Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 389/14 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Nichtigkeitsklage des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 15.11.2011 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klageverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren über die Nichtigkeitsklage wird abgelehnt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 9 R 1534/09 anhängig gewesenen, durch Beschluss vom 15.11.2011 abgeschlossenen Berufungsverfahrens.
In dem Berufungsverfahren waren die Vormerkung weiterer Pflichtbeitragszeiten für Arbeiten während der Haft sowie höhere bzw. weitere Arbeitsentgelte für Beschäftigungszeiten und Zeiten des Bezugs von Leistungen der Agentur für Arbeit streitig. Der am 18.01.1975 geborene Kläger verbüßte u. a. vom 23.09.2001 bis 08.04.2004 eine Freiheitsstrafe. Mit Fax vom 29.7.2006 legte der Kläger eine Arbeitsbescheinigung der Justizvollzugsanstalt (JVA) B. /A ... K. vor, wonach für ihn (mit Unterbrechungen) für die Zeit vom 01.10.2002 bis 20.02.2004 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden. Mit Bescheid vom 02.08.2006 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest und führte aus, für die Beschäftigung in der JVA würden keine Beiträge abgeführt, so dass keine Beitragszeiten vorlägen. Hiergegen legte der Kläger am 05.08.2006 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf einen Rechtsstreit gegen die BfA (gemeint wohl: Bundesagentur für Arbeit - BA -), der zu weiteren Ansprüchen führen könne. Von der JVA seien Sozialabgaben einbehalten worden, so dass sie bei der Rentenversicherung zu berücksichtigen seien. Ferner machte er geltend, die Beiträge für Beschäftigungszeiten bei den Firmen S. N.l, DIS und ZAG seien nochmals zu überprüfen, da es nach arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Korrekturen bzw. Nachzahlungen gekommen sei. Daraufhin führte die Beklagte einen Abgleich des Versicherungsverlaufs mit den von der Krankenkasse gemeldeten Daten anhand der Betriebsprüferdatei für die Firmen S., DIS und ZAG durch. Anschließend wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2006 den Widerspruch zurück. Die hiergegen am 15.09.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage wurde mit Urteil vom 02.04.2009 abgewiesen. Die hiergegen am 02.04.2009 beim LSG eingelegte Berufung wies der erkennende Senat mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 15.11.2011 (a.a.O.) als unbegründet zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen. Der Beschluss wurde dem Kläger am 21.11.2011 zugestellt. Mit Beschluss vom 23.02.2012 lehnte das Bundessozialgericht (BSG) (B 5 R 38/11 BH) den Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, ab.
Mit Eingang beim LSG am 27.01.2014 hat der Kläger "Nichtigkeitsklagen nach § 579 ZPO" (Zivilprozessordnung) gegen die Urteile und Beschlüsse in zahlreichen beim Landessozialgericht geführten Verfahren erhoben, u. a. auch im vorliegenden Verfahren. In allen Verfahren hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie die Bestellung eines Prozesspflegers beantragt. Der Kläger trägt vor, der Sachverständige Prof. Dr. T. habe in seinem Gutachten vom 08.07.2013 für das LSG in dem Verfahren L 2 SF 3694/12 festgestellt, er – der Kläger – sei seit 2006 völliger Geisteskrankheit verfallen und prozessunfähig. Daraus folge, dass die Entscheidungen in den genannten Verfahren nichtig seien. Auch seien die damaligen Zustellungen unwirksam. Seine Prozessunfähigkeit führe jedoch nicht zur Unzulässigkeit der jetzigen Nichtigkeitsklagen.
Der Kläger beantragt bei sinngemäßer Auslegung,
das Urteil des Senats vom 15. November 2011 für nichtig zu erklären; außerdem das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. April 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2006 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, weitere Beschäftigungszeiten während der Haft als Beitragszeiten festzustellen und höhere Arbeitsentgelte für die Beschäftigung bei den Firmen S. N.l, ZAG und DIS sowie höhere Arbeitsentgelt seit 2004 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.
Der Senat hat zunächst – wie vom Kläger beantragt – das Gutachten von Prof. Dr. T. vom Institut für Psychiatrische Begutachtung vom 08.07.2013 aus der Akte des Verfahrens L 2 SF 3694/12 beigezogen. Ferner hat der Senat aus der Akte L 3 AL 2/14 beigezogen: • das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F.-P. vom 13.10.2010 in dem Verfahren 2 XVII 77/10 vor dem Amtsgericht Pforzheim, • das Gutachten der Fachärzte für Psychiatrie Dr. S. und S. vom 11.06.2012 in dem Verfahren KLs 91 Js 13476/10 AK 18/11 vor dem Landgericht (LG) Karlsruhe – Kammern Pforzheim –, • das weitere Gutachten derselben Ärzte vom 29.06.2012 in dem Verfahren 1 O 982/10 (2) vor dem LG Regensburg, • das Gutachten von Dr. V. vom 19.05.2014 in dem beim LG Karlsruhe anhängigen Verfahren 9 T 19/13. Auf diese Unterlagen, die dem Kläger bekannt sind und über deren Beiziehung der Senat die Beteiligten unterrichtet hat, wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren L 9 R 389/14 WA und L 9 R 1534/09 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Wiederaufnahmeantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger ist prozessfähig (1.). Der Antrag ist jedoch wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig (2.), darüber hinaus ist er unbegründet (3.).
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2015 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da er ordnungsgemäß gegen Postzustellungsurkunde vom 13.02.2015 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.
1. Der Senat konnte über die Wiederaufnahmeklagen entscheiden, ohne dass dem Kläger zuvor ein besonderer Vertreter zu bestellen gewesen wäre.
Die Bestellung eines besonderen Vertreters im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich nach § 72 Abs. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsitzende des zuständigen Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter einen besonderen Vertreter bestellen. Diese Vorschrift gilt - anders als der Wortlaut des § 57 Abs. 1 ZPO - auch für prozessunfähige Kläger. Prozessunfähig in diesem Sinne ist nach einem Umkehrschluss zu § 71 Abs. 1 ZPO, wer sich nicht durch Verträge verpflichten kann, also geschäftsunfähig im Sinne des bürgerlichen Rechts ist. Nach § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Für die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs. 1 SGG reicht es aus, wenn nicht ausräumbare Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beteiligten bestehen (Leitherer im Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., 2014, § 72 Rdnr. 2 m.w.N.).
Wenn allerdings der Rechtsbehelf eines Klägers oder sonstigen Beteiligten offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, kann der Vorsitzende des zuständigen Gerichts auch davon absehen, einen besonderen Vertreter zu bestellen, selbst wenn Zweifel an der Prozessfähigkeit verbleiben (Leitherer, a.a.O., § 72 Rdnr. 2c). In diesen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der besondere Vertreter die bisherige Prozessführung der möglicherweise prozessunfähigen Partei genehmigt (§ 184 Abs. 1 BGB), sodass der Rechtsbehelf am Ende ohnehin als unzulässig abzulehnen ist. An diese Ausnahme sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Es reicht daher nicht aus, dass dem fraglichen Rechtsbehelf keine hinreichenden Erfolgsaussichten zukommen (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2003, B 7 AL 216/02 B, Juris Rdnr. 10, m.w.N.).
Im Falle des Klägers liegt bereits die Eingangsvoraussetzung für die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht vor. Der Kläger war bei Erhebung der Wiederaufnahmeklagen prozessfähig und ist dies weiterhin. Nach Überzeugung des Senats war der Kläger weder bei Erhebung der Klage prozessunfähig, noch ist er dies heute. Bereits der 3. Senat des LSG hält in seinem Urteil vom 20.08.2014 (L 3 AL 2/14) den Kläger für prozessfähig und führt insoweit aus:
"Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat maßgeblich auf die Gutachten der Fachärzte für Psychiatrie Dr. S. und S. vom 29.06.2012 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. V. vom 19.05.2014. Diese Gutachten verwertet der Senat nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO als solche.
In beiden Gutachten haben die jeweils von Amts wegen bestellten Sachverständigen im Auftrage des LG Regensburg bzw. des LG Karlsruhe explizit die Prozess- und Geschäftsfähigkeit des Klägers untersucht. Die Sachverständigen S./S haben bei dem Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen (verschlüsselt als F61.0 der ICD-10, der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. deutsche Fassung 2014) diagnostiziert. Sie haben keine Psychose oder organisch bedingte Hirnschädigung festgestellt. Sie sind zu der Beurteilung gelangt, der Kläger sei weiterhin prozessfähig. Trotz der inzwischen vielen tausend Gerichtsverfahren in allen Rechtsgebieten, die der Kläger in den letzten Jahren eingeleitet habe, hätten sich bei der Begutachtung keine Hinweise ergeben, dass sich die eigenwilligen und teilweise akzentuierten Überzeugungen des Klägers in wahnhaft anmutender Weise verdichtet hätten und seine Fähigkeit, an Hand vernünftiger Überlegungen Entscheidungen zu treffen, dadurch beeinträchtigt sei. Die gleiche Diagnose (F61.0) hat Dr. V. in seinem aktuellen Gutachten vom 19.05.2014 gestellt, wobei er die Persönlichkeitsstörung des Klägers als Kombination narzisstischer, dissozialer und querulatorischer Anteile eingestuft hat. Auch er hat bei seiner Einschätzung, der Kläger sei prozessfähig, maßgeblich darauf abgestellt, dass keine wahnhaften Elemente vorhanden sind, dass der Kläger grundsätzlich durchaus in der Lage war, die Unverhältnismäßigkeit seines Verhaltens anzuerkennen und in Grenzen Einsicht zu zeigen. Er hat als Gründe für sein Verhalten nicht nur das abstrakte Beharren darauf, Recht zu behalten, angegeben, sondern auch Spaß und die Bekämpfung von Langeweile. Es sind also grundsätzlich normale, wenn auch in der Situation einer Prozessführung unangebrachte Motive vorhanden. Dr. V. hat abschließend und unter Hinweis auf anerkannte psychiatrische Literatur (u.a. Nedopil, Schuld- und Prozessunfähigkeit von Querulanten, 1985; ders., Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007) darauf hingewiesen, dass nicht jede Persönlichkeitsstörung nach der ICD-10 Krankheitswert hat und dazu führen muss, dass Prozessunfähigkeit anzunehmen sei. Dies sei nur der Fall, wenn wahnhafte Elemente vorhanden seien und der Betroffene überhaupt nicht mehr in der Lage sei, sein Tun zu steuern oder dessen Folgen, auch für sich, abzuschätzen. Solche wahnhaften Elemente hat der Sachverständige nicht gefunden und dem Kläger daher eine Persönlichkeitsstörung attestiert, aber keine - behandlungsfähige - Krankheit.
Diesen Feststellungen und Schlussfolgerungen der genannten Gutachter tritt der Senat bei. Die Gutachten betrafen konkret die Frage der Prozessfähigkeit des Klägers, während das Gutachten S./S. vom 11.06.2012 die Schuldfähigkeit des Klägers im Strafverfahren (§§ 20, 21 Strafgesetzbuch [StGB]) betroffen hatte und das Gutachten vom 13.10.2010 in einem Betreuungsverfahren nach §§ 1896 ff. BGB eingeholt worden war, also die Betreuungsbedürftigkeit und ggfs. die Geschäftsfähigkeit des Klägers betroffen hatte. Die Gutachten vom 29.06.2012 und 19.05.2014 beruhen auf zutreffenden Annahmen, ausreichenden Untersuchungen und sind nachvollziehbar begründet. Beiden Gutachten lagen persönliche Untersuchungen des Klägers zu Grunde: Die Sachverständigen S./S. konnten auf den Eindruck zurückgreifen, den sie als Teilnehmer der Hauptverhandlung des Strafprozesses von dem Kläger gewonnen hatten. Und Dr. V. hat den Kläger am 01. und am 08.03.2014 in der Justizvollzugsanstalt mehrere Stunden lang exploriert. Die Ergebnisse der beiden Gutachten werden gestützt durch das Gutachten von Dr. F.-P. vom 13.10.2010, die in dem damaligen Betreuungsverfahren vor dem AG Pforzheim lediglich akzentuierte Persönlichkeitszüge bei erhaltenen höheren psychischen Funktionen festgestellt und daher die Voraussetzungen einer rechtlichen Betreuung verneint hatte. Und der Senat erkennt in den Beschreibungen der Gutachter S./S. und V. seinen eigenen Eindruck von dem Kläger wieder: Der Kläger hat in den Jahren seit 2005 vor dem Landessozialgericht eine vierstellige Anzahl an Verfahren geführt, darunter viele Hundert vor dem erkennenden Senat. Der Senat hat ihn - in teilweise der gleichen Besetzung wie heute - bereits damals mehrfach in mündlichen Verhandlungen erlebt, darunter in jener vom 18.04.2012. Ebenso wie in der mündlichen Verhandlung am 20.08.2014 war es offenkundig, dass es dem Kläger nicht um die Sache geht, zumal er oft nicht mehr weiß, welchen Gegenstand ein bestimmtes Verfahren überhaupt hat, was allerdings bei der produzierten Masse an Verfahren nicht verwunderlich ist. Es war auch zu erkennen, dass es dem Kläger Freude bereitet, das LSG und die anderen betroffenen Gerichte quasi lahmzulegen. Aber seine Fähigkeit, im Rahmen dieses Interesses die zahlreichen Verfahren zielgerichtet zu verfolgen, ist nicht beeinträchtigt. Ebenso hat auch der Senat den Eindruck gewonnen, dass der Kläger durchaus in der Lage ist, im Rahmen des genannten Interesses auf die jeweilige prozessuale Situation zu reagieren, Angaben zu machen und sein Verhalten - prinzipiell - nach den Hinweisen und Anregungen des Gerichts auszurichten. So konnte er auf Nachfragen zu bestimmten Geschehnissen (Arbeitsverhältnissen, Vorstellungsgesprächen) inhaltlich antworten. Er war auch bereit, Berufungen zurückzunehmen, wenngleich die Gründe hierfür, insbesondere etwaige Unterschiede zu anderen Verfahren, für Außenstehende nicht erkennbar waren. Auch zuletzt zeigt sich weiterhin die verbliebene Fähigkeit des Klägers, formal sachangemessen zu handeln. So hat er in seinem Schriftsatz vom 28.06.2014, der inhaltlich das Verfahren vor dem LG Karlsruhe (9 T 19/13) und das dort erhobene Gutachten von Dr. V. betrifft, in einem Vorspann den Bezug zu den hier anhängigen Wiederaufnahmeklagen hergestellt und auf ein laufendes Verfahren vor dem Bundessozialgericht hingewiesen. Ferner hat der Kläger auch in der Verhandlung am 20.08.2014 Äußerungen zur Sache abgegeben und Anträge gestellt, die nicht als wirr eingestuft werden können.
Dagegen konnte der Senat nicht den Feststellungen und Schlussfolgerungen von Prof. Dr. T. in dem Gutachten vom 08.07.2013 folgen. Dieser Sachverständige hatte ebenfalls eine querulatorische und narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers festgestellt, aber gemeint, die verkrustete und verhärtete Willensstruktur des Klägers habe bereits seine Fähigkeit zur freien Willensbestimmung aufgehoben. Prof. Dr. T. musste sein Gutachten jedoch nach Aktenlage erstellen, während die später tätigen Sachverständigen S./S. und Vasic wie ausgeführt auf Untersuchungen des Klägers zurückgreifen konnten. Gegen Prof. Dr. T.s Gutachten ist auch einzuwenden, dass es im eigentlichen Sinne keine Diagnose nach den anerkannten Klassifikationssystemen (ICD-10 oder ggfs. DSM-V) enthält und seine Einschätzung, ein derartiges Gutachten könne ohne jede Exploration des Verhaltens des Probanden erstellt werden, Bedenken begegnet, weil die Feststellung einer Prozessunfähigkeit wegen ihrer weitreichenden Folgen die Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel verlangt (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urt. v. 08.12.2009, VI ZR 284/08, Juris Rn. 8 f.; vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschl. v. 19.08.2013, 1 BvR 577/13, Juris Rn. 12).
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass auch andere Gerichte den Kläger ausdrücklich für prozessfähig gehalten haben (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.01.2014, S. 4 ff.; BSG, Beschlüsse vom 05.12.2013, jeweils S. 3 letzter Absatz)."
Diesen überzeugenden Ausführungen des 3. Senats schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung der Gutachten uneingeschränkt an. Einen persönlichen Eindruck vom Kläger vermochte sich der erkennende Senat nicht zu verschaffen, da dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist.
Die Bestellung eines besonderen Vertreters scheidet im Übrigen bereits deshalb aus, weil die Wiederaufnahmeklage offensichtlich unzulässig ist.
2. Nichtigkeitsklagen nach § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 579 Abs. 1 ZPO finden grundsätzlich nur gegen Urteile statt. Dies ergibt sich deutlich aus den Formulierungen zur Zuständigkeit in § 584 Abs. 1 ZPO. Ferner muss es sich um Urteile handeln, die eine Instanz beendet haben, also um Endurteile (§ 300 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen werden Prozess- und Sachurteile gleichermaßen erfasst. Aufgrund der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens kann hier eine Nichtigkeitsklage auch gegen Gerichtsbescheide (§ 105 Abs. 1 SGG) sowie gegen rechtskräftige bzw. nicht anfechtbare Beschlüsse erhoben werden, soweit diese auf einer Sachprüfung beruhen und die Instanz abschließen und grundsätzlich der (materiellen) Rechtskraft fähig sind. Dies sind im Wesentlichen Beschlüsse im Berufungsverfahren nach § 153 Abs. 4 SGG oder § 158 Satz 1 SGG (Leitherer, a.a.O., § 179 Rdnr. 3).
Die Klage richtet sich gegen den Beschluss des Senats vom 15.11.2011, der tauglicher Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens sein kann.
Der Senat ist auch instanziell für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage zuständig, da er mit Beschluss 15.11.2011 die damalige Berufung des Klägers in der Sache geprüft und zurückgewiesen hat.
Der Wiederaufnahmeklage des Klägers fehlt aber das Rechtschutzinteresse, sie verfolgt keine rechtlich schutzwürdigen Interessen. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 02.05.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 [58]). Gleichwohl kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden (vgl. dazu nur BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 – 2 BvR 1337/00 – BVerfGE 104, 220 [232] m.w.N.). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (vgl. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Kläger, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenüber gestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R – BSGE 111, 234 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 51 Rdnrn. 16a, 19).
Im Rechtsmittelverfahren muss das Rechtsschutzbedürfnis (oder -interesse) im Regelfall nicht als besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geprüft werden. Im Allgemeinen ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis ohne Weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist; denn mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R – BSGE 111, 234). Allerdings gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (hierzu etwa BSG, Urteil vom 08.05.2007 – B 2 U 3/06 R – SozR 4-2700 § 136 Nr. 3 Rdnr. 13). Trotz Vorliegens der Beschwer kann deshalb in seltenen Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, insbesondere wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R – BSGE 111, 234).
Vor diesem Hintergrund fehlt für die Wiederaufnahmeklage des Klägers das Rechtschutzinteresse. Der Kläger überzieht schon seit Jahren neben anderen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mit einer Vielzahl von Verfahren. Nach dem Eindruck der Gutachter Dr. S. und S. in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe (im Rahmen derer sie den Kläger beobachten konnten) und unter Berücksichtigung der zahlreichen von ihm geführten Verfahren ist beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer ausgeprägten querulatorischen Entwicklung auszugehen. Dies würde nach Auffassung der Gutachter Dr. S. und S. implizieren, dass die vom Kläger geführten Verfahren nicht primär einer sachlichen Klärung von rechtlich strittigen Sachverhalten dienten, sondern in starkem Maße Ausdruck eines starken Bedürfnisses nach Geltung und Anerkennung im Sinne der Kompensation eines primär geringen Selbstwertgefühls seien (insoweit im gleichen Sinne auch Prof. Dr. T.). D.h. mit anderen Worten, dass der Kläger bezüglich einzelner Verfahren kein an der Sache mehr bestehendes Interesse hat. Gegenüber Dr. V. hat der Kläger selbst angegeben, dass es ihm Spaß mache, Verfahren zu führen. Auch habe er sich zuletzt bei den Sozialgerichten nicht mehr mit der Sache befasst. Als Dr. V. den Kläger damit konfrontierte, dass bei vielen Verfahren der Nutzen am Ende gering sei, gab der Kläger ihm Recht. Er verstehe auch, dass es den Richtern lästig werde, ihm werde es auch manchmal lästig. Er gab auch an, dass kein Bedarf mehr bestehen würde, so viel zu prozessieren, wenn er Arbeit hätte. Dr. S. und S. kommen in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, die Verfahren dienen dem Kläger alleine dazu, seinen Minderwertigkeitskomplex (basal unsichere Persönlichkeit, so Dr. S ... und S.) dadurch zu kompensieren bzw. sein Selbstwertgefühl dadurch zu steigern, indem er auf vermeintlicher "Augenhöhe" mit einer Vielzahl von Gerichten und Richtern kommuniziert. Die beim LSG und beim SG teilweise blockweise erhobenen und mit einer stereotypen Begründung versehenen Verfahren und Wiederaufnahmeverfahren (und damit auch das hier im Senat konkret anhängige Verfahren) dienen vor diesem Hintergrund zur Überzeugung des Senates in keiner Weise mehr der Verfolgung eines auch nur ansatzweise bestehenden berechtigten (konkret-individuellen) Begehrens. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger hier geltend macht, seit 2006 prozessunfähig zu sein und sich hierbei alleine auf das vom 2. Senat in dem Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer eingeholte Gutachten von Prof. Dr. Täschner vom 08.07.2013 stützt, wohingegen er in den ebenfalls beim LSG geführten Entschädigungsverfahren umgekehrt seine Prozessfähigkeit behauptet.
3. Selbst wenn ein Rechtschutzinteresse bejaht werden sollte, ist die Wiederaufnahmeklage unbegründet. Ein Wiederaufnahmegrund liegt nicht vor. Der Kläger macht als Wiederaufnahmegrund lediglich geltend, im Ausgangsverfahren prozessunfähig und daher nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen zu sein. Dies trifft jedoch, wie ausgeführt, nicht zu. Der Kläger war in dem damaligen Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat nicht prozessunfähig, sodass die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG auch damals nicht notwendig war. Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Die in den Gutachten Dr. S. und S. und Dr. V. diagnostizierte Persönlichkeitsstörung besteht seit langem, ohne dass sich Veränderungen ergeben haben. Der Kläger ist heute nicht prozessunfähig und war es damals auch nicht.
4. Der Antrag des Klägers, ihm für das Nichtigkeitsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, war mangels hinreichender Erfolgsaussichten nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO abzulehnen. Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, ausgehend vom Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 04.12.2007 - B 2 U 165/06 B - und Beschluss vom 25.07.2013 - B 14 AS 101/13 B -, Juris).
Die Entscheidung über die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Klageverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren über die Nichtigkeitsklage wird abgelehnt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 9 R 1534/09 anhängig gewesenen, durch Beschluss vom 15.11.2011 abgeschlossenen Berufungsverfahrens.
In dem Berufungsverfahren waren die Vormerkung weiterer Pflichtbeitragszeiten für Arbeiten während der Haft sowie höhere bzw. weitere Arbeitsentgelte für Beschäftigungszeiten und Zeiten des Bezugs von Leistungen der Agentur für Arbeit streitig. Der am 18.01.1975 geborene Kläger verbüßte u. a. vom 23.09.2001 bis 08.04.2004 eine Freiheitsstrafe. Mit Fax vom 29.7.2006 legte der Kläger eine Arbeitsbescheinigung der Justizvollzugsanstalt (JVA) B. /A ... K. vor, wonach für ihn (mit Unterbrechungen) für die Zeit vom 01.10.2002 bis 20.02.2004 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden. Mit Bescheid vom 02.08.2006 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest und führte aus, für die Beschäftigung in der JVA würden keine Beiträge abgeführt, so dass keine Beitragszeiten vorlägen. Hiergegen legte der Kläger am 05.08.2006 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf einen Rechtsstreit gegen die BfA (gemeint wohl: Bundesagentur für Arbeit - BA -), der zu weiteren Ansprüchen führen könne. Von der JVA seien Sozialabgaben einbehalten worden, so dass sie bei der Rentenversicherung zu berücksichtigen seien. Ferner machte er geltend, die Beiträge für Beschäftigungszeiten bei den Firmen S. N.l, DIS und ZAG seien nochmals zu überprüfen, da es nach arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Korrekturen bzw. Nachzahlungen gekommen sei. Daraufhin führte die Beklagte einen Abgleich des Versicherungsverlaufs mit den von der Krankenkasse gemeldeten Daten anhand der Betriebsprüferdatei für die Firmen S., DIS und ZAG durch. Anschließend wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2006 den Widerspruch zurück. Die hiergegen am 15.09.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage wurde mit Urteil vom 02.04.2009 abgewiesen. Die hiergegen am 02.04.2009 beim LSG eingelegte Berufung wies der erkennende Senat mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 15.11.2011 (a.a.O.) als unbegründet zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen. Der Beschluss wurde dem Kläger am 21.11.2011 zugestellt. Mit Beschluss vom 23.02.2012 lehnte das Bundessozialgericht (BSG) (B 5 R 38/11 BH) den Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, ab.
Mit Eingang beim LSG am 27.01.2014 hat der Kläger "Nichtigkeitsklagen nach § 579 ZPO" (Zivilprozessordnung) gegen die Urteile und Beschlüsse in zahlreichen beim Landessozialgericht geführten Verfahren erhoben, u. a. auch im vorliegenden Verfahren. In allen Verfahren hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie die Bestellung eines Prozesspflegers beantragt. Der Kläger trägt vor, der Sachverständige Prof. Dr. T. habe in seinem Gutachten vom 08.07.2013 für das LSG in dem Verfahren L 2 SF 3694/12 festgestellt, er – der Kläger – sei seit 2006 völliger Geisteskrankheit verfallen und prozessunfähig. Daraus folge, dass die Entscheidungen in den genannten Verfahren nichtig seien. Auch seien die damaligen Zustellungen unwirksam. Seine Prozessunfähigkeit führe jedoch nicht zur Unzulässigkeit der jetzigen Nichtigkeitsklagen.
Der Kläger beantragt bei sinngemäßer Auslegung,
das Urteil des Senats vom 15. November 2011 für nichtig zu erklären; außerdem das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. April 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2006 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, weitere Beschäftigungszeiten während der Haft als Beitragszeiten festzustellen und höhere Arbeitsentgelte für die Beschäftigung bei den Firmen S. N.l, ZAG und DIS sowie höhere Arbeitsentgelt seit 2004 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.
Der Senat hat zunächst – wie vom Kläger beantragt – das Gutachten von Prof. Dr. T. vom Institut für Psychiatrische Begutachtung vom 08.07.2013 aus der Akte des Verfahrens L 2 SF 3694/12 beigezogen. Ferner hat der Senat aus der Akte L 3 AL 2/14 beigezogen: • das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F.-P. vom 13.10.2010 in dem Verfahren 2 XVII 77/10 vor dem Amtsgericht Pforzheim, • das Gutachten der Fachärzte für Psychiatrie Dr. S. und S. vom 11.06.2012 in dem Verfahren KLs 91 Js 13476/10 AK 18/11 vor dem Landgericht (LG) Karlsruhe – Kammern Pforzheim –, • das weitere Gutachten derselben Ärzte vom 29.06.2012 in dem Verfahren 1 O 982/10 (2) vor dem LG Regensburg, • das Gutachten von Dr. V. vom 19.05.2014 in dem beim LG Karlsruhe anhängigen Verfahren 9 T 19/13. Auf diese Unterlagen, die dem Kläger bekannt sind und über deren Beiziehung der Senat die Beteiligten unterrichtet hat, wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren L 9 R 389/14 WA und L 9 R 1534/09 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Wiederaufnahmeantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger ist prozessfähig (1.). Der Antrag ist jedoch wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig (2.), darüber hinaus ist er unbegründet (3.).
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2015 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da er ordnungsgemäß gegen Postzustellungsurkunde vom 13.02.2015 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.
1. Der Senat konnte über die Wiederaufnahmeklagen entscheiden, ohne dass dem Kläger zuvor ein besonderer Vertreter zu bestellen gewesen wäre.
Die Bestellung eines besonderen Vertreters im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich nach § 72 Abs. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsitzende des zuständigen Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter einen besonderen Vertreter bestellen. Diese Vorschrift gilt - anders als der Wortlaut des § 57 Abs. 1 ZPO - auch für prozessunfähige Kläger. Prozessunfähig in diesem Sinne ist nach einem Umkehrschluss zu § 71 Abs. 1 ZPO, wer sich nicht durch Verträge verpflichten kann, also geschäftsunfähig im Sinne des bürgerlichen Rechts ist. Nach § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Für die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs. 1 SGG reicht es aus, wenn nicht ausräumbare Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beteiligten bestehen (Leitherer im Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., 2014, § 72 Rdnr. 2 m.w.N.).
Wenn allerdings der Rechtsbehelf eines Klägers oder sonstigen Beteiligten offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, kann der Vorsitzende des zuständigen Gerichts auch davon absehen, einen besonderen Vertreter zu bestellen, selbst wenn Zweifel an der Prozessfähigkeit verbleiben (Leitherer, a.a.O., § 72 Rdnr. 2c). In diesen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der besondere Vertreter die bisherige Prozessführung der möglicherweise prozessunfähigen Partei genehmigt (§ 184 Abs. 1 BGB), sodass der Rechtsbehelf am Ende ohnehin als unzulässig abzulehnen ist. An diese Ausnahme sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Es reicht daher nicht aus, dass dem fraglichen Rechtsbehelf keine hinreichenden Erfolgsaussichten zukommen (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2003, B 7 AL 216/02 B, Juris Rdnr. 10, m.w.N.).
Im Falle des Klägers liegt bereits die Eingangsvoraussetzung für die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht vor. Der Kläger war bei Erhebung der Wiederaufnahmeklagen prozessfähig und ist dies weiterhin. Nach Überzeugung des Senats war der Kläger weder bei Erhebung der Klage prozessunfähig, noch ist er dies heute. Bereits der 3. Senat des LSG hält in seinem Urteil vom 20.08.2014 (L 3 AL 2/14) den Kläger für prozessfähig und führt insoweit aus:
"Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat maßgeblich auf die Gutachten der Fachärzte für Psychiatrie Dr. S. und S. vom 29.06.2012 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. V. vom 19.05.2014. Diese Gutachten verwertet der Senat nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO als solche.
In beiden Gutachten haben die jeweils von Amts wegen bestellten Sachverständigen im Auftrage des LG Regensburg bzw. des LG Karlsruhe explizit die Prozess- und Geschäftsfähigkeit des Klägers untersucht. Die Sachverständigen S./S haben bei dem Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen (verschlüsselt als F61.0 der ICD-10, der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. deutsche Fassung 2014) diagnostiziert. Sie haben keine Psychose oder organisch bedingte Hirnschädigung festgestellt. Sie sind zu der Beurteilung gelangt, der Kläger sei weiterhin prozessfähig. Trotz der inzwischen vielen tausend Gerichtsverfahren in allen Rechtsgebieten, die der Kläger in den letzten Jahren eingeleitet habe, hätten sich bei der Begutachtung keine Hinweise ergeben, dass sich die eigenwilligen und teilweise akzentuierten Überzeugungen des Klägers in wahnhaft anmutender Weise verdichtet hätten und seine Fähigkeit, an Hand vernünftiger Überlegungen Entscheidungen zu treffen, dadurch beeinträchtigt sei. Die gleiche Diagnose (F61.0) hat Dr. V. in seinem aktuellen Gutachten vom 19.05.2014 gestellt, wobei er die Persönlichkeitsstörung des Klägers als Kombination narzisstischer, dissozialer und querulatorischer Anteile eingestuft hat. Auch er hat bei seiner Einschätzung, der Kläger sei prozessfähig, maßgeblich darauf abgestellt, dass keine wahnhaften Elemente vorhanden sind, dass der Kläger grundsätzlich durchaus in der Lage war, die Unverhältnismäßigkeit seines Verhaltens anzuerkennen und in Grenzen Einsicht zu zeigen. Er hat als Gründe für sein Verhalten nicht nur das abstrakte Beharren darauf, Recht zu behalten, angegeben, sondern auch Spaß und die Bekämpfung von Langeweile. Es sind also grundsätzlich normale, wenn auch in der Situation einer Prozessführung unangebrachte Motive vorhanden. Dr. V. hat abschließend und unter Hinweis auf anerkannte psychiatrische Literatur (u.a. Nedopil, Schuld- und Prozessunfähigkeit von Querulanten, 1985; ders., Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007) darauf hingewiesen, dass nicht jede Persönlichkeitsstörung nach der ICD-10 Krankheitswert hat und dazu führen muss, dass Prozessunfähigkeit anzunehmen sei. Dies sei nur der Fall, wenn wahnhafte Elemente vorhanden seien und der Betroffene überhaupt nicht mehr in der Lage sei, sein Tun zu steuern oder dessen Folgen, auch für sich, abzuschätzen. Solche wahnhaften Elemente hat der Sachverständige nicht gefunden und dem Kläger daher eine Persönlichkeitsstörung attestiert, aber keine - behandlungsfähige - Krankheit.
Diesen Feststellungen und Schlussfolgerungen der genannten Gutachter tritt der Senat bei. Die Gutachten betrafen konkret die Frage der Prozessfähigkeit des Klägers, während das Gutachten S./S. vom 11.06.2012 die Schuldfähigkeit des Klägers im Strafverfahren (§§ 20, 21 Strafgesetzbuch [StGB]) betroffen hatte und das Gutachten vom 13.10.2010 in einem Betreuungsverfahren nach §§ 1896 ff. BGB eingeholt worden war, also die Betreuungsbedürftigkeit und ggfs. die Geschäftsfähigkeit des Klägers betroffen hatte. Die Gutachten vom 29.06.2012 und 19.05.2014 beruhen auf zutreffenden Annahmen, ausreichenden Untersuchungen und sind nachvollziehbar begründet. Beiden Gutachten lagen persönliche Untersuchungen des Klägers zu Grunde: Die Sachverständigen S./S. konnten auf den Eindruck zurückgreifen, den sie als Teilnehmer der Hauptverhandlung des Strafprozesses von dem Kläger gewonnen hatten. Und Dr. V. hat den Kläger am 01. und am 08.03.2014 in der Justizvollzugsanstalt mehrere Stunden lang exploriert. Die Ergebnisse der beiden Gutachten werden gestützt durch das Gutachten von Dr. F.-P. vom 13.10.2010, die in dem damaligen Betreuungsverfahren vor dem AG Pforzheim lediglich akzentuierte Persönlichkeitszüge bei erhaltenen höheren psychischen Funktionen festgestellt und daher die Voraussetzungen einer rechtlichen Betreuung verneint hatte. Und der Senat erkennt in den Beschreibungen der Gutachter S./S. und V. seinen eigenen Eindruck von dem Kläger wieder: Der Kläger hat in den Jahren seit 2005 vor dem Landessozialgericht eine vierstellige Anzahl an Verfahren geführt, darunter viele Hundert vor dem erkennenden Senat. Der Senat hat ihn - in teilweise der gleichen Besetzung wie heute - bereits damals mehrfach in mündlichen Verhandlungen erlebt, darunter in jener vom 18.04.2012. Ebenso wie in der mündlichen Verhandlung am 20.08.2014 war es offenkundig, dass es dem Kläger nicht um die Sache geht, zumal er oft nicht mehr weiß, welchen Gegenstand ein bestimmtes Verfahren überhaupt hat, was allerdings bei der produzierten Masse an Verfahren nicht verwunderlich ist. Es war auch zu erkennen, dass es dem Kläger Freude bereitet, das LSG und die anderen betroffenen Gerichte quasi lahmzulegen. Aber seine Fähigkeit, im Rahmen dieses Interesses die zahlreichen Verfahren zielgerichtet zu verfolgen, ist nicht beeinträchtigt. Ebenso hat auch der Senat den Eindruck gewonnen, dass der Kläger durchaus in der Lage ist, im Rahmen des genannten Interesses auf die jeweilige prozessuale Situation zu reagieren, Angaben zu machen und sein Verhalten - prinzipiell - nach den Hinweisen und Anregungen des Gerichts auszurichten. So konnte er auf Nachfragen zu bestimmten Geschehnissen (Arbeitsverhältnissen, Vorstellungsgesprächen) inhaltlich antworten. Er war auch bereit, Berufungen zurückzunehmen, wenngleich die Gründe hierfür, insbesondere etwaige Unterschiede zu anderen Verfahren, für Außenstehende nicht erkennbar waren. Auch zuletzt zeigt sich weiterhin die verbliebene Fähigkeit des Klägers, formal sachangemessen zu handeln. So hat er in seinem Schriftsatz vom 28.06.2014, der inhaltlich das Verfahren vor dem LG Karlsruhe (9 T 19/13) und das dort erhobene Gutachten von Dr. V. betrifft, in einem Vorspann den Bezug zu den hier anhängigen Wiederaufnahmeklagen hergestellt und auf ein laufendes Verfahren vor dem Bundessozialgericht hingewiesen. Ferner hat der Kläger auch in der Verhandlung am 20.08.2014 Äußerungen zur Sache abgegeben und Anträge gestellt, die nicht als wirr eingestuft werden können.
Dagegen konnte der Senat nicht den Feststellungen und Schlussfolgerungen von Prof. Dr. T. in dem Gutachten vom 08.07.2013 folgen. Dieser Sachverständige hatte ebenfalls eine querulatorische und narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers festgestellt, aber gemeint, die verkrustete und verhärtete Willensstruktur des Klägers habe bereits seine Fähigkeit zur freien Willensbestimmung aufgehoben. Prof. Dr. T. musste sein Gutachten jedoch nach Aktenlage erstellen, während die später tätigen Sachverständigen S./S. und Vasic wie ausgeführt auf Untersuchungen des Klägers zurückgreifen konnten. Gegen Prof. Dr. T.s Gutachten ist auch einzuwenden, dass es im eigentlichen Sinne keine Diagnose nach den anerkannten Klassifikationssystemen (ICD-10 oder ggfs. DSM-V) enthält und seine Einschätzung, ein derartiges Gutachten könne ohne jede Exploration des Verhaltens des Probanden erstellt werden, Bedenken begegnet, weil die Feststellung einer Prozessunfähigkeit wegen ihrer weitreichenden Folgen die Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel verlangt (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urt. v. 08.12.2009, VI ZR 284/08, Juris Rn. 8 f.; vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschl. v. 19.08.2013, 1 BvR 577/13, Juris Rn. 12).
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass auch andere Gerichte den Kläger ausdrücklich für prozessfähig gehalten haben (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.01.2014, S. 4 ff.; BSG, Beschlüsse vom 05.12.2013, jeweils S. 3 letzter Absatz)."
Diesen überzeugenden Ausführungen des 3. Senats schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung der Gutachten uneingeschränkt an. Einen persönlichen Eindruck vom Kläger vermochte sich der erkennende Senat nicht zu verschaffen, da dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist.
Die Bestellung eines besonderen Vertreters scheidet im Übrigen bereits deshalb aus, weil die Wiederaufnahmeklage offensichtlich unzulässig ist.
2. Nichtigkeitsklagen nach § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 579 Abs. 1 ZPO finden grundsätzlich nur gegen Urteile statt. Dies ergibt sich deutlich aus den Formulierungen zur Zuständigkeit in § 584 Abs. 1 ZPO. Ferner muss es sich um Urteile handeln, die eine Instanz beendet haben, also um Endurteile (§ 300 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen werden Prozess- und Sachurteile gleichermaßen erfasst. Aufgrund der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens kann hier eine Nichtigkeitsklage auch gegen Gerichtsbescheide (§ 105 Abs. 1 SGG) sowie gegen rechtskräftige bzw. nicht anfechtbare Beschlüsse erhoben werden, soweit diese auf einer Sachprüfung beruhen und die Instanz abschließen und grundsätzlich der (materiellen) Rechtskraft fähig sind. Dies sind im Wesentlichen Beschlüsse im Berufungsverfahren nach § 153 Abs. 4 SGG oder § 158 Satz 1 SGG (Leitherer, a.a.O., § 179 Rdnr. 3).
Die Klage richtet sich gegen den Beschluss des Senats vom 15.11.2011, der tauglicher Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens sein kann.
Der Senat ist auch instanziell für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage zuständig, da er mit Beschluss 15.11.2011 die damalige Berufung des Klägers in der Sache geprüft und zurückgewiesen hat.
Der Wiederaufnahmeklage des Klägers fehlt aber das Rechtschutzinteresse, sie verfolgt keine rechtlich schutzwürdigen Interessen. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 02.05.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 [58]). Gleichwohl kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden (vgl. dazu nur BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 – 2 BvR 1337/00 – BVerfGE 104, 220 [232] m.w.N.). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (vgl. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Kläger, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenüber gestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R – BSGE 111, 234 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 51 Rdnrn. 16a, 19).
Im Rechtsmittelverfahren muss das Rechtsschutzbedürfnis (oder -interesse) im Regelfall nicht als besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geprüft werden. Im Allgemeinen ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis ohne Weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist; denn mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R – BSGE 111, 234). Allerdings gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (hierzu etwa BSG, Urteil vom 08.05.2007 – B 2 U 3/06 R – SozR 4-2700 § 136 Nr. 3 Rdnr. 13). Trotz Vorliegens der Beschwer kann deshalb in seltenen Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, insbesondere wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R – BSGE 111, 234).
Vor diesem Hintergrund fehlt für die Wiederaufnahmeklage des Klägers das Rechtschutzinteresse. Der Kläger überzieht schon seit Jahren neben anderen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mit einer Vielzahl von Verfahren. Nach dem Eindruck der Gutachter Dr. S. und S. in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe (im Rahmen derer sie den Kläger beobachten konnten) und unter Berücksichtigung der zahlreichen von ihm geführten Verfahren ist beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer ausgeprägten querulatorischen Entwicklung auszugehen. Dies würde nach Auffassung der Gutachter Dr. S. und S. implizieren, dass die vom Kläger geführten Verfahren nicht primär einer sachlichen Klärung von rechtlich strittigen Sachverhalten dienten, sondern in starkem Maße Ausdruck eines starken Bedürfnisses nach Geltung und Anerkennung im Sinne der Kompensation eines primär geringen Selbstwertgefühls seien (insoweit im gleichen Sinne auch Prof. Dr. T.). D.h. mit anderen Worten, dass der Kläger bezüglich einzelner Verfahren kein an der Sache mehr bestehendes Interesse hat. Gegenüber Dr. V. hat der Kläger selbst angegeben, dass es ihm Spaß mache, Verfahren zu führen. Auch habe er sich zuletzt bei den Sozialgerichten nicht mehr mit der Sache befasst. Als Dr. V. den Kläger damit konfrontierte, dass bei vielen Verfahren der Nutzen am Ende gering sei, gab der Kläger ihm Recht. Er verstehe auch, dass es den Richtern lästig werde, ihm werde es auch manchmal lästig. Er gab auch an, dass kein Bedarf mehr bestehen würde, so viel zu prozessieren, wenn er Arbeit hätte. Dr. S. und S. kommen in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, die Verfahren dienen dem Kläger alleine dazu, seinen Minderwertigkeitskomplex (basal unsichere Persönlichkeit, so Dr. S ... und S.) dadurch zu kompensieren bzw. sein Selbstwertgefühl dadurch zu steigern, indem er auf vermeintlicher "Augenhöhe" mit einer Vielzahl von Gerichten und Richtern kommuniziert. Die beim LSG und beim SG teilweise blockweise erhobenen und mit einer stereotypen Begründung versehenen Verfahren und Wiederaufnahmeverfahren (und damit auch das hier im Senat konkret anhängige Verfahren) dienen vor diesem Hintergrund zur Überzeugung des Senates in keiner Weise mehr der Verfolgung eines auch nur ansatzweise bestehenden berechtigten (konkret-individuellen) Begehrens. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger hier geltend macht, seit 2006 prozessunfähig zu sein und sich hierbei alleine auf das vom 2. Senat in dem Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer eingeholte Gutachten von Prof. Dr. Täschner vom 08.07.2013 stützt, wohingegen er in den ebenfalls beim LSG geführten Entschädigungsverfahren umgekehrt seine Prozessfähigkeit behauptet.
3. Selbst wenn ein Rechtschutzinteresse bejaht werden sollte, ist die Wiederaufnahmeklage unbegründet. Ein Wiederaufnahmegrund liegt nicht vor. Der Kläger macht als Wiederaufnahmegrund lediglich geltend, im Ausgangsverfahren prozessunfähig und daher nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen zu sein. Dies trifft jedoch, wie ausgeführt, nicht zu. Der Kläger war in dem damaligen Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat nicht prozessunfähig, sodass die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG auch damals nicht notwendig war. Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Die in den Gutachten Dr. S. und S. und Dr. V. diagnostizierte Persönlichkeitsstörung besteht seit langem, ohne dass sich Veränderungen ergeben haben. Der Kläger ist heute nicht prozessunfähig und war es damals auch nicht.
4. Der Antrag des Klägers, ihm für das Nichtigkeitsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, war mangels hinreichender Erfolgsaussichten nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO abzulehnen. Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, ausgehend vom Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 04.12.2007 - B 2 U 165/06 B - und Beschluss vom 25.07.2013 - B 14 AS 101/13 B -, Juris).
Die Entscheidung über die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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