Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 19/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der Aufwendungen der ärztlichen Heilbehandlung des Versicherten H. in Höhe von 7.041,06 EUR zu erstatten.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 7.041,06 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für ärztliche Heilbehandlung in Höhe von insgesamt 7.041,06 EUR.
Die Klägerin ist die zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträgerin für den Versicherten H., welcher am 10. Juli 2011 einen Verkehrsunfall erlitt, als er auf dem Weg zur Arbeit mit dem Motorrad stürzte. Der Durchgangsarzt Dr. S. erklärte in seinem Bericht vom 15. Juli 2011, dass der Versicherte ohne Fremdbeteiligung auf verschmutzter Fahrbahn gestürzt sei. Der Versicherte habe ihm gegenüber angegeben, dass er bewusstlos gewesen sei. Es habe eine Amnesie für das Unfallereignis und die Klinikaufnahme bestanden. Bei dem Unfall habe sich der Versicherte einen Mehrfachbruch des Schlüsselbeines zugezogen.
Die Klägerin übernahm vorerst die Kosten der Heilbehandlung. Mit weiterem Durchgangsarztbericht von Dr. N. vom 10. Juli 2011 erklärte dieser, dass der Verdacht auf Alkoholeinfluss bestanden habe. Aus dem Befund habe sich ein Blutalkoholgehalt von 0,6 Promille im Serum ergeben. Zudem habe bei dem Versicherten Atemalkohol bestanden. Den Blutalkoholgehalt bestätigten die S. Kliniken O. mit Schreiben vom 3. Januar 2012.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2012 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Erstattungsanspruch an, da es fraglich sei, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Sie bezifferte den Erstattungsanspruch im Rahmen des ausgezahlten Verletztengeldes und der Krankenhausbehandlung.
Der den Unfall aufnehmende Polizeibeamte erklärte in seinem Ermittlungsbericht, dass sich der Versicherte bei seinem Eintreffen bereits im Rettungswagen befunden habe. Es habe eindeutig Atemalkoholgeruch festgestellt werden können. Der Versicherte habe sich kaum artikulieren können. Er habe lediglich seine Personalien angegeben. Nach Spurenlage ergab sich, dass der Versicherte mit seinem Motorrad im Auslauf einer leichten Linkskurve die Kontrolle über das Motorrad verloren, offensichtlich ins Schleudern und in eine instabile Schräglage gekommen sei. Er sei dann mit der Maschine rechtsseitig im Graben gelandet. Bei der Unfallstelle habe es sich um eine auslaufende, leichte Linkskurve gehandelt. Nach ca. 4 m beginne eine ca. 2,85 m lange Kratzspur auf dem Asphalt, welche ca. 1,90 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt sei. Nach weiteren ca. 3,45 m beginne eine weitere Kratzspur auf dem Asphalt, welche ca. 2,70 m lang sei. Diese Spur sei ca. 1,50 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt. Innerhalb der Spur neben der Fahrbahn befinde sich nach ca. 19 m, ab Beginn der Spur, der Kilometerstein 2,8 und ein Verkehrszeichenträger mit dem Hinweis auf das Ende der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, hier 50 km/h. Beides sei durch den Unfallbeteiligten offensichtlich touchiert worden. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht L. beantragte, dem Versicherten gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Nach Mitteilung der staatlichen Blutalkoholuntersuchungsstelle habe die dem Beschuldigten am Tattage um 8:35 Uhr entnommene Blutprobe noch 0,54 Promille Alkohol enthalten. Der Beschuldigte sei dringend verdächtig, infolge dieser Alkoholisierung gegen 7:00 Uhr auf der L1 im Verlaufe einer Linkskurve trotz dortiger Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren zu haben und von der Fahrbahn nach rechts in den dortigen Straßengraben abgekommen zu sein. Das Amtsgericht E. erließ am 21. November 2011 den entsprechenden Strafbefehl und stellte fest, dass der Versicherte infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit im Verlaufe einer Linkskurve trotz dortiger Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren habe und von der Fahrbahn nach rechts in den dortigen Straßengraben abgekommen sei. Er habe bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, dass er infolge des Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Zudem verurteilte das Gericht den Kläger zu einer Geldstrafe von 1050 EUR und erklärte, dass der Versicherte seinen Führerschein, welcher ihm am 2. September 2011 vorläufig entzogen worden sei, nicht vor Ablauf von neun Monaten neu beantragen könne. Trotz des Führerscheinentzugs fuhr der Versicherte am 12. Oktober 2011 erneut unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr und erlitt einen Verkehrsunfall. Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,29 Promille.
Die Klägerin stellte mit Bescheid vom 20. Februar 2013 fest, dass das Ereignis vom 10. Juli 2011 kein Arbeitsunfall gewesen sei. Die zum Unfall führende Fahrweise sei in der Trunkenheit begründet gewesen. Der Alkoholeinfluss sei die rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall. Darüber hinaus machte die Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2013 gegenüber der Beklagten Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 7041,06 EUR geltend. Mit Schreiben vom 26. Juli 2013 teilte die Beklagte mit, dass die Prüfungen im Schadenfall noch nicht abgeschlossen seien.
Die Klägerin hat am 22. Januar 2014 Klage erhoben und trägt vor, dass die Feststellung zur Blutalkoholkonzentration um 8:35 Uhr getroffen worden sei. Die entnommene Blutprobe habe 0,54 Promille Alkohol enthalten. Zum Unfallzeitpunkt habe der Promillegehalt daher bei 0,7-0,8 Promille gelegen. Nach den Angaben im Wegeunfall-Fragebogen sei der Unfall nicht auf Verunreinigungen oder schadhafte Wege- oder Straßenverhältnisse zurückzuführen. Die Ermittlungen der Polizei hätten ergeben, dass der Straßenzustand trocken gewesen sei und Tageslicht geherrscht habe. Als Ursache des Unfalls sei ein Abkommen von der Fahrbahn bei trockener Fahrbahn und leichte Kurve festgestellt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts habe der Versicherte infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit die Kontrolle über das Kraftrad verloren.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Aufwendungen der ärztlichen Heilbehandlung des Versicherten H. in Höhe von 7.041,06 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass bei dem Versicherten außer dem Blutalkoholgehalt keine weiteren Beweisanzeichen einer relativen Fahruntüchtigkeit vorgelegen hätten. Als alkoholtypische sind grundsätzlich nur solche Verhaltensweisen zu bewerten, die sich nur durch den Alkohol erklären ließen, die bei unter Alkoholeinfluss fahrenden Personen wesentlich öfter vorkämen als gewöhnlich. Allein ein Fehlverhalten, ein Fahrfehler oder Verstöße gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung ließen den zwingenden Schluss auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht zu. Als alkoholtypische Beweisanzeichen habe das Bundessozialgericht die Fahrweise des Betroffenen wie überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien und plötzliches Bremsen gesehen. Eine solche Fahrweise habe sich bei dem Versicherten nicht belegen lassen. Der Unfallhergang, nämlich das seitliche Wegrutschen in einer Kurve, entspreche gewöhnlichen typischen Sachverhalten bei Motorradunfällen. Weitere Ausfallerscheinungen, die unfallursächlich gewesen sein könnten, seien nicht erkennbar. Zudem habe der Versicherte angegeben, dass das Motorrad ihm fremd gewesen sei und er nicht regelmäßig Motorrad fahre. Der Unfall sei daher auf Nichtgewöhnung zurückzuführen und hätte auch jedem nüchternen Kraftfahrer passieren können.
Außer der Gerichtsakte haben die die Beteiligten betreffenden Verwaltungsakten vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenversicherung aufgrund der Übernahme von Heilbehandlungskosten für den Versicherten H. in Höhe von 7.041,06 EUR.
Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des §§ 102 SGB X vorliegen.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Eine den Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X begründende Leistung der Klägerin liegt vor. Denn die Klägerin hat als unzuständiger Leistungsträger geleistet. Der Unfall des Versicherten vom 10. Juli 2011 ist kein Arbeitsunfall gewesen, so dass die von der Klägerin übernommenen Heilbehandlungskosten von der Beklagten zu erstatten sind.
Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Wegeunfall). Der Versicherte hat sich bei dem Weg zum Ort seiner Tätigkeit jedoch nicht bei versicherter Tätigkeit befunden. Der vor dem Antritt des Arbeitsweges erfolgte Alkoholkonsum des Versicherten hat nach Auffassung der Kammer zu einem Leistungsausfall geführt, welcher im weiteren Verlauf des grundsätzlich versicherten Weges wesentlich kausal für den Unfall geworden ist.
Im Rahmen der Bewertung des Alkoholgenusses als Unfallursache handelt es sich um die Gewichtung der versicherten Tätigkeit (Weg zur Arbeit) mit der konkurrierenden eigenwirtschaftlichen Sphäre (Alkohol). Eine wesentliche Unfallursächlichkeit ist anzunehmen, wenn das auf Alkohol- oder Drogenkonsum beruhende Fehlverhalten an der Unfallentstehung derart mitgewirkt hat, dass dagegen die betriebsbedingten Umstände so unbedeutend sind, dass sie außer Betracht bleiben müssen. Das alkoholbedingte Fehlverhalten ist rechtlich allein wesentliche Ursache, wenn der Verletzte nach der Lebenserfahrung ohne Alkoholeinfluss bei der derselben Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre (BSGE 12, 246, 13, 172 "Beweis des ersten Anscheins"). Bei einem Leistungsabfall ist die versicherte Tätigkeit (Zurücklegen des Weges) mit der eigenwirtschaftlichen Sphäre (Alkohol bzw. Drogen) zu gewichten.
Unstrittig ist, dass der Kläger unter nicht unerheblichem Einfluss von Alkohol gestanden hat, da in seinem Blut eine Konzentration von 0,54 Promille Blutalkoholkonzentration um 8:35 Uhr, also gut 2 h nach dem eigentlichen Unfallgeschehen nachgewiesen worden ist, so dass die Klägerin zu Recht von einer in der Regel um 0,2 Promille höheren Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeht. Dass der Kläger unter Alkoholeinfluss gestanden hat, wird ebenfalls durch den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten bestätigt, da dieser Atemalkohol bei dem Versicherten festgestellt hat und der Versicherte kaum zu einer Artikulation fähig gewesen sein soll. Entgegen der Darstellung der Beklagten ergeben sich aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. S. vom 15. Juli 2011 keine Befunde darüber, dass die Unfähigkeit zur Artikulation auf eine Verletzung des Schädels zurückgeführt werden konnte. Das durchgeführte CCT erfolgte nämlich ohne pathologischen Befund. Als Verletzung dominierte vielmehr die Clavicularfraktur links.
Die auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit schließt den Versicherungsschutz aus, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als die allein rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist (BSGE 12, 242; 43, 110, 111 = SozR 2200 § 550 Nr. 29; SozR 4-2700 § 8 Nr. 22 = SGb 2008, 52 m. Anm. Holtstraeter). Dies ist vorliegend der Fall.
Zum einen hat bereits das Amtsgericht E. aufgrund der am Unfallort vorgenommenen detaillierten Feststellungen der Polizeibeamten sowie aufgrund des Ermittlungsergebnisses der Staatsanwaltschaft L. festgestellt, dass der Versicherte infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit im Verlaufe einer Linkskurve trotz dortiger Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h offensichtlich die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren hat und von der Fahrbahn nach rechts in den dortigen Straßengraben abgekommen ist. Die Kammer hat keine wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, die gegen diese Feststellung eingewandt werden können.
Zum anderen kann insbesondere auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Wesentlichkeit die Tätigkeit des Versicherten, nämlich das Zurücklegen eines versicherten Weges zur Arbeit, nicht mehr angenommen werden, da andere Ursachen wie z.B. Unachtsamkeit, Leichtsinn, Übermüdung, körperliche Verfassung und ähnliches, die nicht ihren Grund im übermäßigen Alkoholkonsum haben, weder ersichtlich noch von der Polizei ermittelt und auch nicht von der Beklagten plausibel vorgetragen worden sind. Auch liegen nach Abschluss des Beweisverfahrens keine Hinweise auf eine etwaige besondere Wegegefahr mit Hindernissen oder besonders gefährliche Straßenverhältnisse auf dem Weg zur Arbeit vor. Weder die von der Beklagten behauptete verschmutzte Fahrbahn hat nach den Feststellungen der Polizei vorgelegen noch war sie als ursächlich für den Unfall zu werten. Auch bei der von dem Versicherten angegangenen "leichten Linkskurve" handelt es sich nicht um eine besondere Wegegefahr, die in irgendeiner Weise rechtlich wesentlich für den Unfall des Versicherten gewesen sein kann. Wenn der Versicherte trotz einer angenommenen und von ihm gefahrenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in einer leichten Linkskurve die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren hat, ohne ersichtliche und insbesondere nachgewiesene Einwirkung anderer äußerer Umstände, so steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Versicherte offensichtlich und ausschließlich aufgrund des Einflusses von Alkohol die Kontrolle über das von ihm geführte Motorrad verloren hat und verunglückt ist. Dadurch ist die Betriebsgefahr der einfachen Zurücklegung des Weges so sehr in den Hintergrund gerückt, dass die unversicherten Umstände (Alkohol) allein rechtlich wesentlich den Unfall verursacht haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG und richtet sich nach dem mit der Klage verfolgten wirtschaftlichen Interesse der Klägerin.
Die Entscheidung kann nicht mit der Berufung angefochten werden, da der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG 10.000,- EUR nicht übersteigt. Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 7.041,06 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für ärztliche Heilbehandlung in Höhe von insgesamt 7.041,06 EUR.
Die Klägerin ist die zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträgerin für den Versicherten H., welcher am 10. Juli 2011 einen Verkehrsunfall erlitt, als er auf dem Weg zur Arbeit mit dem Motorrad stürzte. Der Durchgangsarzt Dr. S. erklärte in seinem Bericht vom 15. Juli 2011, dass der Versicherte ohne Fremdbeteiligung auf verschmutzter Fahrbahn gestürzt sei. Der Versicherte habe ihm gegenüber angegeben, dass er bewusstlos gewesen sei. Es habe eine Amnesie für das Unfallereignis und die Klinikaufnahme bestanden. Bei dem Unfall habe sich der Versicherte einen Mehrfachbruch des Schlüsselbeines zugezogen.
Die Klägerin übernahm vorerst die Kosten der Heilbehandlung. Mit weiterem Durchgangsarztbericht von Dr. N. vom 10. Juli 2011 erklärte dieser, dass der Verdacht auf Alkoholeinfluss bestanden habe. Aus dem Befund habe sich ein Blutalkoholgehalt von 0,6 Promille im Serum ergeben. Zudem habe bei dem Versicherten Atemalkohol bestanden. Den Blutalkoholgehalt bestätigten die S. Kliniken O. mit Schreiben vom 3. Januar 2012.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2012 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Erstattungsanspruch an, da es fraglich sei, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Sie bezifferte den Erstattungsanspruch im Rahmen des ausgezahlten Verletztengeldes und der Krankenhausbehandlung.
Der den Unfall aufnehmende Polizeibeamte erklärte in seinem Ermittlungsbericht, dass sich der Versicherte bei seinem Eintreffen bereits im Rettungswagen befunden habe. Es habe eindeutig Atemalkoholgeruch festgestellt werden können. Der Versicherte habe sich kaum artikulieren können. Er habe lediglich seine Personalien angegeben. Nach Spurenlage ergab sich, dass der Versicherte mit seinem Motorrad im Auslauf einer leichten Linkskurve die Kontrolle über das Motorrad verloren, offensichtlich ins Schleudern und in eine instabile Schräglage gekommen sei. Er sei dann mit der Maschine rechtsseitig im Graben gelandet. Bei der Unfallstelle habe es sich um eine auslaufende, leichte Linkskurve gehandelt. Nach ca. 4 m beginne eine ca. 2,85 m lange Kratzspur auf dem Asphalt, welche ca. 1,90 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt sei. Nach weiteren ca. 3,45 m beginne eine weitere Kratzspur auf dem Asphalt, welche ca. 2,70 m lang sei. Diese Spur sei ca. 1,50 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt. Innerhalb der Spur neben der Fahrbahn befinde sich nach ca. 19 m, ab Beginn der Spur, der Kilometerstein 2,8 und ein Verkehrszeichenträger mit dem Hinweis auf das Ende der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, hier 50 km/h. Beides sei durch den Unfallbeteiligten offensichtlich touchiert worden. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht L. beantragte, dem Versicherten gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Nach Mitteilung der staatlichen Blutalkoholuntersuchungsstelle habe die dem Beschuldigten am Tattage um 8:35 Uhr entnommene Blutprobe noch 0,54 Promille Alkohol enthalten. Der Beschuldigte sei dringend verdächtig, infolge dieser Alkoholisierung gegen 7:00 Uhr auf der L1 im Verlaufe einer Linkskurve trotz dortiger Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren zu haben und von der Fahrbahn nach rechts in den dortigen Straßengraben abgekommen zu sein. Das Amtsgericht E. erließ am 21. November 2011 den entsprechenden Strafbefehl und stellte fest, dass der Versicherte infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit im Verlaufe einer Linkskurve trotz dortiger Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren habe und von der Fahrbahn nach rechts in den dortigen Straßengraben abgekommen sei. Er habe bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, dass er infolge des Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Zudem verurteilte das Gericht den Kläger zu einer Geldstrafe von 1050 EUR und erklärte, dass der Versicherte seinen Führerschein, welcher ihm am 2. September 2011 vorläufig entzogen worden sei, nicht vor Ablauf von neun Monaten neu beantragen könne. Trotz des Führerscheinentzugs fuhr der Versicherte am 12. Oktober 2011 erneut unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr und erlitt einen Verkehrsunfall. Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,29 Promille.
Die Klägerin stellte mit Bescheid vom 20. Februar 2013 fest, dass das Ereignis vom 10. Juli 2011 kein Arbeitsunfall gewesen sei. Die zum Unfall führende Fahrweise sei in der Trunkenheit begründet gewesen. Der Alkoholeinfluss sei die rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall. Darüber hinaus machte die Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2013 gegenüber der Beklagten Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 7041,06 EUR geltend. Mit Schreiben vom 26. Juli 2013 teilte die Beklagte mit, dass die Prüfungen im Schadenfall noch nicht abgeschlossen seien.
Die Klägerin hat am 22. Januar 2014 Klage erhoben und trägt vor, dass die Feststellung zur Blutalkoholkonzentration um 8:35 Uhr getroffen worden sei. Die entnommene Blutprobe habe 0,54 Promille Alkohol enthalten. Zum Unfallzeitpunkt habe der Promillegehalt daher bei 0,7-0,8 Promille gelegen. Nach den Angaben im Wegeunfall-Fragebogen sei der Unfall nicht auf Verunreinigungen oder schadhafte Wege- oder Straßenverhältnisse zurückzuführen. Die Ermittlungen der Polizei hätten ergeben, dass der Straßenzustand trocken gewesen sei und Tageslicht geherrscht habe. Als Ursache des Unfalls sei ein Abkommen von der Fahrbahn bei trockener Fahrbahn und leichte Kurve festgestellt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts habe der Versicherte infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit die Kontrolle über das Kraftrad verloren.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Aufwendungen der ärztlichen Heilbehandlung des Versicherten H. in Höhe von 7.041,06 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass bei dem Versicherten außer dem Blutalkoholgehalt keine weiteren Beweisanzeichen einer relativen Fahruntüchtigkeit vorgelegen hätten. Als alkoholtypische sind grundsätzlich nur solche Verhaltensweisen zu bewerten, die sich nur durch den Alkohol erklären ließen, die bei unter Alkoholeinfluss fahrenden Personen wesentlich öfter vorkämen als gewöhnlich. Allein ein Fehlverhalten, ein Fahrfehler oder Verstöße gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung ließen den zwingenden Schluss auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht zu. Als alkoholtypische Beweisanzeichen habe das Bundessozialgericht die Fahrweise des Betroffenen wie überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien und plötzliches Bremsen gesehen. Eine solche Fahrweise habe sich bei dem Versicherten nicht belegen lassen. Der Unfallhergang, nämlich das seitliche Wegrutschen in einer Kurve, entspreche gewöhnlichen typischen Sachverhalten bei Motorradunfällen. Weitere Ausfallerscheinungen, die unfallursächlich gewesen sein könnten, seien nicht erkennbar. Zudem habe der Versicherte angegeben, dass das Motorrad ihm fremd gewesen sei und er nicht regelmäßig Motorrad fahre. Der Unfall sei daher auf Nichtgewöhnung zurückzuführen und hätte auch jedem nüchternen Kraftfahrer passieren können.
Außer der Gerichtsakte haben die die Beteiligten betreffenden Verwaltungsakten vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenversicherung aufgrund der Übernahme von Heilbehandlungskosten für den Versicherten H. in Höhe von 7.041,06 EUR.
Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des §§ 102 SGB X vorliegen.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Eine den Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X begründende Leistung der Klägerin liegt vor. Denn die Klägerin hat als unzuständiger Leistungsträger geleistet. Der Unfall des Versicherten vom 10. Juli 2011 ist kein Arbeitsunfall gewesen, so dass die von der Klägerin übernommenen Heilbehandlungskosten von der Beklagten zu erstatten sind.
Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Wegeunfall). Der Versicherte hat sich bei dem Weg zum Ort seiner Tätigkeit jedoch nicht bei versicherter Tätigkeit befunden. Der vor dem Antritt des Arbeitsweges erfolgte Alkoholkonsum des Versicherten hat nach Auffassung der Kammer zu einem Leistungsausfall geführt, welcher im weiteren Verlauf des grundsätzlich versicherten Weges wesentlich kausal für den Unfall geworden ist.
Im Rahmen der Bewertung des Alkoholgenusses als Unfallursache handelt es sich um die Gewichtung der versicherten Tätigkeit (Weg zur Arbeit) mit der konkurrierenden eigenwirtschaftlichen Sphäre (Alkohol). Eine wesentliche Unfallursächlichkeit ist anzunehmen, wenn das auf Alkohol- oder Drogenkonsum beruhende Fehlverhalten an der Unfallentstehung derart mitgewirkt hat, dass dagegen die betriebsbedingten Umstände so unbedeutend sind, dass sie außer Betracht bleiben müssen. Das alkoholbedingte Fehlverhalten ist rechtlich allein wesentliche Ursache, wenn der Verletzte nach der Lebenserfahrung ohne Alkoholeinfluss bei der derselben Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre (BSGE 12, 246, 13, 172 "Beweis des ersten Anscheins"). Bei einem Leistungsabfall ist die versicherte Tätigkeit (Zurücklegen des Weges) mit der eigenwirtschaftlichen Sphäre (Alkohol bzw. Drogen) zu gewichten.
Unstrittig ist, dass der Kläger unter nicht unerheblichem Einfluss von Alkohol gestanden hat, da in seinem Blut eine Konzentration von 0,54 Promille Blutalkoholkonzentration um 8:35 Uhr, also gut 2 h nach dem eigentlichen Unfallgeschehen nachgewiesen worden ist, so dass die Klägerin zu Recht von einer in der Regel um 0,2 Promille höheren Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeht. Dass der Kläger unter Alkoholeinfluss gestanden hat, wird ebenfalls durch den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten bestätigt, da dieser Atemalkohol bei dem Versicherten festgestellt hat und der Versicherte kaum zu einer Artikulation fähig gewesen sein soll. Entgegen der Darstellung der Beklagten ergeben sich aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. S. vom 15. Juli 2011 keine Befunde darüber, dass die Unfähigkeit zur Artikulation auf eine Verletzung des Schädels zurückgeführt werden konnte. Das durchgeführte CCT erfolgte nämlich ohne pathologischen Befund. Als Verletzung dominierte vielmehr die Clavicularfraktur links.
Die auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit schließt den Versicherungsschutz aus, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als die allein rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist (BSGE 12, 242; 43, 110, 111 = SozR 2200 § 550 Nr. 29; SozR 4-2700 § 8 Nr. 22 = SGb 2008, 52 m. Anm. Holtstraeter). Dies ist vorliegend der Fall.
Zum einen hat bereits das Amtsgericht E. aufgrund der am Unfallort vorgenommenen detaillierten Feststellungen der Polizeibeamten sowie aufgrund des Ermittlungsergebnisses der Staatsanwaltschaft L. festgestellt, dass der Versicherte infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit im Verlaufe einer Linkskurve trotz dortiger Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h offensichtlich die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren hat und von der Fahrbahn nach rechts in den dortigen Straßengraben abgekommen ist. Die Kammer hat keine wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, die gegen diese Feststellung eingewandt werden können.
Zum anderen kann insbesondere auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Wesentlichkeit die Tätigkeit des Versicherten, nämlich das Zurücklegen eines versicherten Weges zur Arbeit, nicht mehr angenommen werden, da andere Ursachen wie z.B. Unachtsamkeit, Leichtsinn, Übermüdung, körperliche Verfassung und ähnliches, die nicht ihren Grund im übermäßigen Alkoholkonsum haben, weder ersichtlich noch von der Polizei ermittelt und auch nicht von der Beklagten plausibel vorgetragen worden sind. Auch liegen nach Abschluss des Beweisverfahrens keine Hinweise auf eine etwaige besondere Wegegefahr mit Hindernissen oder besonders gefährliche Straßenverhältnisse auf dem Weg zur Arbeit vor. Weder die von der Beklagten behauptete verschmutzte Fahrbahn hat nach den Feststellungen der Polizei vorgelegen noch war sie als ursächlich für den Unfall zu werten. Auch bei der von dem Versicherten angegangenen "leichten Linkskurve" handelt es sich nicht um eine besondere Wegegefahr, die in irgendeiner Weise rechtlich wesentlich für den Unfall des Versicherten gewesen sein kann. Wenn der Versicherte trotz einer angenommenen und von ihm gefahrenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in einer leichten Linkskurve die Kontrolle über das von ihm geführte Kraftrad verloren hat, ohne ersichtliche und insbesondere nachgewiesene Einwirkung anderer äußerer Umstände, so steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Versicherte offensichtlich und ausschließlich aufgrund des Einflusses von Alkohol die Kontrolle über das von ihm geführte Motorrad verloren hat und verunglückt ist. Dadurch ist die Betriebsgefahr der einfachen Zurücklegung des Weges so sehr in den Hintergrund gerückt, dass die unversicherten Umstände (Alkohol) allein rechtlich wesentlich den Unfall verursacht haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG und richtet sich nach dem mit der Klage verfolgten wirtschaftlichen Interesse der Klägerin.
Die Entscheidung kann nicht mit der Berufung angefochten werden, da der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG 10.000,- EUR nicht übersteigt. Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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