L 8 U 3518/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2216/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3518/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.06.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls am 06.11.2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zusteht.

Der 1953 geborene Kläger stürzte am 06.11.2007 auf dem Heimweg von der Arbeit mit seinem Fahrrad und zog sich hierbei eine Schultereckgelenksprengung (Acromioclavikular-, AC-gelenk) rechts, eine Schädelprellung, Schürfwunden rechts und eine Risswunde rechts am Unterschenkel mit Unterschenkelkontusion rechts zu (Durchgangsarztbericht von Chefarzt Dr. W., O. Klinikum, vom 07.11.2007). Der Kläger wurde stationär vom 06.11.2007 bis 09.11.2007 in der Chirurgischen Klinik des O. Klinikums behandelt, wo am 07.11.2007 eine geschlossene Reposition und eine temporäre Kirschnerdraht-Arthrodese des rechten Schultergelenks vorgenommen wurde (Zwischenbericht des O. Klinikums vom 03.01.2008). Vom 23.01.2008 bis 15.02.2008 wurde eine Belastungserprobung am Arbeitsplatz durchgeführt (ärztliche Vorschlag von Dr. W. vom 22.01.2008 und 11.02.2008, Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 23.01.2008). Am 15.02.2008 wurde der Kläger aus der ambulanten Behandlung entlassen, Arbeitsfähigkeit trat ab 18.02.2008 ein (Mitteilung des D-/H-Arztes Chefarzt Dr. W. vom 15.02.2008).

Das wegen zunehmender Beschwerden veranlasste Kernspintomogramm am 19.08.2009 ergab eine erneute Instabilität des AC-Gelenkes rechts (Zwischenbericht von Dr. W. vom 26.08.2009, MRT-Befund des radiologischen Instituts B. vom 19.08.2009), die bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit konservativ behandelt wurde. Heilverfahrenskontrollen in der Berufsgenossen-schaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) L. bestätigten das diagnostizierte Klaviertastenphänomen am rechten Schultergelenk mit einer Schultergelenksbeweglichkeit Abduktion/Anteversion 170°-180° ohne Kraftdefizite der Rotatorenmanschette und ohne peripheres neurologisches Defizit (Bericht der BG-Klinik vom 30.12.2009) bzw. guter Schulterfunktion mit Abduktion von 170°, Innenrotation 80° und Außenrotation 30° bei Krepitation des Schultereckgelenkes rechts (Bericht der BG-Klinik vom 03.04.2012), wobei davon ausgegangen wurde, dass eine Instabilität und Schmerzhaftigkeit verbleiben würden.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2012 Verletztenrente wegen des Unfalls. Das daraufhin von der Beklagten veranlasste chirurgische Gutachten von Dr. W. vom 27.06.2012 beschrieb eine Instabilität im Bereich des rechten AC-Gelenks mit eingeschränkter Aktivitätsmöglichkeiten, insbesondere könnten Überkopf-Arbeiten nicht mehr verrichtet werden. Die Kraft des rechten Armes sei vorhanden, es bestehe jedoch eine Einschränkung bei Mehrbelastung des rechten Arms. Die Schulterbeweglichkeit wurde für die Armhebung seitwärts/körperwärts mit 120/0/30 rechts und 150/0/30 links angegeben. Die unfallbedingte MdE wurde auf 20 v.H. eingeschätzt.

In der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 09.08.2012 wurden die gegenüber der in der BG-Klinik 4 Monate zuvor erhobene Beweglichkeit verschlechterten Bewegungsmaße, insbesondere auch hinsichtlich des nicht unfallbetroffenen linken Schultergelenks, bezweifelt. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. W. mit (Zwischenbericht vom 28.08.2012), beim Kläger habe infolge einer nicht "BG-lichen Arthroskopie links vor ca. 10 Tagen" eine Teilbelastung stattgefunden, das zu verstärken Schulterbeschwerden rechts geführt habe. Als aktuelle Bewegungsmaße waren für die Schulterbeweglichkeit beim Heben seitwärts/körperwärts 120°/0/20° rechts und 170°/0/25° links angegeben.

Gestützt auf die weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 20.09.2012 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2012 die Gewährung einer Rente ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 23.10.2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 zurück-gewiesen.

Der Kläger erhob am 14.05.2013 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG), das von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. C. vom 30.07.2013 einholte. Darin wurde die Schulterbeweglichkeit mit Abspreizung/Anspreizung mit 130°/0/130° (gemeint 130°/0/30°) links und 125°/0/30° rechts angegeben und die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. bewertet. Das auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2014 kam zu dem Ergebnis, dass die MdE 20 v.H. betrage. Dr. S. stützte seine Einschätzung darauf, dass der Kläger eindeutig über Schmerzen klage und eine Schmerzmitteleinnahme mit ein- bis zweimal pro Woche vorliege. Entgegen der im Gutachten von Prof. Dr. C. vertretenen Auffassung bestünden auch Schonungsanzeichen. Die seitengleiche Bemuskelung der Ober- und Unterarme sei dadurch zu erklären, dass der Kläger Rechtshänder sei und daher davon auszugehen sei, dass die rechte Extremität vor dem Unfall stärker ausgeprägt als die linke gewesen sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 23.02.2014 vor, zu der Dr. S. sich unter dem 28.03.2014 ergänzend äußerte.

Mit Urteil vom 25.06.2014 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, Prof. Dr. C. habe die unfallbedingte MdE auf 10 v.H. eingeschätzt. Hiervon abweichend halte die Kammer eine zwar über 10 v.H., aber auch unter 20 v.H. liegende MdE um 15 v.H. für angemessen. Nach den Erfahrungswerten sei für eine Armvorhebung bis 120° eine MdE um 10 v.H. vorgesehen, gelte aber ausdrücklich bei freier Drehbeweglichkeit, die beim Kläger nicht mehr gegeben sei. Andererseits werde eine mit einer MdE um 20 v.H. bemessene Beeinträchtigung, die bei Abspreizung oder Vorhebung auf max. 90° gegeben sei, nicht erreicht. Die schmerzhafte Gelenkinstabilität lasse ebenfalls eine MdE um lediglich 10 v.H. zu gering erscheinen, denn das Klaviertastenphänomen stelle einen besonderen schmerzverursachenden Faktor dar, der nicht regelmäßig gegeben oder mit den verursachten Funktionseinschränkungen des Schultergelenks zwingend verbunden sei. Eine MdE um 20 v.H. sei trotzdem nicht zu begründen, denn von einer wesentlich schmerzbedingten Schonung könne nicht ausgegangen werden. Auch die vom Kläger in der Sitzung der Kammer geschilderten weiteren Beeinträchtigungen bei komplexen oder kraftvollen Schulterbewegungen, wie z.B. dem Anschnallen im Auto oder beim Schraubenlösen zum Zweck eines PKW-Radwechsels rechtfertigten keine MdE um 20 v.H.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 21.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger über seine Bevollmächtigten am 18.08.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Dr. S. habe ausführlich und in Auseinandersetzung mit der Literatur begründet, dass eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt sei. Die Bewegungseinschränkungen an der verletzten rechten Schulter betrage vorwärts/seitwärts 125° bzw. 30°, des Weiteren sei die Innenrotation besonders eingeschränkt. Nach den Bewertungstabellen müsse die für eine MdE von 20 v.H. dort angegebene Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 90° beeinträchtigt sein, allerdings bei freier Rotation. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Nach Dr. S. müsse von einer regelmäßigen Schmerzmitteleinnahme ausgegangen werden. Der Kläger müsse das Schmerzmittel häufiger einnehmen, tue dies aber nicht aus Angst von Nebenwirkungen. Nach Dr. S. könne nicht von fehlenden Schonungszeichen ausgegangen werden, denn die seitengleiche Bemuskelung der Ober- und Unterarme spreche bei einem Rechtshänder dafür, dass vor dem Unfall der rechte Arm mehr bemuskelt war als der linke. Soweit das SG von einem Grenzbefund ausgegangen sei, hätte es sich gedrängt sehen müssen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Auch Dr. W. habe eine MdE um 20 v.H. angenommen. Außerdem seien die Angaben von Prof. Dr. C. zur Einschränkung der Armhebung links bis 130° unzutreffend, denn er könne den Arm bis ganz nach oben, also ca. 180° heben. Die Erwägung des Sozialgerichts, dass die Armvorhebung im Seitenvergleich nur 10° ausmache, sei daher unzutreffend. Mit Schriftsatz vom 18.02.2015 hat der Kläger außerdem beantragt, Dr. S. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG zu beauftragen. Das Antragsrecht sei nicht verbraucht. Dr. S. habe bewusst auf eine Funktionsuntersuchung verzichtet. Da es im Kern darum gehe, die Funktionsuntersuchung nachzuholen, könne kein Verbrauch des Rechts aus § 109 SGG angenommen werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.06.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.11.2007 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ab 18.02.2008 bis auf weiteres zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Entsprechend den von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Erfahrungswerten zur MdE sei der Unfallfolgezustand des Klägers zutreffend mit einer MdE von unter 20 v.H. bewertet worden. Da es sich bei der MdE-Einschätzung um eine Rechtsfrage handele und die bisherigen Befunde weitgehend übereinstimmten, sei die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens obsolet.

Mit richterlicher Verfügung vom 17.02.2015 und ergänzend mit Hinweis vom 02.03.2015 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden, wenn die Berufsrichter die Berufung übereinstimmend für unbegründet erachten, und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und des SG beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 17.02.2015 und ergänzender Verfügung vom 02.03.2015 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids und 23.04.2013 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsanwendungsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Das SG hat weiter ausführlich und zutreffend begründet, dass die Unfallfolgen keine rentenbegründende MdE um 20 v.H. ergeben. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen im Berufungsverfahren zwingt zu keiner anderen Beurteilung.

Wegen der vielfältigen dreidimensionalen Bewegungseinschränkung ist die Schultervorhebung als Hauptkriterium der MdE-Bemessung zu werten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 523). In den Bewertungsansätzen der unfallmedizinischen Literatur wird das Ausmaß Schulterfunktionseinschränkung daher durchgehend an der Schulterelevation vorwärts oder seitwärts bewertet (Schönberger/Mertins/ Valentin, a.a.O.; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., S. 169). Die Vorhebung bis 90° und die bis 120° ergibt nach den MdE-Bewertungsgrundsätzen der unfallmedizinischen Literatur eine MdE um 20 v.H. bzw. 10 v.H., wobei in der Tabelle von Mehrhoff u.a. (a.a.O.) keine Einschränkung hinsichtlich einer freien Rotation enthalten ist, sondern lediglich darauf hingewiesen wird, dass zusätzlich bedeutsame Störungen der Rotationsbewegung um mehr als 20° eine höhere Invaliditätsbemessung in der privaten Unfallversicherung rechtfertigen kann, worauf bereits das SG verwiesen hat.

Soweit Verletztenrente ab 18.02.2008 begehrt wird, liegt ab diesem Zeitpunkt bis April 2012 kein medizinischer Befund vor, der ein entsprechendes Verletzungsmuster aufweist, das Gegenstand der rechtlichen und sachlichen Diskussion der Beteiligten ist. Bis April 2012 war die Abduktion/Anteversion des rechten Schultergelenks mit 140° (Zwischenbericht von Dr. W. vom 18.03.2008), 180° bzw. 170° (Berichte der BG-Klinik vom 30.12.2009 und 03.04.2012) nicht belangvoll eingeschränkt. Die zeitlich unbegrenzte MdE-Einschätzung mit 20 v.H. von Dr. W. in seinem Gutachten vom 27.06.2012 ist daher bereits aus diesem Grund nicht nachvollziehbar.

Eine Einschränkung, die dem mit einer MdE um 20 v.H. bewerteten Verletzungsmuster der unfallmedizinischen Literatur gleichkommt, liegt bei der nach April 2012 beschriebenen unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigung an der rechten Schulter des Klägers jedoch auch nicht vor. Dies kann weder aus der vom Kläger geltend gemachten mangelnden Belastungsfähig¬keit noch aus den von ihm angeführten Schmerzen hergeleitet werden.

Der Senat hat keine Zweifel an der Validität der von Prof. Dr. C. erhobenen Befunde und Bewegungsmaße für die Schultern. Die Bewegungsmaße für die unfallverletzte rechte Schulter werden vom Kläger auch nicht angezweifelt. Auf das Ausmaß der tatsächlichen Vorhebung an der vom Unfall nicht betroffenen linken Schulter kommt es außerdem nicht entscheidungserheblich an. Das SG hat im angefochtenen Urteil seine Entscheidung auch nicht maßgeblich auf die von ihm angenommene Differenz zwischen den Bewegungsmaßen an der rechten und linken Schulter gestützt. Die mitarbeitsabhängige Erhebung der Bewegungsmaße hat im Übrigen für das linken Schultergelenk auch mehrfach unterschiedliche Ergebnisse erbracht. Dr. W. erhob im Juli 2012 für das linke Schultergelenk eine Armhebung mit 150°/0/30°, Dr. W. im August 2012 eine Beweglichkeit von 170°/0/25° links und schließlich erhob Prof. Dr. C. im Juli 2013 wieder angenähert an die von Dr. W. erhobenen Maße für das linke Schultergelenk die Abspreizung/Anspreizung mit 130°/0/30°. Die durch nichts belegte Behauptung des Klägers, er habe zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Prof. Dr. C. den linken Arm auf 180° anheben können, ist weder entscheidungserheblich noch anhand der Aktenlage glaubhaft.

Eine MdE-erhöhende Schmerzbeeinträchtigung ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Dr. S. unterstellt einerseits eine nicht nachgewiesene Veränderung des Armmuskelumfangs rechts und hält andererseits – ohne eine signifikante Differenz über der natürlichen Schwankungsbreite benennen zu können – die seitengleiche Muskelausprägung der beiden Arme für seine Bewertung als hinreichend aussagekräftig. Abgesehen davon, dass nach den von Prof. Dr. C. erhobenen Umfangmaßen die Muskelumfänge am rechten Arm teilweise um 0,5-1,5 cm gegenüber dem entsprechenden Muskelumfang am linken Ober- und Unterarm stärker ausgeprägt sind, was der von Dr. S. unterstellten unfallvorbestehenden Ausprägung bei einem Rechtshänder gerade entspricht, sind mit den von Prof. Dr. C. erhobenen Befunden keine Anzeichen einer schonungsbedingten Muskelminderung am rechten Arm positiv durch den Senat festzustellen. Eine nicht bereits mit der Bewegungseinschränkung nach den Bewertungstabellen der unfallmedizinischen Literatur erfasste besondere Schmerzausprägung ist somit nicht belegt. Die bei Dr. S. behauptete Schmerzmitteleinnahme, was im Widerspruch zur Verneinung von Medikamenteneinnahmen bei der Untersuchung durch Prof. Dr. C. steht (vgl. Seite 3 des Gutachtens, Bl. 24 der SG-Akte), mit zweimal in der Woche gibt keinen Anhalt für eine besondere Schmerzausprägung, die eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen würde.

Der Senat sah sich aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. C. nicht gedrängt von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustrengen.

Dem mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 18.02.2015 gestellten Antrag nach § 109 SGG, Dr. S. erneut mit einem Gutachten zu beauftragen, hat der Senat nicht stattgegeben. Grundsätzlich besteht zumindest für dasselbe Fachgebiet das Recht auf Anhörung eines bestimmten Sachverständigen nach § 109 SGG nur einmal in beiden Instanzen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 Anm. 10b, 11b). Das Antragsrecht nach § 109 SGG ist damit für ein weiteres Gutachten im gleichen Fachbereich oder in einer verwandten Fachrichtung verbraucht, was auch für den wiederholenden Antrag in der Berufungsinstanz gilt, wenn vom SG bereits ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt worden ist. Die Anhörung mehrerer Ärzte bedarf eines besonderen Grundes. Vorliegend war bereits das unfallchirurgische/orthopädische Gutachten von Dr. S. vom 14.01.2014 nach § 109 SGG eingeholt worden. Eine besondere Ausgangssituation für die nochmalige Begutachtung nach § 109 SGG ist vom Kläger weder vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich.

Dr. S. ist der Beweisanordnung des SG vom 30.10.2013, ein Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung zu erstatten, nachgekommen, denn er hat den Kläger zu einer ambulanten Vorstellung am 02.01.2014 geladen und eine ausführliche Anamnese beim Kläger erhoben. Grundsätzlich obliegt es dem Sachverständigen, den zur Beantwortung der Beweisfragen erforderlichen Umfang der angeordneten ambulanten Untersuchung selbst zu bestimmen. Vorliegend hat der Sachverständige ausdrücklich auf eine körperliche Untersuchung verzichtet, da eine solche bereits mehrfach durchgeführt und aktenkundig gemacht worden ist. Es steht im gutachterlichen Ermessen, wie die angeordnete ambulante Untersuchung durchzuführen ist, weshalb die Beschränkung von Dr. S. auf eine Erhebung der Eigenanamnese kein Verstoß gegen die Beweisanordnung des SG und das Gutachten insoweit nicht unvollständig ist. Die mit der Beweisanordnung vom 30.10.2013 eingeleitete Beweisaufnahme ist daher nicht bereits aus Rechtsgründen nicht abgeschlossen.

Soweit die fehlende körperliche Untersuchung vom Kläger gerügt wird, ist dies ein dem Kläger bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. S. erkennbarer Umstand und hätte darüber hinaus auch sofort geltend gemacht werden können. Der Verwertung des Gutachtens durch das Sozialgericht hätte der Kläger daher unmittelbar widersprechen müssen, weshalb er mit dieser im Berufungsverfahren erhobenen Rüge auch gemäß § 201 SGG, § 295 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist. Letztlich erweist sich die Begründung des Klägers für eine nochmalige Gutachtenserstattung durch Dr. S. als Rüge an der fachlichen Qualität des Gutachtens, die aber eine nochmalige Begutachtung nach § 109 SGG ebenso wenig rechtfertigen kann. Der Antragsteller nach § 109 SGG hat es mit der ihm obliegenden Auswahlentscheidung, welchen Arzt er als Sachverständigen nach § 109 SGG bestimmt haben möchte, in der Hand, einen fachlich qualifizierten Arzt zu benennen. Das Gericht hat insoweit keinen Einfluss auf die Auswahlentscheidung. Ein vollständiges, aber fachlich wenig qualifiziertes Gutachten rechtfertigt daher kein nochmaliges Antragsrecht nach § 109 SGG.

Besondere Umstände für einen wiederholten Antrag nach § 109 können auch darin liegen, dass der zunächst nach § 109 SGG bestimmte Sachverständige spezielle Fragestellungen auf seinem Fachgebiet mangels technischer Ausstattung oder fehlender Sachkompetenz nicht beantworten konnte und jetzt ein Arzt mit höherer Sachkompetenz im gleichen Fachgebiet benannt wird. Eine solche Fallgestaltung wird nicht geltend gemacht. Besondere Umstände können z.B. auch die erneute Anhörung desselben Sachverständigen rechtfertigen, wenn der bereits gehörte Sachverständige sich nicht zu allen entscheidungserheblichen Umständen geäußert hat oder sich zusätzliche rechtserhebliche Tatsachen ergeben haben, zu denen eine Stellungnahme erforderlich ist. In solchen Fällen braucht das Gericht in der Regel nicht dem Antrag auf Anhörung eines anderen Gutachters stattzugeben, sondern kann den Betroffenen auf eine erneute Anhörung desselben Gutachters verweisen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.). Eine nochmalige Anhörung des nach § 109 SGG bestimmten Sachverständigen Dr. S. ist für die vom Kläger geltend gemachte Fragestellung nicht geeignet, denn eine Erhebung von Bewegungsmaße der Schultergelenke hat bei der Begutachtung durch Dr. S. gerade nicht stattgefunden, weshalb entsprechende Ergänzungsfragen des Gerichts an den Sachverständigen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn ergeben können.

Darüber hinaus ist vorliegend eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen rechtlich gerade nicht geboten. Zwar steht einem Beteiligten nach § 116 SGG i.V.m. §§ 402, 397 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache als dienlich erachtet. Das Gericht kann den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zum Termin laden (§ 118 SGG, § 411 Abs. 3 ZPO) oder es kann die schriftliche Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen veranlassen, wenn dies zweckmäßig erscheint. Auf die Frage, ob das Gericht selbst das Sachverständigengutachten für erklärungsbedürftig hält, kommt es dabei nicht an. Es gehört zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dazu, dass die Parteien den Sachverständigen Fragen stellen, ihnen Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können. Die Sachdienlichkeit einer angekündigten Frage ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Frage im Rahmen des Beweisthemas hält und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet ist; andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BSG, Beschluss vom 24.07.2012 - B 2 U 100/12 B -, juris; BSG, Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B -, juris; zuletzt BSG Urteil vom 17.12.2012 - B 13 R 355/11 -, vom 25.10.2012 - B 9 SB 51/12 - , juris). Vorliegend ist das Gutachten von Dr. S. im Rechtssinne aber nicht ergänzungsbedürftig bzw. lückenhaft, denn er hat ausdrücklich im Rahmen seines gutachterlichen Ermessens auf die körperliche Untersuchung des Klägers verzichtet. Insoweit kann auch dahinstehen, ob eine Ergänzungsfrage, die mit einer nochmaligen gutachterlichen Untersuchung verbunden wäre, nach § 116 SGG i.V.m. §§ 402, 397 ZPO zulässig wäre.

Der Antrag des Klägers nach § 109 SGG vom 18.02.2015 ist daher unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Aspekten nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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