägerin in einer Tabelle monatlich unter der Bezeichnung "verdiente" Provisionen ausgewiesen. Diese monatsweise ausgewiesenen verdienten Provisionen seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt (laufendes Arbeitsentgelt). Eine Kürzung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts um Spesen- oder andere Zahlungen sei sozialversicherungsrechtlich nicht zulässig, auch dann nicht, wenn die Beigeladenen zu 1) bis 4) mit dieser Verfahrensweise einverstanden gewesen seien. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schlössen es aus, über die rechtliche Einordnung nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien und den Vereinbarungen im Einzelfall zu entscheiden.

Gegen den ihr nach ihrer Behauptung am 7. November 2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 7. Dezember 2011 Klage beim SG. Der angegriffene Bescheid beruhe auf zwei maßgeblichen Fehlern. Zum einen werde eine klar als Jahresprovision vereinbarte Vergütungsregelung als Monatsprovision uminterpretiert und zum anderen werde die Ermittlung der variablen Leistungsprovision nicht nach dem Vertragswillen der Parteien (des Arbeitsvertrags), sondern nach dem eigenen Interesse der Beklagten ausgelegt. Arbeitsvertraglich entstehe ein Anspruch auf Provision erst, wenn über das Jahr eine "Umsatzprovision" gegeben sei, die über die verbrauchten Spesen hinausgehe. Sinn und Zweck der Arbeitsverträge sei gewesen, dass die Beigeladenen zu 1) bis 4) an dem wirtschaftlichen Erfolg der von ihnen ermittelten Aufträge partizipieren sollten, aber dies nur dann der Fall sei, wenn diese Aufträge tatsächlich wirtschaftlich auch einen Erfolg darstellten und die für die Aufträge aufgewandten Spesen nicht den wirtschaftlichen Erfolg weitestgehend "auffressen". Mit ihrer Auffassung, heranzuziehen sei ausschließlich die Komponente der vermittelten Umsätze nach dem hierfür anzuwendenden Provisionsschlüssel sowie die Einbeziehung der aufgewandten Spesen zur Erzielung des Umsätze würde eine nachträgliche Verrechnung darstellen, die keinen Einfluss darauf haben dürfte, dass bereits eine sozialversicherungspflichtige Vergütung entstanden wäre, verkenne die Beklagte, dass sich die Beitragspflichten nur auf den tatsächlichen arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütungsanspruch im Sinne eines rechtlich klagbaren Anspruches beziehen könnten und nicht auf einzelne Bemessungsfaktoren, die erst der Ermittlung dieses Anspruchs herangezogen würden. Die Parteien der Arbeitsverträge hätten eine Regelung getroffen, nach der ein beitragspflichtiger Anspruch unter Berücksichtigung von positiven und negativen Modifikatoren erst entstehe. Die Beklagte folgere aus der Spalte "verdiente Provision", dass sich hieraus eine arbeitsvertragliche Vergütungsregelung ableiten lasse. Richtigerweise handle es sich bei dieser Spalte um eine reine rechnerische Zwischensumme, die für die Ermittlung des variablen Provisionsanspruches der Beigeladenen zu 1) bis 4), der über ihre Gehaltsfixum hinausgehe, heranzuziehen sei. Maßgeblich für die Auslegung sei ausschließlich, wie die Vertragsparteien den Arbeitsvertrag verstanden und gelebt hätten und nicht wie dieser vielleicht für Dritte nach objektiven Maßstäben habe gesehen werden können. Wenn die Parteien etwas völlig anderes als im Wortlaut des (Arbeits )Vertrags geregelt hätten vereinbaren wollen, gelte ausschließlich als vertraglich vereinbart das zwischen den Parteien tatsächlich gewollte und gegebenenfalls mündlich vereinbarte und nicht der schriftliche Vertrag. Dass der Wortlaut des (Arbeits-) Vertrags gegebenenfalls fehlerhaft sei, werde auch dadurch plausibel, dass die Parteien während der gesamten Zusammenarbeit nicht den von der Beklagten ermittelten Provisionsanspruch ausgezahlt hätten. Mit den arbeitsvertraglichen Regelungen werde ein vertraglich geschuldetes Arbeitsentgelt nicht nachträglich einvernehmlich gekürzt, sondern ein vertraglicher Anspruch auf Vergütung erst begründet.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen. Eine einvernehmliche Kürzung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts (Provisionen) um Spesen oder andere Zahlungen sei sozialversicherungsrechtlich nicht zulässig, da privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des Sozialgesetzbuches abwichen, nichtig seien.

Die Beigeladenen zu 1) und 3) trugen vor, die Vertragsparteien seien sich von Anfang an einig gewesen, dass die variable Jahresprovision unter Anrechnung der Spesen berechnet und einmalig ausgezahlt werde. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des Arbeitsvertrags entspreche nicht dem Willen der Parteien dieses Vertrags und dem Inhalt der Vereinbarungen. Der Beigeladene zu 2) teilte mit, das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin bestehe auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags sowie des Nachtrags vom 2. August 2010. Der bestehende variable Provisionsanspruch sei vereinbarungsgemäß jährlich abgerechnet und der über das Fixum hinausgehende Betrag unter Anrechnung gezahlter Spesen abgerechnet und ausgezahlt worden. Der Beigeladene zu 4) verwies auf den zwischen ihm und der Klägerin bestehenden Arbeitsvertrag. Weitere mündliche oder schriftliche Abreden seien zwischen ihnen nicht getroffen worden. Die übrigen Beigeladenen äußerten sich nicht.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2014 (Tatbestand des Urteils berichtigt durch Beschluss des Kammervorsitzenden vom 19. März 2014) ab. Zur Begründung führte es teilweise unter Übernahme der Gründe des Beschlusses des Senats vom 27. Juli 2011 - aus, die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Provisionsansprüche der Beigeladenen zu 1) bis 4) jeweils monatlich als Arbeitsentgelt gewertet werden müssten und dass von diesem Arbeitsentgelt am Ende des Jahres keine Spesen in Abzug gebracht werden dürften. Weder aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag noch aus dem "Nachtrag" sei ersichtlich, dass die Vertragsparteien eine jährliche Entstehung des jeweiligen Provisionsanspruches vereinbart hätten. In § 2 (der Arbeitsverträge) seien vier Gehaltsbestandteile (Gehaltsfixum, Firmenwagen, Spesenvergütung und Provision) gleichrangig nebeneinander aufgezählt. Für das Gehaltsfixum sei vereinbart, dass dieses in Form einer monatlichen Mindestvergütung ausgewiesen und ausgezahlt werden solle. An keiner Stelle des Vertrages sei ersichtlich, dass die übrigen Gehaltsbestandteile davon abweichend jährlich entstehen und ausgezahlt werden sollten. Vielmehr spreche auch der Gesamttext dafür, dass eine laufende Abrechnung vereinbart gewesen sei (Verweis auf die Bestimmung des § 2 Nr. 3 "Aufwendungsersatz"). Demgegenüber enthielten die näheren Ausführungen zur "Provision" zum Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs überhaupt keine Angaben. Dafür, dass der Anspruch auf die Provisionen der Beigeladenen zu 1) bis 4) monatlich entstehe, spreche die (verwendete) Excel-Tabelle. Auch der Nachtrag, selbst wenn man diesen als Klarstellung und nicht als Änderung der ursprünglichen Arbeitsverträge verstehe, spreche dafür, dass der Anspruch der Beigeladenen zu 1) bis 4) nicht jährlich, sondern monatlich entstanden sei. Anhaltspunkte für eine rechtliche Einordnung der Provisionsansprüche als Einmalzahlungen ergäben sich nach der schriftlichen Vertragslage daher nicht. Die Ausführungen der Beigeladenen zu 1) bis 4) zum ursprünglichen Arbeitsvertrag und zum Nachtrag führten zu keiner anderen Einschätzung. Es komme nicht darauf an, wann die Klägerin die Provisionen an diese tatsächlich ausgezahlt habe, sondern wann die jeweiligen Provisionsansprüche entstanden seien.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. März 2014 Berufung eingelegt. Sie rügt, das Urteil des SG sei primär fehlerhaft, weil es ihren Sachvortrag in weiten Teilen nicht zur Kenntnis genommen sowie den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt habe, indem es vorgelegte Unterlagen fehlerhaft ausgelegt habe. Nach der Berichtigung des Tatbestands decke sich das Urteil bereits in sich nicht mehr in den Entscheidungsgründen mit dem festgestellten Tatbestand. Ferner ist sie weiterhin der Auffassung, hinsichtlich der Frage, welche Bemessungsgrundlage für Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge zugrunde zu legen sei, bestehe das Primat der zivilrechtlichen Auslegung der bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen. Hierfür sei ausschließlich der wechselseitige übereinstimmende Parteiwille entscheidend. Gerade dass die Beigeladenen zu 1) bis 4) zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise ihr gegenüber gerügt hätten, ihnen wäre zu wenig Provision ausgezahlt worden, sei als maßgebliches Indiz dahingehend zu werten, dass ihr (der Klägerin) Sachvortrag zutreffend sein müsse und die Parteien (der Arbeitsverträge) nur Ansprüche in dieser Höhe hätten begründen wollen. Nachdem das SG in seinem Urteil ihren Vortrag und den Willen der Beigeladenen zu 1) bis 4) als Vertragspartei nicht zur Kenntnis genommen bzw. diesen einfach entgegen ihrem Willen uminterpretiert habe, habe sie gegen die Beigeladenen zu 1) bis 3) eine Feststellungsklage erhoben, nach der der Inhalt der bestehenden Vergütungsansprüche in Höhe ihres (der Klägerin) Vorbringens im vorliegenden Verfahren erfolgt sei. Aus dem jeweiligen Tenor des jeweiligen (vorgelegten) Urteils des Arbeitsgerichts ergebe sich, dass für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 ein (in der Höhe konkret bezifferter) Bruttolohnanspruch der Beigeladenen zu 1) bis 3) entstanden sei. Die gezahlten Aufwandsentschädigungen, die in den Spalten "Spesen, Handy, Benzin und/oder Leasing" zusammengefasst seien, seien steuerfrei und damit nicht dem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgelt zuzurechnen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Januar 2014 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 72.354,41 nachgefordert hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer bisherigen Auffassung.

Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG betreffend das Hauptsacheverfahren und das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Da die Klägerin sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 72.354,41 wendet, ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 überschritten.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011 ist, soweit er Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 72.354,41 wegen der Beigeladenen zu 1) bis 4) nachfordert, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen durch die Beklagte ist § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5).

Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichten aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungs-beitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht. Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Abs. 1 Nr.1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 SGB III sowie in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen.

a) Im streitigen Zeitraum (1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009) waren die Beigeladenen zu 1) bis 4) bei der Klägerin beschäftigt (§ 7 Abs. 1 SGB V) und in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. Bundesozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 34/13 R - m.w.N., in juris).

b) Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, 161 Abs. 1, 162 Nr. 2 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI, 341 Abs. 3 Satz 1, 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und auch der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip. Der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht, wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder erst später gezahlt hat (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. Urteile vom 30. August 1994 - 12 RK 59/92 - und 3. Juni 2009 - B 12 R 12/07 R -, beide in juris). Beitragsansprüche entstehen kraft Gesetzes. Auch die Fälligkeit des zivilrechtlichen Arbeitsentgeltsanspruchs (vgl. Grundregel des § 614 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) ist keine Voraussetzung für das Entstehen des öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruchs (Urteil des Senats vom 27. März 2009 - L 4 KR 1833/07 -, in juris; Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 22 SGB IV Rn. 47). Die Höhe des Beitragsanspruchs richtet sich folglich nicht nur danach, welche Einnahmen die Versicherten aus ihrer Beschäftigung tatsächlich erhalten, sondern darüber hinaus nach den Einnahmen, die sie zwar nicht erhalten, die ihnen aber vom Arbeitgeber geschuldet werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 1994 - 12 RK 59/92 -, a.a.O.). Das für die Sozialversicherung zentrale Entstehungsprinzip hat zum Inhalt, dass Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen sind - was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt - und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 - B 12 R 18/11 R -, in juris und Urteil des Senats vom 27. März 2009 - L 4 KR 1833/07 -, a.a.O.). Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers zu verfügen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R -, in juris).

Die Beklagte berechnete die streitige Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aus den Beträgen, die in den für die Beigeladenen zu 1) bis 4) geführten Excel-Tabellen in den Spalten "Spesen, Handy, Benzin und Leasing" ausgewiesen waren (Blatt 1367/1373, 1379/1383, 1387/1393 und 1395/1401 der Verwaltungsakte der Beklagten). Diese ausgewiesenen Beträge berücksichtigte sie als zusätzliches Arbeitsentgelt neben der gezahlten Mindestvergütung von EUR 1.950,00 (Beigeladene zu 1), 3) und 4)) und EUR 2.400,00 (Beigeladener zu 2)). Dies erfolgte zu Unrecht.

Als Entgeltanspruch der Beigeladenen zu 1) bis 4) entstand in den einzelnen Kalendermonaten des streitigen Zeitraums (1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009) jeweils nur der als "Vorauszahlung" bezeichnete monatliche Anteil der Mindestvergütung (EUR 1.950,00 [Beigeladene zu 1), 3) und 4)] und EUR 2.400,00 [Beigeladener zu 2)]) sowie die an die Beigeladenen zu 1) und 2) erfolgten über diese Mindestvergütung hinausgehenden Zahlungen von Provisionen, so dass nur aus diesen Beträgen der Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu berechnen war, was durch die Klägerin erfolgte. Maßgeblich für den Vergütungsanspruch der Beigeladenen zu 1) bis 4) sind die zwischen ihnen und der Klägerin im streitigen Zeitraum geltenden Arbeitsverträge in der ursprünglichen Fassung. Bei der Auslegung von Arbeitsverträgen sind gegebenenfalls auch alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein könnten, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie diese Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [BAG], vgl. z.B. Urteile vom 3. Mai 2006 - 10 AZR 310/05 - und 23. Mai 2007 10 AZR 598/06 -, beide in juris). Nach § 2 des jeweiligen Arbeitsvertrags zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 4) mit der Überschrift "Vergütung" setzte sich die Vergütung der Beigeladenen zu 1), 3) und 4) aus vier Bestandteilen sowie die Vergütung des Beigeladenen zu 2) aus drei Bestandteilen zusammen, einem Gehaltsfixum (Mindestvergütung), einem Firmenwagen (nicht hinsichtlich des Beigeladenen zu 2), der keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einem Firmenwagen hatte), einer Spesenvergütung (in § 2 Nr. 3 des jeweiligen Arbeitsvertrags als Aufwendungsersatz bezeichnet) sowie einer Provision. Die drei ersten genannten Bestandteile der Vergütung (bei den Beigeladenen zu 1), 3) und 4)) sowie die zwei ersten genannten Bestandteile der Vergütung (beim Beigeladenen zu 2)) enthielten jeweils den Zusatz "wird mit der Provision verrechnet". Aus diesem Zusatz ergibt sich für den Senat, dass die vier (bei den Beigeladenen zu 1), 3) und 4)) und drei (beim Beigeladenen zu 2)) in den Arbeitsverträgen aufgeführten Bestandteile der Vergütung nicht einzelne Vergütungsansprüche der Beigeladenen zu 1) bis 4) waren, sondern die ersten drei (bei den Beigeladenen zu 1), 3) und 4)) und zwei (beim Beigeladenen zu 2)) im Arbeitsvertrag aufgeführten Bestandteile der Vergütung nur Berechnungsfaktoren für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Provision waren. Die Klägerin schuldete den Beigeladenen zu 1) bis 4) als Vergütung deshalb letztlich nur eine Provision, die jedoch zumindest in Höhe der in § 2 Nr. 1 des jeweiligen Arbeitsvertrags vereinbarten Mindestvergütung (bei den Beigeladenen zu 1), 3) und 4) EUR 1.950,00 monatlich und beim Beigeladenen zu 2) EUR 2.400,00 monatlich) zu zahlen war. Diese Mindestvergütung war in den Arbeitsverträgen in der im streitigen Zeitraum geltenden ersten Fassung auch ausdrücklich als Vorauszahlung auf die Umsatzbeteiligung (§ 2 Nr. 1 des jeweiligen Arbeitsvertrags) bezeichnet.

Die im streitigen Zeitraum geltenden Arbeitsverträge mit den Beigeladenen zu 1) bis 4) enthielten ein komplexes System der Berechnung der Provision. Maßgeblich für die Berechnung der Provision waren auch die von den Beigeladenen zu 1) bis 4) verursachten Kosten (Spesen und Leasingkosten der überlassenen Firmenwagen), die in der für die Beigeladenen zu 1) bis 4) geführten Excel-Tabelle in den Spalten "Spesen, Handy, Benzin und Leasing" ausgewiesen wurden. Diese sollten den Beigeladenen zu 1) bis 4) nicht bei der Provision zugutekommen. Demgemäß ergab sich im streitigen Zeitraum der arbeitsvertragliche Anspruch der Beigeladenen zu 1) bis 4) auf die Provision nicht allein aus den Provisionsätzen entsprechend der unter ihrer Mitwirkung zustande gekommenen Geschäften nach den Bestimmungen des § 2 Nr. 5 der Arbeitsverträge, sondern nur, wenn sich unter Berücksichtigung der drei (bei den Beigeladenen zu 1), 3) und 4)) und zwei (beim Beigeladenen zu 2)) weiteren Bestandteile der Vergütung ein positiver Saldo ergab, der in der Excel-Tabelle in der Spalte "kumuliert" festgestellt wurde. Die Berücksichtigung der wegen der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 4) verursachten Kosten war eine der Voraussetzungen für die Höhe der Provision, ebenso wie für den Anspruch auf die Provision Voraussetzung war, dass es sich um ein provisionspflichtiges Geschäft (§ 2 Nr. 4 des Arbeitsvertrags) handelte. Die Provision war dementsprechend auch nur fällig in der Höhe, die sich aus dem Ergebnis der einzelnen Berechnungsfaktoren ergab. Dies wurde monatlich - die Abrechnung der einzelnen Vergütungsbestandteile erfolgte monatlich (§ 3 Nr. 1 des jeweiligen Arbeitsvertrags) - anhand der Excel-Tabelle ermittelt. Allein der Eintrag eines Betrags in der Spalte "Verdiente Provision" gibt damit nicht die Höhe der den Beigeladenen zu 1) bis 4) nach dem Arbeitsvertrag zustehenden Provision wieder. Demgemäß erfolgte entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine Kürzung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts (Provision) um die verursachten Kosten und damit keinen Verstoß gegen das im Beitragsrecht der Sozialversicherung geltende "Bruttoprinzip" (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. September 1988 - 12 RK 36/86 -, in juris).

Dass die Klägerin alle Gehaltsbestandteile, mithin auch der Provision, monatlich abrechnete (§ 3 Nr. 1 des jeweiligen Arbeitsvertrags), hatte allenfalls zur Folge, dass gezahlte Provisionen als laufendes und nicht als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu behandeln wären, weil sie Vergütung für die in einem einzelnen, das heißt in einem bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit war (hierzu z.B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 - B 12 R 2/11 R - m.w.N., in juris).

Die Auffassung der Beklagten, den Aufwendungsersatz (in der Excel-Tabelle aufgeführt in den Spalten "Spesen, Handy und Benzin"), den die Klägerin den Beigeladenen zu 1) bis 4) zahlte und auf den diese nach § 2 Nr. 3 des jeweiligen Arbeitsvertrages Anspruch hatten, den Provisionen zuzuschlagen, führte zudem dazu, dass dieser nicht beitragspflichtige Aufwendungsersatz, was zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig ist, mittelbar der Beitragspflicht unterworfen würde. Den Aufwendungsersatz zahlte die Klägerin nicht pauschal, sondern nach Vorlage und Prüfung der tagesgenauen Abrechnungen durch die Beigeladenen zu 1) bis 4). Diese Zahlungen waren zwar Arbeitsentgelt, weil die Beigeladenen zu 1) bis 4) diese aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Klägerin erzielten. Sie unterlagen jedoch nicht der Beitragspflicht. Denn sie waren nach der auf der Rechtsgrundlage des § 17 Abs. 1 SGB IV ergangenen bis 31. Dezember 2006 geltenden Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (ArEV) und der seit 1. Januar 2007 geltenden Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (SvEV) dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Nach § 1 Satz 1 ArEV und § 1 Nr. 1 SvEV sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Die weiteren Regelungen in § 1 Satz 1 ArEV, dass sich aus § 3 ArEV nichts Abweichendes ergibt, sowie in § 1 Nr. 1 SvEV, wonach Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge in bestimmter Höhe ausgenommen sind, sind vorliegend nicht einschlägig, weil die streitige Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen weder Beiträge zur Unfallversicherung noch Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge betrifft. Die den Beigeladenen zu 1) bis 4) gezahlten Spesenvergütungen waren nach § 3 Nr. 16 Einkommensteuergesetz (EStG) lohnsteuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung erhalten, soweit bestimmte Pauschbeträge - Änderungen des § 3 Nr. 16 EStG im und nach dem streitigen Zeitraum (1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009) betrafen die Pauschbeträge - nicht überschritten sind. Die jeweiligen Pauschbeträge waren nicht überschritten.

Dass die in den Arbeitsverträgen getroffene Regelung zur Berechnung der Vergütung der Beigeladenen zu 1) bis 4) gegen zwingendes Recht verstößt, ist für den Senat nicht ersichtlich. Auch die Beklagte hat entsprechendes nicht behauptet. Provisionen können sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig sein, z.B. dass ein vermittelter Vertrag nicht nachträglich rückgängig gemacht wird. Für solche Fälle sehen Provisionsvereinbarungen üblicherweise das (ganz oder teilweise) Entfallen der Provision vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

4. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 1 Abs. 2 Nr. 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist in Höhe der streitigen Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von EUR 72.354,41 festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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