Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 907/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 996/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der 1962 geborene Kläger erlernte nach seinen Angaben von 1978 bis 1980 den Beruf eines Fahrzeugschlossers und machte im Anschluss Weiterbildungen als Elektroniker für Nachrichtentechnik inkl. eines Meisterlehrgangs. Von 1995 bis 2006 war der Kläger als Kommissionierer in der Metallindustrie tätig, danach war er noch für kürzere Zeit mit der Instandsetzung von Hydraulikwerkzeugen und der Instandsetzung von Reha-Technik versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt machte er zwei Praktika im Bereich der Instandsetzung von Computersystemen. Im Anschluss blieb der Kläger aber arbeitslos. Er bezieht fortlaufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 24.02.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ein Aktenlagegutachten des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit C. vom 14.09.2010 bei, wonach beim Kläger eine psychische Minderbelastbarkeit (jedoch unbehandelt) und eine Erkrankung des Innenohrs unklarer Genese mit Auftreten von Schwindelanfällen und Übelkeit vorliegen würden. Der Kläger sei vollschichtig einsatzfähig für mittelschwere Tätigkeiten ohne Absturzgefahr, ohne hohe körperliche Belastungen, ohne hohe Verletzungsgefahr, ohne Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten und ohne Zeitdruck.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 17.04.2012 durch den HNO-Arzt Dr.H. untersucht, der - eine periphere Vestibulopathie links, - ein Ohrgeräusch links betont, - eine psychogene Beschwerdeverstärkung mit depressiver Äquivalente und - eine Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren feststellte. Er regte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme an. Der Kläger sei aber auch ohne diese auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Arbeiten - unter Ausschluss von Unfallgefährdung, Zwangshaltungen und Lärmbelastung - vollschichtig einsatzfähig.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 05.03.2012 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Eignungsabklärung. Mit Bescheid vom 26.04.2012 lehnte sie eine Rentengewährung ab, da die medizinischen Voraussetzungen für eine derartige Rente nicht erfüllt seien, nachdem der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden einsatzfähig sei.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.04.2012 Widerspruch ein und machte geltend, dass er allenfalls zu Hause am Computer arbeiten könne, da er nicht in der Lage sei, sich zu einer Arbeitsstelle zu bewegen, und auch keine Arbeiten ausüben könne, die mit körperlichen Bewegungen verbunden seien.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der H.-Klinik Bad G., in der sich der Kläger vom 28.06.2012 bis 26.07.2012 aufhielt. Im Entlassungsbericht vom 06.08.2012 sind folgende Diagnosen angegeben: 1. Vestibulopathie mit residualem Schwindel. 2. Ausgeprägte psychovegetative Erschöpfung. 3. Hyperventilationssyndrom. 4. Chronisch dekompensierter Tinnitus aurium beidseits. Der Kläger sei in seiner Konzentrationsfähigkeit etwas eingeschränkt und könne keine Tätigkeit mit erhöhter Unfallgefahr ausüben. Ansonsten sei er ohne zeitliche Einschränkungen sowohl als Elektroniker als auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig. Die Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie wurde angeraten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2012 den Widerspruch zurück. Auch im Rahmen der umfangreichen Beobachtung in der Rehabilitationsmaßnahme habe sich keine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers feststellen lassen. Daran würden auch die umfangreichen Einwände des Klägers nichts ändern, wonach er eine körperliche und nicht eine psychische Verursachung seiner Beschwerden annehme.
Dem Kläger wurde mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken Versorgungsamt vom 29.10.2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt, wobei sich dieser aus einer Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen und Schwindel (Einzel-GdB 20) und einer seelischen Störung (Einzel-GdB 20) zusammensetzte.
Am 10.10.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und vorgetragen, dass der bei ihm bestehende Schwindel die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaube. Das Sozialgericht hat Ermittlungen bei behandelnden Ärzten vorgenommen. Der Allgemeinmediziner Dr.B. hat angegeben, dass der Kläger zuletzt im Oktober 2011 in Behandlung gewesen sei. Der HNO-Arzt Dr.L. hat angegeben, dass der Kläger bei ihm letztmalig im April 2010 behandelt worden sei und der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. E. hat angegeben, dass der Kläger letztmalig im März 2012 dort vorstellig gewesen sei.
Das Sozialgericht hat ein HNO-ärztliches Gutachten durch Dr.D. erstellen lassen, der den Kläger am 22.03.2013 untersucht hat. Im Gutachten vom 28.04.2013 ist der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger eine seit langem bestehende Unerregbarkeit des linken Labyrinthes vorliegen würde, was jedoch im Stadium der völligen Kompensation sei. Von Bedeutung sei auch der subjektive Tinnitus. Eine Einschränkung des Gehörs liege im Übrigen nicht vor und das Hauptproblem sei auf nervenärztlichem Fachgebiet zu suchen. Allein aus Sicht des HNO-ärztlichen Fachgebietes würden sich keine quantitativen Einschränkungen der Einsatzfähigkeit ergeben und in qualitativer Hinsicht seien nur Tätigkeiten mit Absturzgefahr und die Bedienung von gefährlichen oder beweglichen Maschinen zu vermeiden.
Im Anschluss daran hat das Sozialgericht ein Gutachten durch den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr.K. erstellen lassen, der den Kläger am 19.06.2013 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 02.07.2013 ist er zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein funktionell phobischer Schwindel bei Zustand nach peripherer Vestibularisschädigung links im April 2010 vorliege, ferner eine dissoziative Amnesie und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung bei zwanghaft-schizoider Persönlichkeitsstruktur mit Hinweisen auf emotional instabile Anteile. Auf psychischem Gebiet bestehe beim Kläger keinesfalls eine globale Fähigkeitsstörung. Vielmehr sei unter konsequenter psychotherapeutischer Behandlung mit einer Befundbesserung innerhalb eines Dreivierteljahres zu rechnen und die Psychotherapie sollte rasch eingeleitet werden; eine stationäre psychosomatische Heilbehandlung sei nicht notwendig. Der Kläger sei in der Lage, vollschichtig körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr sowie Tätigkeiten mit raschen Kopfdrehungen. Auch sollten Arbeiten unter Hektik und Zeitdruck wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Schichtarbeit und Tätigkeiten mit Führungsverantwortung nicht erfolgen, Publikumsverkehr sei dagegen durchaus möglich. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich und auch die Wegefähigkeit sei zu bejahen, wobei der Kläger kein Fahrrad führen und vorerst kein Motorfahrzeug steuern solle. Öffentliche Verkehrsmittel könne er jedoch benutzen und auch die an Anmarschwege dorthin seien ihm möglich.
Der Kläger hat sich mit diesen gutachterlichen Feststellungen nicht einverstanden erklärt und erneut seine Symptome geschildert, die ganztägig anhalten könnten. Eine längere Arbeit sei nur zu Hause am Computer möglich. Er habe kaum Arztbesuche gemacht und sei auch ansonsten gegenüber der Einnahme von Arzneimitteln sehr abgeneigt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Bayreuth durch Gerichtsbescheid entschieden. Im Gerichtsbescheid vom 11.09.2013 hat es dargelegt, dass nach den gutachterlichen Feststellungen von keiner Seite eine zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigt habe werden können. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seien somit nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger mit Schreiben vom 17.09.2013 am 23.09.2013 über das Sozialgericht Bayreuth Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er verstehe die Gutachten so, dass sich hieraus eine teilweise und sogar eine volle Erwerbsminderung ergeben würden. Seit einiger Zeit würden nicht nur Black-outs zu seinen Problemen gehören, sondern auch ein Blubbern im Kopf beim Telefonieren. Er höre jetzt seit einigen Wochen auch schon Geräusche und Stimmen, die gar nicht existierten. Sein derzeitiges Leben sei nicht als lebenswert zu bezeichnen und einzig seine Familie halte ihn von einem Beenden dieser Situation zurück.
Der Senat hat zunächst ermittelt, dass der Kläger auch weiterhin die ihn vormals ambulant behandelnden Ärzte nicht aufgesucht hat. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass er im Juli 2014 den Psychiater M.E. aufsuchen werde, der ihm keinen zeitnäheren Termin habe geben können. Auf dessen Veranlassung hat sich der Kläger anschließend unter Kostenträgerschaft seiner Krankenversicherung vom 10.07.2014 bis 30.07.2014 in der Psychosomatischen Klinik in C-Stadt befunden. Im dortigen Entlassungsbericht sind eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine somatoforme autonome Funktionsstörung des Herz- und Kreislaufsystems und ein Tinnitus aurium diagnostiziert gewesen und ist die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie vorgeschlagen worden. Unter der Beschwerdeerhebung ist die Rede davon gewesen, dass beim Kläger seit mehr als 2 Wochen eine depressive Stimmung mit Verlust von Freude und Interesse sowie Antriebsminderung vorgelegen hätten. Im Vorfeld sei weder eine ambulante noch stationäre Psychotherapie erfolgt. Der Kläger ist als arbeitsunfähig entlassen worden. Im Anschluss an die stationäre Behandlung ist der Kläger - zumindest bis Oktober 2014 -beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. E. nicht erneut vorstellig geworden.
Der Senat hat ein Gutachten durch die Neurologin und Psychiaterin Dr.D. erstellen lassen, die den Kläger am 19.01.2015 untersucht hat und die Gesundheitsstörungen des Klägers folgendermaßen beschrieben hat: 1. Funktioneller phobischer Schwindel bei Zustand nach Vestibulopathie links mit Tinnitus. 2. Somatisierungsstörung mit sehr leichtgradiger depressiver Verstimmung bei akzentuierter Persönlichkeit. Einschränkungen hinsichtlich der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, des Verantwortungsbewusstseins, der Gewissenhaftigkeit, des Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögens sowie der Umstellungsfähigkeit seien nicht festzustellen gewesen; die Leistungsmotivation sei wohl etwas reduziert, jedoch nicht der willentlichen Beeinflussung entglitten. Der Kläger könne leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechselrhythmus in geschlossenen Räumen mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht und Lärmbelastung sowie Tätigkeiten mit ständigem Telefonieren sollten nicht zugemutet werden. Auch sollten Tätigkeiten an gefahrenträchtigen Arbeitsplätzen auf Leitern und Gerüsten und überwiegendes Stehen und Gehen sowie häufiges Bücken nicht abverlangt werden. Weitere nervenärztliche und psychotherapeutische Behandlung sei zu empfehlen.
Der Kläger hat angegeben, zwischenzeitlich eine eigene kleine Wohnung bezogen zu haben, um mehr Ruhe zu haben. Auch zu Hause könne er jetzt nicht länger als 2 Stunden am Computer arbeiten.
In der mündlichen Verhandlung des Senats am 26.03.2015 hat der Kläger angegeben, dass er eine psychologische Betreuung zukünftig bei der Diakonie in C. aufsuchen werde. Ihm sei seitens der Psychologen in der Rehabilitationsmaßnahme zu verstehen gegeben worden, dass er für den Arbeitsmarkt zu alt sei.
Die Beklagte hat bestätigt, dass bei der bestehenden Arbeitslosmeldung des Klägers, die sog. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch für einen evtl. aktuellen medizinischen Leistungsfall erfüllt wären.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab frühestmöglichem Zeitpunkt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2013 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Rentenakte der Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen Akte des Zentrums Bayern Familie und Soziales Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) voraus, dass ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat der Kläger bei Rentenantragstellung unproblematisch erfüllt gehabt. Die sog. allgemeine Wartezeit mit Pflichtbeitragszeiten von 60 Kalendermonaten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) hat er bereits seit langem aufzuweisen. Die weitere Voraussetzung von mindestens 36 Monaten Pflichtbeitragszeiten in den letzten 5 Jahren vor dem Vorliegen eines medizinischen Leistungsfalles hätte der Kläger nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf unmittelbar letztmals im März 2014 erfüllt gehabt. Eine Anwendung von § 241 Abs. 2 SGB VI und damit der Verzicht auf diese Voraussetzung kommt nicht in Betracht, da der Kläger nicht seit 1984 lückenlos rentenrechtlich relevante Zeiten aufzuweisen hat. Jedoch verlängert sich der maßgebliche 5-Jahreszeitraum um die Zeiten der Arbeitslosmeldung des Klägers (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 und 3 iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), so dass derzeit die zusätzliche Bedingung der nachgewiesenen Nähe zum Arbeitsmarkt beim Kläger erfüllt ist.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Sämtliche im Verfahren beteiligten Ärzte haben keine Bedenken gegen die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den Kläger im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung geäußert. Für ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf weniger als 6 Stunden oder gar weniger als 3 Stunden täglich gibt es keinerlei Belege. Soweit im Entlassungsbericht der psychosomatischen Klinik C. von Arbeitsunfähigkeit gesprochen wird, ist dies die zutreffende rechtliche Einordnung, weil die dort berichteten starken Beschwerden erst seit 2 Wochen zuvor so vorgelegen hätten und nun akut zu behandeln seien. Allerdings bleiben nach den gesetzlichen Vorschriften die Zeiten, in denen der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit nur vorübergehend nicht arbeiten kann, für eine Rentengewährung für diesen Zeitraum im Rahmen des SGB VI unbeachtlich, da sie keine dauerhafte Erwerbsminderung darstellen. Im Übrigen haben sich im nachfolgenden Fachgutachten - selbst ohne suffiziente Behandlung - die Gesundheitsstörungen nicht mehr in gleicher Schwere gezeigt. Eine volle oder teilweise Erwerbsminderung liegt somit nicht vor.
Der Senat folgt dabei insbesondere dem aktuellen Gutachten der Nervenärztin Dr. D ... Beim Kläger bestehen demnach ein funktioneller phobischer Schwindel bei Zustand nach Vestibulopathie links mit Tinnitus und eine Somatisierungsstörung mit sehr leichtgradiger depressiver Verstimmung bei akzentuierter Persönlichkeit. Unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Einschränkungen kann der Kläger gleichwohl leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechselrhythmus in geschlossenen Räumen mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht und Lärmbelastung sowie Tätigkeiten mit ständigem Telefonieren sollten nicht zugemutet werden. Auch sollten Tätigkeiten an gefahrenträchtigen Arbeitsplätzen auf Leitern und Gerüsten und überwiegendes Stehen und Gehen sowie häufiges Bücken nicht abverlangt werden. Zumindest anfänglich hatte sogar der Kläger selbst noch ein verbliebenes Restleistungsvermögen eingeräumt und sich nur darauf gestützt, zu geeigneten Arbeitsplätzen nicht zu gelangen.
Dafür dass vom Kläger die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Ausnahmefall (sog. Katalogfall - vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand April 2010, § 43 SGB VI Rn 37 und 38 nwN) erfüllt würden, gibt es keine Anhaltspunkte. Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich der Wegefähigkeit. Die körperlichen Fähigkeiten lassen sowohl die erforderlichen Gehstrecken als auch die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu. Zwar mag der Kläger auf Grund seines Vermeidungsverhaltens derzeit nicht oder nur schwer in der Lage sein, längere Fahrstrecken zurückzulegen, doch ist dies nach den einhelligen Einlassungen im Rahmen der erforderlichen ärztlichen Behandlung so beeinflussbar, dass mit einer raschen Besserung zu rechnen wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08). Von zentraler Bedeutung sind im Fall des Klägers daher die einhelligen ärztlichen Darlegungen, dass bei den Erkrankungen des Klägers auf psychischem Gebiet die Behandlungsoptionen bisher nicht genutzt sind und damit eindeutig noch nicht ausgeschöpft sind, weshalb ein nicht mehr beeinflussbarer Gesundheitszustand in dieser Hinsicht nicht bestanden hat und eine Rentengewährung nicht in Betracht kommt.
Dementsprechend lässt sich beim Kläger weder das Vorliegen von voller, noch von teilweiser Erwerbsminderung belegen und es besteht kein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist nicht geltend gemacht worden und eine darauf gestützte Rentengewährung würde auch nicht in Betracht kommen, da der Kläger auf Grund seines Geburtsjahrgangs nicht zu dem von § 240 Abs. 1 SGB VI erfassten Personenkreis gehört.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind nicht zu beanstanden und die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der 1962 geborene Kläger erlernte nach seinen Angaben von 1978 bis 1980 den Beruf eines Fahrzeugschlossers und machte im Anschluss Weiterbildungen als Elektroniker für Nachrichtentechnik inkl. eines Meisterlehrgangs. Von 1995 bis 2006 war der Kläger als Kommissionierer in der Metallindustrie tätig, danach war er noch für kürzere Zeit mit der Instandsetzung von Hydraulikwerkzeugen und der Instandsetzung von Reha-Technik versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt machte er zwei Praktika im Bereich der Instandsetzung von Computersystemen. Im Anschluss blieb der Kläger aber arbeitslos. Er bezieht fortlaufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 24.02.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ein Aktenlagegutachten des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit C. vom 14.09.2010 bei, wonach beim Kläger eine psychische Minderbelastbarkeit (jedoch unbehandelt) und eine Erkrankung des Innenohrs unklarer Genese mit Auftreten von Schwindelanfällen und Übelkeit vorliegen würden. Der Kläger sei vollschichtig einsatzfähig für mittelschwere Tätigkeiten ohne Absturzgefahr, ohne hohe körperliche Belastungen, ohne hohe Verletzungsgefahr, ohne Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten und ohne Zeitdruck.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 17.04.2012 durch den HNO-Arzt Dr.H. untersucht, der - eine periphere Vestibulopathie links, - ein Ohrgeräusch links betont, - eine psychogene Beschwerdeverstärkung mit depressiver Äquivalente und - eine Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren feststellte. Er regte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme an. Der Kläger sei aber auch ohne diese auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Arbeiten - unter Ausschluss von Unfallgefährdung, Zwangshaltungen und Lärmbelastung - vollschichtig einsatzfähig.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 05.03.2012 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Eignungsabklärung. Mit Bescheid vom 26.04.2012 lehnte sie eine Rentengewährung ab, da die medizinischen Voraussetzungen für eine derartige Rente nicht erfüllt seien, nachdem der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden einsatzfähig sei.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.04.2012 Widerspruch ein und machte geltend, dass er allenfalls zu Hause am Computer arbeiten könne, da er nicht in der Lage sei, sich zu einer Arbeitsstelle zu bewegen, und auch keine Arbeiten ausüben könne, die mit körperlichen Bewegungen verbunden seien.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der H.-Klinik Bad G., in der sich der Kläger vom 28.06.2012 bis 26.07.2012 aufhielt. Im Entlassungsbericht vom 06.08.2012 sind folgende Diagnosen angegeben: 1. Vestibulopathie mit residualem Schwindel. 2. Ausgeprägte psychovegetative Erschöpfung. 3. Hyperventilationssyndrom. 4. Chronisch dekompensierter Tinnitus aurium beidseits. Der Kläger sei in seiner Konzentrationsfähigkeit etwas eingeschränkt und könne keine Tätigkeit mit erhöhter Unfallgefahr ausüben. Ansonsten sei er ohne zeitliche Einschränkungen sowohl als Elektroniker als auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig. Die Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie wurde angeraten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2012 den Widerspruch zurück. Auch im Rahmen der umfangreichen Beobachtung in der Rehabilitationsmaßnahme habe sich keine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers feststellen lassen. Daran würden auch die umfangreichen Einwände des Klägers nichts ändern, wonach er eine körperliche und nicht eine psychische Verursachung seiner Beschwerden annehme.
Dem Kläger wurde mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken Versorgungsamt vom 29.10.2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt, wobei sich dieser aus einer Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen und Schwindel (Einzel-GdB 20) und einer seelischen Störung (Einzel-GdB 20) zusammensetzte.
Am 10.10.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und vorgetragen, dass der bei ihm bestehende Schwindel die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaube. Das Sozialgericht hat Ermittlungen bei behandelnden Ärzten vorgenommen. Der Allgemeinmediziner Dr.B. hat angegeben, dass der Kläger zuletzt im Oktober 2011 in Behandlung gewesen sei. Der HNO-Arzt Dr.L. hat angegeben, dass der Kläger bei ihm letztmalig im April 2010 behandelt worden sei und der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. E. hat angegeben, dass der Kläger letztmalig im März 2012 dort vorstellig gewesen sei.
Das Sozialgericht hat ein HNO-ärztliches Gutachten durch Dr.D. erstellen lassen, der den Kläger am 22.03.2013 untersucht hat. Im Gutachten vom 28.04.2013 ist der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger eine seit langem bestehende Unerregbarkeit des linken Labyrinthes vorliegen würde, was jedoch im Stadium der völligen Kompensation sei. Von Bedeutung sei auch der subjektive Tinnitus. Eine Einschränkung des Gehörs liege im Übrigen nicht vor und das Hauptproblem sei auf nervenärztlichem Fachgebiet zu suchen. Allein aus Sicht des HNO-ärztlichen Fachgebietes würden sich keine quantitativen Einschränkungen der Einsatzfähigkeit ergeben und in qualitativer Hinsicht seien nur Tätigkeiten mit Absturzgefahr und die Bedienung von gefährlichen oder beweglichen Maschinen zu vermeiden.
Im Anschluss daran hat das Sozialgericht ein Gutachten durch den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr.K. erstellen lassen, der den Kläger am 19.06.2013 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 02.07.2013 ist er zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein funktionell phobischer Schwindel bei Zustand nach peripherer Vestibularisschädigung links im April 2010 vorliege, ferner eine dissoziative Amnesie und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung bei zwanghaft-schizoider Persönlichkeitsstruktur mit Hinweisen auf emotional instabile Anteile. Auf psychischem Gebiet bestehe beim Kläger keinesfalls eine globale Fähigkeitsstörung. Vielmehr sei unter konsequenter psychotherapeutischer Behandlung mit einer Befundbesserung innerhalb eines Dreivierteljahres zu rechnen und die Psychotherapie sollte rasch eingeleitet werden; eine stationäre psychosomatische Heilbehandlung sei nicht notwendig. Der Kläger sei in der Lage, vollschichtig körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr sowie Tätigkeiten mit raschen Kopfdrehungen. Auch sollten Arbeiten unter Hektik und Zeitdruck wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Schichtarbeit und Tätigkeiten mit Führungsverantwortung nicht erfolgen, Publikumsverkehr sei dagegen durchaus möglich. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich und auch die Wegefähigkeit sei zu bejahen, wobei der Kläger kein Fahrrad führen und vorerst kein Motorfahrzeug steuern solle. Öffentliche Verkehrsmittel könne er jedoch benutzen und auch die an Anmarschwege dorthin seien ihm möglich.
Der Kläger hat sich mit diesen gutachterlichen Feststellungen nicht einverstanden erklärt und erneut seine Symptome geschildert, die ganztägig anhalten könnten. Eine längere Arbeit sei nur zu Hause am Computer möglich. Er habe kaum Arztbesuche gemacht und sei auch ansonsten gegenüber der Einnahme von Arzneimitteln sehr abgeneigt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Bayreuth durch Gerichtsbescheid entschieden. Im Gerichtsbescheid vom 11.09.2013 hat es dargelegt, dass nach den gutachterlichen Feststellungen von keiner Seite eine zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigt habe werden können. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seien somit nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger mit Schreiben vom 17.09.2013 am 23.09.2013 über das Sozialgericht Bayreuth Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er verstehe die Gutachten so, dass sich hieraus eine teilweise und sogar eine volle Erwerbsminderung ergeben würden. Seit einiger Zeit würden nicht nur Black-outs zu seinen Problemen gehören, sondern auch ein Blubbern im Kopf beim Telefonieren. Er höre jetzt seit einigen Wochen auch schon Geräusche und Stimmen, die gar nicht existierten. Sein derzeitiges Leben sei nicht als lebenswert zu bezeichnen und einzig seine Familie halte ihn von einem Beenden dieser Situation zurück.
Der Senat hat zunächst ermittelt, dass der Kläger auch weiterhin die ihn vormals ambulant behandelnden Ärzte nicht aufgesucht hat. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass er im Juli 2014 den Psychiater M.E. aufsuchen werde, der ihm keinen zeitnäheren Termin habe geben können. Auf dessen Veranlassung hat sich der Kläger anschließend unter Kostenträgerschaft seiner Krankenversicherung vom 10.07.2014 bis 30.07.2014 in der Psychosomatischen Klinik in C-Stadt befunden. Im dortigen Entlassungsbericht sind eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine somatoforme autonome Funktionsstörung des Herz- und Kreislaufsystems und ein Tinnitus aurium diagnostiziert gewesen und ist die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie vorgeschlagen worden. Unter der Beschwerdeerhebung ist die Rede davon gewesen, dass beim Kläger seit mehr als 2 Wochen eine depressive Stimmung mit Verlust von Freude und Interesse sowie Antriebsminderung vorgelegen hätten. Im Vorfeld sei weder eine ambulante noch stationäre Psychotherapie erfolgt. Der Kläger ist als arbeitsunfähig entlassen worden. Im Anschluss an die stationäre Behandlung ist der Kläger - zumindest bis Oktober 2014 -beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. E. nicht erneut vorstellig geworden.
Der Senat hat ein Gutachten durch die Neurologin und Psychiaterin Dr.D. erstellen lassen, die den Kläger am 19.01.2015 untersucht hat und die Gesundheitsstörungen des Klägers folgendermaßen beschrieben hat: 1. Funktioneller phobischer Schwindel bei Zustand nach Vestibulopathie links mit Tinnitus. 2. Somatisierungsstörung mit sehr leichtgradiger depressiver Verstimmung bei akzentuierter Persönlichkeit. Einschränkungen hinsichtlich der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, des Verantwortungsbewusstseins, der Gewissenhaftigkeit, des Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögens sowie der Umstellungsfähigkeit seien nicht festzustellen gewesen; die Leistungsmotivation sei wohl etwas reduziert, jedoch nicht der willentlichen Beeinflussung entglitten. Der Kläger könne leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechselrhythmus in geschlossenen Räumen mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht und Lärmbelastung sowie Tätigkeiten mit ständigem Telefonieren sollten nicht zugemutet werden. Auch sollten Tätigkeiten an gefahrenträchtigen Arbeitsplätzen auf Leitern und Gerüsten und überwiegendes Stehen und Gehen sowie häufiges Bücken nicht abverlangt werden. Weitere nervenärztliche und psychotherapeutische Behandlung sei zu empfehlen.
Der Kläger hat angegeben, zwischenzeitlich eine eigene kleine Wohnung bezogen zu haben, um mehr Ruhe zu haben. Auch zu Hause könne er jetzt nicht länger als 2 Stunden am Computer arbeiten.
In der mündlichen Verhandlung des Senats am 26.03.2015 hat der Kläger angegeben, dass er eine psychologische Betreuung zukünftig bei der Diakonie in C. aufsuchen werde. Ihm sei seitens der Psychologen in der Rehabilitationsmaßnahme zu verstehen gegeben worden, dass er für den Arbeitsmarkt zu alt sei.
Die Beklagte hat bestätigt, dass bei der bestehenden Arbeitslosmeldung des Klägers, die sog. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch für einen evtl. aktuellen medizinischen Leistungsfall erfüllt wären.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab frühestmöglichem Zeitpunkt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2013 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Rentenakte der Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen Akte des Zentrums Bayern Familie und Soziales Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) voraus, dass ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat der Kläger bei Rentenantragstellung unproblematisch erfüllt gehabt. Die sog. allgemeine Wartezeit mit Pflichtbeitragszeiten von 60 Kalendermonaten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) hat er bereits seit langem aufzuweisen. Die weitere Voraussetzung von mindestens 36 Monaten Pflichtbeitragszeiten in den letzten 5 Jahren vor dem Vorliegen eines medizinischen Leistungsfalles hätte der Kläger nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf unmittelbar letztmals im März 2014 erfüllt gehabt. Eine Anwendung von § 241 Abs. 2 SGB VI und damit der Verzicht auf diese Voraussetzung kommt nicht in Betracht, da der Kläger nicht seit 1984 lückenlos rentenrechtlich relevante Zeiten aufzuweisen hat. Jedoch verlängert sich der maßgebliche 5-Jahreszeitraum um die Zeiten der Arbeitslosmeldung des Klägers (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 und 3 iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), so dass derzeit die zusätzliche Bedingung der nachgewiesenen Nähe zum Arbeitsmarkt beim Kläger erfüllt ist.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Sämtliche im Verfahren beteiligten Ärzte haben keine Bedenken gegen die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den Kläger im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung geäußert. Für ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf weniger als 6 Stunden oder gar weniger als 3 Stunden täglich gibt es keinerlei Belege. Soweit im Entlassungsbericht der psychosomatischen Klinik C. von Arbeitsunfähigkeit gesprochen wird, ist dies die zutreffende rechtliche Einordnung, weil die dort berichteten starken Beschwerden erst seit 2 Wochen zuvor so vorgelegen hätten und nun akut zu behandeln seien. Allerdings bleiben nach den gesetzlichen Vorschriften die Zeiten, in denen der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit nur vorübergehend nicht arbeiten kann, für eine Rentengewährung für diesen Zeitraum im Rahmen des SGB VI unbeachtlich, da sie keine dauerhafte Erwerbsminderung darstellen. Im Übrigen haben sich im nachfolgenden Fachgutachten - selbst ohne suffiziente Behandlung - die Gesundheitsstörungen nicht mehr in gleicher Schwere gezeigt. Eine volle oder teilweise Erwerbsminderung liegt somit nicht vor.
Der Senat folgt dabei insbesondere dem aktuellen Gutachten der Nervenärztin Dr. D ... Beim Kläger bestehen demnach ein funktioneller phobischer Schwindel bei Zustand nach Vestibulopathie links mit Tinnitus und eine Somatisierungsstörung mit sehr leichtgradiger depressiver Verstimmung bei akzentuierter Persönlichkeit. Unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Einschränkungen kann der Kläger gleichwohl leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechselrhythmus in geschlossenen Räumen mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht und Lärmbelastung sowie Tätigkeiten mit ständigem Telefonieren sollten nicht zugemutet werden. Auch sollten Tätigkeiten an gefahrenträchtigen Arbeitsplätzen auf Leitern und Gerüsten und überwiegendes Stehen und Gehen sowie häufiges Bücken nicht abverlangt werden. Zumindest anfänglich hatte sogar der Kläger selbst noch ein verbliebenes Restleistungsvermögen eingeräumt und sich nur darauf gestützt, zu geeigneten Arbeitsplätzen nicht zu gelangen.
Dafür dass vom Kläger die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Ausnahmefall (sog. Katalogfall - vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand April 2010, § 43 SGB VI Rn 37 und 38 nwN) erfüllt würden, gibt es keine Anhaltspunkte. Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich der Wegefähigkeit. Die körperlichen Fähigkeiten lassen sowohl die erforderlichen Gehstrecken als auch die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu. Zwar mag der Kläger auf Grund seines Vermeidungsverhaltens derzeit nicht oder nur schwer in der Lage sein, längere Fahrstrecken zurückzulegen, doch ist dies nach den einhelligen Einlassungen im Rahmen der erforderlichen ärztlichen Behandlung so beeinflussbar, dass mit einer raschen Besserung zu rechnen wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08). Von zentraler Bedeutung sind im Fall des Klägers daher die einhelligen ärztlichen Darlegungen, dass bei den Erkrankungen des Klägers auf psychischem Gebiet die Behandlungsoptionen bisher nicht genutzt sind und damit eindeutig noch nicht ausgeschöpft sind, weshalb ein nicht mehr beeinflussbarer Gesundheitszustand in dieser Hinsicht nicht bestanden hat und eine Rentengewährung nicht in Betracht kommt.
Dementsprechend lässt sich beim Kläger weder das Vorliegen von voller, noch von teilweiser Erwerbsminderung belegen und es besteht kein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist nicht geltend gemacht worden und eine darauf gestützte Rentengewährung würde auch nicht in Betracht kommen, da der Kläger auf Grund seines Geburtsjahrgangs nicht zu dem von § 240 Abs. 1 SGB VI erfassten Personenkreis gehört.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind nicht zu beanstanden und die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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