Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VU 4042/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 1255/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am 09.01.1937 in S., Russland, geborene Kläger beantragte am 29.05.1998 beim Versorgungsamt Berlin die Versorgung nach dem BVG wegen Verlustes des linken Auges, Lähmung des linken Knöchels und Fußes sowie beidseitiger Schwerhörigkeit infolge einer Verletzung durch Geschosssplitter Ende Februar/Anfang März 1942 bei einem Artillerieangriff der deutschen Wehrmacht auf das Dorf T. (Bl 1/2 Verwaltungsvorgang - VV). Er legte schriftliche Aussagen von drei Zeugen (Bl 15/20 VV) und Arztbriefe bzw. Befundunterlagen (Bl 21/32 VV) vor. Der Kläger lebte von 1995 bis 2000 in der Bundesrepublik Deutschland, seitdem lebt er in Russland. Der Antrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 29.01.2002 - Bl 45 VV), da er nicht als Kontingentflüchtling anerkannt sei und die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG für die Gewährung einer Versorgung nicht vorlägen. Der Bescheid wurde ihm nicht bekannt gegeben, weil er am 20.02.2000 unbekannt verzogen war (Bl 48 VV). Sein Überprüfungsantrag vom 29.9.2008 blieb erfolglos (Bescheid vom 26.03.2009 - Bl 61 VV). Auf seinen Widerspruch vom 14.05.2009 wurde der Vorgang an das aufgrund des Wohnsitzes nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG zuständige Landratsamt R. abgegeben, das den Widerspruch als neuen Antrag behandelte und Sachaufklärung einleitete. Der Kläger reichte Unterlagen ein und beantwortete Anfragen. Am 16.06.2009 erhob er Klage beim Amtsgericht W. gegen den Bescheid vom 26.03.2009, das das Verfahren an das Sozialgericht Berlin abgab (S 81 VE 128/09). Das Landesamt für Gesundheit und Soziales B. hob den Bescheid vom 26.03.2009 mit der Begründung auf, der Widerspruch sei zurückzuweisen, da die örtliche Zuständigkeit nicht bestehe (Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010). Der Kläger nahm die Klage gegen den Bescheid (S 81 VE 128/09) am 18.01.2012 zurück (Bl 178 VV).
Das Landratsamt R. lehnte den Antrag vom 29.05.1998 mit Bescheid vom 19.04.2012 ab. Die durchgeführte Sachaufklärung habe den Nachweis erbracht, dass das Dorf T. von Juli 1941 bis Anfang 1943 in deutscher Hand gewesen sei. Der amtliche Nachweis einer Schädigung liege jedoch nicht vor, ebenso wenig ärztliche Dokumente aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren, aus denen sich Hinweise auf das geltend gemachte schädigende Ereignis bzw. auf eine Schädigung im Sinne des § 1 BVG ergäben. Somit lasse sich nicht der Schluss ziehen, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf einen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand im Sinne des BVG zurückzuführen seien. Bei der Deutschen Dienststelle (WASt) in B. und dem Krankenbuchlager in B. hätten keine Aufzeichnungen über ihn ermittelt werden können. Die eingereichten gleichlautenden Zeugenaussagen seien hierfür nicht ausreichend. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2012 und nochmals vom 22.02.2013 und 13.05.2013 zurückgewiesen. Beim Kläger ist ein GdB von 60 und der Nachteilsausgleich G festgestellt (Bescheide vom 20.08.1998 - Bl 55 VV und vom 14.01.2000 - Bl 64 VV).
Der Kläger hat am 10.04.2013 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben (S 41 VE 44/13). Mit Beschluss vom 22.08.2013 hat das Sozialgericht Berlin den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten vom 25.06.2013 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen, eine Ausfertigung des Beschlusses ist dem SG mit Schreiben vom 06.01.2014, Eingang am 10.01.2014, zugestellt, die Akten sind mit Schreiben vom 10.02.2014, eingegangen am 13.02.2014, übersandt worden. Dem Beklagten ist der Verweisungsbeschluss am 17.01.2014 zugestellt worden. Nachdem ein Nachweis über die Zustellung des Beschlusses an den Kläger nicht einging, hat das SG die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang an das Sozialgericht Berlin zurückgesandt und das Verfahren ausgetragen (S 8 VK 326/14).
Am 19.07.2013 hat der Kläger Klage beim SG erhoben (S 13 VK 4042/13). Er hat zahlreiche Unterlagen, darunter ein medizinisches Gutachten des Gesundheitsministeriums der Russischen Föderation vom 04.10.1980 vorgelegt, demzufolge die festgestellten Gesundheitsschäden (multiple alte Narben auf dem Gesicht, der linken Ohrmuschel, dem rechten Unterschenkel und dem linken Bein, in der Gegend des ersten Fingers der linken Hand mit Vorhandensein des Splitters der metallischen Dichte in Weichteilen; posttraumatische deformierende Arthrose des linken oberen Springgelenks mit der mäßigen Begrenzung der Bewegungen, ausgedrückte posttraumatische Neuropathie des linken Wadenbeinnerves [in geringerem Maße des Schienbeinnerves], des linken Fußes mit der Parese des linken Fußes als Folge der Störung des linken Hüftnerves, auf dessen Splittercharakter die Lage von einem der festgestellten Narben in der Projektion der Austrittstelle dieses Nerves zeigen kann; langjähriges Fehlen des Augapfels [Anophtalmie] als Folge seiner Entfernung auf chirurgischem Wege als Folge des Traumas nach den Besonderheiten des Charakters, der Vereinigung und der Lage der Narben in den Gegenden des Körpers, die Feststellung des Splitters der metallischen Dichte in Weichteilen des 1. Fingers der linken Hand, grobe Veränderungen im linken oberen Sprunggelenk und in den Nerven des linken Beines). Anlass zum Schluss gäben, dass die beim Kläger vorhandenen Veränderungen die Folgen der Spliterverwundung seien als Ergebnis des Geschosses unter den vom Kläger dargestellten Umständen. Es seien keine Gründe für den Ausschluss der angegebenen Verwundung im Jahr 1942 gefunden worden.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2013, dem Kläger zugestellt am 21.11.2013, abgewiesen. Der Kläger habe die Sache bei zwei Sozialgerichten rechtshängig gemacht. Ein bindender Verweisungsbeschluss vom Sozialgericht Berlin an das SG habe nicht vorgelegen; zwar existiere ein solcher Beschluss, dieser sei jedoch noch nicht wirksam zugestellt und damit nicht bekannt gegeben, § 63 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bekanntgabe des Beschlusses an eine Person habe somit noch nicht stattgefunden, die Rechtshängigkeit am Sozialgericht Berlin sei daher nicht beendet, der Rechtsstreit sei dort vielmehr noch anhängig. Der Kläger könne nicht denselben Streitgegenstand an zwei unterschiedlichen Sozialgerichten in der Bundesrepublik Deutschland zur gleichen Zeit geltend machen. Der Klage an das SG stehe somit der prozessuale Aspekt der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Das Vorgehen des Sozialgerichts Berlin, Klagerücknahme anzuregen und nur hilfsweise einen Verweisungsbeschluss anzukündigen, sei nicht zu kommentieren. Da im Fall des Nachweises der Zustellung des Verweisungsbeschlusses dieser wohl an das SG gelangen dürfte, halte das Ergebnis wertender Betrachtung stand, da ein Rechtsverlust wegen § 98 SGG i.V.m. § 17 ff Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - für die Zukunft nicht erkennbar sei.
Der Kläger hat am 17.02.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat die bereits aktenkundigen Unterlagen nochmals vorgelegt.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2013 und den Bescheid vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen festzustellen, dass er durch den Artillerieangriff deutscher Truppen auf das Dorf T. in Russland Ende Februar/Anfang März 1942 Opfer einer Schädigung im Sinne von § 1 BVG geworden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für richtig.
Das Sozialgericht Berlin hat am 02.10.2014 Unterlagen über den fehlgeschlagenen Zustellungsversuch des Verweisungsbeschlusses übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akten zu S 13 VK 4042/13 und S 26 VK 326/14, die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 41 VE 44/13 und S 40 VE 128/09) und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach §§ 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Die am 19.07.2013 beim SG erhobene Klage war auch zur Überzeugung des Senats unzulässig. Ist nämlich ein Verfahren rechtshängig, ist eine neue Klage desselben Klägers gegen denselben Beklagten über denselben Streitgegenstand unzulässig. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 261 Abs. 3 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Betroffene haben nur Anspruch darauf, dass ihnen ein Gericht zur Verfügung gestellt wird, einander widersprechende gerichtliche Entscheidungen sollen vermieden werden, der Beklagte soll nicht gezwungen werden, sich mehrfach zu verteidigen (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, Rn. 7 zu § 94 m.w.N.). Die zweite am 19.07.2013 rechtshängig gewordene Klage ist daher als unzulässig abzuweisen, da die auf Anfechtung des Bescheides vom 19.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2013 und Feststellung einer Schädigung nach § 1 BVG gerichtete Klage bereits seit dem 10.04.2013 bei dem Sozialgericht Berlin rechtshängig gewesen ist.
Das Nichtvorliegen anderweitiger Rechtshängigkeit ist Prozessvoraussetzung (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Komm., 11. Aufl., Rn. 15 vor § 51). Die Prozessvoraus-setzungen müssen von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens geprüft werden, sie müssen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Fehlten sie vorher, genügt das spätere Eintreten (Keller, a.a.O., Rn. 20 vor § 51). Dies gilt bei Gerichtsbescheiden entsprechend (§ 105 Abs. 1 Satz 3 SGG). Vorliegend hat die anderweitige Rechtshängigkeit beim Sozialgericht Berlin zum Zeitpunkt der Klagerhebung beim SG bestanden und ist bis zum Erlass des Gerichtsbescheides am 25.10.2013 nicht entfallen. Die Verweisung des Rechtsstreits an das SG ist nämlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam erfolgt. Der Verweisungsbeschluss war nach § 133 Satz 2 SGG zuzustellen (Leitherer a.a.O. Rn. 6 zu § 98 SGG), er ist nach § 98 Satz 2 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG unanfechtbar. Zwar ist der Verweisungsbeschluss dem Kläger bis heute nicht zugestellt worden. Die Wirksamkeit der Verweisung erfordert jedoch nicht die Zustellung an den Kläger. Entscheidend für die Wirksamkeit ist die erste Verlautbarung an einen Beteiligten (Keller a.a.O., Rn. 4b zu § 125 m.w.N.). Die Wirkung der Verweisung in Form der Anhängigkeit bei dem Gericht, an das verwiesen wurde, tritt mit (1) formeller Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses und (2) Eingang der Akten ein (Hüßtege in: Thomas/Putzo Rn. 1a zu § 17b GVG). Formelle Rechtskraft bedeutet, dass die Entscheidung unangreifbar ist (§ 705 ZPO). Da Verweisungsbeschlüsse gemäß § 98 Satz 2 SGG i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG unanfechtbar sind, fällt diese mit der Wirksamkeit des Beschlusses zusammen. Die formelle Rechtskraft ist vorliegend somit eingetreten, als der Beklagte den Beschluss zugestellt bekommen hat, also am 17.01.2014 und somit nach Erlass des Gerichtsbescheides.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Allerdings ist die Verweisung an das SG (S 26 VK 326/14) nach Zustellung des Verweisungsbeschlusses an den Beklagten und Übersendung der Akten wirksam geworden und hat die abdrängende Wirkung entfaltet. Die damit am 13.02.2014 beim SG eingetretene Rechtshängigkeit ist durch den Austrag des Verfahrens S 26 VK 326/14 nicht beseitigt worden, denn sie endet nicht durch Weglegen der Akten nach der Aktenordnung (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Komm., 73. Aufl., Rn. 17 zu § 261; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, Komm., 35. Aufl., Rn. 9 zu § 261 unter Hinweis auf BGH NJW-RR 93,898). Das erstinstanzliche Verfahren wird vor dem SG zu Aktenzeichen S 26 VK 326/14 weiterzuführen sein, wobei das erstinstanzliche Prozessurteil zu S 13 VK 4042/13 den Erlass einer Sachentscheidung nicht hindert. Bei Klagabweisung durch Prozessurteil steht nämlich rechtskräftig nur fest, dass die im Urteil geprüfte Prozessvoraussetzung nicht vorlag, hinsichtlich anderer Prozessvoraussetzungen oder in der Sache selbst wirkt die Rechtskraft nicht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, a. a. O., Rn. 09 zu § 141; BSGE 9, 85; BSG vom 24.10.2007 - B 5a R 340/07 B; SozR 4-1500 § 73a Nr. 6).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am 09.01.1937 in S., Russland, geborene Kläger beantragte am 29.05.1998 beim Versorgungsamt Berlin die Versorgung nach dem BVG wegen Verlustes des linken Auges, Lähmung des linken Knöchels und Fußes sowie beidseitiger Schwerhörigkeit infolge einer Verletzung durch Geschosssplitter Ende Februar/Anfang März 1942 bei einem Artillerieangriff der deutschen Wehrmacht auf das Dorf T. (Bl 1/2 Verwaltungsvorgang - VV). Er legte schriftliche Aussagen von drei Zeugen (Bl 15/20 VV) und Arztbriefe bzw. Befundunterlagen (Bl 21/32 VV) vor. Der Kläger lebte von 1995 bis 2000 in der Bundesrepublik Deutschland, seitdem lebt er in Russland. Der Antrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 29.01.2002 - Bl 45 VV), da er nicht als Kontingentflüchtling anerkannt sei und die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG für die Gewährung einer Versorgung nicht vorlägen. Der Bescheid wurde ihm nicht bekannt gegeben, weil er am 20.02.2000 unbekannt verzogen war (Bl 48 VV). Sein Überprüfungsantrag vom 29.9.2008 blieb erfolglos (Bescheid vom 26.03.2009 - Bl 61 VV). Auf seinen Widerspruch vom 14.05.2009 wurde der Vorgang an das aufgrund des Wohnsitzes nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG zuständige Landratsamt R. abgegeben, das den Widerspruch als neuen Antrag behandelte und Sachaufklärung einleitete. Der Kläger reichte Unterlagen ein und beantwortete Anfragen. Am 16.06.2009 erhob er Klage beim Amtsgericht W. gegen den Bescheid vom 26.03.2009, das das Verfahren an das Sozialgericht Berlin abgab (S 81 VE 128/09). Das Landesamt für Gesundheit und Soziales B. hob den Bescheid vom 26.03.2009 mit der Begründung auf, der Widerspruch sei zurückzuweisen, da die örtliche Zuständigkeit nicht bestehe (Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010). Der Kläger nahm die Klage gegen den Bescheid (S 81 VE 128/09) am 18.01.2012 zurück (Bl 178 VV).
Das Landratsamt R. lehnte den Antrag vom 29.05.1998 mit Bescheid vom 19.04.2012 ab. Die durchgeführte Sachaufklärung habe den Nachweis erbracht, dass das Dorf T. von Juli 1941 bis Anfang 1943 in deutscher Hand gewesen sei. Der amtliche Nachweis einer Schädigung liege jedoch nicht vor, ebenso wenig ärztliche Dokumente aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren, aus denen sich Hinweise auf das geltend gemachte schädigende Ereignis bzw. auf eine Schädigung im Sinne des § 1 BVG ergäben. Somit lasse sich nicht der Schluss ziehen, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf einen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand im Sinne des BVG zurückzuführen seien. Bei der Deutschen Dienststelle (WASt) in B. und dem Krankenbuchlager in B. hätten keine Aufzeichnungen über ihn ermittelt werden können. Die eingereichten gleichlautenden Zeugenaussagen seien hierfür nicht ausreichend. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2012 und nochmals vom 22.02.2013 und 13.05.2013 zurückgewiesen. Beim Kläger ist ein GdB von 60 und der Nachteilsausgleich G festgestellt (Bescheide vom 20.08.1998 - Bl 55 VV und vom 14.01.2000 - Bl 64 VV).
Der Kläger hat am 10.04.2013 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben (S 41 VE 44/13). Mit Beschluss vom 22.08.2013 hat das Sozialgericht Berlin den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten vom 25.06.2013 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen, eine Ausfertigung des Beschlusses ist dem SG mit Schreiben vom 06.01.2014, Eingang am 10.01.2014, zugestellt, die Akten sind mit Schreiben vom 10.02.2014, eingegangen am 13.02.2014, übersandt worden. Dem Beklagten ist der Verweisungsbeschluss am 17.01.2014 zugestellt worden. Nachdem ein Nachweis über die Zustellung des Beschlusses an den Kläger nicht einging, hat das SG die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang an das Sozialgericht Berlin zurückgesandt und das Verfahren ausgetragen (S 8 VK 326/14).
Am 19.07.2013 hat der Kläger Klage beim SG erhoben (S 13 VK 4042/13). Er hat zahlreiche Unterlagen, darunter ein medizinisches Gutachten des Gesundheitsministeriums der Russischen Föderation vom 04.10.1980 vorgelegt, demzufolge die festgestellten Gesundheitsschäden (multiple alte Narben auf dem Gesicht, der linken Ohrmuschel, dem rechten Unterschenkel und dem linken Bein, in der Gegend des ersten Fingers der linken Hand mit Vorhandensein des Splitters der metallischen Dichte in Weichteilen; posttraumatische deformierende Arthrose des linken oberen Springgelenks mit der mäßigen Begrenzung der Bewegungen, ausgedrückte posttraumatische Neuropathie des linken Wadenbeinnerves [in geringerem Maße des Schienbeinnerves], des linken Fußes mit der Parese des linken Fußes als Folge der Störung des linken Hüftnerves, auf dessen Splittercharakter die Lage von einem der festgestellten Narben in der Projektion der Austrittstelle dieses Nerves zeigen kann; langjähriges Fehlen des Augapfels [Anophtalmie] als Folge seiner Entfernung auf chirurgischem Wege als Folge des Traumas nach den Besonderheiten des Charakters, der Vereinigung und der Lage der Narben in den Gegenden des Körpers, die Feststellung des Splitters der metallischen Dichte in Weichteilen des 1. Fingers der linken Hand, grobe Veränderungen im linken oberen Sprunggelenk und in den Nerven des linken Beines). Anlass zum Schluss gäben, dass die beim Kläger vorhandenen Veränderungen die Folgen der Spliterverwundung seien als Ergebnis des Geschosses unter den vom Kläger dargestellten Umständen. Es seien keine Gründe für den Ausschluss der angegebenen Verwundung im Jahr 1942 gefunden worden.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2013, dem Kläger zugestellt am 21.11.2013, abgewiesen. Der Kläger habe die Sache bei zwei Sozialgerichten rechtshängig gemacht. Ein bindender Verweisungsbeschluss vom Sozialgericht Berlin an das SG habe nicht vorgelegen; zwar existiere ein solcher Beschluss, dieser sei jedoch noch nicht wirksam zugestellt und damit nicht bekannt gegeben, § 63 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bekanntgabe des Beschlusses an eine Person habe somit noch nicht stattgefunden, die Rechtshängigkeit am Sozialgericht Berlin sei daher nicht beendet, der Rechtsstreit sei dort vielmehr noch anhängig. Der Kläger könne nicht denselben Streitgegenstand an zwei unterschiedlichen Sozialgerichten in der Bundesrepublik Deutschland zur gleichen Zeit geltend machen. Der Klage an das SG stehe somit der prozessuale Aspekt der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Das Vorgehen des Sozialgerichts Berlin, Klagerücknahme anzuregen und nur hilfsweise einen Verweisungsbeschluss anzukündigen, sei nicht zu kommentieren. Da im Fall des Nachweises der Zustellung des Verweisungsbeschlusses dieser wohl an das SG gelangen dürfte, halte das Ergebnis wertender Betrachtung stand, da ein Rechtsverlust wegen § 98 SGG i.V.m. § 17 ff Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - für die Zukunft nicht erkennbar sei.
Der Kläger hat am 17.02.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat die bereits aktenkundigen Unterlagen nochmals vorgelegt.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2013 und den Bescheid vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen festzustellen, dass er durch den Artillerieangriff deutscher Truppen auf das Dorf T. in Russland Ende Februar/Anfang März 1942 Opfer einer Schädigung im Sinne von § 1 BVG geworden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für richtig.
Das Sozialgericht Berlin hat am 02.10.2014 Unterlagen über den fehlgeschlagenen Zustellungsversuch des Verweisungsbeschlusses übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akten zu S 13 VK 4042/13 und S 26 VK 326/14, die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 41 VE 44/13 und S 40 VE 128/09) und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach §§ 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Die am 19.07.2013 beim SG erhobene Klage war auch zur Überzeugung des Senats unzulässig. Ist nämlich ein Verfahren rechtshängig, ist eine neue Klage desselben Klägers gegen denselben Beklagten über denselben Streitgegenstand unzulässig. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 261 Abs. 3 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Betroffene haben nur Anspruch darauf, dass ihnen ein Gericht zur Verfügung gestellt wird, einander widersprechende gerichtliche Entscheidungen sollen vermieden werden, der Beklagte soll nicht gezwungen werden, sich mehrfach zu verteidigen (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, Rn. 7 zu § 94 m.w.N.). Die zweite am 19.07.2013 rechtshängig gewordene Klage ist daher als unzulässig abzuweisen, da die auf Anfechtung des Bescheides vom 19.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2013 und Feststellung einer Schädigung nach § 1 BVG gerichtete Klage bereits seit dem 10.04.2013 bei dem Sozialgericht Berlin rechtshängig gewesen ist.
Das Nichtvorliegen anderweitiger Rechtshängigkeit ist Prozessvoraussetzung (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Komm., 11. Aufl., Rn. 15 vor § 51). Die Prozessvoraus-setzungen müssen von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens geprüft werden, sie müssen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Fehlten sie vorher, genügt das spätere Eintreten (Keller, a.a.O., Rn. 20 vor § 51). Dies gilt bei Gerichtsbescheiden entsprechend (§ 105 Abs. 1 Satz 3 SGG). Vorliegend hat die anderweitige Rechtshängigkeit beim Sozialgericht Berlin zum Zeitpunkt der Klagerhebung beim SG bestanden und ist bis zum Erlass des Gerichtsbescheides am 25.10.2013 nicht entfallen. Die Verweisung des Rechtsstreits an das SG ist nämlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam erfolgt. Der Verweisungsbeschluss war nach § 133 Satz 2 SGG zuzustellen (Leitherer a.a.O. Rn. 6 zu § 98 SGG), er ist nach § 98 Satz 2 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG unanfechtbar. Zwar ist der Verweisungsbeschluss dem Kläger bis heute nicht zugestellt worden. Die Wirksamkeit der Verweisung erfordert jedoch nicht die Zustellung an den Kläger. Entscheidend für die Wirksamkeit ist die erste Verlautbarung an einen Beteiligten (Keller a.a.O., Rn. 4b zu § 125 m.w.N.). Die Wirkung der Verweisung in Form der Anhängigkeit bei dem Gericht, an das verwiesen wurde, tritt mit (1) formeller Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses und (2) Eingang der Akten ein (Hüßtege in: Thomas/Putzo Rn. 1a zu § 17b GVG). Formelle Rechtskraft bedeutet, dass die Entscheidung unangreifbar ist (§ 705 ZPO). Da Verweisungsbeschlüsse gemäß § 98 Satz 2 SGG i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG unanfechtbar sind, fällt diese mit der Wirksamkeit des Beschlusses zusammen. Die formelle Rechtskraft ist vorliegend somit eingetreten, als der Beklagte den Beschluss zugestellt bekommen hat, also am 17.01.2014 und somit nach Erlass des Gerichtsbescheides.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Allerdings ist die Verweisung an das SG (S 26 VK 326/14) nach Zustellung des Verweisungsbeschlusses an den Beklagten und Übersendung der Akten wirksam geworden und hat die abdrängende Wirkung entfaltet. Die damit am 13.02.2014 beim SG eingetretene Rechtshängigkeit ist durch den Austrag des Verfahrens S 26 VK 326/14 nicht beseitigt worden, denn sie endet nicht durch Weglegen der Akten nach der Aktenordnung (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Komm., 73. Aufl., Rn. 17 zu § 261; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, Komm., 35. Aufl., Rn. 9 zu § 261 unter Hinweis auf BGH NJW-RR 93,898). Das erstinstanzliche Verfahren wird vor dem SG zu Aktenzeichen S 26 VK 326/14 weiterzuführen sein, wobei das erstinstanzliche Prozessurteil zu S 13 VK 4042/13 den Erlass einer Sachentscheidung nicht hindert. Bei Klagabweisung durch Prozessurteil steht nämlich rechtskräftig nur fest, dass die im Urteil geprüfte Prozessvoraussetzung nicht vorlag, hinsichtlich anderer Prozessvoraussetzungen oder in der Sache selbst wirkt die Rechtskraft nicht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, a. a. O., Rn. 09 zu § 141; BSGE 9, 85; BSG vom 24.10.2007 - B 5a R 340/07 B; SozR 4-1500 § 73a Nr. 6).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BWB
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