L 9 U 3236/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 6523/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3236/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, welcher Jahresarbeitsverdienst (JAV) der Verletztenrente des Klägers zugrunde zu legen ist.

Der 1966 geborene Kläger war als Bauarbeiter tätig und gab diese Tätigkeit am 12.03.2006 (letzter Arbeitstag) wegen Hauterkrankungen auf. Mit Bescheid vom 21.03.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente nach den §§ 56, 72 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab dem 15.03.2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. in Höhe von 197,74 EUR bis auf Weiteres. Art der Verletzung seien schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hätten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien oder sein könnten. Als Folge des Versicherungsfalles wurde anerkannt eine beruflich verursachte hochgradige Kontaktallergie gegenüber Kaliumdichromat, Zinkdiethyldithiocarbamat und Thiuram-Mix bei zwischenzeitlich nahezu vollständig abgeheiltem allergisch bedingten Kontaktekzem. Hierbei legte die Beklagte einen JAV in Höhe von 17.797 EUR zugrunde, ausgehend vom Arbeitsentgelt, das in der Zeit vom 01.03.2005 bis 28.02.2006 erzielt wurde.

Nachdem sich die Hauterkrankung des Klägers verschlechtert hatte, stellte er mit Schreiben vom 27.07.2009 einen Antrag auf Bewilligung einer höheren Rente, den die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.2010 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 nach Durchführung medizinischer Ermittlungen ablehnte. Im hiergegen gerichteten Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG [S 21 U 6647/10]) schlossen die Beteiligten am 17.07.2013 einen Vergleich, wonach die Beklagte dem Kläger ab dem 01.01.2011 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. bis zum Nachweis einer wesentlichen Änderung im Sinne von den § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 73 SGB VII gewähre. In Ausführung dieses Vergleichs erließ die Beklagte am 20.08.2013 einen Bescheid, wonach die MdE ab dem 01.01.2011 neu festgestellt werde und 30 v.H. ab dem 31.12.2010 bis auf Weiteres betrage. Die Rente werde auf monatlich 319,42 EUR erhöht. Wie bereits zuvor legte die Beklagte auch dieser Berechnung den JAV von 17.797 EUR zugrunde, jeweils um den gesetzlichen Anpassungsfaktor erhöht auf zuletzt 19.164,95 EUR (ab 01.07.2013).

Zwischenzeitlich hatte sich der Kläger als Bauunternehmer (B. B. Technik e.K., S.) selbstständig gemacht und im Jahre 2010 nach seinen eigenen Angaben einen steuerlichen Gewinn von 104.726,31 EUR erzielt.

Im Hinblick auf diesen hohen Gewinn im Jahre 2010 legte der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.08.2013 Widerspruch ein mit der Begründung, es sei fehlerhaft, lediglich den JAV von 17.797 EUR mittels des Anpassungsfaktors ab dem 01.07.2007 anzupassen, da sein aktueller individueller JAV bei dieser Handhabung keine Berücksichtigung finde. Bei Berufskrankheiten gelte gemäß § 84 Abs. 1 SGB VII für die Berechnung des JAV als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet hätten, die ihrer Art nach geeignet seien, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn diese Berechnung für die Versicherten günstiger sei als eine Berechnung auf der Grundlage des in § 9 Abs. 5 genannten Zeitpunktes. Dies gelte ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen die schädigende versicherte Tätigkeit aufgegeben worden sei. Bei einer Erhöhung der MdE nach bereits seit Jahren gewährter Rente mit einem geringeren Grad der Erwerbsfähigkeit sei bei der Berechnung des JAV als Zeitpunkt des Versicherungsfalles der letzte Tag maßgeblich, an dem der Versicherte die versicherte Tätigkeit mit einer MdE von 20 v.H. verrichtet habe. Die Erhöhung der MdE stelle einen neuen Versicherungsfall dar, wie sich aus der Bestimmung des § 73 Abs. 1 SGB VII ergebe. Hätten sich die Verhältnisse, die dem letzten Bescheid zu Grunde gelegen hätten, wesentlich geändert, sei die Rente neu festzustellen (§ 48 Abs. 1 SGB X). Dies komme dadurch zum Ausdruck, dass ein neuer Bescheid ergangen sei. Es komme nicht auf den JAV des Jahres 2007 an, sondern abzustellen sei auf den Jahresverdienst zum Zeitpunkt der Rentenerhöhung, also auf den 01.01.2011. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der JAV auf 104.726,31 EUR belaufen, wie sich aus der Einnahmen-/Überschussrechnung der Firma, deren Inhaber er sei, ergebe. Bei der Bemessung der MdE gemäß § 55 Abs. 2 Satz 3 SGB VII seien die Nachteile zu berücksichtigen, die der Versicherte dadurch erleide, dass er bestimmte, von ihm erworbene Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Versicherungsfalles nicht mehr oder nur noch in verringertem Umfang nutzen könne. Seine Erwerbsfähigkeit als selbständiger Bautechniker sei infolge der Berufskrankheit mit einer MdE von 30 v.H. erheblich gemindert. Vorsorglich sei auf die Bestimmung des § 9 Abs. 5 SGB VII Bezug zu nehmen, die besage, dass dann, wenn Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles abstellten, bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger sei, auf den Beginn der rentenberechtigten MdE abzustellen sei. Da in gegenständlicher Sache ein neuer Versicherungsfall vorliege, sei als Beginn der rentenberechtigten Änderung der Erwerbsfähigkeit von dem Zeitpunkt auszugehen, ab dem die erhöhte MdE bestehe, also ausweislich des gerichtlichen Vergleichs ab dem 01.01.2011. Die Bestimmungen der §§ 81 ff. SGB VII zum JAV hätten zum Gegenstand, dass die Höhe einer BU-Rente (gemeint: Verletztenrente) sich zeitnah am JAV orientieren solle. Auf Grund der Bestimmung, dass die Vollrente zwei Drittel des JAV betrage, werde ein gesetzlicher Bezug der Voll- und damit auch der Teilrente zum aktuellen JAV des Versicherten hergestellt. Der gesetzlichen Regelung liege also zu Grunde, dass sich die BU-Rente aus dem aktuellen JAV ergebe. Es solle ein angemessenes Äquivalent zwischen dem aktuellen JAV und der Höhe der BU-Rente bestehen. Würde man einer Erhöhung der BU-Rente nach Festsetzung eines neuen Satzes der Erwerbsminderung den ursprünglichen JAV seit Gewährung der Erstrente zu Grunde legen, würde es an diesem rechtlichen und wirtschaftlichen Äquivalent fehlen. Die BU-Rente sichere ohnehin nur einen Teil des Erwerbseinkommens des Versicherten. Außer dem Abschlag von einem Drittel zwischen JAV und Vollrente habe nach der gesetzlichen Regelung in den § 81 ff. SGB VII kein weiterer Abschlag zu erfolgen.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2013 mit der Begründung zurück, § 7 Abs. 1 SGB VII bestimme begrifflich als Versicherungsfall Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten. Im Falle des Klägers hätten die vollständigen Voraussetzungen der Berufskrankheit (BK) Nr. 5101 und damit eines Versicherungsfalles entsprechend § 7 Abs. 1 SGB VII am 14.03.2006 vorgelegen. Damit sei in dieser Sache der Versicherungsfall der BK Nr. 5101 eindeutig mit dem 14.03.2006 festzulegen. Da ein Leistungsanspruch auf Grund des Versicherungsfalles der BK 5101 frühestens ab dem 14.03.2006 habe eintreten können, sei hinsichtlich der Berechnung des JAV auf den Beginn der rentenberechtigenden MdE ab 15.03.2006 als den für den Kläger günstigeren Zeitpunkt abzustellen gewesen. Hieraus ergebe sich bereits, dass ein neuer Versicherungsfall allein durch die Änderung der MdE Höhe ab dem 01.01.2011 nicht eintreten könne. Weder hätten die Voraussetzungen der BK Nr. 5101 erstmals am 01.01.2011 vorgelegen noch habe zu diesem Zeitpunkt die rentenberechtigende MdE begonnen. Zwar sei entsprechend § 48 SGB X ab dem 01.01.2011 wegen wesentlicher Änderung in den Verhältnissen eine Neufeststellung der Rente erfolgt, doch ergebe sich hieraus kein Anspruch auf die Feststellung eines neuen Versicherungsfalles, da diesbezüglich gerade keine Änderungen eingetreten seien. Auch aus § 73 Abs. 1 SGB VII folge nichts anderes. Diese Vorschrift beziehe sich allein auf den Zeitpunkt, ab wann eine Rente in neuer Höhe nach Eintritt einer Änderung in den Voraussetzungen zu leisten sei. Ein neuer Versicherungsfall werde hierdurch nicht begründet. Entsprechend der Regelberechnung nach § 82 SGB VII ergebe sich der maßgebliche JAV aus dem Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten sei. Vorliegend sei zutreffend der JAV aus dem Zeitraum vom 01.03.2005 bis 29.02.2006 in Höhe von 17.797 EUR ermittelt worden. Die Berücksichtigung des § 84 SGB VII führe zu keinem höheren JAV, weil der nach dem hierfür als Versicherungsfall geltenden Zeitpunkt der letztmaligen Ausübung einer hautgefährdenden Tätigkeit ermittelte JAV identisch sei mit dem nach der Regelberechnung des § 82 SGB VII ermittelten JAV. Der somit zutreffend festgestellte JAV liege auch über dem zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles geltenden Mindest-JAV, so dass eine Anhebung nach § 85 SGB VII nicht in Frage komme. § 90 SGB VII finde auf den strittigen Sachverhalt keine Anwendung, weil der Versicherungsfall der BK Nr. 5101 nicht vor bzw. während einer Schul- oder Berufsausbildung eingetreten sei und zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles das 30. Lebensjahr vollendet gewesen sei. Eine Aktualisierung des der Rentenleistung zu Grunde liegenden JAV erfolge allein nach § 89 SGB VII im Rahmen der jährlichen Rentenanpassungen mit den gesetzlich vorgegebenen Anpassungsfaktoren. Insofern finde sich keinerlei gesetzliche Grundlage für das Begehren des Klägers. Konsequenz seiner These wäre, dass eine ständige Einkommensüberprüfung zur Feststellung des für eine laufende Rente maßgeblichen JAV erfolgen müsste und bei Wegfall von Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen der Anspruch auf die Rente entfallen würde.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 19.11.2013 beim SG Klage erhoben (S 13 U 6523/13) mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung. Mit Urteil vom 16.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend zur Berechnung der Verletztenrente nach dem nunmehrigen MdE-Satz von 30 v.H. den JAV des Jahres 2005 herangezogen. Aus § 48 SGB X folge, dass der Bescheid bei Änderungen lediglich "soweit" aufgehoben werde, als die im Voraussetzungsteil genannten Aufhebungsvoraussetzungen erfüllt seien. Bereits der Wortlaut dieser Norm spreche nicht von einer vollständigen Aufhebung jedes Bescheides für die Vergangenheit. Vorliegend sei klar ersichtlich, dass lediglich für die Auswirkungen der Hauterkrankung und damit die Höhe der MdE eine entsprechende Neufeststellung zu treffen gewesen sei. Es sei ersichtlich nicht die Feststellung einer neuen BK Nr. 5101 als Grundlage der vermittelten Verletztenrente erfolgt. Das Berufskrankheitsrecht differenziere erkennbar zwischen der Anerkennung einer BK dem Grunde nach und damit auch dem Eintritt des Versicherungsfalles und der rentenberechtigenden MdE. Zwischen der Anerkennung einer BK und einer rentenberechtigenden MdE könnten unter Umständen mehrere Jahre liegen. Maßgeblicher Gedanke des Unfallversicherungsrechts sei, die tatsächlich und auch später vorhandene MdE auf Basis der im Zeitraum des Versicherungsfalles zu bestimmenden beruflichen Tätigkeit zu entschädigen. Dabei gehe der Gesetzgeber ersichtlich von der Vorstellung aus, dass im Falle des Feststellens einer BK und insbesondere bei deren Rentenberechtigung die Verwendungsfähigkeit am Arbeitsmarkt abstrakt gemindert sei. Dass sich in anderen Konstellationen die berufliche Situation eines Versicherten unter Umständen sogar verbessere und er Jahre nach Eintritt eines Versicherungsfalles besser verdiene als zuvor, etwa weil er sich beruflich bedingt ganz anders orientiert habe, solle dabei bewusst außen vor bleiben. Das Berufskrankheitsrecht wolle eine Kompensation der durch den ursprünglichen Beruf ausgeübten Erkrankung und deren Folgen erreichen und nicht eine finanzielle Besserstellung. Durch die Günstigkeitsvariante sei sichergestellt, dass nicht erst ab dem Beginn einer rentenberechtigenden MdE, sondern auch beim Nachweis einer berufsbedingten Arbeitsunfähigkeit/Behandlungsbedürftigkeit ein Versicherungsfall angenommen werden könne. Der Kläger habe aber keine noch frühere Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit geltend gemacht, sondern nur die Berücksichtigung des JAV für das Jahr 2010 geltend gemacht.

Hiergegen richtet sich die am 01.08.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangene Berufung mit der Begründung, der Inhalt des Bescheides vom 21.03.2007 sei rechtlich nicht mehr existent, so dass auch der frühere JAV rechtlich irrelevant geworden sei. Da dieser Bescheid aus 2007 nach § 48 Abs. 1 SGB X aufgehoben worden sei, seien für den neuen BU-Bescheid allein die gesetzlichen Bestimmungen zur Höhe des aktuellen JAV des Klägers zu Grunde zu legen, nicht aber Teile des aufgehobenen Bescheides. Hierbei könne es im Hinblick auf die Bestimmung des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X dahinstehen, ob es sich bei der Erhöhung der MdE von 20 auf 30 v.H. um einen neuen Versicherungsfall handele, da die Bestimmung des § 48 Abs. 1 SGB X es nicht zulasse, dass nach Aufhebung eines Erstbescheides über die Gewährung einer BU-Rente wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf einen Teil der aufgehobenen Regelung des ursprünglichen Leistungsbescheides zurückgegriffen werde. Die Grundsätze des Berufskrankheitenrechts könnten nur insoweit maßgeblich sein, als sie mit den materiellen-rechtlichen Bestimmungen des BU-Rechts im Einklang stünden. Die Beklagte habe den ursprünglichen Bescheid vom 21.03.2007 nicht nur teilweise, sondern insgesamt aufgehoben, wie sich insbesondere aus dem Wortlaut des neuen BU- Bescheids vom 20.08.2013 ergebe. Der Ansicht des SG, der ursprüngliche Bescheid sei nur teilweise aufgehoben worden, stehe entgegen, dass dies im neuen BU-Bescheid nicht zum Ausdruck komme. Ein Verwaltungsakt müsse aber bestimmt sein, solle er denn nach Vorstellung der Beklagten überhaupt rechtswirksam sein. Weiterhin seien auch Änderungen in den Einkommensverhältnissen wesentliche Änderungen im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Wie sich aus § 73 Abs. 1 SGB VII ergebe, müsse der neuen BU-Rente der JAV des Klägers im Jahre 2010 zugrunde gelegt werden. Das SG habe überdies nicht berücksichtigt, dass es einem BU-Rentner auf Grund des Grundrechts gemäß Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht verwehrt sei, sein Einkommen weiter zu entwickeln. Der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung gebiete es im Licht des Grundrechts aus Artikel 12 GG keinesfalls, eine BU-Rente auf Lebenszeit auf den JAV zu limitieren, der in der Zeit vor Eintritt der wesentlichen Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vorhanden war. Auch aus der Kommentierung von Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010) werde ausgeführt, dass die Rente mit dem Tage beginne

- nach dem Ende der Zahlung von Verletztengeld, - nach Eintritt des Versicherungsfalls, wenn kein Verletztengeld gezahlt werde, - der Verschlimmerung der Folgen des Versicherungsfalls.

Hieraus folge, dass auch die Kommentatoren davon ausgingen, dass bei einer Verschlimmerung der Folgen des Versicherungsfalls die BU-Rente neu beginne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. ab dem 1. Januar 2011 auf der Grundlage seines JAV im Jahre 2010 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das angefochtene Urteil sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Akten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet, da das angefochtene Urteil und der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2013 nicht zu beanstanden sind. Zu Recht hat die Beklagte den JAV, der dem Bescheid aus 2007 zu Grunde lag, auch zur Berechnung der nunmehr höheren Verletztenrente herangezogen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ebenso wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt, warum der JAV aus 2010 nicht für die Berechnung der höheren Verletztenrente heranzuziehen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren aus eigener Überzeugung an und sieht gemäß § 153 Abs. 2, § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass sich entgegen dem Klägervortrag aus dem Bescheid vom 20.08.2013 gerade nicht entnehmen lässt, dass die Beklagte den Bescheid vom 21.03.2007 vollumfänglich aufheben wollte. Vielmehr hat die Beklagte in dem Bescheid vom 20.08.2013 zum Ausdruck gebracht, dass sich die MdE von 20 auf 30 v.H. erhöht und sich die Berufskrankheit in ihren Folgen (näher ausgeführte Hauterkrankungen) geändert hat. Dementsprechend erwähnt die Beklagte eine "Verschlimmerung in den Folgen Ihrer Berufskrankheit" und eine "Erhöhung Ihrer Rente". Aus beiden Formulierungen lässt sich ablesen, dass der Bescheid vom 21.03.2007 aufrechterhalten bleiben soll, soweit er das Vorliegen der BK feststellt und über die Rente entscheidet. Woraus der Klägerbevollmächtigte eine vollständige Aufhebung des Ursprungsbescheides ableitet, erschließt sich dem Senat nicht. Doch letztlich kommt es hierauf nicht an, da der Kläger nach wie vor und unstreitig an derselben BK leidet wie im Jahre 2006 mit der Folge, dass der Versicherungsfall mit der Arbeitsaufgabe im März 2006 eingetreten ist, so dass sich der JAV gem. § 82 Abs. 1, § 84 Satz 1 SGB VII nach dem Arbeitsentgelt in den vorangegangenen zwölf Kalendermonaten richtet. Dass gem. § 84 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 SGB VII ein Abstellen auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit, der Behandlungsbedürftigkeit oder den Beginn der rentenberechtigenden MdE für den Kläger günstiger gewesen wäre, ist nicht vorgetragen worden.

Im Unfallversicherungsrecht gilt der Grundsatz, dass die Verdienstverhältnisse im Jahr vor dem Arbeitsunfall für alle Zeiten die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen sind (siehe hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 29.04.2014, L 3 U 230/11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 07.02.2006, B 2 U 3/05 R m.w.N., beide in Juris). Von diesem Grundsatz weicht das Gesetz nur im Rahmen des § 90 Abs. 1 SGB VII ab, der die Möglichkeit eröffnet, erst nach Eintritt des Versicherungsfalles nach einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage anzuheben. Dieser Ausnahmefall liegt hier erkennbar nicht vor, so dass das Erwerbseinkommen eines Versicherten, das dieser zeitlich nach dem Versicherungsfall erzielt, für die Bemessung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung irrelevant ist.

Ein Eingriff in Art. 12 GG ist nicht ersichtlich.

Da somit das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden ist, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos blieb.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen nicht vor. Insbesondere liegt kein Fall des § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG (Rechtssache mit grundsätzlicher Bedeutung) vor, da keine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage besteht. Als nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann anzusehen, wenn sich deren Beantwortung ohne weiteres aus den Rechtsvorschriften selbst ergibt und von vornherein praktisch außer Zweifel steht (siehe hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig, 11. Auflage 2014, § 160 Rn. 8a m.w.N.). Eine solche Konstellation liegt hier in Bezug auf die Berechnung des maßgeblichen JAV nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. SGB VII vor.
Rechtskraft
Aus
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