L 5 R 2164/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4140/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2164/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.03.2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird endgültig auf 14.541,50 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von (noch) 14.541,50 EUR für die vom Beigeladenen Ziff. 1 bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.03.2008 bis 31.10.2008 ausgeübte Tätigkeit eines Möbelauslieferers.

Nach Fahrzeugkontrollen am 30.04.2008 und 12.09.2008, bei denen der Beigeladene Ziff. 1 und sein Bruder in von der Klägerin angemieteten Fahrzeugen angetroffen wurden, führte das Hauptzollamt L. Ermittlungen wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit gegen die Klägerin durch. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde der Betriebsprüfdienst der Beklagten zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der vom Beigeladenen Ziff. 1 und seinem Bruder ausgeübten Tätigkeit herangezogen.

Mit Schreiben vom 09.02.2009 teilte der Betriebsprüfdienst der Beklagten dem Hauptzollamt L. mit, es handele sich bei der vom Beigeladenen Ziff. 1 ausgeübten Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung. Dieser Beurteilung lagen die Angaben des Beigeladenen Ziff. 1 in einem am 20.01.2009 ausgefüllten Fragebogen zugrunde. Darin hatte der Beigeladene Ziff. 1 angegeben, ab dem 06.03.2008 eine unbefristete Tätigkeit für die Klägerin ausgeübt zu haben. Er habe für die Klägerin auf der Grundlage einer eigenen Gewerbeanmeldung die Auslieferung von neuen Möbeln durchgeführt. Eigene Geschäfts- oder Betriebsräume habe er nicht unterhalten. Er habe auch kein häusliches Arbeitszimmer vorgehalten. Eine regelmäßige Arbeitszeit sei nicht vereinbart gewesen. Seine Arbeitszeit habe er aber nicht frei gestalten können. Die Arbeiten seien in den Räumen der Klägerin auszuführen gewesen. Seinen Arbeitsort habe er nicht frei wählen können. Werbung habe er für seine Tätigkeit nicht betrieben. Ihm seien seitens der Klägerin Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeit erteilt worden. Er sei verpflichtet worden, vorgeschriebene Dienstleistungen nach vorgeschriebenem Muster zu erbringen. Seine Arbeiten seien durch Servicekontrolle und Kundenbefragung kontrolliert worden. Er sei in den Arbeitsablauf der Klägerin eingegliedert gewesen und habe die gleichen Arbeiten ausgeführt, wie fest angestellte Mitarbeiterin der Klägerin. Er sei verpflichtet gewesen, die Arbeiten persönlich auszuführen, habe aber auch eigene Hilfskräfte einsetzen können. Eigenes Kapital habe er nicht eingesetzt. Aufträge habe er nicht ablehnen können. Ein Kalkulationsangebot habe er nicht abgegeben, und die Preise auch nicht frei gestalten können. Über einen eigenen Kundenstamm habe er nicht verfügt. Die Zahlung sei pro Auftrag erfolgt und monatlich gewährt worden. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit habe ebenso wenig wie ein Anspruch auf bezahlten Urlaub bestanden. Er sei zur Einkommensteuer veranlagt worden und habe Umsatzsteuer entrichtet.

Bezüglich der Tätigkeit des Bruders des Beigeladenen Ziff. 1 teilte der Betriebsprüfdienst der Beklagten dem Hauptzollamt L. mit gesondertem Schreiben ebenfalls vom 09.02.2009 mit, es handele sich auch bei seiner Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung, zumal für den Bruder keine Gewerbeanmeldung vorliege.

Mit Bescheid vom 02.06.2009 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung für die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 und seines Bruders sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 25.746,85 EUR. Die ausgeübte Tätigkeit sei als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu werten. Bei Würdigung des gesamten Sachverhalts habe die Klägerin eine umfassende Kontrolle über die zu erledigenden Arbeiten gehabt. Sie habe Weisungsbefugnis hinsichtlich Art, Ort und Zeit sowie der Ausführung der Arbeiten gehabt. Außerdem seien der Beigeladene Ziff. 1 sowie sein Bruder in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 10.06.2009 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführen ließ, die Tätigkeiten des Beigeladenen Ziff. 1 sowie seines Bruders könnten nicht als Beschäftigungsverhältnisse angesehen werden. Der Beigeladene Ziff. 1 habe ein Gewerbe als Frachtführer angemeldet gehabt. Der Vertrag mit ihm sei aufgrund einer Zeitungsanzeige zustande gekommen, in der ein Subunternehmen im 2-Mann-Handling für den Einsatz im Bereich Verteilung von neuen Möbeln mit kleinen Montagetätigkeiten gesucht worden sei. Dass der Beigeladene Ziff. 1 nur die Klägerin als Auftraggeberin gehabt habe, habe in erster Linie daran gelegen, dass beim Aufbau eines Unternehmens noch kein großer Kundenstamm vorhanden sei. Der Umstand, dass der Beigeladene Ziff. 1 ein von der Klägerin angemietetes Fahrzeug genutzt habe, habe ebenfalls ausschließlich daran gelegen, dass sein Betrieb noch im Aufbau begriffen gewesen sei. Die Abrechnung der Leistungen habe auf einer Vereinbarung beruht. Dem Beigeladenen Ziff. 1 habe es freigestanden, das Entgelt nach zu verhandeln oder Aufträge abzulehnen.

Die Beklagte stellte das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf das gegen den Geschäftsführer der Klägerin, F. S., durchgeführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren ruhend.

In der vor dem Amtsgericht Lahr geführten Strafsache gab der Beigeladene Ziff. 1 in der Hauptverhandlung am 17.03.2010 an, er habe sich auf ein Inserat der Klägerin gemeldet. Im März 2008 habe er bei der Klägerin angefangen und ein Gewerbe angemeldet. Für die Ausführung der Tätigkeit habe er zunächst einen Lkw von der Klägerin gemietet. Ab Juni 2008 habe er einen Lkw der Firma H. angemietet. Für andere Speditionen habe er keine Aufträge ausgeführt. Dies sei ihm nicht möglich gewesen, weil er den vollen Arbeitstag für die Klägerin tätig gewesen sei. Zunächst sei für die Tätigkeit eine Tagespauschale von 400 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart gewesen, später pro Stop ein Betrag von 15,50 EUR, bei Montage 16,75 EUR. Für den Lkw habe er eine Miete von 75 EUR pro Tag zu entrichten gehabt, die von der Tagespauschale abgezogen worden sei. Einen Auftrag der Klägerin habe er nicht ablehnen können, weil es ansonsten zu Stress gekommen wäre. Er habe seine Aufträge am Morgen erhalten; die Route sei vorgegeben gewesen. Dann sei er gehalten gewesen, diese Aufträge abzuwickeln. Seinen Bruder habe er bezahlt. Da er Probleme mit dem Lkw der Klägerin gehabt habe, habe er sich entschlossen, einem anderen Lkw zu mieten, was für ihn auch etwas günstiger gewesen sei.

Durch das Amtsgericht Lahr wurde der Geschäftsführer der Klägerin freigesprochen. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Offenburg wurde das Verfahren gegen eine Geldbuße von 3000 EUR nach § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 19.04.2012 nahm die Klägerin den Widerspruch hinsichtlich des Bruders des Beigeladenen Ziff. 1 zurück. Sie machte im Übrigen geltend, der Einstellung nach § 153 a Abs. 2 StPO sei lediglich aus prozessökonomischen Gründen zugestimmt worden. Ein Schuldanerkenntnis sei hiermit nicht verbunden gewesen. Sie hielt daran fest, dass der Beigeladene Ziff. 1 als freier Unternehmer von ihr beauftragt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als sie für den Beigeladenen Ziff. 1 keine Netto-Bruttohochrechnung durchführte und für den auf ihn entfallenen Nachforderungsbetrag keine Säumniszuschläge erhob. Die Nachforderung reduziere sich dadurch auf 23.157 EUR. Der Klägerin habe ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden können, weil sie einen Subunternehmer gesucht habe und sich daraufhin der Beigeladene Ziff. 1 und sein Bruder gemeldet hätten. Hinsichtlich des Beigeladenen Ziff. 1 könne deshalb davon ausgegangen werden, dass eine Fehleinschätzung der Situation vorgelegen habe. Im Übrigen verbleibe es aber bei der Beurteilung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 als Beschäftigung zu werten sei. Für die Selbstständigkeit spreche zwar, dass der Beigeladene Ziff. 1 ein Gewerbe angemeldet gehabt habe. Er habe jedoch keine eigenen Betriebsräume unterhalten und nach seinen Angaben auch seine Arbeitszeit nicht frei gestalten können. Den Arbeitsort habe er nicht frei wählen können. Er habe keine Werbung betrieben und ihm seien Weisungen erteilt worden. Er habe kein eigenes Kapital eingesetzt und auch keine Aufträge ablehnen können. Er habe über keinen eigenen Kundenstamm verfügt und auch die Preise nicht selbst gestalten können. Der Beigeladene Ziff. 1 sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, er habe dieselben Arbeiten verrichtet wie die im Betrieb der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer.

Am 17.08.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg. Zur Begründung verweist sie auf ihre Widerspruchsbegründung.

Mit Urteil vom 21.03.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Beklagte sei zutreffend von der Versicherungspflicht des Beigeladenen Ziff. 1 zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgegangen. Für Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien, bestehe Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III). Mit dem Eintritt der Versicherungspflicht werde die Verpflichtung zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und damit eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers begründet. Die Möglichkeit einer Exkulpation bestehe nicht. Beschäftigung sei nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Das wesentliche, charakteristische Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses stelle die persönliche Abhängigkeit dar. Persönliche Abhängigkeit drücke sich in der Eingliederung in den Betrieb und der Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung aus. Für die selbstständige Arbeit spreche hingegen ein Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen. Bei der Entscheidung, ob die geleisteten Dienste als Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit zu werten seien, sei entscheidend, welche Merkmale überwiegen würden, wobei alle Umstände des Falles zu berücksichtigen seien (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 13 m.w.N.). Danach sei die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. Auch wenn der Beigeladene Ziff. 1 ein Gewerbe angemeldet und die Möglichkeit bestanden habe, auch andere Personen für die Durchführung der Tätigkeiten einzusetzen, überwögen doch die für die Abhängigkeit sprechenden Merkmale. Insbesondere fehle es an dem für das Unternehmerrisiko im Speditionsgewerbe typischen Kapitaleinsatz. Der Beigeladene Ziff. 1 habe über kein eigenes Fahrzeug verfügt und keine Betriebsräume unterhalten. Ein LKW-Fahrer, der über kein eigenes Fahrzeug verfüge und nur seine Arbeitskraft zur Verfügung stelle, sei regelmäßig als abhängig Beschäftigter anzusehen, weil das typische Unternehmerrisiko fehle (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2009 -L 11 R 3849/05 -; LSG Hessen, Urteil vom 24.02.2009 -L 1 KR 249/08 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.05.2008 - L 16 R 5/08 -; alle veröffentlicht in Juris). Der Beigeladene sei während seiner Tätigkeit ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen und habe keine Werbung zur Gewinnung weiterer Auftraggeber unternommen. Der Arbeitsort sei ebenso wie die Art und der Inhalt der auszuführenden Tätigkeiten vorgegeben gewesen. Auch wenn die Klägerin bei Begründung der Tätigkeit einen selbstständigen Subunternehmer gesucht haben sollte, sei die Tätigkeit des Beigeladenen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse als abhängige Beschäftigung zu beurteilen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 19.04.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.05.2013 (Dienstag nach Pfingsten) Berufung eingelegt. Sie macht geltend, zu Unrecht sei das Sozialgericht von einem fehlenden Unternehmerrisiko ausgegangen. Diese Annahme werde nicht dadurch getragen, dass der Beigeladene Ziff. 1 kein eigenes Fahrzeug und keine eigenen Betriebsräume besessen habe. Dabei werde übersehen, dass die Klägerin ihm lediglich für die ersten drei Monate (März bis Mai 2008) einen LKW vermietet habe. Der Beigeladene Ziff. 1 habe zu diesem Zeitpunkt seine Geschäftstätigkeit erst aufgenommen, so dass dies auch als "Starthilfe" durch die Klägerin verstanden werden müsse. Ab Juni 2008 habe der Beigeladene Ziff. 1 dann auf einen eigenen LKW zurückgegriffen, wobei es unerheblich sei, ob er den LKW miete, lease, kaufe und gegebenenfalls finanziere oder auf andere Weise anschaffe. Dies entziehe sich in der Regel der Kenntnis des Auftraggebers. In der Praxis seien wohl die wenigsten Kleinunternehmer im Speditionsgewerbe Eigentümer ihrer Fahrzeuge. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts spreche auch die Tatsache, dass der Beigeladene Ziff. 1 ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen sei, nicht per se gegen seine Selbständigkeit. Auch dieser Umstand müsse im Lichte der Geschäftsgründung betrachtet werden. Möglicherweise habe sich der Beigeladene Ziff. 1 auch deswegen nicht werbend um andere Aufträge bemüht, da er von der Klägerin aus seiner Sicht ausreichend viele Aufträge erhalten habe, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dies mache ihn aber noch nicht zu einem abhängig Beschäftigten der Klägerin. Die Annahme bzw. die Ablehnung von Angeboten und auch die Werbetätigkeit seien Umstände, auf die der Auftraggeber in aller Regel keinen Einfluss habe. Jedenfalls hätte es die Klägerin akzeptiert, wenn der Beigeladene Ziff. 1 mit Hinweis auf kollidierende Aufträge solche der Klägerin abgelehnt hätte. Die Feststellung des Sozialgerichts, der Arbeitsort sei ebenso wie die Art und der Inhalt der auszuführenden Tätigkeit vorgegeben gewesen, sei eine durch nichts belegte Behauptung. Gerade in der Speditionsbranche seien diese Kriterien für die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung gänzlich ungeeignet. Bei Übernahme eines Auftrags entstehe selbstverständlich eine Bindung hinsichtlich bestimmter Routen, ausgehend von der Beladung des LKWs am Sitz der Auftraggeberin und der Mitnahme bestimmter Speditionsgüter nach Maßgabe der Kundenaufträge. Jeder selbständige Handwerker sei denselben Bindungen unterworfen und habe die Vorgaben der Kunden zu beachten. Zu den für eine abhängige Beschäftigung unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Umstände maßgeblichen Kriterien wie Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die betriebliche Organisation habe das Sozialgericht keine Feststellungen getroffen. Dies sei auch nicht möglich, da sich die vom Beigeladenen Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zu beachtenden Vorgaben auf organisatorische und logistische Notwendigkeiten wie Ladeort, Ladezeit und Fahrtrouten beschränkten. Die Kriterien für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 würden daher überwiegen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.03.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 02.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2012 insoweit aufzuheben, als Beiträge aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben sich im Verfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Nachforderungsbetrag 14.514,50 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2012 nur noch insoweit, als er die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagebeträgen für den Beigeladenen Ziff. 1 betrifft (14.541,50 EUR). Hinsichtlich der für den Bruder des Beigeladenen Ziff. 1 erhobenen Beiträge und Umlagen ist der Bescheid vom 02.06.2009 nach Zurücknahme des Widerspruchs der Klägerin am 19.04.2012 bestandskräftig geworden.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Sie beruhen auf § 28p Abs. 1 SGB VI. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Beklagte hat für die Beschäftigung des Beigeladenen Ziff. 1 - nach Maßgabe der während des Nachforderungszeitraums (01.03.2008 bis 31.10.2008) geltenden Gesetzesbestimmungen - zu Recht Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen nachgefordert.

I.

Gem. § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV; vgl. dazu zur Zuständigkeit für den Erlass von Nachforderungsbescheiden auch LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.07.2010, - L 11 R 2595/10 ER-B -).

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.06.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indessen nicht wesentlich bestimmen (BSG; Beschl. v. 16.08.2010, - B 12 KR 100/09 B -). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urt. v. 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -).

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 29.08.2012, - B 12 KR 25/10 R -).

II.

Nach diesen Maßstäben ist die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.03.2008 bis zum 31.10.2008 als abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit einzustufen. Eine selbständige Erwerbstätigkeit hat nicht vorgelegen.

Auch für den Senat ergibt sich das Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen Ziff. 1 im Unternehmen der Klägerin. Der Senat teilt die Einschätzung der Beklagten und des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren noch Folgendes auszuführen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht der Umstand, dass der Beigeladene Ziff. 1 ab Juni 2008 selbst ein Fahrzeug gemietet hatte, um die Fahrten für die Klägerin durchzuführen, nicht für ein Unternehmerrisiko. Darin ist kein nennenswerter Einsatz von Wagniskapital zu sehen, der mit dem Risiko eines Verlustes etwa bei fehlender Auftragslage verbunden wäre. Der Beigeladene Ziff. 1 hatte das Fahrzeug von der Autovermietung H. gemietet, so dass davon auszugehen ist, dass er nur dann ein Fahrzeug angemietet hat, wenn auch eine Tätigkeit für die Klägerin zu verrichten war, so wie er auch zuvor für das von der Klägerin selbst angemietete, ihm überlassene Fahrzeug immer dann eine Nutzungspauschale zu entrichten hatte, wenn er damit Fahrten für die Klägerin ausgeführt hat. Da er von der Klägerin zu pauschalen Sätzen, zunächst nach Tagessatz, später nach Stopps mit und ohne Service, vergütet wurde, konnte er durch die notwendig aufzubringenden Mietkosten für das genutzte Fahrzeug keinen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe seiner Einnahmen nehmen. Die ihm von der Klägerin jeweils in Rechnung gestellte Tagespauschale für die Einsatztage des Fahrzeugs minderte schlichtweg seinen eigenen Tagessatz. Dass er ab Juni 2008 dazu übergegangen war, selbst ein Fahrzeug zu mieten, lag nach den Angaben des Beigeladenen Ziff. 1 in der strafgerichtlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht eher daran, dass es mit dem von der Klägerin zur Verfügung gestellten LKW technische Probleme gegeben hatte. Dass der Beigeladene Ziff. 1 mit der Miete eines anderen LKWs, wie er dort auch angegeben hat, sich vielleicht etwas günstiger gestanden hat, macht mangels eigener Preiskalkulation des Beigeladenen Ziff. 1 kein für eine selbständige unternehmerische Tätigkeit typisches Unternehmerrisiko aus. Sonstige Betriebsmittel hat der Beigeladene Ziff. 1 nicht eingesetzt.

Für eine selbständige Tätigkeit, die auch ohne nennenswerten Kapitaleinsatz dann vorliegen kann, wenn - wie oben dargestellt - jedenfalls der Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ungewiss ist, fehlt es auch daran, dass diesem Risiko hier keine größere Freiheit in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht. Der Beigeladene Ziff. 1 war an die zeitlichen Vorgaben der Klägerin hinsichtlich des Antritts der Touren durch Beladung des Transportfahrzeugs streng gebunden. Dies zeigt sich schon daran, dass ihm im Falle des verspäteten Antritts einer Tour ein Betrag von 25 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wurde (Rechnung Nr. 2008-10-22 R 058 vom 15.10.2008). Die Auferlegung einer solchen "Strafgebühr" spricht eindeutig gegen eine Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung, wie sie für eine selbständige Tätigkeit typisch ist. Auch aus den vorgelegten Rechnungen bzw. Gutschriften für die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 ergibt sich der Umfang seiner Tätigkeit, die - arbeitnehmertypisch - ganztägig an allen Werktagen ausgeübt wurde. Freiheiten bei der Arbeitszeitgestaltung lässt dies nicht erkennen, ebenso wenig bestand für den Beigeladenen Ziff. 1 in Anbetracht dieses Umfangs die Möglichkeit, für weitere Kunden tätig zu sein, so dass sich auch Werbung für ihn erübrigt hat.

Auch die Heranziehung seines Bruders bzw. einer weiteren Person als Beifahrer und deren Bezahlung durch den Beigeladenen Ziff. 1 qualifiziert dessen Tätigkeit nicht zu einer selbständigen Unternehmertätigkeit. Vielmehr dürfte auch die Person des Beifahrers in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden haben. Diese hat für die Verrichtung der Ausliefertätigkeit ausdrücklich zwei Personen gesucht. Der Beigeladene Ziff. 1 hat bei der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung keinen Arbeitnehmer gemeldet (AS 285 der Ermittlungsakte), so dass von einem ordnungsgemäßen Beschäftigungsverhältnis zwischen ihm und den jeweiligen Beifahrern nicht auszugehen ist. Es wurde lediglich die von der Klägerin gewährte Vergütung untereinander aufgeteilt.

Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen Ziff. 1, die ohnehin keinen maßgeblichen Aufschluss für die Einstufung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit geben kann, ist schon deshalb nicht aussagekräftig für die streitgegenständliche Ausliefertätigkeit, weil sie sich lediglich auf Transporte bis zu 3,5 t beschränkt (vgl. Auskunft aus dem Gewerberegister der Verbandsgemeindeverwaltung Hagenbach vom 22.09.2009, AS 77 der Ermittlungsakte des Strafverfahrens). Der Beigeladene Ziff. 1 hat die Auslieferung aber mit einem LKW von 7,49 t ausgeführt (Kontrollmitteilung der Polizeidirektion R./B.-B. vom 30.04.2008, AS 37 der Ermittlungsakte). Die streitgegenständliche Tätigkeit ist mithin eine andere als die gewerberechtlich angemeldete.

Prägend für die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 als Auslieferer für die Klägerin ist dagegen, dass Art, Inhalt und Zeit seiner Tätigkeit fest vorgegeben waren und keinerlei Gestaltungsspielräume für ihn bestanden haben. Dies hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt. Weitergehender Feststellungen hinsichtlich einer Weisungsgebundenheit bedarf es gerade in Anbetracht des branchentypischen Ablaufs der Tätigkeit nicht. Die arbeitsorganisatorischen Vorgaben wurden von der Klägerin im Sinne genereller Arbeitsanweisungen bestimmt, ohne dass der Beigeladene Ziff. 1 darauf hat Einfluss nehmen können. Dies räumt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung letztlich auch ein. Anders als sie meint, spricht die vorgegebene Ausgestaltung der Tätigkeit aber mangels sonstiger Merkmale einer unternehmerischen Gestaltungsfreiheit, insbesondere des fehlenden Einsatzes von Wagniskapital, für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen Ziff. 1.

Die Berufung der Klägerin bleibt deshalb ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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