L 11 AS 875/14 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1039/14 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 875/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage der Eilbedürftigkeit einer Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes
I. Die Beschwerde gegen Ziffer I und III des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.12.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (ASt) begehrt eine Zusicherung des Antragsgegners (Ag) hinsichtlich der Übernahme von Mietaufwendungen für eine neu anzumietende Wohnung sowie in Bezug auf die Kostenübernahme eines Umzuges dorthin.

Die ASt bezog seit dem Umzug in den Zuständigkeitsbereich des Ag durch diesen seit dem Jahr 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bis 21.12.2014 bewohnte sie eine Wohnung in M., hinsichtlich derer in der Vergangenheit der geltend gemachte Heizkostenbedarf wegen der Beheizung mit Strom bereits zum Teil ungedeckt geblieben war. Zudem kündigte der Vermieter der ASt am 30.09.2014 den Mietvertrag mit Wirkung zum 31.12.2014 wegen Eigenbedarfs.

Mit der Mitteilung über die Kündigung des Mietvertrages (Schreiben vom 06.10.2014) beantragte die ASt beim Ag die Erteilung einer Zusicherung, die Umzugskosten in eine neu anzumietende Wohnung zu übernehmen. Hierzu legte sie die Kostenvorschläge dreier Umzugsfirmen vor, die sich jedoch auf keine konkrete Umzugsanschrift bezogen. Unter Vorlage eines ärztlichen Attestes verwies die ASt darauf, sie sei aus gesundheitlichen Gründen außer Stande, den Umzug selbst durchzuführen. Hierauf übersandte der Ag der ASt einen Antragsvordruck zur Zustimmung zu einem Umzug, den die ASt am 21.10.2014 an den Ag zurückreichte. Es sei beabsichtigt, eine Wohnung in Bad K. (W-Straße 13; Kaltmiete: 320.- EUR - Heizkostenabschlag: 45.- EUR - Nebenkosten: 60.- EUR) anzumieten. Nach einer Rückfrage des Ag wegen des Umzugstermins (Schreiben vom 24.10.2014) legte die ASt am 28.10.2014 den bereits am 27.10.2014 von ihr unterschriebenen Mietvertrag über die Anmietung einer Wohnung in A-Stadt (A-Straße; Kaltmiete: 250.- EUR - Heizkostenabschlag: 100.- EUR - Nebenkosten: 11,20 EUR) vor. Mit einem weiteren am 30.10.2014 beim Ag eingegangen Antrag (vom 28.10.2014), die Zustimmung zum Umzug nach A-Stadt zu erteilen, erklärte die ASt, dass dieser Umzug am 20.12.2014 erfolgen werde. Mit Bescheid vom 30.10.2014 idF des Bescheides vom 06.11.2014 verweigerte der Ag die Zustimmung zu diesem Umzug, denn die im Landkreis Bad K. bereits angemietete Wohnung sei nicht kostenangemessen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Ag mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2014 zurück. Über die dagegen zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobene Klage (S 5 AS 1041/14) ist bislang nicht entschieden.

Mit der Klage hat die ASt am 21.11.2014 zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Die Zustimmung zu dem Umzug sei zu erteilen gewesen. Der Ag sei an die Auffassung des Grundsicherungsträgers am Zuzugsort, des Jobcenters Bad K. (JC), nicht gebunden gewesen und mangels eines schlüssigen Konzeptes des Landkreises Bad K. sei dort eine Wohnung (einschließlich warmer Nebenkosten) von ca. 400.- EUR kostenangemessen. Die von ihr angemietete Wohnung sei daher angemessen, da hierfür lediglich Kosten in Höhe von ca. 375.- EUR anfielen. Die Angelegenheit sei auch dringlich, denn sie müsse die Wohnung spätestens zum 31.12.2014 räumen.

Mit Beschluss vom 04.12.2014 (Ziffer I und III) hat das SG den Antrag, die Zustimmung zu einem Umzug nach A-Stadt zu erteilen, abgelehnt. Für die von der ASt begehrte Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Zusicherung sei keine Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrages, so dass der Leistungsempfänger nicht in seiner Handlungsfreiheit soweit eingeschränkt sei, dass er auf die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes angewiesen wäre, denn die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten könne auch ohne die Gefahr eines Rechtsverlustes im Rahmen eines Verfahrens in Bezug auf die Angemessenheit der Unterkunftskosten geklärt werden. Zudem fehle für das vorliegende Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis, denn die ASt habe die Wohnung bereits angemietet, so dass die Frage der angemessenen Unterkunftskosten mit dem nunmehr zuständigen JC zu klären sei.

Gegen den Beschluss hat die ASt am 18.12.2014 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Eingang 22.12.2014). Der nunmehr zuständige JC habe ihr bereits Leistungen bewilligt, wobei lediglich ein Betrag von 318.- EUR für die Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden seien. Hiergegen habe sie bereits Widerspruch eingelegt. Angesichts des Umstandes, dass sie ihre bisherige Wohnung zum 31.12.2014 räumen müsse, sei Eile geboten, denn die Umzugsfirma mache die Durchführung des Umzuges davon abhängig, dass der Ag seine Zustimmung hierzu erteile. Sie selbst könne den Umzug nicht finanzieren.

Bereits mit Bescheid vom 21.11.2014 hatte der JC der ASt Alg II für die Zeit ab dem 01.12.2014 bewilligt (Bedarfe für Unterkunft und Heizung: 319,99 EUR). Anlässlich einer Vorsprache der ASt beim Ag am 12.12.2014 hatte sie einen Antrag auf Kostenübernahme für einen am 20.12.2014 geplanten Umzug gestellt, den der Ag, mit Bescheid vom selben Tag an die ASt ausgehändigt, ablehnte. Den sogleich erhobenen Widerspruch wies der Ag mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2014 zurück. Die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten, vorliegend der Umzugskosten, scheitere daran, dass eine (vorherige) Zustimmung zum Umzug nicht habe erteilt werden können. Für das hilfsweise beantragte Darlehen fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.12.2014 hat die ASt Klage (S 10 AS 35/15) zum Sozialgericht Würzburg erhoben, über die ebenfalls bislang nicht entschieden ist. Einen darauf bezogenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 10 AS 15/15 ER) hat die ASt - anlässlich eines Erörterungstermins - am 22.01.2015 für erledigt erklärt, nachdem der Umzug am 22.12.2014 durchgeführt und die bisherige Wohnung durch die Umzugsfirma (Fa. K.) vollständig geräumt worden sei. Das gesamt Umzugsgut befinde sich in ihrer neuen Wohnung. Die Fa. K. sei die einzige Umzugsfirma gewesen, die bereit gewesen sei, den Umzug auch ohne die Zustimmung des Ag durchzuführen.

Auf gerichtliche Anfrage hat die ASt den Umzugsvertrag mit der Fa. K. vom 19.12.2014 vorgelegt (Angebot aufgrund der Besichtigung vom 18.12.2014).

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreites ist die Erteilung einer Zusicherung iSd § 22 Abs 4 SGB II, hinsichtlich der Berücksichtigung von Aufwendungen für eine neue Unterkunft. Dieses Anliegen könnte die ASt in der Hauptsache vor dem SG zwar im Rahmen einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend machen, so dass vorliegend § 86b Abs 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darstellen würde. Das Rechtsschutzbedürfnis, eine Zusicherung gemäß § 22 Abs 4 SGB II zu erteilen, hat sich jedoch durch die Bewilligung von Alg II für die Zeit ab dem 01.12.2014 und den Umzug der ASt zum 21.12.2014 erledigt, soweit mit dieser Bewilligung auch die Höhe des Unterkunftsbedarfes geregelt wurde, in Bezug auf den eine Zusicherung begehrt worden war.

Die Zusicherung iSd § 22 Abs 4 SGB II ist weder eine materielle Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung angemessener Unterkunftskosten noch entfaltet selbst eine bestandskräftige Ablehnung zwischen den Beteiligten eine Bindungswirkung iSd § 77 SGG dergestalt, dass der Leistungsempfänger mit seinem Anliegen, die tatsächlich angemessenen Unterkunftskosten erstattet zu erhalten, ausgeschlossen wäre. Das Rechtsschutzinteresse auf Erteilung einer gesonderten Zusicherung als vorgreiflicher Teilregelung für die Übernahme angemessener Unterkunftskosten wegen grundsätzlicher Erforderlichkeit eines Umzuges ist dann entfallen, wenn aufgrund eines zwischenzeitlich vollzogenen Wohnungswechsels nunmehr in einem anderen Streitverfahren wegen der Höhe der Unterkunftskosten über den Gegenstand einer möglichen Zusicherung selbst zu befinden ist (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 5/10 R - juris). Ein gerichtliches Verfahren auf Erteilung einer Zusicherung wird daher mit dem Umzug in die neue Wohnung unzulässig (vgl. Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn.253). In Betracht kommt in solchen Konstellationen lediglich noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs 3 SGG (vgl. LSG Berl.-Bbg, Urteil vom 28.05.2008 - L 26 AS 421/07 - juris). Dies zugrunde gelegt, fehlt es für das Betreiben des Verfahrens seit dem Bewilligungsbescheid vom 21.11.2014, spätestens jedoch seit dem Umzug der ASt am Rechtsschutzbedürfnis, denn diesem Anliegen kann nur mit einer endgültigen Entscheidung Rechnung getragen werden, soweit aus der Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsentscheidung weitere Folgen abzuleiten sind (Rehabilitationsinteresse; Schadenersatz; Wiederholungsgefahr) und der Betroffene nicht um den Erfolg seines Rechtsmittels gebracht werden soll, den er bis zur Erledigung der Verwaltungsentscheidung erzielt hatte. Eine derartige (endgültige) Feststellung ist einer vorläufigen Regelung im Rahmen eines Eilverfahrens grundsätzlich nicht zugänglich. Für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lässt sich daher ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht begründen (vgl. st. Rspr des Senates vgl. zuletzt Beschluss vom 11.02.2015 - L 11 AS 730/14 B ER - juris).

Soweit die ASt mit der Beschwerde erstmals im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, die Umzugsfirma mache die Durchführung des Umzuges davon abhängig, dass der Ag seine Zustimmung hierzu erteile, ist hierin eine Antragsänderung iSd § 99 SGG zu sehen, denn Ausgangspunkt des Antragsverfahrens vor dem SG war allein der Widerspruchsbescheid vom 17.11.2014, in dem ausschließlich eine Zusicherung iSd § 22 Abs 4 SGB II abgelehnt worden war. Die Frage einer Zusicherung iSd § 22 Abs 6 SGB II in Bezug auf die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten - vorliegend die Kosten eines Umzuges - hatte die ASt, obwohl der Ag über den Antrag vom 06.10.2014 nicht entschieden hatte, vor dem SG weder thematisiert noch hat das SG in seinem streitgegenständlichen Beschluss hierüber entschieden, so dass die Zulässigkeit dieses Beschwerdevorbringens an § 99 SGG zu messen ist. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist zwar grundsätzlich auch in zweiter Instanz möglich (vgl. Leitherer in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 99 Rn.12), vorliegend jedoch nicht zulässig, denn der Senat hält eine Änderung der Anträge nach Abwägung der Umstände nicht für sachdienlich (§ 99 Abs 1 Alt 2 SGG). In Bezug auf die Frage der Umzugskosten hat die ASt bereits ein gerichtliches Eilverfahren durchgeführt und dieses mangels Eilbedürftigkeit der Angelegenheit am 22.01.2015 für erledigt erklärt. Es kann dahinstehen, dass der Ag über den Antrag vom 06.10.2014 auf Erteilung einer Zusicherung iSd § 22 Abs 6 SGB II nicht entschieden hat, wobei dieser mangels Bezeichnung einer konkreten Umzugsanschrift ohnehin nicht zusicherungsfähig war. Am 12.12.2014 hat die ASt - ohne Vorlage eines konkreten Kostenvoranschlages - die Kostenübernahme für ihren Umzug nach A-Stadt beantragt, so dass spätestens hierin ein formal genehmigungsfähiger Antrag auf Erteilung einer Zusicherung (iSd § 22 Abs 6 SGB II) zu sehen war, den der Ag jedoch mit Bescheid vom 12.12.2014 idG des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2014 abgelehnt hat. Das darauf bezogene Eilverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (S 10 AS 15/15 ER) hat die ASt nach dem gerichtlichen Hinweis dort jedoch nicht wegen der vorhergehenden Rechtshängigkeit im vorliegenden Beschwerdeverfahren sondern allein im Hinblick auf die fehlende Eilbedürftigkeit der Angelegenheit für erledigt erklärt, so dass auch der erkennende Senat keine Veranlassung hat, das Betreiben des Beschwerdeverfahrens insoweit als sachdienlich anzusehen. Darüber hinaus hat der Ag dieser Antragsänderung weder ausdrücklich zugestimmt (§ 99 Abs 1 Alt 1 SGG) noch hat er sich rügelos auf den geänderten Antrag eingelassen (§ 99 Abs 2 SGG). Nachdem der Ag in seiner Beschwerdeerwiderung ausdrücklich auf das weitere Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (S 10 AS 15/15 ER) hingewiesen hat, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass er diese Problematik im vorliegenden Beschwerdeverfahren einer Klärung zuführen wollte.

Die Beschwerde ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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