L 15 VU 1/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 VU 1/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VU 1/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 21/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Schädigendes Ereignis gemäß § 3 Abs. 1 VwRehaG ist ausschließlich die konkrete Maßnahme, die wegen ihrer Rechtsstaatswidrigkeit gemäß § 1 VwRehaG aufgehoben worden ist. Eine Erweiterung des Rehabilitierungsgrundes durch die Versorgungsverwaltung oder die Gerichte kommt nicht in Betracht.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 1. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des 1930 geborenen und am 31.10.2005 verstorbenen Ehemanns der Klägerin (im Folgenden: Antragsteller) auf Versorgung nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche - Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG).

Nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben des in Bulgarien geborenen Antragstellers arbeitete dieser von 1948 bis 1951 dort als LKW-Fahrer und von 1951 bis 1954 bei der Armee als Panzerfahrer. Von 1954 bis 1960 war der Antragsteller in Bulgarien als Schlosser und LKW-Fahrer tätig. 1960 reiste der Antragsteller in die DDR ein. Ab 25.01.1961 war der Antragsteller dort als Schlosser beschäftigt, ab 03.04.1962 als Arbeiter bei den Bahnbetriebswerken, seit 28.11.1962 wieder als Schlosser und ab 13.08.1963 als LKW-Fahrer. Vom 06.03.1964 bis 02.07.1974 war der Antragsteller als Kipperfahrer bei der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) W. im Bergbau tätig. Nach eigenen Angaben war er dort im Tagebau eingesetzt, wobei er im Kurzstreckenverkehr tätig gewesen sei und pro Schicht ca. 120 Fuhren über 2,5 km habe befördern müssen. Bei den Fahrten - so der Antragsteller - sei der rechte Arm- und Schulterbereich extrem belastet gewesen. Aufgrund der besonders hohen Belastung seien die gesundheitlichen Beschwerden und körperlichen Abnutzungen auf diese ausgeübte Tätigkeit zurückzuführen. Am 19.06.1971 erlitt der Antragsteller einen Arbeitsunfall (laterale Malleolusfraktur), der nach Angaben der Klägerseite bis heute nicht anerkannt worden ist, wobei der Antragsteller in der DDR gegen die Nichtanerkennung Klage erhoben hatte (19.12.1972). Ab 01.07.1974 wurde dem Antragsteller Bergmannsrente wegen Berufsunfähigkeit vom Kreisvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds G., Verwaltung der Sozialversicherung, gewährt (Bergbau-Rentenbescheid vom 02.10.1974). Am 27.06.1974 schlossen der Antragsteller und sein Arbeitgeber, die SDAG W., einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 03.07.1974. Danach war der Antragsteller arbeitslos. Ab 20.09.1974 übte er eine Tätigkeit als Presser beim VEB Altstoffhandel G. aus. Ab 16.01.1975 war der Antragsteller bei der Stadtwirtschaft G. als Kraftfahrer (PKW und LKW) beschäftigt, in der Folgezeit sowohl als Schlosser als auch erneut als Kraftfahrer. Ab 01.06.1990 befand er sich im Vorruhestand.

Am 01.09.1970 begann der Antragsteller sein Studium an der Ingenieursschule für Verkehrstechnik in D., Außenstelle E., Fachrichtung Fahrzeugtechnik, Studienrichtung Kraftverkehr, mit dem Studienziel Ingenieur. Während dieses Fernstudiums war der Antragsteller bei der SDAG W. in vollem Umfang weiter beschäftigt und lediglich zu bestimmten Terminen wie z.B. für Klausuren freigestellt. Am 25.06.1973 wurde der Antragsteller von der Ingenieursschule exmatrikuliert.

Mit Bescheid vom 26.04.2000 erklärte das Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung des Freistaats Thüringen auf Antrag des Antragstellers die Exmatrikulation für rechtsstaatswidrig. Ausschlussgründe lägen nicht vor. In den Gründen des Bescheids ist Folgendes ausgeführt: Wie sich aus der Studienakte ergebe, sei "entsprechend dem Ersuchen des Betriebs - der ihn wohlgemerkt nicht zum Studium delegiert hatte - ... für den Fernstudenten ... die vorzeitige Exmatrikulation durchgeführt" worden. In dem damit in Bezug genommenen Schreiben des damaligen Arbeitgebers [SDAG W., Bergbaubetrieb L.] vom 08.01.1973 heiße es dazu: "Widersprüchlich ist auch, dass seine im Studium erworbenen politischen und fachlichen Kenntnisse in seiner Tätigkeit im Arbeitskollektiv nicht hervortreten ... Aufgrund dieser Tatsachen sind wir der Auffassung, dass K. zurzeit keine Voraussetzungen besitzt, ein sozialistischer Leiter zu werden. Wir bitten, Ihre Entscheidung der Rückstufung des Kollegen A. nochmals zu überprüfen und unseren Vorschlag der Exmatrikulation zu beachten." Die Exmatrikulation des Antragstellers durch die Ingenieursschule für Verkehrstechnik D. sei gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 4 VwRehaG für rechtsstaatswidrig zu erklären. Die vorliegende Studienakte belege, dass die Exmatrikulation nicht aus fachlichen, sondern aus politischen Gründen erfolgt sei, wobei im Falle des Antragstellers besonders erschwerend wirke, dass sich die Ingenieursschule von politischen Überlegungen eines Betriebes habe lenken lassen, der den Antragsteller nicht zum Studium delegiert habe. Dem Antragsteller sei es bis einschließlich 1990 nicht möglich gewesen, dieses oder ein vergleichbares Studium zu beenden.

Mit weiterem Bescheid vom 26.04.2000 stellte das Landesamt gemäß § 17 i.V.m. § 22 Berufliches Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) fest, dass der Antragsteller Verfolgter i.S.v. § 1 Abs. 1 BerRehaG sei und die Verfolgungszeit vom 03.07.1974 bis 02.10.1990 dauere. Der Antragsteller habe unter anderem glaubhaft gemacht, dass er infolge der rechtsstaatswidrigen Exmatrikulation nicht den von ihm durch die Aufnahme der Ausbildung nachgewiesenen angestrebten Beruf habe erlernen können. Außerdem sei er nur wegen der rechtsstaatswidrigen Verurteilung (s.u.) zur Lösung des damaligen Arbeitsverhältnisses gezwungen worden, so dass die Kündigung ebenfalls mit dem Makel der politischen Verfolgung behaftet sei. Für die Dauer der Verfolgungszeit wurde der Antragsteller gemäß § 22 Abs. 1 Ziff. 6b BerRehaG entsprechend den Anlagen 13 und 14 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) eingruppiert. Für die Zeit bis zum regulären Ende seines Studiums (03.07.1974 bis 31.07.1975) wurde er wegen der Ausbildung als Kfz-Schlosser in die Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) eingestuft; im Zeitraum vom 01.08.1975 bis 02.10.1990 wurde unterstellt, dass der Antragsteller in seinem dann erlernten Beruf als Ingenieur für Fahrzeugtechnik weiterhin bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt gewesen wäre (Einstufung als Fachschulabsolvent in Qualifikationsgruppe 2).

Am 28.11.1973 war der Antragsteller zudem durch Urteil des Kreisgerichts S. wegen Staatsverleumdung gemäß § 220 Strafgesetzbuch der DDR zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten (bedingt) verurteilt worden. Durch Beschluss des Bezirksgerichts G. vom 10.09.1992 wurde dieses Urteil im Rehabilitierungsverfahren gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz aufgehoben.

Am 18.05.2001 stellte der Antragsteller beim Beklagten den hier streitgegenständlichen Antrag auf Versorgung nach dem VwRehaG. Dabei machte er Hals- und Kreuzwirbelschäden (Bandscheibenschäden) sowie Handgelenk- und Ellenbogenschäden als Gesundheitsstörungen geltend, die er infolge einer Tätigkeit als Kraftfahrer im Bergbau bei der SDAG W. erlitten habe. Der Antragsteller wies auf den Berufsunfähigkeitsrentenbezug (ab 01.07.1974) auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 hin. Die Gesundheitsstörungen seien durch die rechtsstaatswidrige Exmatrikulation seitens der Ingenieursschule für Verkehrstechnik D., Außenstelle E., am 25.06.1973 begründet, da er sein 1970 begonnenes Ingenieurstudium nicht habe beenden können. Dieses Studium hätte es ihm ermöglicht, so der Antragsteller, körperlich leichtere Arbeiten zu verrichten. Er habe auch nicht bei jedem Arbeitgeber anfangen können, da er als Staatsfeind nur die "letzten und untersten Arbeiten" bekommen habe; er sei praktisch "abgestempelt" worden. Obwohl es eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustands bedeutet habe, habe er später beim Altstoffhandel in der Beladung und bei der Stadtwirtschaft bei der Müllentsorgung sowie als Pkw-Fahrer gearbeitet; aufgrund seines Gesundheitszustands sei ein Wechsel der Tätigkeiten und der Arbeitgeber erforderlich gewesen. Weiter trug der Antragsteller vor, dass der Arbeitsunfall von 1971 der Hauptgrund gewesen sei, weshalb er exmatrikuliert worden sei, da er aufgrund der Nichtanerkennung dieses Unfalls die SDAG W. auf Anerkennung verklagt habe und daher "mundtot" gemacht werden hätte sollen.

Der Beklagte leitete daraufhin hinsichtlich des beruflichen Werdegangs des Antragstellers und der getroffenen Rehabilitierungsentscheidungen Ermittlungen ein und wertete die zahlreichen vorgelegten Unterlagen, u.a. medizinische Befunde, aus der DDR aus. Am 28.10.2002 erstellte der Arzt des Beklagten N. ein Gutachten. Bei dem Arzt gab der Antragsteller u.a. an, wegen gesundheitlicher Beschwerden, z.B. wegen der Wirbelsäulenerkrankung und sonstiger Gelenkbeschwerden, die Tätigkeit gewechselt zu haben und dann als Berufskraftfahrer anderweitig eingesetzt worden zu sein. Bei der ärztlichen Untersuchung berichtete der Antragsteller laut den Feststellungen im genannten Gutachten auch, dass die Wirbelsäulenbeschwerden bereits seit Anfang der 70er Jahre bestünden. Daher sei auch ca. 1973 eine Kurmaßnahme und 1974 dann eine Rehabilitation durchgeführt worden. Die Schmerzen im Ellenbogen rechts führe er, der Antragsteller, auf die massenhaften Schaltvorgänge als Lkw-Fahrer zurück. Der Arzt N. kam nach seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Funktionsbehinderung an den Hand- und Ellenbogengelenken mit einem Grad der Behinderung (GdB)/ einer MdE von 0, die Behinderung der Wirbelsäule mit einem GdB bzw. einer MdE von weniger als 10 zu bewerten seien. Die Anerkennung im Hinblick auf die Beschädigtenversorgung sei zu versagen, da die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs durch die geltend gemachte zehnjährige Tätigkeit als Kipperfahrer nicht gegeben sei.

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 05.06.2003 den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab. In der Begründung ist unter anderem ausgeführt, dass der Antragsteller den Antrag gestellt habe, weil er exmatrikuliert worden sei und somit weiterhin bei der SDAG W. habe tätig sein müssen, worauf er die Gesundheitsstörungen Hals- und Kreuzwirbelschäden sowie Hand- und Ellenbogengelenkschäden zurückführe. Die geltend gemachten Hals- und Kreuzwirbelschäden stünden jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Exmatrikulation und deren Folgen. Die vorgetragenen Handgelenk- und Ellenbogengelenkschäden lägen nicht vor, es seien keine Bewegungseinschränkungen feststellbar.

Am 26.06.2003 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Dabei trug er u.a. vor, dass die Exmatrikulation absolut nichts mit seiner Krankheit zu tun habe. Vom Dezember 1972 bis zur Rehabilitierung habe er die meiste Zeit einen Schonarbeitsplatz inne gehabt bzw. sei er arbeitsunfähig gewesen. Er müsse annehmen, dass seine Unterlagen manipuliert seien und der Beklagte deshalb zu dem Ergebnis (der Ablehnung seines Antrags) komme. Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte weitere Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes ein und wies schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2004 den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Wesentlichen wurde der Bescheid damit begründet, dass die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule nicht auf die Berufstätigkeit als Kraftfahrer zurückgeführt werden könnten, die nach der Exmatrikulation nur noch kurzzeitig ausgeübt worden sei, während der Antragsteller bereits seit 1948 überwiegend als Kraftfahrer (ferner als Panzerfahrer) tätig gewesen sei. An den Hand- und Ellenbogengelenken hätten keine Gesundheitsschäden festgestellt werden können. Die im Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) im Bereich der Lunge und des Herzens festgestellten Gesundheitsstörungen, die der Feststellung des Gesamt-GdB von 90 zugrunde lägen, würden ebenfalls schädigungsunabhängige Leiden darstellen.

Hiergegen hat der Antragsteller am 05.03.2004 Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) unter Verweis auf die geleisteten schweren körperlichen Arbeiten erhoben. Insbesondere sei er im Bergbau, ferner als Kraftfahrer eingesetzt gewesen.

Am 31.10.2005 ist der Antragsteller verstorben. Das Verfahren ist durch seine Ehefrau als Rechtsnachfolgerin, die zuletzt mit dem Antragsteller in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, fortgeführt worden. Diese hat vorgetragen, dass der Antragsteller schlussendlich an dem schweren Raubbau an seiner Gesundheit verstorben sei.

Das SG hat zur Sachverhaltsaufklärung zunächst die Akten der unfallversicherungsrechtlichen Auseinandersetzungen des Antragstellers beigezogen. Am 30.06.2009 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, die vertagt worden ist. Anschließend hat das SG ein Auskunftsersuchen an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) gerichtet. Am 24.09.2009 hat die Behörde mitgeteilt, dass zum Antragsteller Unterlagen in geringem Umfang vorhanden seien; diese sind dem SG sodann zur Verfügung gestellt worden.

Die Klägerseite hat weiter auf den o.g. Arbeitsunfall verweisen, der mit ein Grund für die Exmatrikulation des Antragstellers gewesen sei. Obwohl es eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bedeutet habe, habe der Antragsteller später beim Altstoffhandel und als Lkw-Fahrer bei der Müllentsorgung sowie als Pkw-Fahrer gearbeitet. Daraufhin hat der Beklagte ausgeführt, dass es für den Versorgungsanspruch nach dem VwRehaG nicht darauf ankomme, inwieweit der genannte Arbeitsunfall mit der Exmatrikulation in Zusammenhang stehe, nachdem schädigender Tatbestand im Sinne des genannten Gesetzes die Exmatrikulation sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.07.2010 ist die Klage abgewiesen worden. Nach Auffassung des SG habe der Antragsteller - entgegen der Voraussetzung des § 3 VwRehaG - seine gesundheitliche Schädigung nicht durch Exmatrikulation am 25.06.1973 erlitten. Ausweislich des Akteninhalts habe der Antragsteller bereits seit den 1970-er Jahren unter Wirbelsäulenbeschwerden und Schmerzen im rechten Ellenbogengelenk gelitten. Ferner habe der Antragsteller vorgetragen, dass er von 1964 bis 1974 im Tagebau als Kipperfahrer eingesetzt gewesen sei, nach der Exmatrikulation habe er jedoch nur mehr bis 02.07.1974 bei der W. gearbeitet. Angesichts dessen sei das Gericht davon überzeugt, dass die Zeit ab der Exmatrikulation nicht zu einer Schädigung an der Wirbelsäule, den Extremitäten und an der Lunge geführt habe. Darüber hinaus sei die Tätigkeit 1974 im Bergbau auch aufgegeben worden. Ferner habe der Antragsteller selbst vorgetragen, dass er seit 1972 bis zur Exmatrikulation die meiste Zeit einen Schonarbeitsplatz inne gehabt habe, so dass dies auch auf gesundheitliche Einschränkungen bereits vor der Exmatrikulation hindeute. Weiter hat das SG darauf hingewiesen, dass sich bei der Untersuchung durch den Arzt N. im Bereich der Hand- und Ellenbogengelenke keine Funktionseinschränkungen gezeigt hätten, so dass es insoweit schon an einer gesundheitlichen Schädigung mangle. Soweit die Klägerseite die Rentenzahlung wegen Schädigung der Wirbelsäule hervorhebe, sei dem entgegen zu halten, dass dies G.de zum Ausdruck bringe, dass eine jahrelange Schädigung durch die Tätigkeit bei der W. und G.de keine durch die Exmatrikulation und das knappe Jahr danach vorgelegen habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller das Studium regulär zum 31.08.1975 beendet hätte und daher auch bei nicht erfolgter Exmatrikulation erst ab diesem Zeitpunkt körperlich leichtere Arbeiten hätte ausüben können. Soweit der Antragsteller den o.g. Arbeitsunfall als Hauptgrund für die Exmatrikulation nenne, ändere dies nichts an den getroffenen Feststellungen des SG. Entscheidend sei nur eine gesundheitliche Schädigung infolge der Exmatrikulation, die allerdings G.de nicht vorliege. Aus welchen Gründen die Exmatrikulation erfolgt sei, stelle sich als irrelevant dar.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.07.2010 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Diese hat sie u.a. damit begründet, dass aus den bereitgestellten Unterlagen eindeutig hervorgehe, dass der Antragsteller massiv mit der Ausweisung aus der DDR und der Rückführung nach Bulgarien bedroht worden und es aus diesem Grund zum Aufhebungsvertrag gekommen sei. Durch die strafrechtliche Verurteilung wegen Staatsverleumdung, die Exmatrikulation, die bestehende Arbeitslosigkeit und die erneute Verurteilung 1975 sei der Antragsteller gezwungen gewesen, jede sich ihm bietende Arbeitsmöglichkeit anzunehmen. Obwohl es eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bedeutet habe, habe der Antragsteller später beim Altstoffhandel in der Beladung, dann als Lkw-Fahrer bei der Stadtwirtschaft und später als Pkw-Fahrer gearbeitet. Ein Wechsel der Tätigkeiten und der Arbeitgeber sei aufgrund des Gesundheitszustands notwendig gewesen. Obwohl der Antragsteller aufgrund des Arbeitsunfalls generell Schwierigkeiten gehabt habe, als Kraftfahrer zu arbeiten, sei er aufgrund der politischen Repressalien gezwungen gewesen, dies in den folgenden Jahren zu tun. Die gesamten aufgezeigten Sachverhalte und die Tatsache des Verschwindens vieler Unterlagen würden deutlich zeigen, so die Klägerseite, wie der Antragsteller schikaniert, benachteiligt und ausgegrenzt worden sei und welch extreme Nachteile er hinnehmen habe müssen. Eine Hinzuziehung weiterer Akten der Staatssicherheit könne die Repressalien weiter belegen und untermauern. Ohne die permanenten Übergriffe auf den Antragsteller und dessen Familie hätte dieser, so der Vortrag, sein Studium beenden, als Diplomingenieur arbeiten und seine Gesundheit sowohl psychischer als auch physischer Art besser schützen können.

Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 19.10.2010 erneut darauf hingewiesen, dass schädigender Tatbestand allein die Exmatrikulation am 25.06.1973 sei. Inwieweit der Arbeitsunfall 1971 mit der Exmatrikulation in einem Zusammenhang stehe, sei nach der Rechtsauffassung des Beklagten für einen Versorgungsanspruch nach dem VwRehaG nicht von Relevanz. Gesundheitliche Einschränkungen infolge des Arbeitsunfalls seien nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltend zu machen, was offensichtlich auch erfolgt sei.

Am 23.09.2013 hat ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden. In diesem hat die Klägerseite hervorgehoben, dass nicht ausschließlich auf das singuläre Ereignis der Exmatrikulation abzustellen sei. Denn diese sei "vielmehr Gipfelpunkt eines Prozesses, in dem der Antragsteller vom Staat benachteiligt worden ist". Das SG habe verkürzt auf die Entgegennahme des Exmatrikulationsverwaltungsakts abgestellt. Die Gesundheitsstörungen des Antragstellers seien jedoch nicht als Reaktion auf die Aushändigung dieses Verwaltungsakts entstanden. Vielmehr sei auf einen Dauertatbestand abzustellen: Die DDR habe das ordnungsgemäße Studium des verstorbenen Antragstellers verhindert. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Rehabilitierungsbescheids nach dem VwRehaG. Der Antragsteller sei, weil er nicht zum Studium delegiert worden sei, dauerhaft gehindert gewesen, sein Studium ordnungsgemäß zu absolvieren und sei folglich überproportional lange an die W. gebunden gewesen. Maßgeblich sei somit der Zeitraum ab 01.09.1970. Die ebenfalls anwesende Tochter des Antragstellers, Frau C. M., hat auf Nachfrage erklärt, dass sich der Antragsteller in der Zeit nach der Exmatrikulation durchaus auch um körperlich weniger belastende Tätigkeiten bemüht habe. Er habe diese jedoch nicht bekommen, weil er benachteiligt werden sollte.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des SG vom 01.07.2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 05.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2004 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach dem VwRehaG in rentenberechtigender Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen, ferner die Akten des SG München der unfallversicherungsrechtlichen Rechtsstreite des Antragstellers der Aktenzeichen S 1 KN 56/01 U sowie S 1 KN 224/00 U. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 05.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2004 ist rechtmäßig. Wie das SG zu Recht entschieden hat, stand dem Antragsteller Beschädigtenversorgung gemäß § 3 VwRehaG nicht zu. Die vom Antragsteller geltend gemachten Hals- und Kreuzwirbelsäulen- sowie Handgelenk- und Ellenbogenschäden sind nicht als Schädigungsfolgen des rechtsstaatswidrigen Verwaltungshandelns anzuerkennen.

1. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der Exmatrikulation und den geltend gemachten Gesundheitsschäden lässt sich nicht nachweisen und auch nicht wahrscheinlich machen.

Ein Entschädigungsanspruch nach dem VwRehaG setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG gegeben sind. Dies ist vorliegend unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Darlegungen.

Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge und damit die Berücksichtigung im Rahmen eines Versorgungsanspruchs nach § 1 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 VwRehaG ein wahrscheinlicher Zusammenhang der hoheitlichen Maßnahme nach § 1 Abs. 1 VwRehaG als schädigender Vorgang, hier der rechtsstaatswidrigen Exmatrikulation, und der geltend gemachten Gesundheitsstörung erforderlich.

Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R): Eine hoheitlichen Maßnahme nach § 1 Abs. 1 VwRehaG (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.

Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteile vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R, und vom 17.04.2013, Az.: B 9 V 1/12 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az.: 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat -; vgl. auch jüngst BSG, Urteile vom 17.04.2013, z.B. Az.: B 9 V 1/12 R) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Eine potentielle Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend" nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66). Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des BVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. Urteil des Senats vom 19.07.2011, Az.: L 15 VS 7/10 - m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG) und die vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen) (vgl. Urteile des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10, und 20.05.2014, Az.: L 15 VK 13/10).

Im vorliegenden Fall lässt sich ein Zusammenhang im vorgenannten Sinn zwischen der Exmatrikulation, die die einzige im Rehabilitierungsbescheid genannte hoheitliche Maßnahme i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG darstellt und gemäß § 2 Abs. 1 VwRehaG infolge ihrer Aufhebung Ansprüche nach Maßgabe des VwRehaG begründet, und den gesundheitlichen Schäden des Antragstellers nicht wahrscheinlich machen.

Denn die Verpflichtung zur Ausübung der den Antragsteller körperlich belastenden Tätigkeiten als Presser (VEB Altstoffhandel G.), Kraftfahrer und Schlosser ab Juli 1974 war nicht dadurch verursacht, dass der Antragsteller (infolge der Exmatrikulation) an der Ausübung eines akademischen Berufs gehindert war, sondern weil er vom DDR-Unrechtssystem gezielt benachteiligt und schikaniert wurde, indem er - wie die Klägerseite (z.B. zur Begründung des streitgegenständlichen Antrags beim Beklagten) ausdrücklich bestätigt hat - nur die "letzten und untersten Arbeiten" bekommen hat. Die Exmatrikulation ist also bereits nicht mit Wahrscheinlichkeit conditio-sine-qua-non für die Ausübung der o.g. belastenden Tätigkeiten. Dass der Antragsteller nur die "letzten und untersten Arbeiten" bekommen hat, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den glaubhaften und plausiblen Darlegungen der Klägerseite sowie aus dem gesamten Akteninhalt, der zu diesen Angaben an keiner Stelle im Widerspruch steht. Schließlich halten die Darlegungen und das sich aus den vorliegenden Unterlagen ergebende Bild auch einer Überprüfung anhand allgemeiner historischer Erkenntnisse stand. Das Gesamtergebnis des Verfahrens zeigt einen Antragsteller, der es sich trotz der staatlichen Repressionsmaßnahmen nicht nehmen hat lassen, für seine Rechte einzustehen und der den Mut gezeigt hat, sein Recht auf freie Meinungsäußerung sogar durch verbotene Kontaktaufnahme zu westlichen Medien wahrzunehmen. In Fällen wie diesem sah sich der Herrschaftsapparat der DDR regelmäßig herausgefordert, zumindest im Rahmen einer "Vorfeldkontrolle" tätig zu werden, die das Netz der Staatssicherheit ergänzte, welche "erst dann Aktivitäten zu entwickeln begann, wenn ´Maßnahmen der gesellschaftlichen Erziehung´ sich dauernd als unwirksam erwiesen" (so der Historiker Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur - Alltag und Herrschaft in der DDR 1971 bis 1989, 2. Aufl., Berlin 1998, S. 154). Maßnahme der "Vorfeldkontrolle" war dann u.a. eine permanente gezielte Benachteiligung. "In der Regel wurden kritische und aufsässige Geister an Schulen, Bildungseinrichtungen oder Arbeitsstellen ... ins soziale Abseits geschoben" (a.a.O.), wie vorliegend der Kläger durch das (staatliche) Vorenthalten von Arbeitsmöglichkeiten, die seiner Person - d.h. seinen intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten sowie seinen Neigungen - entsprochen hätten. Es erscheint dem Senat daher nachvollziehbar, dass der Antragsteller auch bei Beendigung des Studiums aufgrund der erfolgten Benachteiligung zu körperlich belastenden Arbeiten (zumindest faktisch) gezwungen gewesen wäre (vgl. das bekannte Phänomen der in den ehemaligen sozialistischen Staaten aufgrund staatlicher Repressionen in gering geachteten Arbeiterberufen tätigen Akademiker - mit Studienabschluss!). Die Exmatrikulation des Antragstellers ist also nicht Bedingung für die gezielte Benachteiligung (Ins-Soziale-Abseits-Stellen) des Klägers im Sinne der o.g. Grundsätze, sondern vielmehr eine ihrer Erscheinungsformen - so wie die von der Klägerseite vorgetragenen Maßnahmen der strafrechtlichen Verurteilungen, Drohung mit der Rückführung in die Volksrepublik Bulgarien sowie Verweisung auf "unterste" berufliche Tätigkeiten - im System gezielter staatlicher Unterdrückung und Verfolgung des Klägers. Die Annahme, dass erst durch die Exmatrikulation gewissermaßen der Grundstein für eine systematische Benachteiligung des Klägers gelegt worden und diese ohne den Ausschluss vom Studium nicht oder nur schlecht denkbar gewesen wäre, widerspricht nicht nur den Einlassungen der Klägerseite, sondern auch den gesamten dem Senat vorliegenden Unterlagen und erscheint auch lebensfremd. Sie wird denn auch nicht von der Klägerseite vertreten. Augenfällig wird der Unterschied etwa darin, dass sich die "Abstempelung als Staatsfeind" nicht im bloßen Exmatrikulationsbescheid, sondern wohl in negativen Vermerken in der Kaderakte des Antragstellers bzw. in Unterlagen der Staatssicherheit o.ä. dokumentiert hat. Der Senat hat im Übrigen keinen Zweifel daran, dass sich der Antragsteller zur Verrichtung von ihm nicht gewollter, körperlich belastender Tätigkeiten ab 1974 tatsächlich gezwungen sehen musste. Denn es ist offenkundig, dass es in der DDR grundsätzlich keine "Nischen" gegeben hat (vgl. hierzu z.B. Wolle, a.a.O., S. 338); dies gilt erst recht für vom Staat kontrollierte Bereiche wie den Arbeitsmarkt und somit auch für "regimeferne" Personen wie den Antragsteller. Dass der Antragsteller eine seinen gesundheitlichen Verhältnissen entsprechende Arbeitsmöglichkeit aufgrund eigener Initiative erhalten hätte können, erscheint daher nahezu ausgeschlossen.

Damit ist der auf der tatsächlichen, nicht-medizinischen Ebene liegende Zusammenhang (auch mittelbar) nicht gegeben, anders als wenn etwa der Antragsteller aufgrund der in der Exmatrikulation liegenden Herabwürdigung seiner Person psychischen Schaden genommen hätte. Für Letzteres spricht aber vorliegend nichts.

2. Andere potentiell schädigende Vorgänge als die Exmatrikulation können als Grundlage für einen Versorgungsanspruch nicht herangezogen werden.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stellt die Exmatrikulation als singulärer Akt kein mögliches schädigendes Ereignis mit Blick auf die geltend gemachten Gesundheitsstörungen dar. In Betracht kommt allenfalls die anschließend erfolgte Benachteiligung des Antragstellers durch das (staatliche) Vorenthalten von seiner Person entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten, die aber nicht auf die Exmatrikulation zurückgeführt werden kann (s.o.). Ob auch die zeitlich vor der Exmatrikulation erfolgte Nichtdelegierung zum Studium und die dadurch bewirkte Verpflichtung zur weiteren schwereren körperlichen Tätigkeit bei der W., wie die Klägerseite vorgetragen hat, als Ursache für die Gesundheitsstörungen in Frage kommt, kann offen bleiben - in der Tat handelt es sich insoweit jedenfalls um einen längeren Prozess, in dem der Antragsteller benachteiligt worden ist. Schädigendes Ereignis im Rechtssinne ist vorliegend nämlich allein die rechtsstaatswidrige Exmatrikulation. Denn diese ist als einzige im Rehabilitierungsbescheid genannte Maßnahme im Sinn von § 1 Abs. 1, 5 VwRehaG die alleinige schädigende Handlung gemäß § 3 Abs. 1 der Vorschrift. Eine Erweiterung des Rehabilitierungsgrundes kommt nicht in Betracht. Abzustellen ist vielmehr ausschließlich auf die konkreten Maßnahmen, die wegen ihrer Rechtsstaatswidrigkeit gemäß § 1 VwRehaG aufgehoben werden. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck des VwRehaG, das ausdrücklich die einzelne Aufhebung konkreter hoheitlicher Maßnahmen des DDR-Regimes vorsieht und G.de keinen allgemeinen Unrechtsausgleich ohne konkrete Prüfung der Einzelereignisse vorsieht. Dies folgt nicht zuletzt auch aus dem Bestimmtheitsgebot des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (vgl. BVerfGE 108, 186, 234 ff., BVerfGE 111, 54, 82 sowie BVerfGE 110, 33, 53 ff.). Hierdurch entstehen den Betroffenen auch keine Nachteile. Denn die Aufhebbarkeit rechtsstaatswidriger hoheitlicher Maßnahmen beschränkt sich nicht auf Rechtsakte des DDR-Regimes. Vielmehr gelten die Vorschriften des VwRehaG für Realakte und insbesondere für Maßnahmen wie jahrelange Drangsalierung und Bespitzelung, die nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet sind, nach § 1 Abs. 5 VwRehaG entsprechend (vgl. Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl., §§ 1 bis 18 VwRehaG, Rdnr. 6, m.w.N.; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2014, Az.: L 6 VU 2236/13 ZVW - hier verschiedene Zersetzungsmaßnahmen; s. im Übrigen Urteil des Senats vom 16.11.2010, Az.: L 15 VU 2/09 - permanente Stasi-Überwachung).

Weshalb vorliegend vom Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung des Freistaates Thüringen lediglich die Exmatrikulation für rechtsstaatswidrig erklärt worden ist, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Er sieht sich jedoch daran gehindert, über den klaren Wortlaut und die klare Beschränkung, die im Bescheid zum Ausdruck kommen, hinaus weitere Rehabilitierungstatbestände anzunehmen und hierfür gegebenenfalls Versorgung zuzusprechen. Eine solche Feststellung im Bescheid ist aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlich und im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz der vollziehenden Gewalt vorbehalten.

Daher kommt es vorliegend also, anders als die Klägerseite meint, nicht auf die Nichtdelegierung zum Studium, nicht auf die Benachteiligung bei der Arbeitsplatzvergabe nach der Exmatrikulation und erst recht nicht auf eine "permanente Benachteiligung" des Antragstellers an. Gleiches gilt hinsichtlich der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den - wohl erzwungenen - Aufhebungsvertrag. Schließlich ist heute auch ohne Belang, aus welchem Grund die Exmatrikulation des Antragstellers erfolgt ist.

3. Aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen des BerRehaG und des VwRehaG kommt es vorliegend auf die im Verfahren der beruflichen Rehabilitierung des Antragstellers ergangenen Entscheidungen nicht an.

4. Offen kann bleiben, ob der Anspruch des Antragstellers im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt der sog. überholenden (oder verdrängenden) Kausalität ausgeschlossen wäre. Es bestehen zwar Anhaltspunkte dafür (vgl. z.B. das Schreiben der Ingenieurschule vom 02.11.1972), dass der Antragsteller das Studium - aus welchen Gründen auch immer, in Betracht kommt auch eine Beeinträchtigung durch "Verfolgungsmaßnahmen" der DDR - ohnehin nicht bestanden hätte. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da die geltend gemachten Gesundheitsstörungen, wie dargelegt, nicht auf die Beendigung des Studiums zurückgeführt werden können. Der Senat kann daher dahin stehen lassen, ob das Problem der überholenden Kausalität grundsätzlich überhaupt eine Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen schädigendem Vorgang und Schaden bzw. Schädigungsfolge oder nur eine solche der Schadensberechnung ist und ob immer nur der im Zeitpunkt der Schädigung tatsächlich bestehende Zustand aufgrund einer wirklich abgelaufenen Kausalkette zugrunde gelegt werden darf (vgl. Urteil des BSG vom 28.06.1968, Az.: 9 RV 604/65), weiter, wie im Versorgungsrecht das Problem der überholenden Kausalität in Fällen nicht-medizinischer Verursachungsfragen - wie vorliegend gegeben (wo es G.de nicht um die Frage geht, ob der gesundheitliche Schaden durch ein anderes schädigendes Ereignis eingetreten wäre) - zu behandeln ist.

5. Im Übrigen sind - wie das SG zutreffend dargelegt hat - die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des Antragstellers zur Überzeugung des Senats auch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Tätigkeiten nach der Exmatrikulation zurückzuführen. Für diese Annahme spricht die gesamte gesundheitliche Situation des Antragstellers, der bereits ab Juli 1974 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten und zuletzt bei der SDAG W. einen Schonarbeitsplatz inne gehabt hat. Vor allem ergibt sich dies im Einzelnen aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen. Hierauf kommt es jedoch im Hinblick auf die obigen Darlegungen letztlich nicht an, da die Verpflichtung zur Ausübung der belastenden Tätigkeiten nicht durch die Exmatrikulation verursacht war. Weitere Ermittlungen hierzu kamen daher nicht in Betracht.

Entsprechendes gilt auch für Ermittlungen zu den historischen Tatsachen bezüglich der DDR-Repressionsmaßnahmen. Die Angaben der Klägerseite und das sich aus dem Akteninhalt ergebende Bild fügen sich ohne Weiteres in die historisch überlieferten Abläufe ein. Der Senat hat keinen Beweis mit historischen Tatsachen geführt, sondern - in Über-einstimmung mit der Rspr. des BSG (vgl. Urteil vom 24.11.2005, Az.: B 9a-9 V 8/03 R) - lediglich die festgestellten Tatsachen anhand allgemeiner historischer Erkenntnisse überprüft.

Nach alledem ist die Berufung unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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