Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 1399/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3872/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geltend.
Die 1958 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie lebt seit 1969 in Deutschland und nahm im August 1973 erstmals eine Erwerbstätigkeit auf. Beiträge zu einem ausländischen Versicherungsträger wurden nicht gezahlt. Die Klägerin legte auch keine Zeiten einer gesetzlichen Versicherung im Ausland zurück. Einen Beruf erlernte die Klägerin nicht. In Deutschland war sie – mit Unterbrechungen - von 1973 bis Juli 2011, zuletzt als Raumpflegerin, versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 22.08.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies sie auf fünf dem Antrag beigefügte Kopien von Arztbriefen. Danach wurde bei der Klägerin im November 2001 ein Mammakarzinom links diagnostiziert, welches mit einer brusterhaltenden Operation therapiert wurde (Arztbrief der Frauenärztin Dr. L. vom 13.07.2011; Arztbrief der Radiologin Dr. S. vom 28.04.2011). Im Jahr 1975 erlitt die Klägerin eine Fraktur des rechten Sprunggelenks (Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 13.07.2010). Außerdem wurde bei der Klägerin eine essentielle Hypertonie (Bluthochdruckerkrankung) diagnostiziert (Arztbrief Dr. M. vom 14.12.2005). Die Beklagte ließ die ärztlichen Berichte von ihrem ärztlichen Dienst auswerten und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 15.09.2011 und Widerspruchsbescheid vom 28.02.2012 ab mit der Begründung, es seien keine funktionellen Einschränkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.
Am 08.03.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide an einer posttraumatischen Arthrose des oberen Sprunggelenks mit zwei freien Gelenkkörpern nach viermal operierter Sprunggelenksfraktur im Jahre 1975 sowie noch immer an den Folgen der Krebserkrankung aus dem Jahr 2001 sowie an einem Bluthochdruck. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und anschließend von Amts wegen ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 05.11.2012 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, überwiegend leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Grund für die Einschränkung der Leistungsfähigkeit seien die schmerzhaften Funktionsstörungen der rechten oberen Sprunggelenksregion nach knöcherner Verletzung in den 70er Jahren mit Defektausheilung nach lokaler Infektion und Zeichen einer beginnenden posttraumatischen Früharthrose sowie schmerzhafte Funktionsstörungen des rechten Kniegelenks. Ferner hat das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. gutachtlich gehört. Dieser hat in seinem Gutachten vom 24.06.2013 ausgeführt, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit in mittelgradiger Ausprägung. Sie sei nur noch im Stande, drei bis sechs Stunden den Ansprüchen einer Erwerbstätigkeit gerecht zu werden. An dieser Einschätzung hat der Sachverständige auch im Hinblick auf die von der Beklagten geäußerte Kritik an seinem Gutachten (sozialmedizinische Stellungnahme vom 25.09.2013) festgehalten (ergänzende Stellungnahme Dr. Ö. vom 10.10.2014). Ferner hat das SG noch die schriftliche Auskunft des behandelnden Arztes Dr. S. vom 17.04.2014 eingeholt. Er hat als Diagnose eine depressive Störung benannt. Bei der Klägerin habe von Anfang an ein ausgeprägter Rentenwunsch bestanden, mit einer Besserung sei daher nicht zu rechnen gewesen.
Mit Urteil vom 29.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG hat sich der Einschätzung des Dr. H., nicht aber derjenigen des Dr. Ö. angeschlossen. Zwar leide die Klägerin unter einer depressiven Störung. Doch sei diese nicht so ausgeprägt, dass sie eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens bedingen könnte. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13.08.2014 zugestellt worden.
Am 10.09.2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das SG stütze sich zu Unrecht auf die Beurteilung durch den behandelnden Psychiater. Der gerichtliche Sachverständige Dr. Ö. habe den "ausgeprägten Rentenwunsch" bei seiner gründlichen Untersuchung nicht gefunden. Es werde daher beantragt, von Amts wegen ein Gutachten bei Dr. H., Klinikum am W., einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ab 01.08.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat ist der Anregung der Klägerin gefolgt und hat Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, von Amts wegen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22.01.2015 hat der Sachverständige das Vorliegen des Krankheitsbildes "Angst und depressive Störung, gemischt" (ICD 10 F41.2) bestätigt. Die Kriterien für das Vorliegen einer Dysthymie seien ebenso wenig erfüllt, wie die für das Vorliegen einer umschriebenen Angsterkrankung, etwa einer Panikstörung oder einer generalisierten Angststörung. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Eine Überforderung durch Akkordarbeit und Nachtarbeit oder Arbeiten unter besonderem Zeitdruck müsse vermieden werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend wird im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung darauf hingewiesen, dass das von Dr. H. für den Senat erstattete Gutachten den Anspruch der Klägerin nicht zu stützen vermag. Dr. H. hat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Klägerin – anders als noch von Dr. Ö. angenommen - an keiner depressiven Entwicklung leidet. Bei der Klägerin besteht auf psychiatrischem Fachgebiet (nur) eine Erkrankung, die als "Angst und depressive Störung, gemischt" zu werten ist. Diese diagnostische Kategorie findet nach Aussage des Dr. H. nur Anwendung, wenn weder das eine noch das andere vorherrscht und keine der beiden Störungen ein Ausmaß erreicht, das eine entsprechende einzelne Diagnose rechtfertigen würde. Andere psychische Krankheiten wie etwa eine Dysthymie, eine somatoforme Störung, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine wahnhafte Störung oder gar eine Psychose konnte der Sachverständige ausschließen. Die von Dr. H. diagnostizierte Erkrankung führt zu keiner Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht. Auch dies hat der Sachverständige verständlich und widerspruchsfrei dargelegt. Der Senat schließt sich seiner Beurteilung in vollem Umfang an. Zu vermeiden ist lediglich eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder Arbeiten unter besonderem Zeitdruck. Der Sachverständige hat ferner überzeugend ausgeführt, dass die von der Klägerin berichteten Einschränkungen im Alltag sich durch die von ihm festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erklären lassen. Insbesondere konnte er keine kognitiven Leistungseinschränkungen bei der Klägerin feststellen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann (BSG 23.05.2006, B 13 RJ 38/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 9 = NZS 2007, 265).
Die Klägerin kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen gehen aber nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird, führen also zu keiner zusätzlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Klägerin ist trotz der auf orthopädischem Fachgebiet festgestellten Beeinträchtigungen auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den vom SG eingeholten Gutachten des Dr. H. hervor, dem der Senat auch in diesem Punkt folgt. Die dort erhobenen Befunde haben keine wesentliche Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Die Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat und zuletzt als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt war, hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des SG an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geltend.
Die 1958 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie lebt seit 1969 in Deutschland und nahm im August 1973 erstmals eine Erwerbstätigkeit auf. Beiträge zu einem ausländischen Versicherungsträger wurden nicht gezahlt. Die Klägerin legte auch keine Zeiten einer gesetzlichen Versicherung im Ausland zurück. Einen Beruf erlernte die Klägerin nicht. In Deutschland war sie – mit Unterbrechungen - von 1973 bis Juli 2011, zuletzt als Raumpflegerin, versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 22.08.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies sie auf fünf dem Antrag beigefügte Kopien von Arztbriefen. Danach wurde bei der Klägerin im November 2001 ein Mammakarzinom links diagnostiziert, welches mit einer brusterhaltenden Operation therapiert wurde (Arztbrief der Frauenärztin Dr. L. vom 13.07.2011; Arztbrief der Radiologin Dr. S. vom 28.04.2011). Im Jahr 1975 erlitt die Klägerin eine Fraktur des rechten Sprunggelenks (Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 13.07.2010). Außerdem wurde bei der Klägerin eine essentielle Hypertonie (Bluthochdruckerkrankung) diagnostiziert (Arztbrief Dr. M. vom 14.12.2005). Die Beklagte ließ die ärztlichen Berichte von ihrem ärztlichen Dienst auswerten und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 15.09.2011 und Widerspruchsbescheid vom 28.02.2012 ab mit der Begründung, es seien keine funktionellen Einschränkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.
Am 08.03.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide an einer posttraumatischen Arthrose des oberen Sprunggelenks mit zwei freien Gelenkkörpern nach viermal operierter Sprunggelenksfraktur im Jahre 1975 sowie noch immer an den Folgen der Krebserkrankung aus dem Jahr 2001 sowie an einem Bluthochdruck. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und anschließend von Amts wegen ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 05.11.2012 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, überwiegend leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Grund für die Einschränkung der Leistungsfähigkeit seien die schmerzhaften Funktionsstörungen der rechten oberen Sprunggelenksregion nach knöcherner Verletzung in den 70er Jahren mit Defektausheilung nach lokaler Infektion und Zeichen einer beginnenden posttraumatischen Früharthrose sowie schmerzhafte Funktionsstörungen des rechten Kniegelenks. Ferner hat das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. gutachtlich gehört. Dieser hat in seinem Gutachten vom 24.06.2013 ausgeführt, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit in mittelgradiger Ausprägung. Sie sei nur noch im Stande, drei bis sechs Stunden den Ansprüchen einer Erwerbstätigkeit gerecht zu werden. An dieser Einschätzung hat der Sachverständige auch im Hinblick auf die von der Beklagten geäußerte Kritik an seinem Gutachten (sozialmedizinische Stellungnahme vom 25.09.2013) festgehalten (ergänzende Stellungnahme Dr. Ö. vom 10.10.2014). Ferner hat das SG noch die schriftliche Auskunft des behandelnden Arztes Dr. S. vom 17.04.2014 eingeholt. Er hat als Diagnose eine depressive Störung benannt. Bei der Klägerin habe von Anfang an ein ausgeprägter Rentenwunsch bestanden, mit einer Besserung sei daher nicht zu rechnen gewesen.
Mit Urteil vom 29.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG hat sich der Einschätzung des Dr. H., nicht aber derjenigen des Dr. Ö. angeschlossen. Zwar leide die Klägerin unter einer depressiven Störung. Doch sei diese nicht so ausgeprägt, dass sie eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens bedingen könnte. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13.08.2014 zugestellt worden.
Am 10.09.2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das SG stütze sich zu Unrecht auf die Beurteilung durch den behandelnden Psychiater. Der gerichtliche Sachverständige Dr. Ö. habe den "ausgeprägten Rentenwunsch" bei seiner gründlichen Untersuchung nicht gefunden. Es werde daher beantragt, von Amts wegen ein Gutachten bei Dr. H., Klinikum am W., einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ab 01.08.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat ist der Anregung der Klägerin gefolgt und hat Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, von Amts wegen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22.01.2015 hat der Sachverständige das Vorliegen des Krankheitsbildes "Angst und depressive Störung, gemischt" (ICD 10 F41.2) bestätigt. Die Kriterien für das Vorliegen einer Dysthymie seien ebenso wenig erfüllt, wie die für das Vorliegen einer umschriebenen Angsterkrankung, etwa einer Panikstörung oder einer generalisierten Angststörung. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Eine Überforderung durch Akkordarbeit und Nachtarbeit oder Arbeiten unter besonderem Zeitdruck müsse vermieden werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend wird im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung darauf hingewiesen, dass das von Dr. H. für den Senat erstattete Gutachten den Anspruch der Klägerin nicht zu stützen vermag. Dr. H. hat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Klägerin – anders als noch von Dr. Ö. angenommen - an keiner depressiven Entwicklung leidet. Bei der Klägerin besteht auf psychiatrischem Fachgebiet (nur) eine Erkrankung, die als "Angst und depressive Störung, gemischt" zu werten ist. Diese diagnostische Kategorie findet nach Aussage des Dr. H. nur Anwendung, wenn weder das eine noch das andere vorherrscht und keine der beiden Störungen ein Ausmaß erreicht, das eine entsprechende einzelne Diagnose rechtfertigen würde. Andere psychische Krankheiten wie etwa eine Dysthymie, eine somatoforme Störung, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine wahnhafte Störung oder gar eine Psychose konnte der Sachverständige ausschließen. Die von Dr. H. diagnostizierte Erkrankung führt zu keiner Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht. Auch dies hat der Sachverständige verständlich und widerspruchsfrei dargelegt. Der Senat schließt sich seiner Beurteilung in vollem Umfang an. Zu vermeiden ist lediglich eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder Arbeiten unter besonderem Zeitdruck. Der Sachverständige hat ferner überzeugend ausgeführt, dass die von der Klägerin berichteten Einschränkungen im Alltag sich durch die von ihm festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erklären lassen. Insbesondere konnte er keine kognitiven Leistungseinschränkungen bei der Klägerin feststellen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann (BSG 23.05.2006, B 13 RJ 38/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 9 = NZS 2007, 265).
Die Klägerin kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen gehen aber nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird, führen also zu keiner zusätzlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Klägerin ist trotz der auf orthopädischem Fachgebiet festgestellten Beeinträchtigungen auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den vom SG eingeholten Gutachten des Dr. H. hervor, dem der Senat auch in diesem Punkt folgt. Die dort erhobenen Befunde haben keine wesentliche Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Die Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat und zuletzt als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt war, hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des SG an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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