L 6 SF 70/14 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 70/14 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Übertragung der Aufgabe "Forderungseinzug" von einem Jobcenter auf die Bundesagentur für Arbeit war im Jahr 2010 nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 54/10 R).
In diesem Fall ist die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, Pauschgebühren für Beschwerdeverfahren zu entrichten.
Die Erinnerung gegen die Feststellung der Gebührenschuld (Pauschgebühren) durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 12. November 2013 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Erinnerungsverfahrens sind die Gerichtsgebühren (Pauschgebühren) für zwei Beschwerdeverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (L 9 AS 233/13 NZB, L 9 AS 234/13 NZB). Ihnen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Erinnerungsführerin und Beklagte hatte auf die Widersprüche der Klägerin mit Bescheiden vom 2. September 2011 ihre Anforderungen von Mahngebühren vom 6. Juni 2010 und 20. August 2010 in Höhe von 0,80 Euro bzw. 0,77 Euro aufgehoben und sich bereit erklärt, die notwendigen Aufwendungen zu erstatten; die Zuziehung eines Rechtsanwalts wurde als nicht notwendig erachtet. Das Sozialgericht Nordhausen (SG) wies die Klagen mit Urteilen vom 25. September 2012 (S 18 AS 169/12, S 18 AS 170/12) ab. Die Beschwerden der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung wies der 9. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschlüssen vom 27. Juni 2013 zurück.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) hat der Erinnerungsführerin unter dem 12. November 2013 einen "Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)" übersandt, in dem für beide Verfahren Pauschgebühren in Höhe von jeweils 112,50 Euro aufgeführt sind und sie gebeten, den Betrag von 225,00 Euro binnen eines Monats zu überweisen. Gegen die Festsetzung könne binnen eines Monats nach Empfang das Thüringer Landessozialgericht angerufen werden, das endgültig entscheide.

Gegen die Anforderungen hat die Erinnerungsführerin am 13. Dezember 2013 Erinnerung eingelegt. Sie trägt vor, es habe sich um Mahngebühren auf Forderungen des J. U.-H.-K. nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gehandelt. Mit § 44b Abs. 4 SGB II sei eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die Aufgabe des Forderungseinzugs auf die Träger der gemeinsamen Einrichtungen zu übertragen. Sie sei damit in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende tätig gewesen. Pauschgebühren aufgrund § 64 Abs. 3 S. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) könnten nicht entstehen, wie das SG Berlin (Beschluss vom 3. Juni 2013 - S 180 SF 404/12), das SG Braunschweig (Beschluss vom 30. Mai 2013 - S 48 SF 163/13 E) und das SG Gotha (Beschluss vom 10. April 2013 - S 1 SF 13/13) entschieden hätten. Der Erinnerungsgegner ist dem entgegen getreten und hat auf den Beschluss des SG Darmstadt vom 28. März 2013 - S 13 SF 7/13 E verwiesen.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 17. Januar 2014). Der Senats-vorsitzende hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. März 2014 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen und u.a. die Niederschrift der Trägerversammlung am 5. Januar 2011, die Beschlussvorlage 11/2011 (Planung der Verwaltungskosten 2011) und die Verwal-tungsvereinbarung zwischen der B. für A. (BA) und dem J. U.-H.-K. vom 19. Januar 2011 beigezogen.

II.

Die Erinnerung ist zulässig. Sie ist innerhalb der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 1 des Sozi-algerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden. Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass der "Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)" angesichts der Fristsetzung nach § 63 Abs. 1 SGG hätte zugestellt werden müssen.

Die Erinnerung ist unbegründet. Die Erinnerungsführerin ist verpflichtet, Pauschgebühren für die Beschwerdeverfahren L 9 AS 233/13 NZB und L 9 AS 234/13 NZB zu zahlen.

Nach § 184 Abs. 1 S. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG ge-nannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Sie wird fällig, sobald die Streitsache durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch Urteil erledigt ist (§ 185 SGG). Die Höhe der Gebühr beträgt vor den Landessozialgerichten 225 Euro (§ 184 Abs. 2 SGG) und ermäßigt sich auf die Hälfte, wenn die Sache - wie hier - nicht durch Urteil erledigt wird.

Die Erinnerungsführerin gehört nicht zu den nach § 183 SGG kostenprivilegierten Personen. Auch eine andere Kostenprivilegierung greift nicht ein. § 64 Abs. 3 S. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) regelt zwar vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit u.a. eine Gerichtskostenbefreiung der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Erinne-rungsführerin hat allerdings mit dem Forderungseinzug und der Festsetzung der Mahngebühren im Jahr 2010 keine Aufgaben wahrgenommen, die diesen Trägern - hier dem J. U.-H.-K. - obliegt. Sie war nicht befugt, diese Aufgabenbereiche ohne gesetzliche Grundlage in eigener Zuständigkeit auszuüben (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 54/10 R, nach juris). Eine Grundlage wurde erst durch die Neuregelung des § 44b Abs. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zum 1. Januar 2011, also nach dem Zeitpunkt der Anforderung der Mahngebühren, geschaffen. Eine Rückwirkung davor kommt nicht in Betracht. Dazu führt das BSG aus (Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 54/10 R, nach juris): "Für die Zulässigkeit einer vertraglichen Aufgabenübertragung im hier maßgeblichen Zeitraum kann auch die zwischenzeitlich in § 44b Abs 4 SGB II ergangene Neuregelung nicht fruchtbar gemacht werden. Zwar heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, § 44b Abs 4 SGB II "stellt klar", dass die gemeinsame Einrichtung einzelne ihrer Auf-gaben von den Trägern wahrnehmen lassen könne (BT-Drucks 17/1555, 24; wortgleich der Gesetzentwurf der Bundesregierung, vgl BR-Drucks 226/10, 37 f). Es ist aber nicht zu erkennen, worauf sich die Annahme, es handele sich lediglich um eine Klarstellung, gründet. Die Gesetzesbegründung macht im selben Zusammenhang zudem deutlich, dass erst durch die Neuregelung "die Möglichkeit eröffnet werden" sollte, einzelne Aufgaben rechtsgeschäftlich auf die Leistungsträger zu übertragen (BT-Drucks, aaO)." Dem schließt sich der Senat an. Die nach dem 1. Januar 2011 getroffene Entscheidung der Trägerversammlung und die Verwaltungsvereinbarung vom 19. Januar 2011 sind ohne gesetzliche Grundlage nicht dazu geeignet, eine Beauftragung vertraglich zu vereinbaren.

Dem können nicht die von der Erinnerungsführerin zitierten Entscheidungen mehrerer Sozial-gerichte entgegen gehalten werden. Der Beschluss des SG Berlin vom 3. Juni 2013 - S 180 SF 404/12 bezieht sich gerade auf die Gesetzeslage nach dem 1. Januar 2011 und trägt damit die Ansicht der Erinnerungsführerin im vorliegenden Verfahren nicht. Den Beschlüssen des SG Braunschweig vom 30. Mai 2013 - S 48 SF 163/13 E und des SG Gotha vom 10. April 2013 - S 1 SF 13/13 ist nicht zu entnehmen, ob der jeweilige Forderungseinzug vor dem 1. Januar 2011 lag. Damit erübrigen sich weitere Ausführungen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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