L 8 U 375/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2599/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 375/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.12.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.05.2008.

Der 1963 geborene Kläger stürzte am 13.05.2008 während der Arbeit von einer Leiter. Hierbei zog er sich multiple Prellungen, wie eine Schädelprellung, ein stumpfes Thorax¬trauma und ein stumpfes Bauchtrauma, sowie eine vordere und hintere Beckenringfraktur rechts zu (Durchgangsarztbericht des Kreiskrankenhauses L. vom Mai 2008, Bl. 1 der BG-Akte). Der Kläger wurde stationär im Krankenhaus L. und anschließend in der S. Klinik Orthopädie Bad K. bis 11.07.2008 behandelt (Entlassungsberichte des Kreiskrankenhauses L. vom 28.05.2008, Bl. 26 der BG-Akte, und der Klinik Bad K. vom 17.07.2008, Bl. 89 der BG-Akte). Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wurde der Kläger erneut mehrfach stationär behandelt.

Die Beklagte holte im Rahmen ihres Feststellungsverfahrens das orthopädische/unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. M. vom 11.03.2010, das urologische Gutachten von Dr. Kr. /Dr. P. vom 16.03.2010 mit Ergänzung von Dr. P. vom 26.04.2010, das neurologisch-psychiatrische Gutachten von PD Dr. B. vom 04.05.2010 und das urologische/andrologische Gutachten von Prof. Dr. La. vom 25.05.2010 ein.

Prof. Dr. M. beschrieb in guter Stellung knöchern verheilte Frakturen des vorderen rechten Acetabulumpfeilers, des rechten Schambeinastes sowie des rechten Sitzbeines und rechten Kreuzbeines mit endgradiger Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenks, was eine MdE um 20 v.H. bewirke. Dr. Kr. /Dr. P. diagnostizierten eine erektile Dysfunktion mit Blasenspeicher- und Entleerungsstörung, aber ohne verifizierbare Pathologika auf urologischem Gebiet bei der körperlichen Untersuchung, der sonographischen Diagnostik und Labordiagnostik. Die Frage nach dem Unfallzusammenhang könne nicht uneingeschränkt beantwortet werden, da weiterführender Diagnostik nicht zugestimmt worden sei. PD Dr. B. verneinte auf seinem Fachgebiet das Vorliegen von Unfallfolgen. Neurologisch habe kein pathologischer Befund erhoben werden können. Die psychiatrische Untersuchung habe Hinweise auf massive Verdeutlichungstendenzen ergeben. Es habe sich das Bild einer schweren Verbitterung gezeigt, ohne dass eine psychiatrische Diagnose im engeren Sinne zu stellen sei. Ein nozizeptiver Schmerz bei Zustand nach instabiler Beckenringfraktur sei nachvollziehbar. Eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer Somatisierungsstörung liege nicht vor. Prof. Dr. La. verwies auf widersprüchliche Beschwerdeangaben des Klägers. Bei der Untersuchung habe der Kläger nur eingeschränkt mitgearbeitet, weshalb Untersuchungen abgebrochen bzw. gar nicht durchgeführt worden seien, und eine Klärung der Genese der angegebenen Blasenentleerungsstörung sowie der erektilen Dysfunktion nicht habe erfolgen können, eine psychogene Ursache sei wahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 17.08.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Als Unfallfolge anerkannt wurden rechts eine endgradige Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk mit belastungsabhängigen Beschwerden nach knöchern fest und in achsengerechter Stellung verheilter Beckenringfraktur Typ C mit Bruch des unteren Schambeinastes, des Sitzbeins, des Kreuzbeins sowie des vorderen Pfeilers der Gelenkpfanne des Hüftgelenks sowie eine vorübergehende und folgenlos ausgeheilte, operativ versorgte Blasenhalsstenose nach 2-maliger Katheterversorgung. Die Erwerbsfähigkeit sei dadurch nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert. Der vom Kläger erhobene Widerspruch (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.08.2010) wurde nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 05.10.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 zurückgewiesen.

Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG). Auf richterlichen Hinweis vom 24.02.2011 schlossen die Beteiligten im Verfahren S 9 U 6615/10 zur Beendigung des Rechtsstreits den Vergleich (Annahmeerklärung der Beklagten vom 03.03.2011, des Klägers vom 09.03.2011), dass die Beklagte die Unfallfolgen noch einmal überprüft und insbesondere von Prof. Dr. M. eine Ergänzung zu seinem Gutachten vom 11.03.2010 einholt und zur Objektivierung auf urologischem Gebiet zu beurteilender Unfallfolgen ein neues Gutachten veranlasst.

In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme von Prof. Dr. M. vom 09.05.2011 wurde in Abweichung zu seinem Gutachten die unfallbedingte MdE auf 10 v.H. auf unfallchirurgischem Gebiet eingeschätzt. Im andrologisch-urologischen Gutachten von Prof. Dr. We. vom 18.10.2011 wurde ausgeführt, eine unfallbedingte MdE auf urologischem Fachgebiet liege nicht vor. Die Beschwerden des Klägers hätten nicht objektiviert werden können.

Mit Bescheid vom 25.11.2011 hob die Beklagte in Ausführung des Vergleichs ihren Bescheid vom 17.08.2010/Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 auf und lehnte zugleich die Gewährung einer Rente erneut ab. Als Unfallfolgen wurden die im aufgehobenen Bescheid bezeichneten Gesundheitsstörungen erneut festgestellt. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2012 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 24.05.2012 Klage vor dem SG und verwies zur Begründung auf vorgelegte Arztbriefe (Zentrum für Psychiatrie E. vom 07.02.2011, Interdisziplinäres Schmerzzentrum der Universität F. vom 11.01.2011, Kreiskrankenhaus S. vom 10.05.2011).

Das SG holte von Amts wegen das psychiatrische Gutachten von Dr. Schw. vom 11.04.2013 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine dysthyme Störung und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert. Diese double-Depression-Konstellation resultiere nach gegenwärtigem fachwissenschaftlichem Kenntnisstand aus einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Vorliegend sei die Primärpersönlichkeit des Klägers relevant für das Entstehen. Deutlich geworden sei eine erhebliche Kränkbarkeit mit kompensatorischen Größen- und Vergeltungsvorstellungen, die sich auch in der tatsächlichen und vorgestellten körperlichen Gewaltanwendung manifestiere. Anknüpfungspunkte für das erlebte Unrecht ergäben sich aus der so erlebten Verursachung des Unfalls, durch unterlassene Sicherungsmaßnahmen seitens des Arbeitgebers, durch die Kündigung mit Verlust des Arbeitsplatzes, durch sein Anliegen nicht angemessenes Vertreten der eigenen Anwälte, durch das Vorenthalten des ihm Zustehenden durch die Beklagte und durch die Geschwister, die sich der erwarteten innerfamiliären Solidarität einschließlich finanzieller Unterstützung verweigern würden. Der nicht krankheitswertigen Primärpersönlichkeit käme die Rolle eines Vulnerabilitäts- und Dispositionsaktfaktors zu, weshalb die zu diagnostizierenden Gesundheitsstörungen nicht wesentlich durch das Unfallereignis verursacht seien. Der Sachverständige schloss sich dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von PD Dr. Be. vom 04.05.2010 an.

Mit Beschluss vom 11.07.2012 war dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des früheren Prozessbevollmächtigten bewilligt worden. Auf Antrag des früheren Prozessbevollmächtigten vom 05.06.2013 und Erklärung des Klägers vom 10.09.2013, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt erschüttert sei, wurde die Beiordnung des Bevollmächtigten mit Beschluss des SG vom 08.01.2014 aufgehoben.

Mit Urteil vom 09.12.2013 wies das SG die Klage ab. Aus den im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten des Vorverfahrens ergebe sich keine rentenbegründende MdE um 20 v.H. Prof. Dr. M. habe in seiner Stellungnahme vom 09.05.2011 die unstreitigen Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet nachvollziehbar auf eine MdE um 10 v.H. eingeschätzt. Dr. Schw. habe in seinem Gutachten die diagnostischen Voraussetzungen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Somatisierungsstörung verneint. Die von ihm diagnostizierte dysthyme Störung und rezidivierende depressive Störung seien zwar im naturwissenschaftlichen Sinne durch den Arbeitsunfall mitverursacht, dieser stelle jedoch nach den wohl begründeten Ausführungen keine wesentliche Mitursache dar. Wesentliche Ursachenfaktoren der diagnostizierten psychischen Erkrankung seien vielmehr die Primärpersönlichkeit und die erheblich belastete biografische Entwicklung, schwere, teils bereits vor dem Arbeitsunfall angelegte Konflikte am Arbeitsplatz, ebenfalls teilweise vorbestehende Beziehungsprobleme sowie die prekäre wirtschaftliche Situation. Hinzu komme, dass unplausible und widersprüchliche Eigenangaben, eine hyperextensive Beschwerdepräsentation sowie objektive Ergebnisse der Beschwerdevalidierung bei der testpsychologischen Untersuchung mit erheblichem Gewicht auf ein Rentenbegehren hindeuteten.

Gegen das dem Kläger am 11.01.2014 zugestellte Urteil hat der derzeitige Klägerbevollmächtigte am 28.01.2014 vor dem Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Gutachten von Dr. Schw. und Prof. Dr. We. seien nicht nachvollziehbar. Die Gesundheitsstörungen auf urologischem Fachgebiet und psychiatrischem Fachgebiet sowie Schmerzen seien auf den Arbeitsunfall vom 13.05.2008 zurückzuführen. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der M.-B.-Klinik, K. , vom 26.08.2014 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 15.07.2014 bis 26.08.2014. Darin sind u.a. eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung und der Verdacht auf eine schizoaffektive Störung als Diagnosen angegeben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.12.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 13.05.2008 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung enthalte keine substantiierten Einwendungen gegen die Gutachten von Prof. Dr. We. und von Dr. Schw ... Aus dem Arztbericht der M.-B.-Klinik vom 26.08.2014 ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Auch im Rahmen dieses Arztbriefes sei der ursächliche Zusammenhang zwischen Arbeitsunfall und den Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.

Mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2014 und wiederholend mit Verfügung vom 20.10.2014 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

II. Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2014 und wiederholend mit Verfügung vom 20.10.2014 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen. Das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 23.03.2015 gab keinen Anhalt für die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und nach § 151 SGG zulässig, jedoch in vollem Umfang unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene klageabweisende Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsanwendungsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat dargelegt, dass nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. M. die Frakturen verheilt sind und die hieraus resultierenden geringgradigen Funktionseinschränkungen eine MdE um lediglich 10 v.H. bedingen. Unfallfolgen auf urologischem Fachgebiet seien trotz umfangreicher hierauf bezogene Diagnostik in verschiedenen Kliniken gutachterlich nicht nachzuweisen gewesen. Nach dem Gutachten von Dr. Schw. hätten Unfallfolgen auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet ausgeschlossen werden können. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen des Klägers zwingt zu keiner anderen Beurteilung.

Die MdE-Bewertung von Prof. Dr. M. auf unfallchirurgischem/orthopädischem Fachgebiet in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.05.2011 ist vom Kläger zuletzt nicht mehr weiter infrage gestellt worden. Dessen Befunde rechtfertigen nach den unfallversicherungsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen keine höhere MdE als 10 v.H. Das andrologisch-urologische Sachverständigengutachten von Prof. Dr. We. ist auch für den Senat nachvollziehbar. Der Sachverständige hatte urodynamisch einen Testmanipulationsversuch feststellen können, weshalb keine objektive Befundlage für eine Blasenfunktionsstörung gesichert werden konnte. Eine Durchblutungsstörung als Ursache der erektilen Dysfunktion wurde durch eine positive SKAT-Testung ausgeschlossen. Die Beurteilung, dass auf urologischem Fachgebiet keine Unfallfolgen zu diagnostizieren sind, was in Übereinstimmung mit den urologischen Vorgutachten steht, ist daher auch für den Senat überzeugend.

Auch das psychiatrische Gutachten von Dr. Schw. hat für den Senat überzeugend ergeben, dass keine Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet bestehen. Aus der ausführlichen Anamnese sind erhebliche Auffälligkeiten ersichtlich geworden, die den Sachverständigen an der Authentizität der angegebenen Beschwerden und geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen zweifeln ließ. Die eigenanamnestischen Angaben des Klägers waren zum Teil unplausibel, undifferenziert und extrem, wie vom Sachverständigen auch dargelegt wurde (Seiten 39-42 des Gutachtens). Außerdem hatte der Kläger ihn belastende Beziehungskonflikte vor dem Unfall (Ehescheidung vor dem Unfall und Beziehungsprobleme mit seiner derzeitigen Verlobten) berichtet. Aus den aktenkundigen Vorgängen und dem vom Kläger berichteten Eigenerleben hat der Sachverständige Dr. Schw. auch für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass die nicht krankhafte Persönlichkeitsakzentuierung des Klägers zu zusätzlichen psychosozialen Belastungen geführt hatte. Der Unfall ist nach den Ausführungen des Sachverständigen auch in der rechtlichen Bewertung des Senats lediglich ein Anknüpfungspunkt für die persönlichkeitsbedingte erhebliche Kränkbarkeit und den damit verbundenen kompensatorischen Größen- und Vergeltungsvorstellungen, sodass die sich hieraus entwickelnden Konflikte in der Familie, mit dem Arbeitgeber und dem sonstigen sozialen Umfeld, die aus Sicht des Klägers als ihm widerfahrenes Unrecht erlebt werden, allein auf dieser Persönlichkeitsstruktur des Klägers beruhen. Der Unfall, als – zufällige – Erklärung oder auch Rechtfertigung aus Sicht des Klägers für seine Verhaltensauffälligkeit ist daher mehr oder weniger austauschbar, wie die bereits vor dem Unfall bestehenden sozialen Konflikte, wie zum Beispiel die strafrechtliche Verurteilung wegen Körperverletzung, zeigen. Dr. Schw. hat darüber hinaus dargelegt, dass die Krankheitsentwicklung für die double-Depression-Konstellation ihren Ursprung teilweise in den unfallvorbestehenden Konfliktsituationen hat.

Dies ist für den Senat nachvollziehbar und steht im Einklang mit der Rechtsprechungspraxis des Senats (vgl. Urt. vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, Juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) zur unfallunabhängigen Persönlichkeitsstruktur als alleinige wesentliche Ursache psychischer Erkrankungen. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften (dort: niedrige Frustrationstoleranz, Aggressionsbereitschaft) durch das Unfallereignis, die physischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert wurden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus. Vorliegend ist ein Großteil der die depressive Erkrankung bewirkenden Ursachen nach Ausführungen des Sachverständigen bereits tatsächlich und auch aus Sicht des Klägers unfallunabhängig – so der Beziehungskonflikt mit der früheren Ehefrau –, aber auch die vom Kläger als unfallbedingt beurteilten Umstände, wie das bei der Unfallabwicklung aufgetretene, ihm zugefügte Unrecht durch Anwälte, Ärzte und Vertreter der Beklagten, sind dies nur aufgrund seiner persönlichkeitsbedingten verzerrten Wahrnehmung. Aktenkundige Vorgänge, wie die Entlassung des ursprünglich beigeordneten Anwalts im PKH-Verfahren, mehrfache gutachterliche Untersuchung auf urologischem Fachgebiet trotz dokumentierter mangelhafter Mitwirkung des Klägers und die objektive Befunderhebung und gutachterliche Befundbeschreibung in den Gutachten und Arztbriefen, geben keinen Hinweis auf eine dem Kläger nachteilige Bearbeitung, eine solche lässt sich auch nicht dem Vorbringen des Klägers selbst entnehmen. Hinzu kommt, dass das Verhalten von Familienmitgliedern, Anwälten und des Arbeitgebers, das behauptete Fehlverhalten einmal unterstellt, nicht unfallbedingt wäre, denn es ist dann nicht durch den Unfall verursacht, sondern allenfalls anlässlich des Unfalls zutage getreten.

Aus dem vorgelegten Entlassungsbericht der M.-B.-Klinik vom 26.08.2014 ergeben sich keine Anhaltspunkte, die der gutachterlichen Bewertung von Dr. Schw. widersprechen. Dem Entlassungsbericht ist nicht zu entnehmen, dass der Klinik die Unfallakten der Beklagten oder wesentliche Aktenteile vorlagen, so dass über den Beschwerdeverlauf und über Voruntersuchungen und Befunde keine Kenntnis bestand. Eine aussagekräftige Zusammenhangsbeurteilung mit dem hier streitigen Arbeitsunfall ist dem Entlassungsbericht daher nicht zu entnehmen. Außerdem wird eine posttraumatische Belastungsstörung nur als Verdachtsdiagnose genannt. Dr. Schw. hat dagegen in Kenntnis der Aktenlage für den Senat insoweit überzeugend dargelegt, dass die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie etwa Vermeidungsverhalten oder Intrusion, beim Kläger zu keiner Zeit vorlag. Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung hat Dr. Schw. im Hinblick auf das aktenkundige widersprüchliche Vorbringen des Klägers verneint. Eine depressive Erkrankung, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung bzw. Konstellation und als unfallunabhängig, ist von Dr. Schw. ebenso diagnostiziert worden. Im Übrigen bestätigt die Verdachtsdiagnose einer schizoaffektiven Störung auch die Einschätzung von Dr. Schw. , der zwar abweichend davon von einer nicht krankheitswertigen Persönlichkeitsakzentuierung ausgeht, aber Verhaltensauffälligkeiten im emotionalen und intellektuellen Erleben beschreibt. In diesem Zusammenhang ist die Symptomatik für die Verdachtsdiagnose der M.-B.-Klinik vom Kläger auch widersprüchlich geschildert, denn dort gab er an, seit jungen Jahren bereits ab und zu Stimmen gehört zu haben, was im Widerspruch zur Angabe bei der Untersuchung durch Dr. Schw. steht, dass er erstmals vor 5-6 Monaten vor der Untersuchung eine Stimme seinen Namen habe rufen hören. Der von Dr. Schw. erhobene psychiatrische Befund und seine Zusammenhangsbeurteilung werden durch den vom Kläger vorgelegten Entlassungsbericht vom 26.08.2014 somit nicht widerlegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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