L 11 R 2038/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 243/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2038/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vormerkung einer in Polen vom 01.09.1973 bis 23.09.1975 zurückgelegten Pflichtbeitragszeit als glaubhaft gemachte Zeit einer beruflichen Ausbildung.

Der 1957 in K. (Oberschlesien) geborene Kläger ist 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelt und Inhaber eines Vertriebenenausweises A. In Polen absolvierte er vom 01.09.1973 bis 31.10.1976 eine Schlosserlehre. Vom 17.01.1977 bis 1989 war er überwiegend unter Tage als Schlosser in der K.grube (Steinkohle) beschäftigt.

Am 17.01.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Kontenklärung. Auf Anfrage der Beklagten bestätigte die polnische Sozialversicherungsanstalt ZUS mit Auskunft vom 19.12.2008 ohne konkrete Angaben zu Fehlzeiten ua für die Zeit vom 01.09.1973 bis 31.10.1976 eine Ausbildungszeit als Lehrling in Kunstschmiedetechnik.

Mit Bescheid vom 21.01.2009 stellte die Beklagte die vom Kläger bis 31.12.2002 zurückgelegten versicherungsrechtlichen Zeiten nach § 149 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest. Hierbei wurden die in Polen zurückgelegten Zeiten nach dem Deutsch-Polnischen-Rentenabkommen (DPRA 1975) berücksichtigt. Die Zeit der beruflichen Ausbildung wurde für die Zeit vom 01.09.1973 bis 23.09.1975 nur als glaubhaft gemachte Zeit zu 5/6 berücksichtigt. Ab 24.09.1975 wurde die Ausbildungszeit zu 6/6 anerkannt, da das polnische Legitimationsbuch am 24.09.1975 ausgestellt worden war und diesem keine entgegenstehenden Fehlzeiten zu entnehmen waren.

Mit seinem Widerspruch vom 04.02.2009 forderte der Kläger die ungekürzte Anerkennung der Zeit vom 01.09.1973 bis 23.09.1975, da die erste im Legitimationsbuch eingetragene Arbeitsunfähigkeit auf den 05.06.1976 datiere.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zeit vom 01.09.1973 bis 23.09.1975 fehle es an einem Nachweis iSv § 22 Abs 3 Fremdrentengesetz (FRG), so dass nur eine 5/6-Anrechnung möglich sei.

Hiergegen richtet sich die am 30.07.2009 von dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 2 KNR 3812/09). Nachweise für die Ausbildungszeit seien vorgelegt, insbesondere die Bestätigung der ZUS vom 13.01.2005 (Bl 15 Verwaltungsakte). Mit Beschluss vom 16.09.2009 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit weiterem Bescheid vom 11.06.2012 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten des Klägers bis 31.12.2005 fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden seien. Die hier streitige 5/6-Vormerkung blieb unverändert. Den gegen den Bescheid gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2012 zurück.

Am 20.09.2012 hat der Kläger einen Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" hinsichtlich des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2009 beim Sozialgericht München gestellt. Seines Erachtens sei dieses für die Klage zuständig. Mit Beschluss vom 06.12.2012 hat das Sozialgericht München (S 4 KN 136/12) den Rechtsstreit an das SG verwiesen (dort fortgeführt unter dem Az S 2 R 243/13).

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2014 die Klage abgewiesen. Der beim Sozialgericht München gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde als Aufruf des ruhenden Klageverfahrens S 2 KNR 3812/09 gewertet. Der Kläger habe sich allein auf den Widerspruchsbescheid vom 06.07.2009 bezogen. Zudem sei der Widerspruchsbescheid vom 02.10.2009 zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Sozialgericht München noch gar nicht ergangen gewesen, so dass sich der Antrag auch nicht als Klage gegen die neue Vormerkungsentscheidung auslegen lasse. Streitgegenstand sei allein der Bescheid vom 21.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2009. Der Vormerkungsbescheid vom 11.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2012 sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da dieser nur die neu hinzugekommenen Versicherungszeiten feststelle, so dass keine wenigstens teilweise Überschneidung der festgestellten Versicherungszeiten vorliege. Soweit der Bescheid vom 11.06.2012 Angaben zum streitigen Zeitraum enthalte, handele es sich um eine reine Information, nicht aber eine Regelung iS eines Verwaltungsakts.

Nach § 22 Abs 3 FRG würden für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die zwar nicht nachgewiesen aber wenigstens glaubhaft gemacht seien, die nach Abs 1 ermittelten Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt. Die Kürzungsvorschrift berücksichtige, dass bei fehlendem Nachweis von Beitragszeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Unterbrechung fallen könnten, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste. Die Regelung gehe von der Erfahrung aus, dass Beschäftigungszeiten im Allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt seien. Der vollständige Nachweis erfordere, dass für die behauptete Tatsache ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spreche, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifele. Eine Anrechnung zu 6/6 komme daher nur in Betracht, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelange, dass im konkreten Fall eine höhere Beitragsdichte erreicht sei. Diese Feststellung lasse sich erst dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischen liegenden Arbeitsunterbrechungen vorlägen und letztere keinen Umfang von 1/6 erreichten. Gemessen daran könne die Zeit vom 01.09.1973 bis 23.09.1974 nur als glaubhaft gemacht angesehen werden. Es stehe nicht ohne vernünftigen Zweifel fest, dass in diesen Zeitraum nicht auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Arbeitsunterbrechungen fielen. Das polnische Legitimationsbuch halte Arbeitsunfähigkeitszeiten ab seiner Ausstellung positiv fest. Die Ausstellung sei jedoch erst am 24.09.1975 erfolgt, vor diesem Zeitraum könnten keine Arbeitsunfähigkeitszeiten eingetragen sein. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass die Zeiten vollständig und korrekt nachgetragen worden seien. Die erste eingetragene Arbeitsunfähigkeit datiere vom 05.05.1976. Auch alle weiteren vorliegenden Dokumente ergäben keine Angaben zu Arbeitsunterbrechungen im streitigen Zeitraum. Mit Schreiben vom 13.01.2005 habe die ZUS ebenfalls nur bestätigt, dass sich aus dem ihr vorliegenden Beweismaterial keine Arbeitsunfähigkeitszeiten ergäben, also gerade nicht, dass sich das Fehlen derartiger Zeiten positiv ergebe. Angesichts dessen und des Zeitablaufs von etwa 40 Jahren seien auch keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze mehr erkennbar zur weiteren Aufklärung etwaiger Arbeitsunterbrechungen.

Mit Schreiben vom 05.05.2014 hat sich der Kläger an das Landessozialgericht Baden-Württemberg gewandt und zuerst Akteneinsicht beantragt, damit er "die Sache weiter verfolgen kann, weil der Gerichtsbescheid besteht nur aus Unstimmigkeiten". Nachdem die Ehefrau des Klägers für diesen am 29.08.2014 von 8.20 bis 11.15 Uhr Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle genommen hat, hat der Kläger ua ausgeführt, zuständig sei die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, nicht die Beklagte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.04.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2009 zu verpflichten, die Zeit vom 01.09.1975 bis 23.09.1975 als nachgewiesene Beitragszeit (berufliche Ausbildung) festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass sich die Zuständigkeit der Beklagten aus den in Polen zurückgelegten knappschaftlichen Zeiten (Bergbau) ergebe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden, da diese in der Ladung hierauf hingewiesen worden waren (vgl §§ 110 Abs 1 Satz 2, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Frage, ob die in Polen vom 01.09.1973 bis 23.09.1975 zurückgelegten Beitragszeiten als glaubhaft gemacht oder nachgewiesen vorzumerken sind (Bescheid vom 21.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2009). Nur diese Frage war Gegenstand des angefochtenen Gerichtsbescheids. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist der weitere Vormerkungsbescheid vom 11.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2012 nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Klägers geht der Senat davon aus, dass dieser mit Schreiben vom 05.05.2014 tatsächlich Berufung einlegen und damit eine inhaltliche Überprüfung des Gerichtsbescheids erreichen wollte.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte und statthafte (§143 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 21.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Senat weist zur Vermeidung von Wiederholungen die Berufung aus den überzeugenden und zutreffenden Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Weitere Darlegungen sind insoweit nicht veranlasst, da der Kläger trotz mehrfacher schriftlicher Nachfragen nichts dargelegt hat, was den eigentlichen Streitgegenstand betrifft. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Vormerkung der Versicherungszeiten des Klägers ergibt sich aus § 136 SGB VI. Danach ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See für Leistungen zuständig, wenn ein Beitrag auf Grund einer Beschäftigung zur knappschaftlichen Rentenversicherung gezahlt worden ist. In diesen Fällen führt die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See auch die Versicherung durch. Dies gilt auch bei Anwendung des über- und zwischenstaatlichen Rechts. Aus diesem Grund reichen die in Polen zurückgelegten Zeiten des Klägers im Bergbau aus, um die Zuständigkeit der Beklagten für den gesamten Bereich der Rentenversicherung zu begründen. Weder zur Senatssitzung am heutigen Tag, noch zum Erörterungstermin am 27.01.2015 oder am 17.10.2013 vor dem SG ist der Kläger erschienen. Es konnte daher nicht weiter geklärt werden, was der Kläger mit dem vorliegenden Verfahren eigentlich zu erreichen sucht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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