Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3046/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4500/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 28 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass der Berechtigte in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf eine andere Sozialleistung nicht gestellt hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. September 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008.
Der 1965 geborene Kläger wohnt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Im streitgegenständlichen Zeitraum betrug die Grundmiete für seine Wohnung laut Mietvertrag 342,05 EUR, hinzu kamen 90,00 EUR als Betriebskostenvorauszahlung und 114,00 EUR als Vorauszahlung u.a. auf Heizkosten und Wasser sowie 197,00 EUR als Pauschale für die Bereitstellung von besonderen Serviceleistungen für Menschen mit Behinderung, wie z. B. für den Tag- und Nachtbereitschaftsdienst und Müllgebühren in Höhe von 13,29 EUR (insgesamt 765,34 EUR). Der Kläger bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer in Höhe von monatlich 651,94 EUR (1. Januar bis 30. Juni 2008) bzw. 657,30 EUR ( ab 1. Juli 2008), Rente von der kirchlichen Zusatzversorgungskasse in Höhe von 246,94 EUR sowie Leistungen des Sozialhilfeträgers in Höhe von 182,85 EUR. Daneben hatte er zwei Lebensversicherungen, die jedoch an das Sozialamt abgetreten waren, eine Versicherung hat das Sozialamt mittlerweile verwertet.
Der Kläger erlitt im August 2005 eine Hirnblutung. In der Folge wurde ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und H anerkannt. Vom 22. März 2007 bis 3. Mai 2007 befand sich der Kläger zur stationären Rehabilitation in den Kliniken S., dort wurde für kognitive Tätigkeiten eine Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich angenommen. Aus neuropsychologischer Sicht sei die Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit als Sozialarbeiter durchaus vorstellbar, da in kognitiver Hinsicht eine erstaunlich gute Erholung stattgefunden habe.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) dem Kläger eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Vorangegangen war ein Antrag des Klägers auf Leistungen zur Rehabilitation bei der zuständigen Krankenkasse, der in einen Rentenantrag umgedeutet worden war, da die Krankenkasse keine Rehabilitationsmöglichkeiten mehr gesehen hatte. Der Kläger wandte sich gegen die Rentenbewilligung mit der Begründung, er sei erwerbsfähig. Hintergrund war, dass der Kläger andernfalls den Kündigungsschutz nach § 59 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) verloren hätte. Im deshalb geführten Rechtsstreit (S 11 R 4039/07) vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) erstattete Dr. C., Facharzt für Neurologie unter dem 5. August 2008 ein Gutachten, wonach der Kläger ab 1. Januar 2008 wieder in der Lage sei, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Daraufhin gab die beklagte DRV mit Schreiben vom 29. September 2008 ein Teilanerkenntnis ab – kein Anspruch auf Rente ab 1. August 2008 – und teilte mit, dass die Rentenleistungen auf Grund des Gutachtens ab dem 30. September 2008 eingestellt würden. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 22. Oktober 2009 dahingehend, dass die DRV die Rentenbewilligung rückwirkend zum 31. Dezember 2007 aufhob. Mit Schreiben vom 26. Juni 2011 forderte die DRV vom Kläger insgesamt 5.883,54 EUR zurück.
Auf den Antrag der Betreuerin des Klägers vom 6. November 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen ab 6. November 2008.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008 ab. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II würden Leistungen nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Hiergegen erhob der Kläger unter Verweis auf § 28 SGB X am 10. Februar 2010 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 20. Mai 2010 zurückwies.
Am 14. Juni 2010 hat der Kläger Klage beim SG erhoben. Gemäß § 28 SGB X sei es ihm möglich gewesen, rückwirkend Leistungen zu beantragen.
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 wurde die Betreuung aufgehoben.
Mit Urteil vom 12. September 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Antrag vom 6. November 2008 wirke nicht gemäß § 28 SGB X zurück. Voraussetzung sei regelmäßig eine negative Verwaltungsentscheidung über eine beantragte Leistung. Eine solche liege hier nicht vor, da der Kläger sich gegen die positive Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gewandt habe. Dieser habe in einem mit dem Kläger geschlossenen Vergleich die positive Entscheidung rückwirkend aufgehoben. Der jederzeit anwaltlich vertretene Kläger sei nicht schutzwürdig.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Kläger vertieft sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. § 28 SGB X sehe vor, dass die Rückwirkungsfiktion greife, wenn von der Stellung eines Antrages abgesehen wurde, weil ein Anspruch auf eine andere Leistung geltend gemacht worden sei und diese Leistung zu erstatten sei. Die Auslegung des erstinstanzlichen Gerichts sei mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. September 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2010 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akte des SG im Verfahren S 11 R 4039/07 sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe insoweit nicht eingreifen, und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) beachtet.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein Antrag. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.) werden Leistungen für Zeiten vor Antragstellung nicht erbracht. Einen Antrag hat der Kläger bzw. seine Betreuerin am 06.11.2008 gestellt, ab diesem Zeitpunkt hat der Beklagte Leistungen bewilligt.
Der am 06.11.2008 gestellte Antrag wirkt auch nicht nach § 28 Satz 1 SGB X auf den 1. Januar 2008 zurück. Gemäß § 28 Satz 1 SGB X wirkt ein nachgeholter Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen hat, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und diese Leistung versagt wird oder sie zu erstatten ist. Die Vorschrift des § 28 SGB X beinhaltet somit eine spezielle Form der materiellen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Fall der verspäteten Antragstellung auf eine Sozialleistung (Franz, in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X Rn. 9). Mit § 28 SGB X sollen Rechtsnachteile vermieden werden, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf eine andere Sozialleistung – möglicherweise nach einem langen Verwaltungsverfahren – nicht gestellt hat (BT-Drucks 8/4022, S 81 f.; Siefert, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 28 Rn. 3). Die Vorschrift verfolgt gleichzeitig prozessökonomische Gesichtspunkte und will die Verwaltung vor einer Vielzahl nur vorsorglich gestellter Anträge bewahren (BT-Drucks 8/2034, S 48). § 28 SGB X ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch im Bereich des SGB II anwendbar (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 16/09 R – Soz-R 4-4200 § 37 Nr. 3), da er von § 37 SGB II nicht vollständig verdrängt wird.
Für die Anwendung des § 28 SGB X ist zunächst unschädlich, dass der Kläger den Rentenantrag nicht selbst gestellt hat, sondern dass dieser durch die Umdeutung seines Antrags auf Rehabilitation durch die Krankenversicherung zu Stande kam; dies ergibt sich schon aus der passivischen Formulierung des § 28 Satz 1 SGB X "geltend gemacht worden ist" (so im Ergebnis auch Mutschler, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 81. Ergänzungslieferung, SGB X § 28 Rn. 3a). Auch hat die DRV vom Kläger die Erstattung überzahlter Leistungen nach § 50 SGB X verlangt.
Jedoch setzt § 28 Satz 1 SGB X nach der Gesetzesbegründung voraus, dass der Berechtigte in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf eine andere Sozialleistung nicht gestellt hat (BT-Drucks 8/4022, S. 81 f.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 16/09 R – Soz-R 4-4200 § 37 Nr. 3; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2008 – L 12 AS 407/08 – juris). Ein solcher positiver Bescheid der DRV lag jedoch gerade vor. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger von einer Antragstellung bewusst abgesehen hat und somit ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen Sozialleistung und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (so: BSG, a.a.O.; Siefert, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 28 Rn. 10), oder ob ausreichend ist, dass der Kläger in Erwartung der geltend gemachten Leistung die Beantragung der anderen schlicht vergessen hat (so: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Der Kläger hat im vorliegenden Fall jedenfalls keine positive Entscheidung über seinen Rentenantrag erwartet und darauf vertraut, Rentenleistungen zu erhalten. Vielmehr ging er davon aus, dass die Rente zu Unrecht bewilligt worden war, da er erwerbsfähig gewesen sei. Er selbst hat die bewilligende Entscheidung angefochten, um nicht den Kündigungsschutz nach § 59 BAT zu verlieren. Die Situation der Unsicherheit, die der Gesetzgeber vor Augen hatte, bestand im Fall des Klägers somit gerade nicht. Er vertraute nicht auf eine bewilligende Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, die dann letztlich ausblieb, sondern er ging genau gegen diese bewilligende Entscheidung vor und hat bewusst auf die bereits ausgezahlte Rente verzichtet. Insofern bedarf der Kläger – wie von der ersten Instanz zutreffend festgestellt – nicht des Schutzes des § 28 SGB X. Vielmehr wäre dem anwaltlich vertretenen Kläger zuzumuten gewesen, bereits vorher einen Antrag beim Beklagten zu stellen.
Diesem Antrag wäre auch nicht von Anfang an der Erfolg versagt geblieben. So bestand im streitgegenständlichen Zeitraum noch keine gesetzlich vorgeschriebene Bindungswirkung des beklagten SGB II-Trägers an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nach § 44 Abs. 1a SGB II in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung (n.F.). Vielmehr bestimmte § 44a SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.), dass die Agentur für Arbeit festzustellen habe, ob der Arbeitsuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig sei. Da die Arbeitsgemeinschaft nach § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II (a.F.) die Aufgaben der Agentur für Arbeit wahrzunehmen hatte, war der Beklagte für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit zuständig. Anderen Leistungsträgern, die bei voller Erwerbsminderung zuständig gewesen wären, stand lediglich ein Widerspruchsrecht zu (§ 44a Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II a.F.). Folglich wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, auf einen Antrag des Klägers hin dessen Erwerbsfähigkeit zu prüfen. Dabei hätte auch der Entlassbericht der Kliniken S. herangezogen werden müssen, der eine teilweise Erwerbsfähigkeit des Klägers bescheinigte. Die Möglichkeit mehr als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein, wäre jedoch im Rahmen von § 8 Abs. 1 SGB II (a.F.) ausreichend gewesen. Die seinerzeit gewährten Rentenleistungen wären in diesem Fall als Einkommen anrechenbar gewesen.
Leistungen wären auch nicht mangels Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen gewesen. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Der Bedarf des Klägers lag im streitgegenständlichen Zeitraum bei 1.091,11 EUR. Regelsatz 351,00 EUR Kaltmiete 342,05 EUR Betriebskostenvorauszahlung 114,00 EUR Vorauszahlung auf Heizkosten 80,00 EUR Pauschale für die Bereitstellung von besonderen Serviceleistungen für Menschen mit Behinderung 197,00 EUR Müllgebühren 13,29 EUR Summe 1.097,34 EUR Abzüglich Warmwasserpauschale - 6,23 EUR Bedarf 1.091,11
Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II war nicht zu berücksichtigen, da dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bewilligt worden waren.
Dieser Bedarf war nicht vollständig durch Einkommen gedeckt. Zwar hatte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen in Höhe von 1.087,09 EUR: Rente (ab 01.07.2008) 657,30 EUR Rente von der kirchlichen Zusatzversorgungskasse 246,94 EUR Leistungen des Sozialhilfeträgers 182,85 EUR Summe 1.087,09 EUR Von diesem Einkommen war jedoch zumindest die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 SGB II (a.F.) i.V.m. § 3 Nummer 1 ALG II-VO in Höhe von 30,00 EUR abzusetzen, so dass ein Bedarf von mindestens 34,02 EUR bestand. Die Lebensversicherungen waren nicht verwertbar, da sie bereits an das Sozialamt verpfändet waren.
Auch die Argumentation, dass der Kläger möglicherweise in zwei Verfahren zur Bewilligung von Sozialleistungen getrieben worden wäre, wenn er bereits am 1. Januar 2008 einen Antrag beim Beklagten gestellt hätte, vermag nicht zu überzeugen. Zwar verfolgt § 28 SGB X auch prozessökonomische Gesichtspunkte und will die Verwaltung vor einer Vielzahl nur vorsorglich gestellter Anträge bewahren (BT-Drucks 8/2034, S 48). Vor dem Hintergrund der Gewährung von Sozialleistungen war das Verfahren gegen die DRV jedoch nicht notwendig. Der Kläger hätte sich ganz auf das Verfahren gegen den Beklagten konzentrieren können. Die Anfechtung der Rentenbewilligung war mangels Bindungswirkung der Feststellungen im Rentenbescheid nicht notwendig. Der Kläger hat im Rentenverfahren (S 11 R 4039/07) selbst vorgetragen, die Rentenbewilligung angefochten zu haben, um einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 59 BAT vorzubeugen.
Auch über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ein Leistungsanspruch des Klägers nicht begründet werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm obliegende Pflicht (insbesondere zur Auskunft und Beratung) verletzt hat. Aus dieser Verletzung der Beratungspflicht muss dem Versicherten ein Nachteil entstanden sein, wobei zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Kausalzusammenhang bestehen muss (Aubel, in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 37 Rn. 34). Da der Kläger bzw. seine Betreuerin erstmals am 6. November 2008 beim Beklagten vorgesprochen hat, kommt ein vor diesem Tag liegender Beratungsfehler nicht in Betracht.
Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008.
Der 1965 geborene Kläger wohnt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Im streitgegenständlichen Zeitraum betrug die Grundmiete für seine Wohnung laut Mietvertrag 342,05 EUR, hinzu kamen 90,00 EUR als Betriebskostenvorauszahlung und 114,00 EUR als Vorauszahlung u.a. auf Heizkosten und Wasser sowie 197,00 EUR als Pauschale für die Bereitstellung von besonderen Serviceleistungen für Menschen mit Behinderung, wie z. B. für den Tag- und Nachtbereitschaftsdienst und Müllgebühren in Höhe von 13,29 EUR (insgesamt 765,34 EUR). Der Kläger bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer in Höhe von monatlich 651,94 EUR (1. Januar bis 30. Juni 2008) bzw. 657,30 EUR ( ab 1. Juli 2008), Rente von der kirchlichen Zusatzversorgungskasse in Höhe von 246,94 EUR sowie Leistungen des Sozialhilfeträgers in Höhe von 182,85 EUR. Daneben hatte er zwei Lebensversicherungen, die jedoch an das Sozialamt abgetreten waren, eine Versicherung hat das Sozialamt mittlerweile verwertet.
Der Kläger erlitt im August 2005 eine Hirnblutung. In der Folge wurde ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und H anerkannt. Vom 22. März 2007 bis 3. Mai 2007 befand sich der Kläger zur stationären Rehabilitation in den Kliniken S., dort wurde für kognitive Tätigkeiten eine Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich angenommen. Aus neuropsychologischer Sicht sei die Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit als Sozialarbeiter durchaus vorstellbar, da in kognitiver Hinsicht eine erstaunlich gute Erholung stattgefunden habe.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) dem Kläger eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Vorangegangen war ein Antrag des Klägers auf Leistungen zur Rehabilitation bei der zuständigen Krankenkasse, der in einen Rentenantrag umgedeutet worden war, da die Krankenkasse keine Rehabilitationsmöglichkeiten mehr gesehen hatte. Der Kläger wandte sich gegen die Rentenbewilligung mit der Begründung, er sei erwerbsfähig. Hintergrund war, dass der Kläger andernfalls den Kündigungsschutz nach § 59 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) verloren hätte. Im deshalb geführten Rechtsstreit (S 11 R 4039/07) vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) erstattete Dr. C., Facharzt für Neurologie unter dem 5. August 2008 ein Gutachten, wonach der Kläger ab 1. Januar 2008 wieder in der Lage sei, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Daraufhin gab die beklagte DRV mit Schreiben vom 29. September 2008 ein Teilanerkenntnis ab – kein Anspruch auf Rente ab 1. August 2008 – und teilte mit, dass die Rentenleistungen auf Grund des Gutachtens ab dem 30. September 2008 eingestellt würden. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 22. Oktober 2009 dahingehend, dass die DRV die Rentenbewilligung rückwirkend zum 31. Dezember 2007 aufhob. Mit Schreiben vom 26. Juni 2011 forderte die DRV vom Kläger insgesamt 5.883,54 EUR zurück.
Auf den Antrag der Betreuerin des Klägers vom 6. November 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen ab 6. November 2008.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008 ab. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II würden Leistungen nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Hiergegen erhob der Kläger unter Verweis auf § 28 SGB X am 10. Februar 2010 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 20. Mai 2010 zurückwies.
Am 14. Juni 2010 hat der Kläger Klage beim SG erhoben. Gemäß § 28 SGB X sei es ihm möglich gewesen, rückwirkend Leistungen zu beantragen.
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 wurde die Betreuung aufgehoben.
Mit Urteil vom 12. September 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Antrag vom 6. November 2008 wirke nicht gemäß § 28 SGB X zurück. Voraussetzung sei regelmäßig eine negative Verwaltungsentscheidung über eine beantragte Leistung. Eine solche liege hier nicht vor, da der Kläger sich gegen die positive Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gewandt habe. Dieser habe in einem mit dem Kläger geschlossenen Vergleich die positive Entscheidung rückwirkend aufgehoben. Der jederzeit anwaltlich vertretene Kläger sei nicht schutzwürdig.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Kläger vertieft sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. § 28 SGB X sehe vor, dass die Rückwirkungsfiktion greife, wenn von der Stellung eines Antrages abgesehen wurde, weil ein Anspruch auf eine andere Leistung geltend gemacht worden sei und diese Leistung zu erstatten sei. Die Auslegung des erstinstanzlichen Gerichts sei mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. September 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2010 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akte des SG im Verfahren S 11 R 4039/07 sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe insoweit nicht eingreifen, und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) beachtet.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 5. November 2008.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein Antrag. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.) werden Leistungen für Zeiten vor Antragstellung nicht erbracht. Einen Antrag hat der Kläger bzw. seine Betreuerin am 06.11.2008 gestellt, ab diesem Zeitpunkt hat der Beklagte Leistungen bewilligt.
Der am 06.11.2008 gestellte Antrag wirkt auch nicht nach § 28 Satz 1 SGB X auf den 1. Januar 2008 zurück. Gemäß § 28 Satz 1 SGB X wirkt ein nachgeholter Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen hat, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und diese Leistung versagt wird oder sie zu erstatten ist. Die Vorschrift des § 28 SGB X beinhaltet somit eine spezielle Form der materiellen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Fall der verspäteten Antragstellung auf eine Sozialleistung (Franz, in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X Rn. 9). Mit § 28 SGB X sollen Rechtsnachteile vermieden werden, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf eine andere Sozialleistung – möglicherweise nach einem langen Verwaltungsverfahren – nicht gestellt hat (BT-Drucks 8/4022, S 81 f.; Siefert, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 28 Rn. 3). Die Vorschrift verfolgt gleichzeitig prozessökonomische Gesichtspunkte und will die Verwaltung vor einer Vielzahl nur vorsorglich gestellter Anträge bewahren (BT-Drucks 8/2034, S 48). § 28 SGB X ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch im Bereich des SGB II anwendbar (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 16/09 R – Soz-R 4-4200 § 37 Nr. 3), da er von § 37 SGB II nicht vollständig verdrängt wird.
Für die Anwendung des § 28 SGB X ist zunächst unschädlich, dass der Kläger den Rentenantrag nicht selbst gestellt hat, sondern dass dieser durch die Umdeutung seines Antrags auf Rehabilitation durch die Krankenversicherung zu Stande kam; dies ergibt sich schon aus der passivischen Formulierung des § 28 Satz 1 SGB X "geltend gemacht worden ist" (so im Ergebnis auch Mutschler, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 81. Ergänzungslieferung, SGB X § 28 Rn. 3a). Auch hat die DRV vom Kläger die Erstattung überzahlter Leistungen nach § 50 SGB X verlangt.
Jedoch setzt § 28 Satz 1 SGB X nach der Gesetzesbegründung voraus, dass der Berechtigte in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf eine andere Sozialleistung nicht gestellt hat (BT-Drucks 8/4022, S. 81 f.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 16/09 R – Soz-R 4-4200 § 37 Nr. 3; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2008 – L 12 AS 407/08 – juris). Ein solcher positiver Bescheid der DRV lag jedoch gerade vor. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger von einer Antragstellung bewusst abgesehen hat und somit ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen Sozialleistung und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (so: BSG, a.a.O.; Siefert, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 28 Rn. 10), oder ob ausreichend ist, dass der Kläger in Erwartung der geltend gemachten Leistung die Beantragung der anderen schlicht vergessen hat (so: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Der Kläger hat im vorliegenden Fall jedenfalls keine positive Entscheidung über seinen Rentenantrag erwartet und darauf vertraut, Rentenleistungen zu erhalten. Vielmehr ging er davon aus, dass die Rente zu Unrecht bewilligt worden war, da er erwerbsfähig gewesen sei. Er selbst hat die bewilligende Entscheidung angefochten, um nicht den Kündigungsschutz nach § 59 BAT zu verlieren. Die Situation der Unsicherheit, die der Gesetzgeber vor Augen hatte, bestand im Fall des Klägers somit gerade nicht. Er vertraute nicht auf eine bewilligende Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, die dann letztlich ausblieb, sondern er ging genau gegen diese bewilligende Entscheidung vor und hat bewusst auf die bereits ausgezahlte Rente verzichtet. Insofern bedarf der Kläger – wie von der ersten Instanz zutreffend festgestellt – nicht des Schutzes des § 28 SGB X. Vielmehr wäre dem anwaltlich vertretenen Kläger zuzumuten gewesen, bereits vorher einen Antrag beim Beklagten zu stellen.
Diesem Antrag wäre auch nicht von Anfang an der Erfolg versagt geblieben. So bestand im streitgegenständlichen Zeitraum noch keine gesetzlich vorgeschriebene Bindungswirkung des beklagten SGB II-Trägers an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nach § 44 Abs. 1a SGB II in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung (n.F.). Vielmehr bestimmte § 44a SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.), dass die Agentur für Arbeit festzustellen habe, ob der Arbeitsuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig sei. Da die Arbeitsgemeinschaft nach § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II (a.F.) die Aufgaben der Agentur für Arbeit wahrzunehmen hatte, war der Beklagte für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit zuständig. Anderen Leistungsträgern, die bei voller Erwerbsminderung zuständig gewesen wären, stand lediglich ein Widerspruchsrecht zu (§ 44a Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II a.F.). Folglich wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, auf einen Antrag des Klägers hin dessen Erwerbsfähigkeit zu prüfen. Dabei hätte auch der Entlassbericht der Kliniken S. herangezogen werden müssen, der eine teilweise Erwerbsfähigkeit des Klägers bescheinigte. Die Möglichkeit mehr als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein, wäre jedoch im Rahmen von § 8 Abs. 1 SGB II (a.F.) ausreichend gewesen. Die seinerzeit gewährten Rentenleistungen wären in diesem Fall als Einkommen anrechenbar gewesen.
Leistungen wären auch nicht mangels Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen gewesen. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Der Bedarf des Klägers lag im streitgegenständlichen Zeitraum bei 1.091,11 EUR. Regelsatz 351,00 EUR Kaltmiete 342,05 EUR Betriebskostenvorauszahlung 114,00 EUR Vorauszahlung auf Heizkosten 80,00 EUR Pauschale für die Bereitstellung von besonderen Serviceleistungen für Menschen mit Behinderung 197,00 EUR Müllgebühren 13,29 EUR Summe 1.097,34 EUR Abzüglich Warmwasserpauschale - 6,23 EUR Bedarf 1.091,11
Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II war nicht zu berücksichtigen, da dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bewilligt worden waren.
Dieser Bedarf war nicht vollständig durch Einkommen gedeckt. Zwar hatte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen in Höhe von 1.087,09 EUR: Rente (ab 01.07.2008) 657,30 EUR Rente von der kirchlichen Zusatzversorgungskasse 246,94 EUR Leistungen des Sozialhilfeträgers 182,85 EUR Summe 1.087,09 EUR Von diesem Einkommen war jedoch zumindest die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 SGB II (a.F.) i.V.m. § 3 Nummer 1 ALG II-VO in Höhe von 30,00 EUR abzusetzen, so dass ein Bedarf von mindestens 34,02 EUR bestand. Die Lebensversicherungen waren nicht verwertbar, da sie bereits an das Sozialamt verpfändet waren.
Auch die Argumentation, dass der Kläger möglicherweise in zwei Verfahren zur Bewilligung von Sozialleistungen getrieben worden wäre, wenn er bereits am 1. Januar 2008 einen Antrag beim Beklagten gestellt hätte, vermag nicht zu überzeugen. Zwar verfolgt § 28 SGB X auch prozessökonomische Gesichtspunkte und will die Verwaltung vor einer Vielzahl nur vorsorglich gestellter Anträge bewahren (BT-Drucks 8/2034, S 48). Vor dem Hintergrund der Gewährung von Sozialleistungen war das Verfahren gegen die DRV jedoch nicht notwendig. Der Kläger hätte sich ganz auf das Verfahren gegen den Beklagten konzentrieren können. Die Anfechtung der Rentenbewilligung war mangels Bindungswirkung der Feststellungen im Rentenbescheid nicht notwendig. Der Kläger hat im Rentenverfahren (S 11 R 4039/07) selbst vorgetragen, die Rentenbewilligung angefochten zu haben, um einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 59 BAT vorzubeugen.
Auch über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ein Leistungsanspruch des Klägers nicht begründet werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm obliegende Pflicht (insbesondere zur Auskunft und Beratung) verletzt hat. Aus dieser Verletzung der Beratungspflicht muss dem Versicherten ein Nachteil entstanden sein, wobei zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Kausalzusammenhang bestehen muss (Aubel, in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 37 Rn. 34). Da der Kläger bzw. seine Betreuerin erstmals am 6. November 2008 beim Beklagten vorgesprochen hat, kommt ein vor diesem Tag liegender Beratungsfehler nicht in Betracht.
Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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