Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 13 KR 988/13
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 170/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
In entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 4 SGB V besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der häuslichen Krankenpflege wegen Unaufschiebbarkeit der Leistung auch dann, wenn ein Natrualleistungsanspruch bestanden hätte, der Versicherte jedoch vor Inanspruchnahme der Leistung die Krankenkasse nicht mit der Sache befasst hatte und die ärztliche Verordnung auch nicht innerhalb der durch § 5 Abs. 6 HKP-RL bestimmten Frist von drei Arbeitstagen vorgelegt hat (Fortführung von BSG 16.07.2014 – B 3 KR 2/13 R).
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.6.2014 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der häuslichen Krankenpflege in der Zeit vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 in Höhe von 1.232,35 EUR, gegebenenfalls abzüglich der von ihm zu leistenden Zuzahlung, freizustellen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Freistellung von den Kosten für selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege zum Anlegen und Wechseln von Wundverbänden in der Zeit vom 2.1.2013 bis 31.3.2013 in Höhe von 1.232,35 EUR hat.
Der 1919 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er litt an einem Zustand nach Hirninfarkt sowie an einem bullösen Pemphigoid (subepidermale Blasenbildung) unklarer Ätiologie, wodurch sich immer wieder innerhalb von Stunden wässrig gefüllte Blasen an unterschiedlichen Stellen bildeten. Aufgrund des starken Juckreizes kratzte sich der Kläger die Blasen immer wieder auf oder sie öffneten sich spontan, wodurch tiefe Nekrosen mit starker Sekretbildung entstanden. Laut Gutachten der Pflegefachkraft F (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung - MDK) vom 14.6.2012 litt der Kläger zudem an Senilität und einem nicht primär insulinabhängigen Diabetes; er ist pflegebedürftig nach der Pflegestufe I; gepflegt wurde er von seiner Ehefrau und einem ambulanten Pflegedienst, der dreimal wöchentlich die Grundpflege und bei Bedarf Behandlungspflege durchführte. Der zwischen dem Pflegedienst und dem Kläger abgeschlossene Vertrag über "ambulante Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung" (Blatt 133 der Gerichtsakte) enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
§ 2 Abs. 4:
"Leistungen der Behandlungspflege werden lt. ärztlicher Verordnung nach Maßgabe der Genehmi-gung durch die Krankenkasse erbracht. Nimmt der Leistungsnehmer nicht verordnete oder von der Krankenkasse nicht genehmigte Leistungen in Anspruch, so hat er diese selbst zu bezahlen. Die Leistungen sollen in diesem Fall in der Leistungsvereinbarung SGB V (Anlage 1) vereinbart werden."
§ 6 Abs. 1:
"Soweit Leitungen nicht von den Kranken- und Pflegekassen bzw. dem Sozialhilfeträger übernommen werden, sind diese vom Leistungsnehmer selbst zu bezahlen. Dies gilt nicht, wenn die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Kostenträger auf einem Verschulden des Pflegedienstes beruht."
§ 9 Abs. 2 Satz 1:
"Der Leistungsnehmer kann den Vertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist ordentlich kündigen."
Am 2.1.2013 verordnete Dr. R häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 29.12.2012 bis 12.1.2013. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab er an: Zustand nach Hirninfarkt, multiple offene Stellen, Kratzwunden 3. Grades. Als notwendige Behandlungspflege gab er an: Anlegen und Wechseln von Wundverbänden einmal täglich, siebenmal wöchentlich, "1. Stelle re. Kniekehle multiple offene Stellen, Kratzwunden 3. Grades. 2. Stelle re Schulter 2x4 cm 2. Grades". Auf Seite 2 des Verordnungsformblatts hatte der Versicherte den "Antrag auf Genehmigung häuslicher Krankenpflege" (ohne Datum) unterschrieben und der Pflegedienst mit Datum vom 4.1.2013 die vom Arzt bezeichneten Leistungen aufgeführt und zusätzlich angegeben: "VO kam heute wegen Praxisurlaub per Post". Laut Eingangsstempel ging die Verordnung bei der Beklagten am 9.1.2013 ein. Am 11.1.2013 verordnete Dr. R als Folgeverordnung häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 13.1.2013 bis 31.3.2013. Im Übrigen entsprachen die Angaben im Verordnungsformular im Wesentlichen den Angaben in der Erstverordnung. Zusätzlich war angekreuzt: "Die Beurteilung, ob eine im Haushalt lebende Person die verordneten Maßnahmen übernehmen kann, ist nicht möglich". Die Formularangaben des Pflegedienstes datieren vom 15.1.2013. Laut Eingangsstempel ging dieser Antrag am 21.1.2013 bei der Beklagten ein. Nach der vom Pflegedienst erstellten Wunddokumentation (Blatt 58 ff. der Gerichtsakte) erfolgte bei den zu behandelnden Wunden jeweils eine Wundauflage mit Nugel, eine Abdeckung mit Tüllauflage und Kompression sowie eine Fixierung mit Fixomull-Pflaster.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von häuslicher Krankenpflege mit Bescheid vom 14.1.2013 für den Zeitraum vom 29.12.2012 bis 12.1.2013 und mit Bescheid vom 23.1.2013 für den Zeitraum vom 13.1.2013 bis 31.3.2013 ab mit der Begrün-dung, die ärztliche Verordnung sei unvollständig ausgefüllt, so dass wichtige Angaben zur Beurteilung der verordneten Maßnahmen fehlten. Hiergegen legte der Kläger jeweils Widerspruch ein. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. R am 5.2.2013 mit, alle Befunde seien auf der Verordnung angegeben; bei der Grunderkrankung wechsle der Befund schnell; wenn die Beklagte genaue Angaben benötige, möge sie bitte täglich einen Mitarbeiter vorbeischicken; die Zeit dazu habe sie ja vermutlich. Auf Bitten der Beklagten ließ der Kläger die Wunddokumentation des Pflegedienstes an den MDK übersenden.
Der von der Beklagten beauftragte MDK (Gutachten Dr. K nach Aktenlage vom 27.5.2013) führte aus:
"Offensichtlich leidet der Versicherte an starkem Juckreiz. Die beschriebenen Wunden in der rechten Kniekehle mehr als an der Schulterregion sind eher untypisch groß für Kratzwunden. NuGel wird bei dem Versicherten offensichtlich eingesetzt aufgrund der geringen Sekretion zum Feuchthalten der Wunden. Anschließend erfolgt wohl die Auflage eines Distanzgitters (Tüllauflage), um ein Verkleben mit der Wunde zu verhindern. Allerdings wird ein geeigneter Sekundärverband (lediglich Kompresse) nicht angelegt. Das Gel zieht in die Kompresse, wirkt nicht mehr direkt auf der Wunde. Entscheidend ist das Anbringen eines Okklusivverbandes. Dieser könnte auf Grund der beschriebenen Exsudationsmenge bis zu 3 Tage ungestört auf der Wunde verbleiben.
Die Fragen der Kasse lassen sich wie folgt beantworten.
1. Ein täglicher Verbandswechsel ist weder für die Wunde in der rechten Kniekehle, noch für die Wunde in der Schulterregion medizinisch indiziert, adäquate Wundversorgung vorausgesetzt ist ein Verbandswechsel 2x/wö. medizinisch indiziert, ausreichend und zweckmäßig. Ab dem 28.02.2013 erfolgt lediglich ein Schutzverband in der rechten Kniekehle, ab dem 15.02.2013 erfolgt lediglich ein Schutzverband in der Schulterregion. Ab dieser Zeit ist bei vollständiger Epithelisierung ein tgl. Verbandswechsel in keinster Weise mehr nahvollziehbar.
2. Lt. Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs 7 SGB V werden die Kriterien zur Kostenübernahme für einen Wundverband unter folgende Voraussetzungen erfüllt: Anlegen, Wechseln von Verbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen. Diese Kriterien werden bei beiden Wunden nicht erfüllt."
Daraufhin wies die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2013 zurück mit der Begründung, unter Würdigung der ausführlichen Auseinandersetzung des MDK mit den vorliegenden Unterlagen, vor allem mit der vom Pflegedienst geführten Wunddokumentation, sei die Kostenübernahme für das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden zu Recht abgelehnt worden. Mit Rechnungen vom 10. und 11.9.2013 hat der Pflegedienst dem Kläger für die im Zeitraum vom 2.1.2013 bis 31.3.2013 erbrachten Wundverbände insgesamt 1.232,35 EUR in Rechnung gestellt. Laut den hierzu vorgelegten Leistungsnachweisen hat der Pflegedienst beim Kläger Wundverbände ab 2.1.2013 bis 31.3.2013 täglich erbracht mit Ausnahme des 3. und 8.1. sowie des 19., 21., 23., 24., 26., 28., 30. und 31.3.2013.
Am 17.9.2013 hat der Kläger Klage auf Erstattung dieser Kosten erhoben. Er hat vorgetragen, der Pflegedienst habe die ärztlichen Verordnungen bereits am 2.1.2013 bzw. 14.1.2013 per Telefax an die Beklagte übersandt. Hierzu hat er Faxjournale vorgelegt. Er hat eine Bescheinigung des Dr. R vom 24.6.2013 vorgelegt, der ausführt: Nur dank der guten und täglichen Verbandwechsel durch den Pflegedienst und einer Hochdosiscortisontherapie hätten die Wunden des Klägers zur Abheilung gebracht werden können; an den vorliegenden Wundfotos sei dies problemlos nachzuvollziehen. Seine Verordnungen hätten den gängigen Richtlinien entsprochen und seien wirtschaftlich gewesen; ein Krankenhausaufenthalt sei somit verhindert worden. Die Beklagte hat vorgetragen, die ärztliche Bescheinigung des Dr. R vom 24.6.2013 enthalte neue Aspekte; sie bitte um Einholung eines Befundberichts inklusive Laborbefunden, Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Diagnose für das bescheinigte bullöse Pemphigoid sowie Darstellung der Begleittherapie und Vorlage der Wunddokumentation und der angesprochenen Wundfotos. Der Kläger hat die Wunddokumentation des Pflegedienstes mit Fotos vorgelegt (Blatt 58 ff. der Gerichtsakte).
Mit Urteil vom 24.6.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt. Es habe sich nicht um eine unaufschiebbare (Notfall-) Behandlung im Sinne der ersten Alternative dieser Bestimmung gehandelt. Zudem regele § 6 der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) einen eigenständigen Anspruch auf Kostenerstattung für den Fall der Ablehnung, sofern der Leistungserbringer die ärztliche Verordnung innerhalb von drei Tagen nach ihrer Ausstellung einreiche. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Diese Regelung zeige, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V bei der häuslichen Krankenpflege nicht zur Anwendung kommen könne. Auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V seien nicht erfüllt. Da der Kläger jeweils bereits vor dem Erlass der ablehnenden Bescheide begonnen habe, die Leistungen in Anspruch zu nehmen, fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen ablehnendem Bescheid und entstandenen Kosten. Die Beklagte habe die Entscheidung über die Leistung auch nicht etwa hinausgezögert. Die Vorlage der Faxjournale belege nicht, dass der Pflegedienst die ärztlichen Verordnungen bereits früher bei der Beklagten vorgelegt habe. Das Faxjournal sei nicht geeignet, einen solchen Nachweis zu erbringen; zudem ergebe sich daraus nur die Übermittlung von einer Seite, während das Verordnungsformular aus zwei Seiten bestanden habe. Da die erbrachte Leistung nicht teilbar sei, könne auch nicht zwischen den Zeiträumen vor und nach der Entscheidung der Beklagten unterschieden werden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 17.7.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 18.8.2014 Berufung eingelegt. Der Senat hat einen Befundbericht des Dr. R eingeholt, zu dessen Inhalt auf Bl. 180 der Gerichtsakte verwiesen wird.
Der Kläger trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V nicht durch die Bestimmungen der HKP-RL ausgeschlossen. Die Leistung sei unaufschiebbar gewesen, da die Wundversorgung keinen zeitlichen Aufschub geduldet habe. Im Rahmen der Grundpflege habe die Pflegekraft des Pflegedienstes am 28.12.2012 bei ihm (dem Kläger) tiefe Kratzwunden am rechten Knie und an der rechten Schulter festgestellt. Am 29.12.2012 habe eine Pflegefachkraft des Pflegedienstes die Wunden begutachtet und eine sofortige kontinuierliche Wundversorgung für notwendig befunden. Eine Wundversorgung durch seine über 90jährige Ehefrau sei nicht zumutbar gewesen. Das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden sei in Nr. 31 der Anlage zur HKP-RL auch als verordnungsfähige Maßnahme der häuslichen Krankenpflege genannt. Die medizinische Notwendigkeit der Wundversorgung sei durch die ärztliche Verordnung und die Bescheinigung des Dr. R vom 24.6.2013 hinreichend belegt. Die Auffassung des MDK, ein Verbandwechsel sei nur zweimal wöchentlich notwendig gewesen, sei nicht nachvollziehbar. Die Krankenkasse sei an die medizinische Beurteilung des ordnungsgemäß handelnden Kassenarztes gebunden (Hinweis auf BSG 25.8.2009 - B 3 KR 25/08 R, LSG Sachsen-Anhalt 6.6.2000 - L 4 KR 44/08). Das Gutachten des MDK sei nicht geeignet, die Erkenntnisse des Hausarztes zu entkräften (Hinweis auf Hessisches LSG 18.10.2007 - L 8 KR 228/06 und 24.10.2013 - L 8 KR 114/12). Der MDK habe den Kläger nicht persönlich untersucht. Selbst unter Berücksichtigung der Beurteilung des MDK hätte die Beklagte zumindest zweimal wöchentliche häusliche Krankenpflege anerkennen müssen, was sie aber nicht getan habe. Die rückwirkende Verordnung sei hier nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 HKP-RL ausnahmsweise zulässig, da die Hausarztpraxis wegen Urlaubs erst am 2.1.2013 erreichbar gewesen sei. An die Begründung von Ausnahmen seien keine überhöhten Anforderungen zu stellen (Hinweis auf Richter, Behandlungspflege, 2. Aufl. 2004, S. 56). Er (der Kläger) habe sich die verordnete tägliche Wundversorgung daher als unaufschiebbare Leistung selbst beschaffen dürfen. Die vom Pflegedienst in Rechnung gestellten Kosten entsprächen den Vergütungssätzen, die zwischen dem Pflegedienst und der Beklagten für gleichartige Sachleistungen vereinbart gewesen seien. Bezüglich der nach Erlass des Ablehnungsbescheids erbrachten Leistungen ergebe sich der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V, denn die Beklagte habe die Sachleistung insoweit zu Unrecht abgelehnt. Es handle sich nicht um eine untrennbare Leistung. Insoweit komme es nicht auf den Abschluss des Pflegevertrags an. Vielmehr seien die Vergütungsansprüche jeweils erst mit der tatsächlichen Leistungserbringung fällig geworden. Er hätte weitere Einsätze ohne Begründung absagen können. Er hat den Pflegevertrag vorgelegt. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Ablehnung der Leistung und Kostenaufwand sei daher gewahrt. Er habe die ärztlichen Verordnungen auch rechtzeitig bei der Beklagten eingereicht. Die Verordnung vom 2.1.2013 habe der Pflegedienst am selben Tag und am 4.1.2013 an die Beklagte gefaxt und am 7.2.2013 per Post übersandt. Die Verordnung vom 11.2.2013 habe der Pflegedienst am 14.1.2013 an die Beklagte gefaxt und am 17.1.2013 per Post übersandt. § 6 Abs. 6 HKP-RL stünden der Kostenerstattung nicht entgegen. Diese Bestimmung regele lediglich die Verteilung des Kostenrisikos bis zur Entscheidung über die Genehmigung in dem Sinne, dass die Kosten der Leistung auch im Falle der Ablehnung zu übernehmen seien. Die Bestimmung sehe jedoch nicht vor, dass eine Genehmigung erst ab dem Eingang der Verord-nung erfolgen könne. Soweit das Sozialgericht hieraus folgere, dass keine Kosten übernommen würden, wenn die Verordnung nicht innerhalb der Frist vorgelegt wird, gelte das nur dann, wenn eine Genehmigung nicht erteilt werde. Diese könne jedoch nicht mit dem gleichen Argument versagt werden. Soweit die Beklagte die Ordnungsgemäßheit der ärztlichen Verordnung beanstande, könnten unpräzise Angaben nicht zulasten des Versicherten gehen, sondern seien von der Krankenkasse im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufzuklären. Soweit die Beklagte die Art der Wundversorgung für fehlerhaft halte, könne dies ebenfalls nicht zu Lasten des Versicherten gehen. Hier sei unter Berücksichtigung des Urlaubs des Hausarztes, der Wochenend- und Feiertagssituation die Inanspruchnahme eines Vertretungsarztes für die Verordnung der häuslichen Krankenpflege nicht erforderlich gewesen, zumal nach den HKP-RL eine rückwirkende Verordnung zulässig sei. Der Pflegedienst habe zur Vermeidung haftungs- und strafrechtlicher Folgen sofort tätig werden müssen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, dass Leistungen des Pflegedienstes nur bis 22.3.2013 abgerechnet wurden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.6.2014 und die Bescheide der Beklagten vom 14.1.2013 und 23.1.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.8.2013 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihn von den im Zeitraum vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 entstandenen Kosten für das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden in Höhe von 1.232,35 EUR, ggf. unter Berücksichtigung von Zuzahlungen, gegenüber dem ambulanten Pflegedienst freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Leistung sei nicht unaufschiebbar gewesen. Das ergebe sich bereits aus dem Vortrag des Klägers, wonach der Pflegedienst die zu versorgenden Wunden am 28.12.2012 festgestellt, aber erst am 29.12.2012 eine fachliche Einschätzung durch eine Pflegefachkraft durchgeführt worden sei. Wenn der Pflegedienst sich habe 24 Stunden Zeit lassen können, um den Ist-Zustand zu erheben, liege keine unaufschiebbare Leistung vor. Sie habe auch die häusliche Krankenpflege nicht zu Unrecht abgelehnt. Der Pflegedienst hätte zur Klassifizierung und Beurteilung der Wunde und zur Entscheidung über die notwendige Therapie zur Wundversorgung einen Vertrags- oder Notarzt hinzuziehen müssen. Praxisurlaub stelle keinen Ausnahmefall im Sinne des § 3 Abs. 4 HKP-RL dar, der eine rückwirkende Verordnung rechtfertigen würde. Als Erstmaßnahme hätte der Pflegedienst lediglich eine sterile Abdeckung und entsprechende Fixierung des Verbandes an den Wunden im Sinne eines Notverbandes vornehmen dürfen. Dieser entspreche jedoch nicht der Leistungsbeschreibung der Ziff. 31 der HKP-RL. Stattdessen habe der Pflegedienst ab 29.12.2012 bis 4.1.2013 eine Wundversorgung ohne ärztliche Verordnung auf eigene Faust durchgeführt. Die in der ärztlichen Verordnung diagnostizierten "Kratzwunden" rechtfertigten auch nicht die durchgeführte Wundversorgung. Die Diagnose "bullöses Pemphigoid" sei erstmals in dem Attest des Dr. R vom 24.6.2013 enthalten und der Beklagten mit der Klage im September 2013 vorgelegt worden. Die Aufforderung zur Vorlage eines Befundberichts habe der Kläger ignoriert. Da es sich dabei um ein chronifiziertes Erkrankungsbild handle, verwundere es, dass weder vor noch nach dem hier streitigen Zeitraum ein Verbandwechsel wegen dieser Diagnose erforderlich geworden sei. Nach der Beurteilung des MDK hätten die beschriebenen Wunden einen Verbandwechsel zweimal wöchentlich indiziert und dies für die Wunde am rechten Kniegelenk bis längstens 28.3.2013 und für die Wunde am rechten Schultergelenk bis längstens 14.2.2013. Eine Versorgung über diese Zeitpunkte hinaus hätte allenfalls einen Schutzverband dargestellt und damit nicht die Leistungsvoraussetzungen nach Ziff. 31 der HKP-RL erfüllt. Die Beklagte hat zu dem Befundbericht des Dr. R Stellung genommen und ein weiteres Gutachten der MDK-Ärztin Dr. K vom 19.12.2014 vorgelegt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von den Kosten der im Zeitraum vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 erbrachten häuslichen Krankenpflege. Da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht angeben konnten, ob der Kläger von Zuzahlungen befreit ist, war die Verurteilung der Beklagten mit einem entsprechenden Vorbehalt zu versehen.
I. Anspruchsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege ist § 13 Abs. 3 SGB V. Versicherte erhalten die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit nicht das Neunte Buch Sozialgesetzbuch oder das SGB V etwas Abweichendes vorsehen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (§ 13 Abs. 1 SGB V). Der Kläger hatte keine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Eine Kostenerstattung nach § 37 Abs. 4 SGB V kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da diese Bestimmung nur eingreift, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht bejaht, aber eine Kraft für die häusliche Krankenpflege nicht stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen (vgl. hierzu Padé, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 37 SGB V Rn. 77f.; a.A. wohl BSG 16.7.2014 - B 3 KR 2/13 R, juris Rn. 34). Als Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung bzw., da der Kläger die Rechnungen noch nicht beglichen hat, für einen Freistellungsanspruch (vgl. dazu BSG 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R, juris Rn. 22 f.) kommt daher allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Hiernach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alternative 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
1. Beide Alternativen setzen voraus, dass ein Naturalleistungsanspruch bestanden hätte, denn der Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse (st. Rspr. vgl. BSG 24.1.2013 - B 3 KR 5/12, Rn. 28 m.w.N.). Ein solcher Sachleistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege hätte sich für den Kläger aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergeben. Hiernach erhalten Versicherte u.a. in ihrem Haushalt als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Die Wundversorgung war hier erforderlich zur Behandlung des bullösen Pemphigoids, insbesondere zur Versorgung der durch das ständige Aufkratzen beim Kläger entstandenen Wunden. Es handelte sich auch um eine verordnungsfähige Maßnahme. Nach § 1 Abs. 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie, HKP-RL, vom 17.9.2009, BAnz Nr. 21a vom 9.2.2010, Beilage, hier anzuwenden in der Fassung des Beschlusses vom 21.10.2010, BAnz. 2011 Nr. 16 vom 28.1.2011) sind die in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Maßnahmen grundsätzlich dem dieser Richtlinie als Anlage beigefügten Leistungsverzeichnis zu entnehmen. Nach Nr. 31 erster Spiegelstrich der Anlage zur HKP-RL gehört zu den Leistungen der Behandlungspflege auch das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden einschließlich der Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung. Nach den Bemerkungen zu dieser Leistung sind "Wundschnellverbände (z.B. Heftpflaster, Abpolsterung, Sprühverband) keine Leistung der häuslichen Krankenpflege". Die hier nach der Dokumentation des Pflegedienstes erfolgte Wundversorgung durch Wundauflage mit Nugel, Abdeckung mit Tüllauflage und Kompression sowie Fixierung mit Fixomull-Pflaster stellt einen "Wundverband" im Sinne dieser Regelung dar und geht über einen "Wundschnellverband" hinaus. Die vertragsärztlich verordnete und vom Pflegedienst erbrachte Wundversorgung stellt somit eine in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähige Leistung dar.
Soweit die Beklagte in den Ausgangsbescheiden eine Kostenfreistellung abgelehnt hat, weil die ärztliche Verordnung unvollständig ausgefüllt sei, rechtfertigt dies die Ablehnung nicht. Die Beklagte wäre vielmehr verpflichtet gewesen, aus ihrer Sicht fehlende Angaben in der ärztlichen Verordnung im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X) von sich aus aufzuklären. Soweit die Beklagte sich im Widerspruchsbescheid auf die Beurteilung des MDK gestützt hat, rechtfertigte auch dies nicht die Ablehnung der Leistung. Soweit der MDK in seinem Gutachten ausgeführt hat, die Kriterien der HKP-RL seien bei beiden Wunden nicht erfüllt, hat er dies in keiner Weise begründet. Wie ausgeführt, waren die Kriterien sehr wohl erfüllt. Im Übrigen hätte der MDK bzw. die Beklagte dann prüfen müssen, ob die durchgeführte Wundversorgung nicht ausnahmsweise nach § 1 Abs. 4 Satz 3 HKP-RL verordnungs- und genehmigungsfähig wären. Zudem hat der MDK in seinem Gutachten letztlich nicht die Notwendigkeit sondern die Qualität der durchgeführten Wundversorgung beanstandet, weil die Art der Wundversorgung mit Nugel, Tüllauflage und Kompressenverband medizinisch nicht indiziert gewesen sei und stattdessen bei fachgerechter Versorgung ein Verbandwechsel zweimal wöchentlich ausreichend gewesen sei. Im Rahmen des Leistungsanspruchs nach § 37 SGB V ist jedoch allein die Erforderlichkeit der Behandlungspflege entscheidungserheblich. Ungeachtet dessen ist die im Widerspruch zur vertragsärztlichen Verordnung stehende Beurteilung des MDK nicht überzeugend, weil sie allein nach Aktenlage erfolgte, während der Vertragsarzt die erforderlichen Maßnahmen nach eigener Anschauung der Wunden verordnet hatte. Dr. R hat in seinem Befundbericht nochmals überzeugend dargelegt, dass im fraglichen Zeitraum ein sehr schwerwiegender Befund mit teils offenen und entzündeten Blasen an verschiedenen ständig wechselnden Körperstellen vorlag und die Behandlung sehr dringend und sofort erforderlich war. Im Übrigen hätte die Beurteilung des MDK keinen Anlass für eine Ablehnung der Leistung gegeben, sondern allenfalls für eine eingeschränkte Genehmigung nach Maßgabe der Vorgaben des MDK. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem verordnenden Vertragsarzt das Gutachten des MDK zur Kenntnis gegeben hat, um diesem eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des MDK zu ermöglichen. Soweit der MDK weiter geltend gemacht hat, bei den Wunden sei jeweils ab 28.2.2013 bzw. 15.2.2013 nur noch ein "Schutzverband" erfolgt, hat er auch hierzu nicht im Einzelnen ausgeführt, dass dieser Schutzverband den Kriterien des Leistungsverzeichnisses nach den HKP-RL nicht entsprochen hätte oder warum keine ausnahmsweise Genehmigung nach § 1 Abs. 4 Satz 3 HKP-RL möglich gewesen wäre. Auf Grund der überzeugenden Beurteilung des Dr. R steht für den Senat daher fest, dass die Wundversorgung im vorliegenden Fall in dem vertragsärztlich verordneten und vom Pflegedienst durchgeführten Umfang für den gesamten streitigen Zeitraum medizinisch indiziert war und es sich um einen dem Leistungsverzeichnis zur HKP-RL unterfallenden Verband, insbesondere nicht um einen "Wundschnellverband" gehandelt hat.
Nach § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Soweit Dr. R in seiner Verordnung vom 11.1.2013 angegeben hatte, er könne nicht beurteilen, ob eine im Haushalt lebende Person die verordneten Maßnahmen übernehmen könne, ist diese Frage durch die Stellungnahme des Klägers im Berufungsverfahren geklärt. Unter Berücksichtigung der in der Verordnung, der Pflegedokumentation und dem Befundbericht des Hausarztes zum Ausdruck kommenden Anforderungen an die Wundversorgung liegt es auf der Hand, dass die ebenfalls hochbetagte Ehefrau des Klägers die Versorgung nicht übernehmen konnte. Andere Personen leben nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers nicht im Haushalt.
Zur Klarstellung ist anzumerken, dass der Zeitraum vom 29.12.2012 bis 1.1.2013, für den Dr. R ebenfalls (rückwirkend) Behandlungspflege verordnet hatte, nicht entscheidungserheblich ist, da der Pflegedienst für diese Zeiträume keine Leistungen in Rechnung gestellt hat. Auf die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Verordnung kommt es daher nicht an. Damit steht fest, dass ein Sachleistungsanspruch des Klägers auf die von Dr. R für die Zeit vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 verordnete Behandlungspflege bestanden hätte.
2. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für einen Anspruch auf Freistellung von den für die häusliche Krankenpflege entstandenen Kosten sind für diesen Zeitraum erfüllt. Für den Zeitraum ab Zugang der ablehnenden Bescheide bis zum 22.3.2013 ergibt sich der Freistellungsanspruch aus Alternative 2 und für den übrigen Zeitraum aus Alternative 1 dieser Bestimmung.
a) Für den ersten vom 2.1.2013 bis 12.1.2013 reichenden Verordnungszeitraum besteht ein Anspruch wegen rechtswidriger Ablehnung der Leistung nicht, weil der ablehnende Bescheid vom 14.1.2013 erst nach Ablauf des Verordnungszeitraums ergangen ist. Für den Zeitraum ab Zugang des zweiten ablehnenden Bescheids vom 23.1.2013 bis zum 22.3.2013 hat die Beklagte den Kläger von den entstandenen Kosten freizustellen, weil sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Insoweit scheidet der Anspruch auch nicht mangels Ursächlichkeit der Leistungsablehnung aus, weil der Kläger sich bereits vor Beantragung der Leistung gegenüber dem Leistungserbringer zur Vergütung der Leistung verpflichtet hätte (vgl. dazu BSG 3.8.2006 - B 3 KR 24/05 R, juris Rn. 22). Denn nach § 9 Abs. 2 des Pflegevertrags war der Vertrag für den Kläger jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ordentlich kündbar. Der Kläger hätte somit nach Ablehnung der Leistung durch die Beklagte das weitere Leistungsgeschehen noch durch eine sofortige Kündigung des Vertrags beeinflussen können. Es fehlt daher nicht an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und den entstandenen Kosten.
b) Für den übrigen streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den entstandenen Kosten der Behandlungspflege aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V. Die Leistung war unaufschiebbar, denn nach den überzeugenden Angaben des Dr. R konnte mit der Behandlung der z.T. offenen Wunden aus medizinischen Gründen nicht weiter abgewartet werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass die Notwendigkeit der Wundversorgung vom Pflegedienst bereits am 28.12.2012 festgestellt, eine fachliche Einschätzung jedoch erst am Folgetag erfolgt ist. Denn unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (Helbig, in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 13 SGB V Rn. 50 m.w.N.). Das war hier nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. R der Fall.
Zwar besteht ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch auch bei unaufschiebbaren Leistungen grundsätzlich nur, wenn eine vorherige Befassung der Krankenkasse nicht möglich oder nicht zumutbar war (Helbig, in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 13 SGB V Rn. 50 m.w.N.). Ob dies hier der Fall war, kann jedoch dahinstehen. Denn aus § 37 Abs. 4 SGB V ergibt sich für die häusliche Krankenpflege die Besonderheit, dass die Kosten der Pflegekraft auch dann zu erstatten sind, wenn die Leistung zuvor nicht von dem Versicherten beantragt worden war. Nach dieser Bestimmung sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbe-schaffte Kraft in angemessener Höhe auch dann zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen. Diese Bestimmung ist für den Regelfall dahin auszulegen, dass die Kosten der selbstbeschafften Kraft zu erstatten sind, wenn die Leistung beantragt wurde und die Krankenkasse vor der Inanspruchnahme der Leistung ihre (Sach-) Leistungspflicht zwar bejaht hat, sie jedoch eine Pflegekraft als Sachleistung nicht stellen kann oder aus sonstigen Gründen nicht stellen will (Padé, in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 37 SGB V Rn. 78). Durch diese Regelung kommt aber auch zum Ausdruck, dass für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege die medizinische Notwendigkeit entscheidend sein soll. Da häusliche Krankenpflege im Regelfall im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der ärztlichen Verordnung erforderlich wird, ist es in der Praxis oft nicht möglich, zuvor die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen und auf eine von dieser gestellte Pflegekraft zu warten. Unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse und des Wirtschaftlichkeitsgebots ist § 37 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 6 Abs. 6 HKP-RL daher dahin auszulegen, dass die Krankenkasse die Kosten einer selbstbeschafften Pflegekraft auch zu übernehmen hat, solange sie noch keine Entscheidung über die Genehmigung getroffen hat und deshalb eine Pflegekraft nicht gestellt hat (BSG 16.7.2014 - B 3 KR 2/13 R, juris Rn. 30). Das Bundessozialgericht hält deshalb auch § 6 Abs. 6 HKP-RL für ermächtigungskonform, wonach die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten der vertragsärztlich verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs. 2 SGB V übernimmt, wenn die Verordnung spätestens am dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird (BSG a.a.O.). In diesen Fällen besteht ein Kostenerstattungsanspruch auch dann, wenn die Krankenkasse zu dem Ergebnis kommt, dass eine Genehmigung nicht zu erteilen ist.
Im vorliegenden Fall sind zwar die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 HKP-RL nicht erfüllt, denn die Verordnung wurde nicht spätestens am dritten auf die Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt. Der dritte auf die Ausstellung der Verordnung vom Mittwoch, den 2.1.2013 folgende Arbeitstag wäre Montag, der 7.1.2013 gewesen, laut Eingangsstempel ging die Verordnung jedoch erst am 9.1.2013 bei der Beklagten ein. Der dritte auf die Ausstellung der Verordnung vom Freitag, den 11.1.2013 folgende Arbeitstag wäre Mittwoch, der 16.1.2013 gewesen, die Verordnung ging erst am 21.1.2013 bei der Beklagten ein. Ein früherer Eingang per Telefax ist nicht erwiesen, da der Kläger hierzu lediglich Faxjournale vorgelegt hat, aus denen nicht ersichtlich ist, welche Schriftstücke an die Beklagte übersandt wurden. Zudem wurde nach dem Faxjournal nur eine Seite übersandt, während das Verordnungs- und Antragsformular zwei Seiten umfasste. Dem Faxjournal kommt unter diesen Umständen keine Indizwirkung zu (vgl. dazu näher Leitherer, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 151 Rn. 10b ff. m.w.N.).
Jedenfalls für den Fall, dass die Krankenkasse nach Eingang des Antrags die häusliche Krankenpflege bewilligt oder zu Unrecht ablehnt, ist ein Kostenerstattungsanspruch auch dann zu bejahen, wenn die ärztliche Verordnung nicht innerhalb der durch § 6 Abs. 6 HKP-RL vorgegebenen Frist vorgelegt wird. Denn der Anspruch nach § 6 Abs. 6 HKP-RL besteht auch dann, wenn die Krankenkasse die Leistung (zu Recht) ablehnt. Da aus § 37 Abs. 4 SGB V zu schließen ist, dass es für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht entscheidend auf den Antrag, sondern auf die medizinische Notwendigkeit der Leistung ankommt (BSG a.a.O.; gegen einen Genehmigungsvorbehalt auch Richter/ Bohlken, NZS 2000, 236 ff.; Flint, in Hauck/ Noftz, SGB V K § 37 Rn. 146; Nolte, in KassKomm, SGB V § 37 Rn. 26 unter Hinweis auf die Rspr. zu § 38 SGB V), ist jedenfalls für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen erfüllt sind, ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch auch dann zu bejahen, wenn die Leistung nicht innerhalb von drei Tagen nach Ausstellung der Verordnung bei der Krankenkasse vorgelegt wurde. Für dieses Ergebnis spricht auch die in § 2 Abs. 4 der vom GKV-Spitzenverband und den betroffenen Verbänden am 10.12.2013 beschlossenen und zum 1.1.2014 in Kraft getretenen "Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege". Hiernach sind Kosten für genehmigte und vom Pflegedienst erbrachte Leistungen auch bei verfristeter Einreichung der Verordnung ab Verordnungsbeginn durch die Krankenkasse zu tragen. Zwar galt diese Bestimmung im hier streitigen Zeitraum noch nicht und es handelt sich hier auch nicht um eine "genehmigte" Leistung im Sinne dieser Bestimmung, denn die Beklagte hatte die Leistung ja abgelehnt. Die Regelung dürfte unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen jedoch entsprechend an-zuwenden sein, wenn die Krankenkasse die Leistung zwar nicht genehmigt, aber zu Unrecht abgelehnt hat.
3. Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall die Kosten gemäß § 13 Abs. 3 SGB V "in der entstandenen Höhe" oder gemäß § 37 Abs. 4 SGB V "in angemessener" Höhe zu erstatten sind. Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers hat der Pflegedienst die nach § 132a SGB V mit den Krankenkassen vereinbarten Vergütungen berechnet, die auch als "angemessen" zu werten sind.
4. Da in der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden konnte, ob der Kläger von Zuzahlungen befreit war, war die Verurteilung der Beklagten mit einem entsprechenden Vorbehalt zu versehen. Falls der Kläger nicht von Zuzahlungen befreit ist, hat er nach § 37 Abs. 5 in Verbindung mit § 61 Satz 3 SGB V eine Zuzahlung in Höhe von zehn vom Hundert der Kosten sowie 10 Euro je Verordnung, also von (1.232,35 EUR x 10% = 123,24 EUR + [2 x 10 EUR =] 20 EUR) insgesamt 143,24 EUR zu leisten. In diesem Fall reduziert sich sein Freistellungsanspruch um diesen Betrag.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Freistellung von den Kosten für selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege zum Anlegen und Wechseln von Wundverbänden in der Zeit vom 2.1.2013 bis 31.3.2013 in Höhe von 1.232,35 EUR hat.
Der 1919 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er litt an einem Zustand nach Hirninfarkt sowie an einem bullösen Pemphigoid (subepidermale Blasenbildung) unklarer Ätiologie, wodurch sich immer wieder innerhalb von Stunden wässrig gefüllte Blasen an unterschiedlichen Stellen bildeten. Aufgrund des starken Juckreizes kratzte sich der Kläger die Blasen immer wieder auf oder sie öffneten sich spontan, wodurch tiefe Nekrosen mit starker Sekretbildung entstanden. Laut Gutachten der Pflegefachkraft F (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung - MDK) vom 14.6.2012 litt der Kläger zudem an Senilität und einem nicht primär insulinabhängigen Diabetes; er ist pflegebedürftig nach der Pflegestufe I; gepflegt wurde er von seiner Ehefrau und einem ambulanten Pflegedienst, der dreimal wöchentlich die Grundpflege und bei Bedarf Behandlungspflege durchführte. Der zwischen dem Pflegedienst und dem Kläger abgeschlossene Vertrag über "ambulante Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung" (Blatt 133 der Gerichtsakte) enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
§ 2 Abs. 4:
"Leistungen der Behandlungspflege werden lt. ärztlicher Verordnung nach Maßgabe der Genehmi-gung durch die Krankenkasse erbracht. Nimmt der Leistungsnehmer nicht verordnete oder von der Krankenkasse nicht genehmigte Leistungen in Anspruch, so hat er diese selbst zu bezahlen. Die Leistungen sollen in diesem Fall in der Leistungsvereinbarung SGB V (Anlage 1) vereinbart werden."
§ 6 Abs. 1:
"Soweit Leitungen nicht von den Kranken- und Pflegekassen bzw. dem Sozialhilfeträger übernommen werden, sind diese vom Leistungsnehmer selbst zu bezahlen. Dies gilt nicht, wenn die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Kostenträger auf einem Verschulden des Pflegedienstes beruht."
§ 9 Abs. 2 Satz 1:
"Der Leistungsnehmer kann den Vertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist ordentlich kündigen."
Am 2.1.2013 verordnete Dr. R häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 29.12.2012 bis 12.1.2013. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab er an: Zustand nach Hirninfarkt, multiple offene Stellen, Kratzwunden 3. Grades. Als notwendige Behandlungspflege gab er an: Anlegen und Wechseln von Wundverbänden einmal täglich, siebenmal wöchentlich, "1. Stelle re. Kniekehle multiple offene Stellen, Kratzwunden 3. Grades. 2. Stelle re Schulter 2x4 cm 2. Grades". Auf Seite 2 des Verordnungsformblatts hatte der Versicherte den "Antrag auf Genehmigung häuslicher Krankenpflege" (ohne Datum) unterschrieben und der Pflegedienst mit Datum vom 4.1.2013 die vom Arzt bezeichneten Leistungen aufgeführt und zusätzlich angegeben: "VO kam heute wegen Praxisurlaub per Post". Laut Eingangsstempel ging die Verordnung bei der Beklagten am 9.1.2013 ein. Am 11.1.2013 verordnete Dr. R als Folgeverordnung häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 13.1.2013 bis 31.3.2013. Im Übrigen entsprachen die Angaben im Verordnungsformular im Wesentlichen den Angaben in der Erstverordnung. Zusätzlich war angekreuzt: "Die Beurteilung, ob eine im Haushalt lebende Person die verordneten Maßnahmen übernehmen kann, ist nicht möglich". Die Formularangaben des Pflegedienstes datieren vom 15.1.2013. Laut Eingangsstempel ging dieser Antrag am 21.1.2013 bei der Beklagten ein. Nach der vom Pflegedienst erstellten Wunddokumentation (Blatt 58 ff. der Gerichtsakte) erfolgte bei den zu behandelnden Wunden jeweils eine Wundauflage mit Nugel, eine Abdeckung mit Tüllauflage und Kompression sowie eine Fixierung mit Fixomull-Pflaster.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von häuslicher Krankenpflege mit Bescheid vom 14.1.2013 für den Zeitraum vom 29.12.2012 bis 12.1.2013 und mit Bescheid vom 23.1.2013 für den Zeitraum vom 13.1.2013 bis 31.3.2013 ab mit der Begrün-dung, die ärztliche Verordnung sei unvollständig ausgefüllt, so dass wichtige Angaben zur Beurteilung der verordneten Maßnahmen fehlten. Hiergegen legte der Kläger jeweils Widerspruch ein. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. R am 5.2.2013 mit, alle Befunde seien auf der Verordnung angegeben; bei der Grunderkrankung wechsle der Befund schnell; wenn die Beklagte genaue Angaben benötige, möge sie bitte täglich einen Mitarbeiter vorbeischicken; die Zeit dazu habe sie ja vermutlich. Auf Bitten der Beklagten ließ der Kläger die Wunddokumentation des Pflegedienstes an den MDK übersenden.
Der von der Beklagten beauftragte MDK (Gutachten Dr. K nach Aktenlage vom 27.5.2013) führte aus:
"Offensichtlich leidet der Versicherte an starkem Juckreiz. Die beschriebenen Wunden in der rechten Kniekehle mehr als an der Schulterregion sind eher untypisch groß für Kratzwunden. NuGel wird bei dem Versicherten offensichtlich eingesetzt aufgrund der geringen Sekretion zum Feuchthalten der Wunden. Anschließend erfolgt wohl die Auflage eines Distanzgitters (Tüllauflage), um ein Verkleben mit der Wunde zu verhindern. Allerdings wird ein geeigneter Sekundärverband (lediglich Kompresse) nicht angelegt. Das Gel zieht in die Kompresse, wirkt nicht mehr direkt auf der Wunde. Entscheidend ist das Anbringen eines Okklusivverbandes. Dieser könnte auf Grund der beschriebenen Exsudationsmenge bis zu 3 Tage ungestört auf der Wunde verbleiben.
Die Fragen der Kasse lassen sich wie folgt beantworten.
1. Ein täglicher Verbandswechsel ist weder für die Wunde in der rechten Kniekehle, noch für die Wunde in der Schulterregion medizinisch indiziert, adäquate Wundversorgung vorausgesetzt ist ein Verbandswechsel 2x/wö. medizinisch indiziert, ausreichend und zweckmäßig. Ab dem 28.02.2013 erfolgt lediglich ein Schutzverband in der rechten Kniekehle, ab dem 15.02.2013 erfolgt lediglich ein Schutzverband in der Schulterregion. Ab dieser Zeit ist bei vollständiger Epithelisierung ein tgl. Verbandswechsel in keinster Weise mehr nahvollziehbar.
2. Lt. Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs 7 SGB V werden die Kriterien zur Kostenübernahme für einen Wundverband unter folgende Voraussetzungen erfüllt: Anlegen, Wechseln von Verbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen. Diese Kriterien werden bei beiden Wunden nicht erfüllt."
Daraufhin wies die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2013 zurück mit der Begründung, unter Würdigung der ausführlichen Auseinandersetzung des MDK mit den vorliegenden Unterlagen, vor allem mit der vom Pflegedienst geführten Wunddokumentation, sei die Kostenübernahme für das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden zu Recht abgelehnt worden. Mit Rechnungen vom 10. und 11.9.2013 hat der Pflegedienst dem Kläger für die im Zeitraum vom 2.1.2013 bis 31.3.2013 erbrachten Wundverbände insgesamt 1.232,35 EUR in Rechnung gestellt. Laut den hierzu vorgelegten Leistungsnachweisen hat der Pflegedienst beim Kläger Wundverbände ab 2.1.2013 bis 31.3.2013 täglich erbracht mit Ausnahme des 3. und 8.1. sowie des 19., 21., 23., 24., 26., 28., 30. und 31.3.2013.
Am 17.9.2013 hat der Kläger Klage auf Erstattung dieser Kosten erhoben. Er hat vorgetragen, der Pflegedienst habe die ärztlichen Verordnungen bereits am 2.1.2013 bzw. 14.1.2013 per Telefax an die Beklagte übersandt. Hierzu hat er Faxjournale vorgelegt. Er hat eine Bescheinigung des Dr. R vom 24.6.2013 vorgelegt, der ausführt: Nur dank der guten und täglichen Verbandwechsel durch den Pflegedienst und einer Hochdosiscortisontherapie hätten die Wunden des Klägers zur Abheilung gebracht werden können; an den vorliegenden Wundfotos sei dies problemlos nachzuvollziehen. Seine Verordnungen hätten den gängigen Richtlinien entsprochen und seien wirtschaftlich gewesen; ein Krankenhausaufenthalt sei somit verhindert worden. Die Beklagte hat vorgetragen, die ärztliche Bescheinigung des Dr. R vom 24.6.2013 enthalte neue Aspekte; sie bitte um Einholung eines Befundberichts inklusive Laborbefunden, Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Diagnose für das bescheinigte bullöse Pemphigoid sowie Darstellung der Begleittherapie und Vorlage der Wunddokumentation und der angesprochenen Wundfotos. Der Kläger hat die Wunddokumentation des Pflegedienstes mit Fotos vorgelegt (Blatt 58 ff. der Gerichtsakte).
Mit Urteil vom 24.6.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt. Es habe sich nicht um eine unaufschiebbare (Notfall-) Behandlung im Sinne der ersten Alternative dieser Bestimmung gehandelt. Zudem regele § 6 der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) einen eigenständigen Anspruch auf Kostenerstattung für den Fall der Ablehnung, sofern der Leistungserbringer die ärztliche Verordnung innerhalb von drei Tagen nach ihrer Ausstellung einreiche. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Diese Regelung zeige, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V bei der häuslichen Krankenpflege nicht zur Anwendung kommen könne. Auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V seien nicht erfüllt. Da der Kläger jeweils bereits vor dem Erlass der ablehnenden Bescheide begonnen habe, die Leistungen in Anspruch zu nehmen, fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen ablehnendem Bescheid und entstandenen Kosten. Die Beklagte habe die Entscheidung über die Leistung auch nicht etwa hinausgezögert. Die Vorlage der Faxjournale belege nicht, dass der Pflegedienst die ärztlichen Verordnungen bereits früher bei der Beklagten vorgelegt habe. Das Faxjournal sei nicht geeignet, einen solchen Nachweis zu erbringen; zudem ergebe sich daraus nur die Übermittlung von einer Seite, während das Verordnungsformular aus zwei Seiten bestanden habe. Da die erbrachte Leistung nicht teilbar sei, könne auch nicht zwischen den Zeiträumen vor und nach der Entscheidung der Beklagten unterschieden werden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 17.7.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 18.8.2014 Berufung eingelegt. Der Senat hat einen Befundbericht des Dr. R eingeholt, zu dessen Inhalt auf Bl. 180 der Gerichtsakte verwiesen wird.
Der Kläger trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V nicht durch die Bestimmungen der HKP-RL ausgeschlossen. Die Leistung sei unaufschiebbar gewesen, da die Wundversorgung keinen zeitlichen Aufschub geduldet habe. Im Rahmen der Grundpflege habe die Pflegekraft des Pflegedienstes am 28.12.2012 bei ihm (dem Kläger) tiefe Kratzwunden am rechten Knie und an der rechten Schulter festgestellt. Am 29.12.2012 habe eine Pflegefachkraft des Pflegedienstes die Wunden begutachtet und eine sofortige kontinuierliche Wundversorgung für notwendig befunden. Eine Wundversorgung durch seine über 90jährige Ehefrau sei nicht zumutbar gewesen. Das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden sei in Nr. 31 der Anlage zur HKP-RL auch als verordnungsfähige Maßnahme der häuslichen Krankenpflege genannt. Die medizinische Notwendigkeit der Wundversorgung sei durch die ärztliche Verordnung und die Bescheinigung des Dr. R vom 24.6.2013 hinreichend belegt. Die Auffassung des MDK, ein Verbandwechsel sei nur zweimal wöchentlich notwendig gewesen, sei nicht nachvollziehbar. Die Krankenkasse sei an die medizinische Beurteilung des ordnungsgemäß handelnden Kassenarztes gebunden (Hinweis auf BSG 25.8.2009 - B 3 KR 25/08 R, LSG Sachsen-Anhalt 6.6.2000 - L 4 KR 44/08). Das Gutachten des MDK sei nicht geeignet, die Erkenntnisse des Hausarztes zu entkräften (Hinweis auf Hessisches LSG 18.10.2007 - L 8 KR 228/06 und 24.10.2013 - L 8 KR 114/12). Der MDK habe den Kläger nicht persönlich untersucht. Selbst unter Berücksichtigung der Beurteilung des MDK hätte die Beklagte zumindest zweimal wöchentliche häusliche Krankenpflege anerkennen müssen, was sie aber nicht getan habe. Die rückwirkende Verordnung sei hier nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 HKP-RL ausnahmsweise zulässig, da die Hausarztpraxis wegen Urlaubs erst am 2.1.2013 erreichbar gewesen sei. An die Begründung von Ausnahmen seien keine überhöhten Anforderungen zu stellen (Hinweis auf Richter, Behandlungspflege, 2. Aufl. 2004, S. 56). Er (der Kläger) habe sich die verordnete tägliche Wundversorgung daher als unaufschiebbare Leistung selbst beschaffen dürfen. Die vom Pflegedienst in Rechnung gestellten Kosten entsprächen den Vergütungssätzen, die zwischen dem Pflegedienst und der Beklagten für gleichartige Sachleistungen vereinbart gewesen seien. Bezüglich der nach Erlass des Ablehnungsbescheids erbrachten Leistungen ergebe sich der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V, denn die Beklagte habe die Sachleistung insoweit zu Unrecht abgelehnt. Es handle sich nicht um eine untrennbare Leistung. Insoweit komme es nicht auf den Abschluss des Pflegevertrags an. Vielmehr seien die Vergütungsansprüche jeweils erst mit der tatsächlichen Leistungserbringung fällig geworden. Er hätte weitere Einsätze ohne Begründung absagen können. Er hat den Pflegevertrag vorgelegt. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Ablehnung der Leistung und Kostenaufwand sei daher gewahrt. Er habe die ärztlichen Verordnungen auch rechtzeitig bei der Beklagten eingereicht. Die Verordnung vom 2.1.2013 habe der Pflegedienst am selben Tag und am 4.1.2013 an die Beklagte gefaxt und am 7.2.2013 per Post übersandt. Die Verordnung vom 11.2.2013 habe der Pflegedienst am 14.1.2013 an die Beklagte gefaxt und am 17.1.2013 per Post übersandt. § 6 Abs. 6 HKP-RL stünden der Kostenerstattung nicht entgegen. Diese Bestimmung regele lediglich die Verteilung des Kostenrisikos bis zur Entscheidung über die Genehmigung in dem Sinne, dass die Kosten der Leistung auch im Falle der Ablehnung zu übernehmen seien. Die Bestimmung sehe jedoch nicht vor, dass eine Genehmigung erst ab dem Eingang der Verord-nung erfolgen könne. Soweit das Sozialgericht hieraus folgere, dass keine Kosten übernommen würden, wenn die Verordnung nicht innerhalb der Frist vorgelegt wird, gelte das nur dann, wenn eine Genehmigung nicht erteilt werde. Diese könne jedoch nicht mit dem gleichen Argument versagt werden. Soweit die Beklagte die Ordnungsgemäßheit der ärztlichen Verordnung beanstande, könnten unpräzise Angaben nicht zulasten des Versicherten gehen, sondern seien von der Krankenkasse im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufzuklären. Soweit die Beklagte die Art der Wundversorgung für fehlerhaft halte, könne dies ebenfalls nicht zu Lasten des Versicherten gehen. Hier sei unter Berücksichtigung des Urlaubs des Hausarztes, der Wochenend- und Feiertagssituation die Inanspruchnahme eines Vertretungsarztes für die Verordnung der häuslichen Krankenpflege nicht erforderlich gewesen, zumal nach den HKP-RL eine rückwirkende Verordnung zulässig sei. Der Pflegedienst habe zur Vermeidung haftungs- und strafrechtlicher Folgen sofort tätig werden müssen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, dass Leistungen des Pflegedienstes nur bis 22.3.2013 abgerechnet wurden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.6.2014 und die Bescheide der Beklagten vom 14.1.2013 und 23.1.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.8.2013 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihn von den im Zeitraum vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 entstandenen Kosten für das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden in Höhe von 1.232,35 EUR, ggf. unter Berücksichtigung von Zuzahlungen, gegenüber dem ambulanten Pflegedienst freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Leistung sei nicht unaufschiebbar gewesen. Das ergebe sich bereits aus dem Vortrag des Klägers, wonach der Pflegedienst die zu versorgenden Wunden am 28.12.2012 festgestellt, aber erst am 29.12.2012 eine fachliche Einschätzung durch eine Pflegefachkraft durchgeführt worden sei. Wenn der Pflegedienst sich habe 24 Stunden Zeit lassen können, um den Ist-Zustand zu erheben, liege keine unaufschiebbare Leistung vor. Sie habe auch die häusliche Krankenpflege nicht zu Unrecht abgelehnt. Der Pflegedienst hätte zur Klassifizierung und Beurteilung der Wunde und zur Entscheidung über die notwendige Therapie zur Wundversorgung einen Vertrags- oder Notarzt hinzuziehen müssen. Praxisurlaub stelle keinen Ausnahmefall im Sinne des § 3 Abs. 4 HKP-RL dar, der eine rückwirkende Verordnung rechtfertigen würde. Als Erstmaßnahme hätte der Pflegedienst lediglich eine sterile Abdeckung und entsprechende Fixierung des Verbandes an den Wunden im Sinne eines Notverbandes vornehmen dürfen. Dieser entspreche jedoch nicht der Leistungsbeschreibung der Ziff. 31 der HKP-RL. Stattdessen habe der Pflegedienst ab 29.12.2012 bis 4.1.2013 eine Wundversorgung ohne ärztliche Verordnung auf eigene Faust durchgeführt. Die in der ärztlichen Verordnung diagnostizierten "Kratzwunden" rechtfertigten auch nicht die durchgeführte Wundversorgung. Die Diagnose "bullöses Pemphigoid" sei erstmals in dem Attest des Dr. R vom 24.6.2013 enthalten und der Beklagten mit der Klage im September 2013 vorgelegt worden. Die Aufforderung zur Vorlage eines Befundberichts habe der Kläger ignoriert. Da es sich dabei um ein chronifiziertes Erkrankungsbild handle, verwundere es, dass weder vor noch nach dem hier streitigen Zeitraum ein Verbandwechsel wegen dieser Diagnose erforderlich geworden sei. Nach der Beurteilung des MDK hätten die beschriebenen Wunden einen Verbandwechsel zweimal wöchentlich indiziert und dies für die Wunde am rechten Kniegelenk bis längstens 28.3.2013 und für die Wunde am rechten Schultergelenk bis längstens 14.2.2013. Eine Versorgung über diese Zeitpunkte hinaus hätte allenfalls einen Schutzverband dargestellt und damit nicht die Leistungsvoraussetzungen nach Ziff. 31 der HKP-RL erfüllt. Die Beklagte hat zu dem Befundbericht des Dr. R Stellung genommen und ein weiteres Gutachten der MDK-Ärztin Dr. K vom 19.12.2014 vorgelegt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von den Kosten der im Zeitraum vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 erbrachten häuslichen Krankenpflege. Da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht angeben konnten, ob der Kläger von Zuzahlungen befreit ist, war die Verurteilung der Beklagten mit einem entsprechenden Vorbehalt zu versehen.
I. Anspruchsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege ist § 13 Abs. 3 SGB V. Versicherte erhalten die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit nicht das Neunte Buch Sozialgesetzbuch oder das SGB V etwas Abweichendes vorsehen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (§ 13 Abs. 1 SGB V). Der Kläger hatte keine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Eine Kostenerstattung nach § 37 Abs. 4 SGB V kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da diese Bestimmung nur eingreift, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht bejaht, aber eine Kraft für die häusliche Krankenpflege nicht stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen (vgl. hierzu Padé, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 37 SGB V Rn. 77f.; a.A. wohl BSG 16.7.2014 - B 3 KR 2/13 R, juris Rn. 34). Als Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung bzw., da der Kläger die Rechnungen noch nicht beglichen hat, für einen Freistellungsanspruch (vgl. dazu BSG 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R, juris Rn. 22 f.) kommt daher allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Hiernach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alternative 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
1. Beide Alternativen setzen voraus, dass ein Naturalleistungsanspruch bestanden hätte, denn der Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse (st. Rspr. vgl. BSG 24.1.2013 - B 3 KR 5/12, Rn. 28 m.w.N.). Ein solcher Sachleistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege hätte sich für den Kläger aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergeben. Hiernach erhalten Versicherte u.a. in ihrem Haushalt als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Die Wundversorgung war hier erforderlich zur Behandlung des bullösen Pemphigoids, insbesondere zur Versorgung der durch das ständige Aufkratzen beim Kläger entstandenen Wunden. Es handelte sich auch um eine verordnungsfähige Maßnahme. Nach § 1 Abs. 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie, HKP-RL, vom 17.9.2009, BAnz Nr. 21a vom 9.2.2010, Beilage, hier anzuwenden in der Fassung des Beschlusses vom 21.10.2010, BAnz. 2011 Nr. 16 vom 28.1.2011) sind die in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Maßnahmen grundsätzlich dem dieser Richtlinie als Anlage beigefügten Leistungsverzeichnis zu entnehmen. Nach Nr. 31 erster Spiegelstrich der Anlage zur HKP-RL gehört zu den Leistungen der Behandlungspflege auch das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden einschließlich der Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung. Nach den Bemerkungen zu dieser Leistung sind "Wundschnellverbände (z.B. Heftpflaster, Abpolsterung, Sprühverband) keine Leistung der häuslichen Krankenpflege". Die hier nach der Dokumentation des Pflegedienstes erfolgte Wundversorgung durch Wundauflage mit Nugel, Abdeckung mit Tüllauflage und Kompression sowie Fixierung mit Fixomull-Pflaster stellt einen "Wundverband" im Sinne dieser Regelung dar und geht über einen "Wundschnellverband" hinaus. Die vertragsärztlich verordnete und vom Pflegedienst erbrachte Wundversorgung stellt somit eine in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähige Leistung dar.
Soweit die Beklagte in den Ausgangsbescheiden eine Kostenfreistellung abgelehnt hat, weil die ärztliche Verordnung unvollständig ausgefüllt sei, rechtfertigt dies die Ablehnung nicht. Die Beklagte wäre vielmehr verpflichtet gewesen, aus ihrer Sicht fehlende Angaben in der ärztlichen Verordnung im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X) von sich aus aufzuklären. Soweit die Beklagte sich im Widerspruchsbescheid auf die Beurteilung des MDK gestützt hat, rechtfertigte auch dies nicht die Ablehnung der Leistung. Soweit der MDK in seinem Gutachten ausgeführt hat, die Kriterien der HKP-RL seien bei beiden Wunden nicht erfüllt, hat er dies in keiner Weise begründet. Wie ausgeführt, waren die Kriterien sehr wohl erfüllt. Im Übrigen hätte der MDK bzw. die Beklagte dann prüfen müssen, ob die durchgeführte Wundversorgung nicht ausnahmsweise nach § 1 Abs. 4 Satz 3 HKP-RL verordnungs- und genehmigungsfähig wären. Zudem hat der MDK in seinem Gutachten letztlich nicht die Notwendigkeit sondern die Qualität der durchgeführten Wundversorgung beanstandet, weil die Art der Wundversorgung mit Nugel, Tüllauflage und Kompressenverband medizinisch nicht indiziert gewesen sei und stattdessen bei fachgerechter Versorgung ein Verbandwechsel zweimal wöchentlich ausreichend gewesen sei. Im Rahmen des Leistungsanspruchs nach § 37 SGB V ist jedoch allein die Erforderlichkeit der Behandlungspflege entscheidungserheblich. Ungeachtet dessen ist die im Widerspruch zur vertragsärztlichen Verordnung stehende Beurteilung des MDK nicht überzeugend, weil sie allein nach Aktenlage erfolgte, während der Vertragsarzt die erforderlichen Maßnahmen nach eigener Anschauung der Wunden verordnet hatte. Dr. R hat in seinem Befundbericht nochmals überzeugend dargelegt, dass im fraglichen Zeitraum ein sehr schwerwiegender Befund mit teils offenen und entzündeten Blasen an verschiedenen ständig wechselnden Körperstellen vorlag und die Behandlung sehr dringend und sofort erforderlich war. Im Übrigen hätte die Beurteilung des MDK keinen Anlass für eine Ablehnung der Leistung gegeben, sondern allenfalls für eine eingeschränkte Genehmigung nach Maßgabe der Vorgaben des MDK. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem verordnenden Vertragsarzt das Gutachten des MDK zur Kenntnis gegeben hat, um diesem eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des MDK zu ermöglichen. Soweit der MDK weiter geltend gemacht hat, bei den Wunden sei jeweils ab 28.2.2013 bzw. 15.2.2013 nur noch ein "Schutzverband" erfolgt, hat er auch hierzu nicht im Einzelnen ausgeführt, dass dieser Schutzverband den Kriterien des Leistungsverzeichnisses nach den HKP-RL nicht entsprochen hätte oder warum keine ausnahmsweise Genehmigung nach § 1 Abs. 4 Satz 3 HKP-RL möglich gewesen wäre. Auf Grund der überzeugenden Beurteilung des Dr. R steht für den Senat daher fest, dass die Wundversorgung im vorliegenden Fall in dem vertragsärztlich verordneten und vom Pflegedienst durchgeführten Umfang für den gesamten streitigen Zeitraum medizinisch indiziert war und es sich um einen dem Leistungsverzeichnis zur HKP-RL unterfallenden Verband, insbesondere nicht um einen "Wundschnellverband" gehandelt hat.
Nach § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Soweit Dr. R in seiner Verordnung vom 11.1.2013 angegeben hatte, er könne nicht beurteilen, ob eine im Haushalt lebende Person die verordneten Maßnahmen übernehmen könne, ist diese Frage durch die Stellungnahme des Klägers im Berufungsverfahren geklärt. Unter Berücksichtigung der in der Verordnung, der Pflegedokumentation und dem Befundbericht des Hausarztes zum Ausdruck kommenden Anforderungen an die Wundversorgung liegt es auf der Hand, dass die ebenfalls hochbetagte Ehefrau des Klägers die Versorgung nicht übernehmen konnte. Andere Personen leben nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers nicht im Haushalt.
Zur Klarstellung ist anzumerken, dass der Zeitraum vom 29.12.2012 bis 1.1.2013, für den Dr. R ebenfalls (rückwirkend) Behandlungspflege verordnet hatte, nicht entscheidungserheblich ist, da der Pflegedienst für diese Zeiträume keine Leistungen in Rechnung gestellt hat. Auf die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Verordnung kommt es daher nicht an. Damit steht fest, dass ein Sachleistungsanspruch des Klägers auf die von Dr. R für die Zeit vom 2.1.2013 bis 22.3.2013 verordnete Behandlungspflege bestanden hätte.
2. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für einen Anspruch auf Freistellung von den für die häusliche Krankenpflege entstandenen Kosten sind für diesen Zeitraum erfüllt. Für den Zeitraum ab Zugang der ablehnenden Bescheide bis zum 22.3.2013 ergibt sich der Freistellungsanspruch aus Alternative 2 und für den übrigen Zeitraum aus Alternative 1 dieser Bestimmung.
a) Für den ersten vom 2.1.2013 bis 12.1.2013 reichenden Verordnungszeitraum besteht ein Anspruch wegen rechtswidriger Ablehnung der Leistung nicht, weil der ablehnende Bescheid vom 14.1.2013 erst nach Ablauf des Verordnungszeitraums ergangen ist. Für den Zeitraum ab Zugang des zweiten ablehnenden Bescheids vom 23.1.2013 bis zum 22.3.2013 hat die Beklagte den Kläger von den entstandenen Kosten freizustellen, weil sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Insoweit scheidet der Anspruch auch nicht mangels Ursächlichkeit der Leistungsablehnung aus, weil der Kläger sich bereits vor Beantragung der Leistung gegenüber dem Leistungserbringer zur Vergütung der Leistung verpflichtet hätte (vgl. dazu BSG 3.8.2006 - B 3 KR 24/05 R, juris Rn. 22). Denn nach § 9 Abs. 2 des Pflegevertrags war der Vertrag für den Kläger jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ordentlich kündbar. Der Kläger hätte somit nach Ablehnung der Leistung durch die Beklagte das weitere Leistungsgeschehen noch durch eine sofortige Kündigung des Vertrags beeinflussen können. Es fehlt daher nicht an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und den entstandenen Kosten.
b) Für den übrigen streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den entstandenen Kosten der Behandlungspflege aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V. Die Leistung war unaufschiebbar, denn nach den überzeugenden Angaben des Dr. R konnte mit der Behandlung der z.T. offenen Wunden aus medizinischen Gründen nicht weiter abgewartet werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass die Notwendigkeit der Wundversorgung vom Pflegedienst bereits am 28.12.2012 festgestellt, eine fachliche Einschätzung jedoch erst am Folgetag erfolgt ist. Denn unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (Helbig, in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 13 SGB V Rn. 50 m.w.N.). Das war hier nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. R der Fall.
Zwar besteht ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch auch bei unaufschiebbaren Leistungen grundsätzlich nur, wenn eine vorherige Befassung der Krankenkasse nicht möglich oder nicht zumutbar war (Helbig, in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 13 SGB V Rn. 50 m.w.N.). Ob dies hier der Fall war, kann jedoch dahinstehen. Denn aus § 37 Abs. 4 SGB V ergibt sich für die häusliche Krankenpflege die Besonderheit, dass die Kosten der Pflegekraft auch dann zu erstatten sind, wenn die Leistung zuvor nicht von dem Versicherten beantragt worden war. Nach dieser Bestimmung sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbe-schaffte Kraft in angemessener Höhe auch dann zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen. Diese Bestimmung ist für den Regelfall dahin auszulegen, dass die Kosten der selbstbeschafften Kraft zu erstatten sind, wenn die Leistung beantragt wurde und die Krankenkasse vor der Inanspruchnahme der Leistung ihre (Sach-) Leistungspflicht zwar bejaht hat, sie jedoch eine Pflegekraft als Sachleistung nicht stellen kann oder aus sonstigen Gründen nicht stellen will (Padé, in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 37 SGB V Rn. 78). Durch diese Regelung kommt aber auch zum Ausdruck, dass für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege die medizinische Notwendigkeit entscheidend sein soll. Da häusliche Krankenpflege im Regelfall im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der ärztlichen Verordnung erforderlich wird, ist es in der Praxis oft nicht möglich, zuvor die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen und auf eine von dieser gestellte Pflegekraft zu warten. Unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse und des Wirtschaftlichkeitsgebots ist § 37 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 6 Abs. 6 HKP-RL daher dahin auszulegen, dass die Krankenkasse die Kosten einer selbstbeschafften Pflegekraft auch zu übernehmen hat, solange sie noch keine Entscheidung über die Genehmigung getroffen hat und deshalb eine Pflegekraft nicht gestellt hat (BSG 16.7.2014 - B 3 KR 2/13 R, juris Rn. 30). Das Bundessozialgericht hält deshalb auch § 6 Abs. 6 HKP-RL für ermächtigungskonform, wonach die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten der vertragsärztlich verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs. 2 SGB V übernimmt, wenn die Verordnung spätestens am dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird (BSG a.a.O.). In diesen Fällen besteht ein Kostenerstattungsanspruch auch dann, wenn die Krankenkasse zu dem Ergebnis kommt, dass eine Genehmigung nicht zu erteilen ist.
Im vorliegenden Fall sind zwar die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 HKP-RL nicht erfüllt, denn die Verordnung wurde nicht spätestens am dritten auf die Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt. Der dritte auf die Ausstellung der Verordnung vom Mittwoch, den 2.1.2013 folgende Arbeitstag wäre Montag, der 7.1.2013 gewesen, laut Eingangsstempel ging die Verordnung jedoch erst am 9.1.2013 bei der Beklagten ein. Der dritte auf die Ausstellung der Verordnung vom Freitag, den 11.1.2013 folgende Arbeitstag wäre Mittwoch, der 16.1.2013 gewesen, die Verordnung ging erst am 21.1.2013 bei der Beklagten ein. Ein früherer Eingang per Telefax ist nicht erwiesen, da der Kläger hierzu lediglich Faxjournale vorgelegt hat, aus denen nicht ersichtlich ist, welche Schriftstücke an die Beklagte übersandt wurden. Zudem wurde nach dem Faxjournal nur eine Seite übersandt, während das Verordnungs- und Antragsformular zwei Seiten umfasste. Dem Faxjournal kommt unter diesen Umständen keine Indizwirkung zu (vgl. dazu näher Leitherer, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 151 Rn. 10b ff. m.w.N.).
Jedenfalls für den Fall, dass die Krankenkasse nach Eingang des Antrags die häusliche Krankenpflege bewilligt oder zu Unrecht ablehnt, ist ein Kostenerstattungsanspruch auch dann zu bejahen, wenn die ärztliche Verordnung nicht innerhalb der durch § 6 Abs. 6 HKP-RL vorgegebenen Frist vorgelegt wird. Denn der Anspruch nach § 6 Abs. 6 HKP-RL besteht auch dann, wenn die Krankenkasse die Leistung (zu Recht) ablehnt. Da aus § 37 Abs. 4 SGB V zu schließen ist, dass es für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht entscheidend auf den Antrag, sondern auf die medizinische Notwendigkeit der Leistung ankommt (BSG a.a.O.; gegen einen Genehmigungsvorbehalt auch Richter/ Bohlken, NZS 2000, 236 ff.; Flint, in Hauck/ Noftz, SGB V K § 37 Rn. 146; Nolte, in KassKomm, SGB V § 37 Rn. 26 unter Hinweis auf die Rspr. zu § 38 SGB V), ist jedenfalls für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen erfüllt sind, ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch auch dann zu bejahen, wenn die Leistung nicht innerhalb von drei Tagen nach Ausstellung der Verordnung bei der Krankenkasse vorgelegt wurde. Für dieses Ergebnis spricht auch die in § 2 Abs. 4 der vom GKV-Spitzenverband und den betroffenen Verbänden am 10.12.2013 beschlossenen und zum 1.1.2014 in Kraft getretenen "Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege". Hiernach sind Kosten für genehmigte und vom Pflegedienst erbrachte Leistungen auch bei verfristeter Einreichung der Verordnung ab Verordnungsbeginn durch die Krankenkasse zu tragen. Zwar galt diese Bestimmung im hier streitigen Zeitraum noch nicht und es handelt sich hier auch nicht um eine "genehmigte" Leistung im Sinne dieser Bestimmung, denn die Beklagte hatte die Leistung ja abgelehnt. Die Regelung dürfte unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen jedoch entsprechend an-zuwenden sein, wenn die Krankenkasse die Leistung zwar nicht genehmigt, aber zu Unrecht abgelehnt hat.
3. Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall die Kosten gemäß § 13 Abs. 3 SGB V "in der entstandenen Höhe" oder gemäß § 37 Abs. 4 SGB V "in angemessener" Höhe zu erstatten sind. Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers hat der Pflegedienst die nach § 132a SGB V mit den Krankenkassen vereinbarten Vergütungen berechnet, die auch als "angemessen" zu werten sind.
4. Da in der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden konnte, ob der Kläger von Zuzahlungen befreit war, war die Verurteilung der Beklagten mit einem entsprechenden Vorbehalt zu versehen. Falls der Kläger nicht von Zuzahlungen befreit ist, hat er nach § 37 Abs. 5 in Verbindung mit § 61 Satz 3 SGB V eine Zuzahlung in Höhe von zehn vom Hundert der Kosten sowie 10 Euro je Verordnung, also von (1.232,35 EUR x 10% = 123,24 EUR + [2 x 10 EUR =] 20 EUR) insgesamt 143,24 EUR zu leisten. In diesem Fall reduziert sich sein Freistellungsanspruch um diesen Betrag.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
RPF
Saved