L 9 U 5036/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 845/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5036/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist das Vorliegen der Berufskrankheit (BK) Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1956 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit arbeitete seit 1970 in verschiedenen Firmen vor allem als Maschinenbediener, zuletzt seit 1995 in der Firma E. GmbH in N. Am 23.12.2002 erfolgte gegenüber der Beklagten durch den leitenden Werksarzt dieser Firma wegen zunehmenden und typischen Hörverlustes und Tinnitus rechts die ärztliche Anzeige bei Verdacht auf die BK Nr. 2301 - Lärm. Diesem Schreiben beigefügt war eine Stellungnahme des behandelnden HNO-Arztes Dr. S. vom 10.12.2002, wonach der Kläger unter einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits sowie Tinnitus rechts leide. Der Kläger führte auf Nachfrage aus, zunehmend seit 1986 unter Schwerhörigkeit zu leiden. Im jetzigen Ausmaß bestehe die Schwerhörigkeit seit ca. ein bis zwei Jahren.

Die Beklagte befragte daraufhin Dr. S., der im Schreiben vom 05.02.2003 als Ursachen für die Hochtonschwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus Lärmarbeit vermutete. Der Kläger sei seit dem 26.11.2002 in seiner Behandlung. Die Frage, ob der Kläger wegen anderer Erkrankungen, die mit der Hörstörung zusammenhängen könnten, in seiner Behandlung gewesen sei, verneinte er. Nachdem die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis über alle Erkrankungen seit Mai 1979 angefordert sowie ärztliche Unterlagen aus der Akte des Versorgungsamtes Ulm beigezogen hatte, beauftragte sie den Präventionsdienst mit einer Arbeitsplatzlärmanalyse. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 02.06.2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger 29,9 Jahre einem äquivalenten Dauerschallpegel von )= 85 bis ( 90 dB(A) unterlegen habe. Die gesamte berufliche Lärmbelastung entspreche einer Lärmbelastung mit einem energieäquivalenten Dauerschallpegel von 90 dB(A) über einen Zeitraum von 17 Jahren. Am derzeitigen/letzten Arbeitsplatz liege ab März 1995 ein äquivalenter Dauerschallpegel von 88 dB(A) vor.

Im Anschluss hieran erstattete der HNO-Facharzt Dr. S. auf Veranlassung der Beklagten nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein HNO-Gutachten vom 09.10.2003. Darin führt der Gutachter aus, der Kläger leide unter einer pancochleären, zu den mittleren und hohen Frequenzen hin zunehmenden, rechts knapp geringgradigen und links beginnenden Schallempfindungsschwerhörigkeit mit chronisch-komplexem Tinnitus aurium sowie einer geringgradigen chronisch-polypösen Sinusitis maxillaris beidseits. Die Trommelfelle seien nach früheren kleinen und zentralen Trommelfellperforationen atrophisch vernarbt, verdickt und teilweise kalkinkrustiert. Es finde sich eine erhebliche Pneumatisationshemmung in beiden Warzenfortsätzen. Bei einer laut Arbeitsplatzlärmanalyse beruflichen Gesamtbelastung von 90 dB(A) über einen Zeitraum von 17 Jahren sei nach v. Lüpke die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit nicht völlig auszuschließen. Gegen das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit sprächen aber neben den ohrmikroskopischen und tympanometrischen Trommelfellbefunden und der Pneumatisationshemmung der Warzenfortsätze auch der lärmatypische Schrägabfall der Hörkurven im Tonschwellenaudiogramm ohne lärmtypische Hochtonsenken sowie die Seitendifferenz zu Ungunsten des rechten Ohres. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Versicherte seit 1979 konsequent Gehörschutz verwende und eine Lärmschädigung des Gehörs angesichts relativ moderater Beurteilungspegel von maximal 88 dB(A) unter diesen Voraussetzungen unwahrscheinlich sei. Es sei davon auszugehen, dass sich die progrediente beidseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit und die Ohrgeräusche schicksalhaft entwickelt hätten und letztlich ihren Ursprung in einer toxischen Innenohrschädigung durch schwere beidseitige Mittelohrentzündungen sowohl in der Kindheit als auch in späteren Jahren (1997/98) hätten. Eine etwaige Lärmkomponente der Schwerhörigkeit lasse sich weder abgrenzen noch nachweisen. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch den außerberuflich verursachten Hörschaden und die störenden beidseitigen Dauerohrgeräusche würden auf 10% geschätzt. Eine beruflich verursachte hörbedingte MdE lasse sich nicht nachweisen.

Mit Bescheid vom 18.12.2003 lehnte die Beklagte daraufhin das Vorliegen der BK 2301 sowie hieraus resultierende Ansprüche auf Leistungen ab.

Den hiergegen gerichteten nicht näher begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2004 mit der Begründung zurück, für die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als berufsbedingt sei erforderlich, dass zwischen der berufsbedingten Lärmeinwirkung und der Erkrankung ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Die Erkrankung müsse ihre rechtlich wesentliche (Teil-)Ursache in der schädigenden Einwirkung haben. Dies bedeute, dass nach Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände mehr Gründe für als gegen eine lärmbedingte Schwerhörigkeit sprechen müssten. Für die Annahme einer Lärmschädigung spreche dabei, wenn sich die Schwerhörigkeit während der Lärmexposition entwickelt habe, wenn eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen vorliege und wenn durch den Nachweis eines positiven Recruitments wahrscheinlich gemacht sei, dass die Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohrs lokalisiert sei. Des Weiteren sei für eine Lärmschwerhörigkeit ein symmetrischer Verlauf der Hörkurve beider Seiten die Regel. Beim Kläger könne dieser ursächliche Zusammenhang zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und der bestehenden Schwerhörigkeit nicht wahrscheinlich gemacht werden. Die beim Kläger erhobenen audiometrischen Befunde belegten keine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit. Die für eine Innenohrschwerhörigkeit typische Haarzellenschädigung habe nicht nachgewiesen werden können. Ebenso habe sich in den tonaudiometrischen Befunden ein lärmatypischer Schrägabfall der Hörkurve ohne lärmtypische Hochtonsenke und eine Seitendifferenz zu Ungunsten des rechten Ohres gefunden. Die beim Kläger ohrmikroskopisch und im Rahmen der überschwelligen Tests erhobenen Befunde sowie die Pneumatisationshemmung der Warzenfortsätze sprächen dafür, dass sich die beim Kläger bestehende Schwerhörigkeit schicksalhaft entwickelt habe.

Die hiergegen am 05.08.2004 beim Sozialgericht Ulm (SG, S 3 U 2265/04) eingegangene Klage wurde mit Schriftsatz vom 12.10.2004 wieder zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 26.08.2010 beantragte der Kläger nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter Beifügung eines Berichtes seiner behandelnden HNO-Ärzte S. und K. vom 25.08.2010 sowie eines Zeitungsartikels erneut die Anerkennung einer Berufskrankheit. Mit Bescheid vom 16.09.2010 lehnte die Beklagte es ab, den Verwaltungsakt vom 18.12.2003 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die darauf hindeuteten, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden und von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Auch ergäben sich aus dem vom Kläger vorgelegten Arztbericht keine neuen Erkenntnisse oder Hinweise, die geeignet sein könnten, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu begründen.

Den hiergegen am 27.09.2010 eingereichten Widerspruch begründete der Kläger damit, dem Gutachten des Dr. S. sei entgegenzuhalten, dass er unrichtigerweise davon ausgehe, dass es beim Kläger zu einer toxischen Innenohrschädigung durch schwere beidseitige Mittelohrentzündungen sowohl in der Kindheit als auch in den Jahren 1997/1998 gekommen sei. Der Kläger habe explizit gegenüber dem Gutachter angegeben, dass ihm keine Mittelohrentzündungen in der Kindheit erinnerlich seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Gutachter hiervon abweiche. Der Kläger habe auch gegenüber dem Gutachter keinesfalls angegeben, im Jahre 1997 an einer Mittelohrentzündung links und 1998 an einer Mittelohrentzündung rechts gelitten zu haben. Es werde vom Gutachter auch nicht begründet, warum er von einer schicksalhaften Entwicklung der Schallempfindungsschwerhörigkeit und der Ohrgeräusche ausgehe und diese letztlich auf eine toxische Innenohrschädigung stütze. Der Gutachter vermute dies lediglich, und eine solche Vermutung sei nicht ausreichend, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem beim Kläger bestehenden Gehörschaden und der beruflichen Lärmeinwirkung abzulehnen. Eine Ohrentzündung müsste von einem überragenden Ausmaß und nicht nur von kurzer Dauer gewesen sein, um eine toxische Innenohrschädigung hervorzurufen. Zwar habe der Kläger im Jahr 1994 unter einer Myringitis granularis links und im Jahr 1999 unter einer Otitis links und einer Myringitis granularis links gelitten, doch seien weitere Ohrerkrankungen nicht bekannt. Dementsprechend habe auch der behandelnde HNO-Facharzt im Rahmen eines Befundberichts vom 19.01.2004 auf seine Einschätzung einer lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus hingewiesen. Zwischen der berufsbedingten täglichen Lärmeinwirkung der vergangenen Jahre seit 1979 von 85 dB und der Erkrankung des Klägers bestehe ein ursächlicher Zusammenhang, sodass eine BK Nr. 2301 anzuerkennen sei. Dem Widerspruchsschreiben beigefügt war u.a. eine Bescheinigung der behandelnden HNO-Ärztin Dr. V. über eine Myringitis granularis links am 26.08.1994, eine akute Otitis links am 09.02.1999, eine Otitis externa links am 11.02.1999 sowie eine Myringitis granularis links am 15.02.1999.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16.09.2010 zurück mit der Begründung, die vom Kläger erneut angeführten Befunde und Meinungen der damals behandelnden Ärzte seien bereits bekannt und entsprechend gewürdigt worden. Neue, bisher unbekannte Tatsachen, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Angelegenheit führen könnten, ergäben sich nicht. Die Kritik an den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Gutachters Dr. S. sei unbegründet. Dessen Beurteilung werde auch durch den vom Kläger vorgelegten Befundbericht der HNO-Gemeinschaftspraxis S. und K. vom 25.08.2010 gestützt. Auch die hier dokumentierten Befunde und Hörkurvenverläufe seien schon nach Art und Ausprägung nicht vereinbar mit dem zu erwartenden medizinischen Bild einer durch beruflichen Lärm verursachten Hörstörung.

Hiergegen hat der Kläger am 10.03.2011 erneut Klage beim SG (S 2 U 845/11) erhoben. Ergänzend zu seinen Ausführungen im Widerspruchsverfahren hat er darauf hingewiesen, im Rahmen seiner Tätigkeit in den Jahren 1970 bis 1976 und im Zeitraum 1978 bis heute einem Dauerschallpegel von regelmäßig weit über 85 dB ausgesetzt gewesen zu sein. In den Jahren 1990 bis 2004 sei er im Werk 1 der Firma K./E. einer massiven Lärmbelästigung ausgesetzt gewesen, die sich seit 2004 durch den Wechsel in Werk 4 etwas reduziert habe, jedoch immer noch über 85 dB liege. Wegen der Lärmbelastung erhalte er seit vielen Jahren eine Belastungszulage. Auch die behandelnden HNO-Fachärzte gingen von einer Lärmschwerhörigkeit aus.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtgesetz (SGG) hat Dr. F. am 28.10.2011 nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein HNO-ärztliches Gutachten erstellt und dargelegt, um das Vorliegen der BK Nr. 2301 bejahen zu können, müssten die Tonschwellenkurve typisch sowie ein positives Recruitment nachweisbar sein. Diese Punkte seien nicht erfüllt. Der Kläger leide unter einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit beidseits und einem ausgeprägten Tinnitus, doch sei diese Krankheit nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen. Es müsse früher in den Mittelohren beidseits ein krankhafter Prozess abgelaufen sein, der die Trommelfelle verdickt und Narben gebildet habe. Am ehesten habe eine gewisse Zeit eine chronische Mittelohrentzündung vorgelegen, dies sei allerdings Spekulation. Diese Vernarbung habe zu einer Mittelohrschwerhörigkeit geführt, die keinesfalls als lärmbedingt anerkannt werden könne. Der Stapediusreflex fehle beidseits, dies sei bedingt durch die Schallleitungsschwerhörigkeit. Die Hörkurve sei auch für eine Lärmschwerhörigkeit völlig untypisch. Die Frequenzverbesserung zu den hohen Frequenzen, die praktisch immer nachweisbar sei, fehle. Der negative SISI-Test spreche auch gegen eine Lärmschwerhörigkeit, allerdings werde der Test manchmal falsch verstanden. Es könne sich zwar unter der Hörkurve eine Hörstörung verstecken, dies sei aber nicht eindeutig abgrenzbar. Auch bei den anderen Hörtests in der Akte seien Hörverbesserungen in den hohen Frequenzen praktisch nicht nachweisbar. Zum Teil fehlten sogar die höchsten Frequenzen. Eine Berufskrankheit nach BK Nr. 2301 liege nicht vor. Inhaltlich stimme er dem Gutachten von Dr. S. von 2003 voll zu.

Im Anschluss hieran hat der Kläger ein außergerichtlich privat in Auftrag gegebenes HNO-ärztliches Gutachten der Professoren Dres. T. vom 17.01.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt worden, bei dem Kläger liege eine typische, reine Schallempfindungsschwerhörigkeit, die vorwiegend im Mittel- und Hochtonbereich lokalisiert sei, vor. Untypisch sei die Schwerhörigkeit im Tieftonbereich, die aber bei entsprechender Lärmbelastung auftreten könne. Die Tonhörkurve zeige beiderseits eine lärmtypische Hörsenke von 60 dB ab vier kHz. Beiderseits bestehe bereits im Tieftonbereich ein Hörverlust von 30 dB bis zwei kHz. Grundsätzlich sei die Hörkurve nicht untypisch für eine langjährige Lärmbelastung, insbesondere dann nicht, wenn früher eine erhebliche Lärmbelastung bestanden und kein Gehörschutz zur Verfügung gestanden habe. Dann wäre auch der Tieftonanteil als lärmassoziiert zu werten. Vorgeschichte, klinische und audiologische Befunde einschließlich der Impedanzaudiometrie schlössen eine zusätzliche Schallleitungsschwerhörigkeit aus. Es liege daher eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits vor, die sich mit der beruflichen Verursachung vereinbaren lasse. Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass die bei dem Kläger festgestellte Schwerhörigkeit beidseits die Erfordernisse zur Anerkennung als BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 der gültigen Verordnung erfülle. Die MdE im HNO-Bereich werde unter Berücksichtigung des Tinnitus, der ebenfalls lärmbedingt sei, mit 15 v. H. eingeschätzt.

Zu diesem Gutachten befragt, hat Dr. F. im Zusatzgutachten vom 17.04.2012 dargelegt, die Professoren Dres. T. hätten die regelmäßige Einnahme von Medikamenten oder Suchtmitteln verneint, während ihm gegenüber der Kläger angegeben habe, dass er Medikamente gegen Depressionen einnehme und etwa zwölf Zigaretten am Tag rauche. Zigaretten führten zu chronischen Mittelohrentzündungen bzw. solche würden durch Zigaretten verstärkt. Außerdem führe ein Nikotinabusus zu einer Gefäßverkalkung mit folgender Innenohrschwerhörigkeit. Entgegen seiner Beobachtung hätten die Gutachter Narben in den Trommelfellen verneint. Der SISI-Befund fehle völlig. Dass der Kläger jetzt keine Mittelohrschwerhörigkeit aufweise, sei wegen der Vernarbungen nicht glaubwürdig. Außerdem spreche ein fehlender Stapediusreflex dafür, dass am ehesten eine Mittelohrschwerhörigkeit gegeben sei. Das Tympanogramm rechts sei stark verschoben gewesen, was dafür spreche, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung der Kläger erkältet gewesen sei. Auch dies allein bedinge eine Mittelohrschwerhörigkeit. Im Tonschwellenaudiogramm fehle die Besserung zu den hohen Frequenzen. Dies mache eine rein berufliche Schwerhörigkeit unwahrscheinlich. Zusammenfassend lasse sich sagen, dass der Fall letztendlich nicht eindeutig sei. Es sprächen aber wesentlich mehr Argumente gegen eine berufsbedingte Lärmstörung als dafür.

Mit Urteil vom 06.08.2012, dem Kläger zugestellt am 06.11.2012, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Verwaltungsaktes gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lägen nicht vor, da der Kläger nicht unter einer Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Ziff. 2301 der Anlage 1 zur BKV leide. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung müsse hinsichtlich der Einwirkungen am Arbeitsplatz und der bestehenden Erkrankung ein Ursachenzusammenhang bestehen. Hierfür genüge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Dr. F. habe in seinem Gutachten vom 28.10.2011 überzeugend auf andere Ursachen hingewiesen, die eine außerberuflich erworbene Lärmschwerhörigkeit nahelegten. Die vom Gutachter als verdickt und vernarbt beschriebenen Trommelfelle ließen auf einen bereits früher abgelaufenen krankhaften Prozess schließen. Dass durch eine Lärmexposition keine Vernarbung entstehe, liege auf der Hand. Weiter spreche gegen eine berufsbedingt erworbene Lärmschwerhörigkeit die völlig untypische Hörkurve, wonach eine Frequenzbesserung zu den hohen Frequenzen fehle. Auch spreche der von Dr. F. durchgeführte SISI-Test gegen eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit. Gestützt werde Dr. F. durch die Angaben des Klägers, wonach die Hörstörung erst 1986 aufgetreten sei, obwohl er zuvor kaum lärmexponiert eingesetzt gewesen sei. Dagegen vermöge das Gutachten der Professoren Dres. M. nicht zu überzeugen, da es von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. So sei die regelmäßige Einnahme von Medikamenten bzw. Suchtmitteln verneint und auch eine Vernarbung im Trommelfell übersehen worden. Einen SISI-Befund hätten die Gutachter nicht erhoben.

Hiergegen richtet sich die am 05.12.2012 bei Gericht eingegangene Berufung, die damit begründet worden ist, die beiden Gutachten des Dr. F. sowie der Professoren Dres. M. widersprächen sich erheblich. Es sei deshalb zur Aufklärung der medizinischen Widersprüche die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen erforderlich. Desweiteren sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger zwischenzeitlich eine neue Untersuchung bzw. Begutachtung bei Prof. Dr. T. veranlasst habe. In diesem Rahmen sei auch ein neuer SISI-Test durchgeführt worden. Hinzuzufügen sei, dass der Kläger gegenüber dem Gutachter Dr. F. versehentlich das Jahr 1986 als Beginn der Beschwerden genannt habe. Tatsächlich hätten diese Beschwerden erst 1996 begonnen. Entgegen den Ausführungen des Dr. F. rauche der Kläger nicht 20 Zigaretten, sondern zwölf Zigaretten am Tag. Gegenüber Prof. Dr. T. habe er angegeben, dass er rauche und auch Medikamente gegen Depressionen einnehme. Hier möge Prof. Dr. T. ein Versehen unterlaufen sein. Die Medikamente, die der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung zu sich nehme, hätten keinerlei Auswirkungen auf seine bestehende Schwerhörigkeit. Diese beginne bereits vor dem Zeitpunkt, ab dem er die Medikamente zu sich genommen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2004 zurückzunehmen und eine BK nach Ziff. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat dargelegt, dass auch Dr. S. in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. F. Veränderungen am Trommelfell habe feststellen können und dass unabhängig davon die Ablehnung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Schwerhörigkeit und der beruflichen Tätigkeit nicht den Nachweis einer anderen Ursache durch den Versicherungsträger oder das Gericht zur Voraussetzung habe. Die Berufungsbegründung gebe die Einwendungen von Dr. F. gegen die Beweiskraft des Partei-Gutachtens nur unvollständig wieder. Dies gelte für die Stapediusreflexuntersuchung von Prof. Dr. M. und Prof. Dr. T., die ein weiteres Argument gegen die berufliche Tätigkeit als Ursache und für eine Mittelohrschwerhörigkeit sei. Außerdem blieben die Ausführungen von Dr. F. auf S. 3 seiner ergänzenden Stellungnahme zu dem Verlauf des Tonschwellenaudiogramms als weiteres Kontraargument unberücksichtigt. Nicht unerwähnt bleiben könne, dass die Professoren Dres. M. nur eine beginnende Hochtonschwerhörigkeit bejahten und dass auch insoweit eine Diskrepanz zum Ausmaß des Hörverlustes nach der Untersuchung von Dr. F. bestehe. Die Darlegungen der Gutachter im Parteigutachten zur Kausalität der Hörverluste im Tieftonbereich seien nur spekulativ. Nach Mehrtens/Brandenburg seien deutliche Hörverluste im Tieftonbereich für die Lärmschwerhörigkeit nicht charakteristisch und nur dann lärmbedingt, wenn eine langjährige Lärmexposition mit Lärmeinwirkung meist über 95 dB bzw. extrem hohem Schallpegel gegeben sei, aber auch dann werde ein Hörverlust von 30 dB nur selten erreicht.

Das Gericht hat Prof. Dr. T. als sachverständigen Zeugen zu der vom Kläger vorgetragenen Untersuchung befragt, der daraufhin mit Schreiben vom 12.04.2013 gegenüber dem Gericht dargelegt hat, Untersuchungen nach dem 13.01.2012 hätten nicht stattgefunden.

Weiterhin hat das Gericht Prof. Dr. Z. mit der Erstellung eines weiteren HNO-ärztlichen Gutachtens beauftragt, der nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 15.01.2015 im Gutachten vom 09.02.2015 eine kombinierte Schwerhörigkeit beidseits und einen kompensierten Tinnitus beidseits diagnostizierte. Eine Lärmschwerhörigkeit entsprechend der BK Nr. 2301 liege nicht vor. Für eine solche würde sprechen, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung der hohen Frequenzen handele und durch den Nachweis eines Recruitments wahrscheinlich gemacht werde, dass die Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohres (cochleäre Hörstörung) lokalisiert sei. Während die genannte erste Bedingung weitestgehend erfüllt sei, liege insbesondere keine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung der hohen Frequenzen vor, sondern beidseits eine kombinierte Schwerhörigkeit, wobei die Schallempfindungsschwerhörigkeit überwiege. Ein positives Recruitment sei nachgewiesen worden, doch bedeute eine Schädigung der äußeren Haarzellen nicht automatisch, dass es sich um eine Lärmschwerhörigkeit handele. Eine typische Tonschwellenkurve für eine Lärmschwerhörigkeit zeige sich im durchgeführten Tonaudiogramm nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte, der SG-Akte sowie der Akte des Gerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf Rücknahme des Bescheides vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 ist § 44 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 der Regelung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Zwar wurde vorliegend im Bescheid vom 18.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 nicht über Leistungen entschieden, sondern (nur) die Anerkennung der streitigen BK 2301 abgelehnt, sodass durch diesen Bescheid unmittelbar nicht "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind", wie dies § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt. Da es bei der Anerkennung einer BK letztendlich jedoch jedenfalls mittelbar um Leistungsansprüche geht, ist § 44 hier anzuwenden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.2014, L 10 U 1507/12, jeweils Juris). Jedoch kommt eine Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht in Betracht, da die Beklagte zu Recht das Vorliegen der BK abgelehnt hat.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übliche Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der BKV Gebrauch gemacht. Gem. Ziffer 2301 der Anlage 1 zur BKV zählt hiernach Lärmschwerhörigkeit als BK.

Im Regelfall gilt für die Anerkennung einer BK Folgendes: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 02.04.2009, B 2 U 7/08 R, vom 27.6.2006, B 2 U 20/04 R und vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, jeweils in Juris).

Dass im Falle des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2301 vorliegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und folgt aus der eingeholten Stellungnahme des Präventionsdienstes, der Lärmpegel zwischen )= 85 bis ( 90 dB (A) über 29,9 Jahre bzw. einen Dauerschallpegel von 90 dB (A) über einen Zeitraum von 17 Jahren ermittelt hat.

Vorliegend ist es zwar möglich, dass diese Lärmexposition beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit verursacht hat, doch spricht mehr dagegen als dafür. Insofern konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Lärm wesentliche Ursache der Hörstörung ist. Hierbei stützt sich das Gericht zum einen auf das im Wege des Urkundenbeweises zu verwertende Gutachten des Dr. S. vom 09.10.2003 und zum anderen auf das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. F. vom 28.10.2011 und das vom Senat eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Z. vom 09.02.2015. Gemäß der Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK Nr. 2301), der sogenannten Königsteiner Empfehlung (5. Auflage 2012), die als antizipiertes Sachverständigengutachten herangezogen werden kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 24/00 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2012, L 2 U 4996/10 m.w.N., in Juris), spricht für die Annahme des Ursachenzusammenhangs zwischen der arbeitsbedingten Lärmexposition und der Schwerhörigkeit, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt (siehe auch Feldmann, Brusis in "Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes", 7. Aufl. 2012, S. 268 ff.). Da Lärm nur das Innenohr, nicht aber das Mittelohr schädigen kann, wird somit hier verlangt, dass es sich um eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit und nicht um eine Schallleitungsschwerhörigkeit handelt, die bei einer Störung im Außen- und Mittelohr auftritt. Wie Dr. F. in seinem Gutachten dargelegt hat, fällt indes in den Frequenzen von 500 bis 2000 Hz eine Schallleitungskomponente von ca. 15 dB beidseits auf. Eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit oder auch Innenohrschwerhörigkeit, wie sie nach der Königsteiner Empfehlung und auch in Feldmann/Brusis (a.a.O.) verlangt wird, liegt mithin nicht vor. Zum gleichen Ergebnis kommt auch Prof. Dr. Z., der einen Schallleitungsverlust von 10 bis 15 dB für die Frequenzen von 0,25 bis 1,5 kHz rechts und links von 15 bis 10 dB für die Frequenzen von 0,5 bis 4 kHz feststellen konnte. Hinzu kommt dass die Tonschwellenkurven nicht typisch für eine Lärmschwerhörigkeit sind. Eine typische Tonschwellenkurve bei Lärmschwerhörigkeit ist in der Regel u.a. durch eine C5-Senke charakterisiert, d.h. dass die Kurve bei einer bestimmten Frequenz eine Knickbildung zeigt und nach Erreichen des maximalen Hörverlusts wieder ansteigt (vgl. Feldmann/Brusis a.a.O. S. 274). Eine solche Senke fehlt indessen in sämtlichen Tonaudiogrammen, die sich in den Verwaltungs- und Gerichtsakten befinden (mit Ausnahme der linksseitig angedeuteten Senke bei 4 kHz im Gutachten der Professoren Dres. T.). Vielmehr fallen die Hörkurven im Tonschwellenaudiogramm ohne lärmtypische Hochtonsenken schräg ab, worauf sowohl Dr. S. als auch Dr. F. hingewiesen haben. Prof. Dr. Z. hat ebenfalls keine typische Tonschwellenkurve für eine Lärmschwerhörigkeit feststellen können, da - neben der kombinierten Schwerhörigkeit - der Tieftonhörverlust zu ausgeprägt war und keine typische Hochtonsenke vorlag.

Offenbleiben kann an dieser Stelle, worauf die von Dr. F. und Dr. S. festgestellten verdickten und vernarbten Trommelfelle rechts und links zurückzuführen sind, und dementsprechend auch, ob und wann der Kläger in der Vergangenheit unter Mittelohrentzündungen litt. Fest steht, dass diese Vernarbungen nicht durch Lärm verursacht sein können. Starker Lärm führt zu einer Schädigung der Innenohren, d.h. die Haarzellen werden geschädigt (Feldmann/Brusis S. 236, 237; Merkblatt zur Lärmschwerhörigkeit [Bek. des BMAS vom 01.07.2008 GMBl. Nr. 39 vom 05.08.2008, 798 bis 800], Ziffer II, III.). Ebenso wenig muss hier geklärt werden, ob eine fehlende Symmetrie der Hörkurven im Tonschwellenaudiogramm gegen eine Lärmschwerhörigkeit spricht. Während Dr. S. die fehlende Symmetrie als Argument gegen das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit angeführt hat, hat Dr. F. der relativ geringen Abweichung zwischen den Hörkurven keine besondere Bedeutung beigemessen. Auch Prof. Dr. Z. spricht angesichts einer Messtoleranz von bis 10 dB von nahezu symmetrischen Kurven. Da aber bereits wegen der fehlenden reinen Innenohrschwerhörigkeit und der untypischen Tonschwellenkurven eine Lärmschwerhörigkeit unwahrscheinlich ist, bedarf es nicht auch noch einer fehlenden Symmetrie der Hörkurven, um die fehlende Wahrscheinlichkeit zwischen Lärm und Schwerhörigkeit zu untermauern.

Der zum Teil beschriebene positive SISI-Test vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern: Mittels des SISI-Tests kann das sogenannte Recruitment, ein Lautheitsausgleich im Innenohr, gemessen werden. Ist der SISI-Test positiv, findet also ein Lautheitsausgleich statt, spricht dies für eine Lärmschwerhörigkeit (siehe hierzu Feldmann/Brusis a.a.O. S. 264, S. 280). Während der SISI-Test bei Dr. F. negativ war, hat Dr. S. in seinem Gutachten einen positiven SISI-Test beidseits bei 4000 hz beschrieben, ebenso wie Prof. Dr. Z. Wie jedoch Prof. Dr. Z. überzeugend ausführt, bedeutet eine Schädigung der äußeren Haarzellen nicht automatisch, dass es sich um Lärmschwerhörigkeit handelt, weswegen der alleinige Nachweis eines Recruitments zum Beleg einer Lärmschwerhörigkeit nicht ausreicht. Ebenso wird auch in Feldmann/Brusis erläutert, dass der Befund eines positiven Recruitments allein nur beweist, dass der Schaden in den äußeren Haarzellen des Corti-Organs lokalisiert ist, ohne aber etwas über die Ätiologie auszusagen (Feldmann/Brusis, a.a.O. Seite 280).

Das Gutachten der Professoren Dres. M. vermochte nicht zu überzeugen. Diese haben zum einen die Mittelohrschwerhörigkeit des Klägers übersehen und eine Schallleitungskomponente verneint, obwohl diese von Dr. F. und Prof. Dr. Z. eindeutig festgestellt werden konnte. Zum anderen hat Prof. Dr. Z. nachvollziehbar erklärt, dass die von den Professoren Dres. T. dargestellte Tonschwellenkurve nur linksseitig eine angedeutete Senke bei 4 kHz erkennen lasse, die damit erklärt werden könnte, dass es bei der Reintonaudiometrie je nach Untersucher, Audiometer ("Messinstrument") und Tagesform des Patienten Unterschiede von 5 dB bis teilweise sogar 10 dB geben könne. Insofern sind wesentliche Komponenten dieses Gutachtens zumindest zweifelhaft, sodass ihm nicht zu folgen ist.

Im Ergebnis hat die Beklagte zu Recht eine Rücknahme des Bescheides vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 abgelehnt, sodass ihr Bescheid vom 16.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2011 nicht zu bestanden sind. Dementsprechend hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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