Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 23/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 120/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Ermittlung der Berufsausbildungsbeihilfe sind die Einkommensverhältnisse der Eltern im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. Hierbei kommt es auf den Inhalt eines bestandskräftigen Steuerbescheides an, der rechtlich bindend ist (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1993 – 11 C 9/92).
2. Ein nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellter Aktualisierungsantrag wird nicht berücksichtigt.
3. Hypothetische Geschehensabläufe können nur berücksichtigt werden, wenn dies nach den entscheidungserheblichen Regelungen vorgesehen ist, oder im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Selbst in letzterem Fall können nicht alle Begebenheiten tatsächlicher Art durch eine
hypothetische Betrachtungsweise ersetzt werden.
2. Ein nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellter Aktualisierungsantrag wird nicht berücksichtigt.
3. Hypothetische Geschehensabläufe können nur berücksichtigt werden, wenn dies nach den entscheidungserheblichen Regelungen vorgesehen ist, oder im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Selbst in letzterem Fall können nicht alle Begebenheiten tatsächlicher Art durch eine
hypothetische Betrachtungsweise ersetzt werden.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. September 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008.
Der am 1984 geborene Kläger beantragte am 14. August 2006 bei der Beklagten die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Ausbildung als Berufskraftfahrer, für die er im ersten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung von 350,00 EUR und im zweiten Lehrjahr in Höhe von 380,00 EUR erhielt. Er war alleinstehend und bewohnte außerhalb des Elternhauses eine Wohnung, für die er eine monatliche Miete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 175,30 EUR aufzuwenden hatte. Im Antragsformular gab er zur Frage "Angaben über meine leiblichen Eltern und meine Adoptiveltern" als Vater "U S " (Nummer 11) und als Mutter "E S " (Nummer 12) an, obwohl U S , der mit der leiblichen Mutter des Klägers verheiratet war und dessen Nachname der Kläger angenommen hatte, tatsächlich nicht sein leiblicher Vater oder Adoptivvater war. Das vom Kläger eigenhändig unterschriebene Antragsformular erhielt den Zusatz: "Ich versichere, dass die vorstehenden Angaben vollständig sind und in allen Teilen der Wahrheit entsprechen." Als Anlagen reichte er eine "Erklärung des Vaters" und eine "Erklärung der Mutter" zu den Verhältnissen des Kalenderjahres 2004 ein und fügte den Einkommenssteuerbescheid der zusammenveranlagten Eheleute für das Jahr 2004 bei.
Mit Bescheid vom 5. September 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 29. Februar 2008 in Höhe von monatlich 279,00 EUR. Da das Einkommen der Eheleute U und E S den Freibetrag nicht überschritt, erfolgte keine Anrechnung. Der Gesamtbedarf in Höhe von 509,90 EUR setzte sich zusammen aus dem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 485,30 EUR (= Lebensunterhalt bei anderweitiger Unterbringung in Höhe von 443,00 EUR und Zusatzbedarf der Unterkunft in Höhe von 42,30 EUR), einem Bedarf für die Fahrkosten (Familienheimfahrten) in Höhe von 13,60 EUR und einem Bedarf für sonstige Aufwendungen (Arbeitskleidung) in Höhe von 11,00 EUR. Hiervon wurde die Ausbildungsvergütung des Klägers in Höhe von 230,60 EUR in Abzug gebracht.
Am 2. Januar 2008 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Berufsausbildungsbeihilfe. Im Weiterbewilligungsantrag gab er zur Frage nach seine leiblichen Eltern erneut U S (Nummer 6.21) und E S (Nummer 6.22) an und legte deren Erklärungen einen Einkommensnachweis von U S für das Jahr 2006 bei.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage einer Kopie der Geburtsurkunde auf. Der Kläger fragte telefonisch am 27. Februar 2008 bei der Beklagten an, warum diese die Geburtsurkunde benötigte und bat um Rückruf. Hierbei gab er am Folgetag an, dass U S nicht sein leiblicher Vater sei.
Am 1. März 2008 legte der Kläger eine "Erklärung des Auszubildenden zu seinen leiblichen Eltern bzw. seinem Ehegatten" vor und benannte L H als leiblichen Vater. Die Geburtsurkunde mit Datum vom 24. August 2000, welche als Eltern "A L H und E W S geb. D " auswies, fügte er bei. In dem am 4. März 2009 eingereichten Antragsformular "Erklärung zur Vorausleistung" von Berufsausbildungsbeihilfe für den Bewilligungszeitraum 4. September 2006 bis 31. August 2009 erklärte er, dass er trotz seiner Bemühungen keine Auskünfte über das Einkommen seines leiblichen Vaters erhalten habe. Seit seinem 18. Lebensjahr erhalte er von diesem keine finanzielle Unterstützung mehr.
Auf Aufforderung der Beklagten reichte der leibliche Vater am 18. März 2008 seinen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 ein, welches einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 38.410,00 EUR und eine zu zahlende Steuer in Höhe von 8.514,90 EUR auswies. Zugleich gab er an, dass er in der Zeit vom 1. August 2005 bis zum 30. April 2007 arbeitslos gewesen sei und seit dem 1. Mai 2007 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalte. Im Jahr 2006 erhielt er Arbeitslosengeld in Höhe von 14.376,00 EUR und im Jahr 2007 Arbeitslosengeld in Höhe von 4.738,00 EUR sowie eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 5.355,00 EUR, insgesamt 10.093,00 EUR. Im Jahr 2008 zahlte ihm die Rentenversicherung Leistungen in Höhe von 8.045,00 EUR.
Bei einem Telefonat vom 11. März 2008 vermerkte die Mitarbeiterin der Beklagten, dass der Kläger in Bezug auf den ersten Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe für den leiblichen Vater einen Aktualisierungsantrag wünsche und übermittelte ihm das entsprechende Antragsformular. Den daraufhin gestellten Antrag auf Aktualisierung der Berufsausbildungsbeihilfe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. April 2008 ab, da dieser erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt worden sei. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2008 zurückgewiesen. Die am 6. Mai 2008 erhobene Klage (Az. S 8 AL 348/08) nahm der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 27. März 2009 zurück.
Mit Schreiben vom 2. April 2008 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 29. Februar 2008 in Höhe von 2.988,00 EUR an. Unter Anrechnung des Einkommens des leiblichen Vaters aus dem Jahr 2004 in Höhe von monatlich 166,54 EUR ergebe sich lediglich eine Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 113,00 EUR. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil der Kläger in seinem Antrag vom 24. Juli 2006 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben zu seinem leiblichen Vater gemacht habe.
Mit Schreiben vom 9. April 2008 teilte der Kläger mit, dass er den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit "ohne jeden Zweifel als gerechtfertigt von ihm anerkenne". Es habe aber keine Absicht vorgelegen. Er habe den Antrag nur nicht ordnungsgemäß durchgelesen. Da er seit sehr langer Zeit keinen Kontakt zu seinem leiblichen Vater gehabt habe, habe er instinktiv den Ehegatten seiner Mutter angegeben, der seit dem 9. Lebensjahr die Vaterrolle für ihn übernommen habe.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 11. April 2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe teilweise in Höhe von 166,00 EUR monatlich auf und forderte Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 2.988,00 EUR zurück, da der Kläger in seinem Antrag vom 17. August 2006 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe.
Hiergegen legte der Kläger am 23. April 2008 Widerspruch ein. Die Beklagte reduzierte mit Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2008 die Erstattungsforderung auf 2.971,40 EUR, da bei der Ermittlung der Erstattungsforderung fehlerhaft der 1. September 2006 statt dem 4. September 2006 zu Grunde gelegt worden sei. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Januar 2009 Klage erhoben. Er hat darauf verwiesen, dass er die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt habe. Da er seit langem zu seinem leiblichen Vater keinen Kontakt mehr gehabt habe, sei es für ihn völlig nahe liegend gewesen, nicht diesen, sondern seinen Ziehvater zu benennen, mit dem er im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft zusammengelebt habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2012 abgewiesen. Die teilweise Rücknahme und Erstattung der Berufsausbildungsbeihilfe sei zu Recht erfolgt. Der Kläger habe in grob fahrlässiger Weise unrichtige Angaben zu seinem leiblichen Vater gemacht. Die Frage im Antragsformular nach dem leiblichen Vater sei gut leserlich, leicht verständlich und nicht weiterer erklärungsbedürftig gewesen. Aufgrund seiner Erfahrung und seines Bildungsstandes hätte dies dem Kläger einleuchten und von ihm verstanden werden müssen. Auch die Anrechnung des Einkommens des leiblichen Vaters aus dem Kalenderjahr 2004 sei nicht zu beanstanden, da hiervon die Anspruchshöhe im Bewilligungszeitraum abhängig gewesen sei.
Gegen das ihm am 11. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Er habe sich nicht grob fahrlässig verhalten und gehe davon aus, dass die Überzahlung nicht auf die fehlerhaften Angaben zurückzuführen sei. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip müsse davon auszugehen werden, dass er bei Angabe der richtigen Daten rechtzeitig einen Aktualisierungsantrag wegen des geringeren Einkommens des leiblichen Vaters im Bewilligungszeitraum gestellt hätte und ihm in diesem Fall die Berufsausbildungsbeihilfe ohne Anrechnung des elterlichen Einkommens gewährt worden wäre. Eine Kausalität zwischen der Überzahlung und den unrichtigen Angaben habe damit nicht vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. September 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen, die Gerichtsakte des Verfahrens des Sozialgerichts Dresden Az. S 8 AL 348/08 sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da Leistungen von mehr als 750,00 EUR betroffen sind (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Im Streit steht die teilweise Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008 in Höhe von 2.971,40 EUR.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 11. April 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte hat zu Recht gemäß § 45 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 3 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) teilweise in Höhe von 166,00 EUR monatlich zurückgenommen und gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Erstattung von in der Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008 zu Unrecht erbrachter Berufsausbildungsbeihilfeleistungen in Höhe vom insgesamt 2.971,40 EUR vom Kläger erstattet verlangt.
1. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde der Kläger mit Schreiben vom 2. April 2008 gemäß § 24 SGB X zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der auf der Rechtsgrundlage von § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X beabsichtigten teilweisen Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe angehört (vgl. hierzu Sächs. LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 579/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 43).
2. Die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme liegen vor.
a) Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(1) Der Bescheid vom 5. September 2006 war rechtswidrig ergangen, da bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens der Eltern von der Beklagten fehlerhaft dasjenige des Ehemanns der Mutter und nicht des leiblichen Vaters zu Grunde gelegt wurde mit der Folge, dass dem Kläger höheres Berufsausbildungsbeihilfe bewilligt wurde, als im tatsächlich zustand.
Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten nach § 59 SGB III (in der hier maßgebenden, vom 1. Januar 1998 bis zum 17. September 2010 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 [BGBl. I S. 594]) Auszubildende während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn die ausbildungsbezogene und persönliche Förderungsfähigkeit gegeben war (vgl. § 59 Nr. 1 und 2 SGB III a. F.) und ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung standen (vgl. § 59 Nr. 3 SGB III a. F.). Der Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bestand für die Dauer der beruflichen Ausbildung und der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 [BGBl. I S. 594]). Über den Anspruch wurde in der Regel bei beruflicher Ausbildung für 18 Monate entschieden (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III in der vom 1. August 2001 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung von Artikel 9 Nr. 6 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]).
Die ausbildungsbezogenen und persönlichen Fördervoraussetzungen im Sinne von § 59 Nr. 1 und 2 SGB III a. F. waren unstreitig gegeben. Vorliegend steht allein im Streit, in welchem Umfang dem Kläger die Mittel zur Bedarfsdeckung anderweitig zur Verfügung standen (vgl. § 59 Nr. 3 SGB III a. F.), insbesondere aufgrund der Anrechnung des Einkommens des leiblichen Vaters.
Maßgebend für die Ermittlung der Höhe der dem Kläger zustehenden Berufsausbildungsbeihilfe waren die Regelungen in § 65 Abs. 1 SGB III in der vom 1. August 2001 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 9 Nr. 1 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 67 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung (vgl. Artikel 10 Nr. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 71 Abs. 1 und 2 SGB III in der vom 31. Dezember 2005 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2005 [BGBl. I S. 3676]), § 75 SGB III in der vom 1. Januar 2002 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 10 Nr. 4 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 13 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung [Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG] in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 2, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 27. Oktober 2010 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 2, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 11 Buchst. a, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]) sowie § 25 Abs. 4 BAföG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung von Artikel 1 Nr. 24 Buchst. c, Artikel 7 Abs. 4 des Gesetzes vom 22. Mai 1990 [BGBl. I S. 936]).
Der Gesamtbedarf des Klägers belief sich auf monatlich 509,00 EUR. Dieser setzte sich zusammen aus dem monatlichen Bedarf für Auszubildende, die nicht bei ihren Eltern wohnten, in Höhe von 310,00 EUR (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG a. F.), dem Bedarf für die Unterkunft in Höhe von 133,00 EUR (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG a. F.), einem weiteren Zusatzbedarf für die Unterkunftskosten in Höhe von 42,30 EUR (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III a. F. i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BAföG a. F.) sowie Zusatzleistungen für Arbeitskleidung in Höhe von 11,00 EUR (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III a. F.) und für Familienheimfahrten in Höhe von 13,60 EUR (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F.).
Zutreffend brachte die Beklagte hiervon die bereinigte Ausbildungsvergütung des Klägers in Höhe von 230,60 EUR in Abzug. Dies ergab sich aus der im Bewilligungszeitraum gezahlten durchschnittlichen Ausbildungsvergütung in Höhe von 360,00 EUR (vgl. § 71 Abs. 1 und 2 SGB III a. F.) abzüglich eines Freibetrages von 52,00 EUR (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a. F.) sowie der Sozialpauschale in Höhe von 77,40 EUR (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG a. F.).
Ferner wäre von Anfang an das Einkommen des leiblichen Vaters des Klägers in Höhe von 166,54 EUR auf den Gesamtbedarf anzurechnen gewesen. Nach § 71 Abs. 1 SGB III a. F. waren auf den Gesamtbedarf das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 1 BAföG (in der bis zum 27. Oktober 2010 geltenden Fassung) waren für die Anrechnung des Einkommen unter anderem der Eltern des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. In Bezug auf die vom Kläger im September 2006 begonnene Ausbildung waren dies die Einkommensverhältnisse im Jahr 2004. Während das Einkommen der Mutter aufgrund der geringen Höhe und der zu berücksichtigenden Freibeträge (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 25 BAföG) anrechnungsfrei blieb, verfügte der leibliche Vater der Klägers über Einkommen, welches über der Freibetragsgrenze lag. Aus seinem Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2004 ergeben sich positive Einkünfte in Höhe von 38.410,00 EUR. Nach Abzug von Steuern in Höhe von 8.514,90 EUR und der Sozialpauschale (21,5 % der positiven Einkünfte) in Höhe von 8.258,15 EUR (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 BAföG a. F.) ergibt sich ein Durchschnittseinkommen von 1.803,08 EUR. Nach weiterem Abzug des Grundfreibetrages von 960,00 EUR (§ 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG a. F.) und eines zusätzlichen Freibetrags von 510,00 EUR wegen der auswärtigen Unterbringung des Klägers (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a. F.) verbleibt Einkommen in Höhe von 333,08 EUR monatlich. Dieses die Freibeträge übersteigende Einkommen blieb zu 50 vom Hundert anrechnungsfrei (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 25 Abs. 4 BAföG a. F.). Damit verblieb ein anzurechnendes Einkommen des leiblichen Vaters in Höhe von 166,54 EUR monatlich.
Nach einer Gegenüberstellung des Bedarfs des Klägers (509,00 EUR) und dem anzurechnenden Einkommen von ihm und seinem leiblichen Vater ergibt sich ein rechnerischer Anspruch in Höhe von 111,86 EUR (= 509,00 EUR– 230,60 EUR – 166,54 EUR). Unter Berücksichtigung der Rundungsregelung (vgl. § 75 Satz 1 SGB III a. F.) stand dem Kläger damit im Bewilligungszeitraum lediglich eine monatliche Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 112,00 EUR an Stelle der bewilligten 279,00 EUR zu.
Dass die Beklagte hiervon abweichend einen Anspruch in Höhe von 113,00 EUR monatlich errechnete, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn dadurch verringert sich im Gegenzug zu seinen Gunsten die monatliche Erstattungsforderung um jeweils 1,00 EUR.
(2) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass das Einkommen des leiblichen Vaters wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld sowie Erwerbsminderungsrente im Bewilligungszeitraum vom 4. September 2006 bis 28. Februar 2008 tatsächlich geringer als dasjenige des Kalenderjahres 2004 war.
(2.1) Wie bereits ausgeführt wurde, waren nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 1 BAföG a. F. bei der Ermittlung der Berufsausbildungsbeihilfe die Einkommensverhältnisse der Eltern im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. Hierbei kommt es auf den Inhalt eines bestandskräftigen Steuerbescheides an, der nach der ständigen ausbildungsförderrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtlich bindend ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1993 – 11 C 9/92 – BVerwGE 92, 272 [277 f.] = JURIS-Dokument Rdnr. 22 f.; Stopp, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG [5. Aufl., 2014], § 24 Rdnr. 8, m. w. N.). Der Gesetzgeber bezweckt damit für die Gewährung von Ausbildungsförderung die Entlastung der Ämter für Ausbildungsförderung.
Nach Auffassung des Senats gilt für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nichts anderes. Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe verwies § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. ausdrücklich auf die Vorschriften des Vierten Abschnittes des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und damit auf die dort vorgesehene Anknüpfung an das Einkommen der Eltern im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums sowie auf die engere Anlehnung an das Einkommensteuerrecht. Auch insoweit vereinfacht die Regelung nicht nur die Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit, sondern soll auch dem Antragsteller den Nachweis der Einkommensverhältnisse anhand des in der Regel bereits vorliegenden Steuerbescheids erleichtern (vgl. Stratmann, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 71 Rdnr. 5; zu der seit 1. April 2012 geltenden Nachfolgeregelung in § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB III: Hassel, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 67 Rdnr. 4).
(2.2) Soweit eine wesentlichen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse zwischen dem sich nach dem Steuerbescheid ergebenden Berechnungszeitraum und dem Bewilligungszeitraum eintrat, bestand (und besteht) auch im Rahmen des Rechts der Berufsausbildungsbeihilfe die Möglichkeit, einen Aktualisierungsantrag zu stellen (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 3 BAföG). Voraussetzung hierfür war und ist aber ein besonderer Antrag des Auszubildenden (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BAföG). Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG werden nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Anträge nicht berücksichtigt. Dies entspricht auch der ausbildungsförderungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2004 – 5 C 31/03 – BVerwGE 121, 245 = NVwZ 2004, 1511 = JURIS- Dokument, jeweils Leitsatz; BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2010 – 5 C 2/09 – BVerwGE 136, 109 = NVwZ-RR 2010, 608 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz).
Der Senat sieht keine Möglichkeit, hiervon im Rahmen des Rechts des Berufsausbildungsbeihilfe abzuweichen, da für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung in § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. ausdrücklich auf die Vorschriften des Vierten Abschnittes des Bundesausbildungsförderungsgesetz verwiesen wurde. Hieran hat sich nach der Novellierung des SGB III zum 1. April 2012 in der Nachfolgeregelung des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht geändert.
Vorliegend stellte der Kläger einen Aktualisierungsantrag erst nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraums. Demzufolge wurde der Antrag bestandskräftig mit Bescheid vom 2. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2008 abgelehnt.
(2.3) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er bei einer Angabe seines leiblichen Vaters im ursprünglichen Antragsformular Kenntnis von dessen tatsächlichen Einkommensverhältnissen erhalten und rechtzeitig einen Aktualisierungsantrag nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 3 BAföG gestellt hätte.
Mit diesem Argument bemüht der Kläger einen hypothetischen Kausalverlauf. Hypothetische Geschehensabläufe können aber nur berücksichtigt werden, wenn dies, was vorliegend nicht der Fall ist, nach den entscheidungserheblichen Regelungen vorgesehen ist, oder im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Selbst in letzterem Fall können nicht alle Begebenheiten tatsächlicher Art durch eine hypothetische Betrachtungsweise ersetzt werden (vgl. die Beispielsfälle bei Hassel, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 323 Anh Rdnr. 37 f.).
Weitere Erwägungen hierzu müssen vorliegend nicht angestellt werden, weil die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vorliegen. Dieser Anspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zunächst voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung (vgl. § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) und Auskunft (vgl. § 15 SGB I), verletzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 39; m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; Hassel, a. a. O., Rdnr. 30 ff., m. w. N.). Bereits hieran fehlt es. Denn etwaige Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers in Bezug auf seinen leiblichen Vater kamen erst im Zusammenhang mit dem Weiterbewilligungsantrag auf. Nachweislich erhielt die Beklagte erstmals im Rahmen des Telefonats mit dem Kläger am 28. Februar 2008 Kenntnis von der Existenz des leiblichen Vaters und den fehlerhaften Angaben im Antragsformular. Anlass zur Beratung des Klägers in Bezug die Möglichkeit, einen Aktualisierungsantrag stellen zu können, bestand zu diesem Zeitpunkt aber nicht. Denn weder die Beklagte noch der Kläger hatten Kenntnis über die tatsächlichen (oder auch nur ungefähren) Einkommensverhältnisse des leiblichen Vaters. Dies ist aber essentiell für eine Beratung über einen Aktualisierungsantrag. Denn ein Aktualisierungsantrag kann ab Bekanntgabe des Aktualisierungsbescheides nicht mehr zurückgenommen werden (vgl. Stopp, a. a. O., § 24 Rdnr. 32). Damit ist ein Aktualisierungsantrag nur rechtlich vorteilhaft, wenn sich die Einkünfte im Bewilligungszeitraum gegenüber dem vorletzten Kalenderjahr tatsächlich verringert haben. Sollte sich hingegen das Einkommen des Einkommensbeziehers unerwartet erhöhen, kann sich der Auszubildende Rückzahlungsforderungen ausgesetzt sehen (vgl. Stopp, a. a. O., § 24 Rdnr. 33). Eine substanzielle Beratung über Vor- und Nachteile eines Aktualisierungsantrages, die über allgemeine Hinweise zur Rechtslage hinausgeht, ist also erst möglich, wenn Informationen über die Einkommensverhältnisse desjenigen, dessen Einkommen anzurechnen ist, vorliegen. Diese Kenntnislage bestand erst im März 2009 und damit nach Ablauf des Bewilligungszeitraums. Erst jetzt stellte sich heraus, dass der leibliche Vater des Klägers über ein geringeres Einkommen als das bislang angerechnete verfügte. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Antragsfrist nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 3 BAföG bereits abgelaufen. Aus diesem Grund geht auch der Verweis des Klägers auf ein im Sozialrecht geltendes "Meistbegünstigungsprinzip" fehl, da dieses nicht zu einer Begünstigung entgegen der gesetzlichen Regelung führen kann.
b) Der Kläger kann sich in Bezug auf die Rücknahmeentscheidung nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben in Bezug auf seinen leiblichen Vater gemacht hat.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (statt vieler: BSG, Urteil vom 31. August 1976 – 7 RAr 112/74 – BSGE 42, 186 = JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – SozR 4-2500 § 240 Nr. 19 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 30, m. w. N.) kommt es für die Frage der groben Fahrlässigkeit auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Leistungsempfängers sowie auf die besonderen Umstände des Falls an (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). Grobe Fahrlässigkeit setzt hiernach eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv schlechthin unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 = JURIS-Dokument Rdnr. 23, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 14/11 R – SozR 4-1300 § 45 Nr. 15 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 25, m. w. N.)
Hieran gemessen handelte der Kläger grob fahrlässig.
Die Fragestellung im Antragsformular bot bei einer sorgfältigen Lektüre keine Anhaltspunkte für etwaige Unklarheiten. Unter Nummer 11 und 12 des "Antrags auf Berufsausbildungsbeihilfe" wurde gefordert, "Angaben über meine leiblichen Eltern oder meine Adoptiveltern" einzutragen. Die Frage nach den leiblichen Eltern war klar und unmissverständlich formuliert, leicht verständlich und nicht auslegungsbedürftig. Das Antragsformular stellte weder vom Umfang noch von den Fragestellungen oder den betroffenen Inhalten erhöhte Anforderungen. Zudem waren neben dem Antragsformular zusätzliche Erklärungen zum Einkommen und Vermögen der Eltern einzureichen, die geeignet waren, dem Kläger die Bedeutung der Angaben in Bezug auf die Höhe des Einkommens zu verdeutlichen.
Nach dem persönlichen Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2014 vom Kläger verschaffen konnte, war der Kläger nach seiner Urteilsfähigkeit und seinem Einsichtsvermögen in der Lage zu erkennen, dass nicht nach dem "sozialen" Vater oder demjenigen gefragt wurde, der für ihn einen "Vaterrolle" übernommen hatte, sondern dass Angaben zum leiblichen Vater gefordert wurden. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, dass er seit langem zu seinem leiblichen Vater keinen Kontakt mehr gehabt habe und es für ihn deshalb völlig nahe liegend gewesen sei, nicht diesen, sondern seinen Ziehvater zu benennen, hält der Senat dies für eine Schutzbehauptung. Denn selbst wenn zwischen dem Kläger und seinem leiblichen Vater kein persönlicher Kontakt bestanden haben sollte, hatte der Kläger nach seinen eigenen Angaben jedenfalls bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres noch finanzielle Unterstützung von seinem leiblichen Vater erhalten. Im Hinblick darauf, dass der Kläger im Oktober 2002 sein 18. Lebensjahres vollendet und im August 2006 den Antrag auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe gestellt hat, hat er weder plausibel vorgetragen, aus welchen Gründen er in diesen knapp vier Jahren seinen leiblichen Vater gedanklich "verdrängt" haben will, noch sind entsprechende Anhaltspunkte nach Aktenlage festzustellen.
c) Die Beklagte hat auch die Jahresfrist zur Rücknahme der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl. § 45 Abs. 4 SGB X) gewahrt, da sie im März 2008 Kenntnis von den Einkommensverhältnissen des leiblichen Vaters des Klägers erlangte und den Rücknahmebescheid am 11. April 2008 erließ.
3. Schließlich ist auch die auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützte Erstattungsforderung nicht zu beanstanden. Der sich aufgrund der Überzahlung für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008 ergebende Betrag in Höhe von 2.971,40 EUR ist rechnerisch korrekt und ergibt sich aus der Differenz der ausgezahlten Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 279,00 EUR monatlich zu den dem Kläger von der Beklagten zuerkannten Anspruch in Höhe von 113,00 EUR.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 198 SGG
IV. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen, weil es zur Frage der Bindungswirkung des Einkommenssteuerbescheides und der Ausschlussfrist bei Stellung eines Aktualisierungsantrags für das Recht der Berufsausbildungsbeihilfe soweit ersichtlich keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt.
Dr. Scheer Höhl Krewer
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008.
Der am 1984 geborene Kläger beantragte am 14. August 2006 bei der Beklagten die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Ausbildung als Berufskraftfahrer, für die er im ersten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung von 350,00 EUR und im zweiten Lehrjahr in Höhe von 380,00 EUR erhielt. Er war alleinstehend und bewohnte außerhalb des Elternhauses eine Wohnung, für die er eine monatliche Miete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 175,30 EUR aufzuwenden hatte. Im Antragsformular gab er zur Frage "Angaben über meine leiblichen Eltern und meine Adoptiveltern" als Vater "U S " (Nummer 11) und als Mutter "E S " (Nummer 12) an, obwohl U S , der mit der leiblichen Mutter des Klägers verheiratet war und dessen Nachname der Kläger angenommen hatte, tatsächlich nicht sein leiblicher Vater oder Adoptivvater war. Das vom Kläger eigenhändig unterschriebene Antragsformular erhielt den Zusatz: "Ich versichere, dass die vorstehenden Angaben vollständig sind und in allen Teilen der Wahrheit entsprechen." Als Anlagen reichte er eine "Erklärung des Vaters" und eine "Erklärung der Mutter" zu den Verhältnissen des Kalenderjahres 2004 ein und fügte den Einkommenssteuerbescheid der zusammenveranlagten Eheleute für das Jahr 2004 bei.
Mit Bescheid vom 5. September 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 29. Februar 2008 in Höhe von monatlich 279,00 EUR. Da das Einkommen der Eheleute U und E S den Freibetrag nicht überschritt, erfolgte keine Anrechnung. Der Gesamtbedarf in Höhe von 509,90 EUR setzte sich zusammen aus dem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 485,30 EUR (= Lebensunterhalt bei anderweitiger Unterbringung in Höhe von 443,00 EUR und Zusatzbedarf der Unterkunft in Höhe von 42,30 EUR), einem Bedarf für die Fahrkosten (Familienheimfahrten) in Höhe von 13,60 EUR und einem Bedarf für sonstige Aufwendungen (Arbeitskleidung) in Höhe von 11,00 EUR. Hiervon wurde die Ausbildungsvergütung des Klägers in Höhe von 230,60 EUR in Abzug gebracht.
Am 2. Januar 2008 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Berufsausbildungsbeihilfe. Im Weiterbewilligungsantrag gab er zur Frage nach seine leiblichen Eltern erneut U S (Nummer 6.21) und E S (Nummer 6.22) an und legte deren Erklärungen einen Einkommensnachweis von U S für das Jahr 2006 bei.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage einer Kopie der Geburtsurkunde auf. Der Kläger fragte telefonisch am 27. Februar 2008 bei der Beklagten an, warum diese die Geburtsurkunde benötigte und bat um Rückruf. Hierbei gab er am Folgetag an, dass U S nicht sein leiblicher Vater sei.
Am 1. März 2008 legte der Kläger eine "Erklärung des Auszubildenden zu seinen leiblichen Eltern bzw. seinem Ehegatten" vor und benannte L H als leiblichen Vater. Die Geburtsurkunde mit Datum vom 24. August 2000, welche als Eltern "A L H und E W S geb. D " auswies, fügte er bei. In dem am 4. März 2009 eingereichten Antragsformular "Erklärung zur Vorausleistung" von Berufsausbildungsbeihilfe für den Bewilligungszeitraum 4. September 2006 bis 31. August 2009 erklärte er, dass er trotz seiner Bemühungen keine Auskünfte über das Einkommen seines leiblichen Vaters erhalten habe. Seit seinem 18. Lebensjahr erhalte er von diesem keine finanzielle Unterstützung mehr.
Auf Aufforderung der Beklagten reichte der leibliche Vater am 18. März 2008 seinen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 ein, welches einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 38.410,00 EUR und eine zu zahlende Steuer in Höhe von 8.514,90 EUR auswies. Zugleich gab er an, dass er in der Zeit vom 1. August 2005 bis zum 30. April 2007 arbeitslos gewesen sei und seit dem 1. Mai 2007 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalte. Im Jahr 2006 erhielt er Arbeitslosengeld in Höhe von 14.376,00 EUR und im Jahr 2007 Arbeitslosengeld in Höhe von 4.738,00 EUR sowie eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 5.355,00 EUR, insgesamt 10.093,00 EUR. Im Jahr 2008 zahlte ihm die Rentenversicherung Leistungen in Höhe von 8.045,00 EUR.
Bei einem Telefonat vom 11. März 2008 vermerkte die Mitarbeiterin der Beklagten, dass der Kläger in Bezug auf den ersten Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe für den leiblichen Vater einen Aktualisierungsantrag wünsche und übermittelte ihm das entsprechende Antragsformular. Den daraufhin gestellten Antrag auf Aktualisierung der Berufsausbildungsbeihilfe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. April 2008 ab, da dieser erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt worden sei. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2008 zurückgewiesen. Die am 6. Mai 2008 erhobene Klage (Az. S 8 AL 348/08) nahm der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 27. März 2009 zurück.
Mit Schreiben vom 2. April 2008 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 29. Februar 2008 in Höhe von 2.988,00 EUR an. Unter Anrechnung des Einkommens des leiblichen Vaters aus dem Jahr 2004 in Höhe von monatlich 166,54 EUR ergebe sich lediglich eine Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 113,00 EUR. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil der Kläger in seinem Antrag vom 24. Juli 2006 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben zu seinem leiblichen Vater gemacht habe.
Mit Schreiben vom 9. April 2008 teilte der Kläger mit, dass er den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit "ohne jeden Zweifel als gerechtfertigt von ihm anerkenne". Es habe aber keine Absicht vorgelegen. Er habe den Antrag nur nicht ordnungsgemäß durchgelesen. Da er seit sehr langer Zeit keinen Kontakt zu seinem leiblichen Vater gehabt habe, habe er instinktiv den Ehegatten seiner Mutter angegeben, der seit dem 9. Lebensjahr die Vaterrolle für ihn übernommen habe.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 11. April 2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe teilweise in Höhe von 166,00 EUR monatlich auf und forderte Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 2.988,00 EUR zurück, da der Kläger in seinem Antrag vom 17. August 2006 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe.
Hiergegen legte der Kläger am 23. April 2008 Widerspruch ein. Die Beklagte reduzierte mit Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2008 die Erstattungsforderung auf 2.971,40 EUR, da bei der Ermittlung der Erstattungsforderung fehlerhaft der 1. September 2006 statt dem 4. September 2006 zu Grunde gelegt worden sei. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Januar 2009 Klage erhoben. Er hat darauf verwiesen, dass er die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt habe. Da er seit langem zu seinem leiblichen Vater keinen Kontakt mehr gehabt habe, sei es für ihn völlig nahe liegend gewesen, nicht diesen, sondern seinen Ziehvater zu benennen, mit dem er im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft zusammengelebt habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2012 abgewiesen. Die teilweise Rücknahme und Erstattung der Berufsausbildungsbeihilfe sei zu Recht erfolgt. Der Kläger habe in grob fahrlässiger Weise unrichtige Angaben zu seinem leiblichen Vater gemacht. Die Frage im Antragsformular nach dem leiblichen Vater sei gut leserlich, leicht verständlich und nicht weiterer erklärungsbedürftig gewesen. Aufgrund seiner Erfahrung und seines Bildungsstandes hätte dies dem Kläger einleuchten und von ihm verstanden werden müssen. Auch die Anrechnung des Einkommens des leiblichen Vaters aus dem Kalenderjahr 2004 sei nicht zu beanstanden, da hiervon die Anspruchshöhe im Bewilligungszeitraum abhängig gewesen sei.
Gegen das ihm am 11. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Er habe sich nicht grob fahrlässig verhalten und gehe davon aus, dass die Überzahlung nicht auf die fehlerhaften Angaben zurückzuführen sei. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip müsse davon auszugehen werden, dass er bei Angabe der richtigen Daten rechtzeitig einen Aktualisierungsantrag wegen des geringeren Einkommens des leiblichen Vaters im Bewilligungszeitraum gestellt hätte und ihm in diesem Fall die Berufsausbildungsbeihilfe ohne Anrechnung des elterlichen Einkommens gewährt worden wäre. Eine Kausalität zwischen der Überzahlung und den unrichtigen Angaben habe damit nicht vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. September 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen, die Gerichtsakte des Verfahrens des Sozialgerichts Dresden Az. S 8 AL 348/08 sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da Leistungen von mehr als 750,00 EUR betroffen sind (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Im Streit steht die teilweise Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008 in Höhe von 2.971,40 EUR.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 11. April 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte hat zu Recht gemäß § 45 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 3 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) teilweise in Höhe von 166,00 EUR monatlich zurückgenommen und gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Erstattung von in der Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008 zu Unrecht erbrachter Berufsausbildungsbeihilfeleistungen in Höhe vom insgesamt 2.971,40 EUR vom Kläger erstattet verlangt.
1. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde der Kläger mit Schreiben vom 2. April 2008 gemäß § 24 SGB X zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der auf der Rechtsgrundlage von § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X beabsichtigten teilweisen Rücknahme und Erstattung von Berufsausbildungsbeihilfe angehört (vgl. hierzu Sächs. LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 579/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 43).
2. Die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme liegen vor.
a) Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(1) Der Bescheid vom 5. September 2006 war rechtswidrig ergangen, da bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens der Eltern von der Beklagten fehlerhaft dasjenige des Ehemanns der Mutter und nicht des leiblichen Vaters zu Grunde gelegt wurde mit der Folge, dass dem Kläger höheres Berufsausbildungsbeihilfe bewilligt wurde, als im tatsächlich zustand.
Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten nach § 59 SGB III (in der hier maßgebenden, vom 1. Januar 1998 bis zum 17. September 2010 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 [BGBl. I S. 594]) Auszubildende während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn die ausbildungsbezogene und persönliche Förderungsfähigkeit gegeben war (vgl. § 59 Nr. 1 und 2 SGB III a. F.) und ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung standen (vgl. § 59 Nr. 3 SGB III a. F.). Der Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bestand für die Dauer der beruflichen Ausbildung und der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 [BGBl. I S. 594]). Über den Anspruch wurde in der Regel bei beruflicher Ausbildung für 18 Monate entschieden (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III in der vom 1. August 2001 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung von Artikel 9 Nr. 6 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]).
Die ausbildungsbezogenen und persönlichen Fördervoraussetzungen im Sinne von § 59 Nr. 1 und 2 SGB III a. F. waren unstreitig gegeben. Vorliegend steht allein im Streit, in welchem Umfang dem Kläger die Mittel zur Bedarfsdeckung anderweitig zur Verfügung standen (vgl. § 59 Nr. 3 SGB III a. F.), insbesondere aufgrund der Anrechnung des Einkommens des leiblichen Vaters.
Maßgebend für die Ermittlung der Höhe der dem Kläger zustehenden Berufsausbildungsbeihilfe waren die Regelungen in § 65 Abs. 1 SGB III in der vom 1. August 2001 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 9 Nr. 1 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 67 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung (vgl. Artikel 10 Nr. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 71 Abs. 1 und 2 SGB III in der vom 31. Dezember 2005 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2005 [BGBl. I S. 3676]), § 75 SGB III in der vom 1. Januar 2002 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 10 Nr. 4 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 13 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung [Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG] in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 2, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 27. Oktober 2010 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 2, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]), § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 11 Buchst. a, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]) sowie § 25 Abs. 4 BAföG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung von Artikel 1 Nr. 24 Buchst. c, Artikel 7 Abs. 4 des Gesetzes vom 22. Mai 1990 [BGBl. I S. 936]).
Der Gesamtbedarf des Klägers belief sich auf monatlich 509,00 EUR. Dieser setzte sich zusammen aus dem monatlichen Bedarf für Auszubildende, die nicht bei ihren Eltern wohnten, in Höhe von 310,00 EUR (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG a. F.), dem Bedarf für die Unterkunft in Höhe von 133,00 EUR (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG a. F.), einem weiteren Zusatzbedarf für die Unterkunftskosten in Höhe von 42,30 EUR (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III a. F. i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BAföG a. F.) sowie Zusatzleistungen für Arbeitskleidung in Höhe von 11,00 EUR (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III a. F.) und für Familienheimfahrten in Höhe von 13,60 EUR (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F.).
Zutreffend brachte die Beklagte hiervon die bereinigte Ausbildungsvergütung des Klägers in Höhe von 230,60 EUR in Abzug. Dies ergab sich aus der im Bewilligungszeitraum gezahlten durchschnittlichen Ausbildungsvergütung in Höhe von 360,00 EUR (vgl. § 71 Abs. 1 und 2 SGB III a. F.) abzüglich eines Freibetrages von 52,00 EUR (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a. F.) sowie der Sozialpauschale in Höhe von 77,40 EUR (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG a. F.).
Ferner wäre von Anfang an das Einkommen des leiblichen Vaters des Klägers in Höhe von 166,54 EUR auf den Gesamtbedarf anzurechnen gewesen. Nach § 71 Abs. 1 SGB III a. F. waren auf den Gesamtbedarf das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 1 BAföG (in der bis zum 27. Oktober 2010 geltenden Fassung) waren für die Anrechnung des Einkommen unter anderem der Eltern des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. In Bezug auf die vom Kläger im September 2006 begonnene Ausbildung waren dies die Einkommensverhältnisse im Jahr 2004. Während das Einkommen der Mutter aufgrund der geringen Höhe und der zu berücksichtigenden Freibeträge (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 25 BAföG) anrechnungsfrei blieb, verfügte der leibliche Vater der Klägers über Einkommen, welches über der Freibetragsgrenze lag. Aus seinem Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2004 ergeben sich positive Einkünfte in Höhe von 38.410,00 EUR. Nach Abzug von Steuern in Höhe von 8.514,90 EUR und der Sozialpauschale (21,5 % der positiven Einkünfte) in Höhe von 8.258,15 EUR (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 BAföG a. F.) ergibt sich ein Durchschnittseinkommen von 1.803,08 EUR. Nach weiterem Abzug des Grundfreibetrages von 960,00 EUR (§ 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG a. F.) und eines zusätzlichen Freibetrags von 510,00 EUR wegen der auswärtigen Unterbringung des Klägers (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a. F.) verbleibt Einkommen in Höhe von 333,08 EUR monatlich. Dieses die Freibeträge übersteigende Einkommen blieb zu 50 vom Hundert anrechnungsfrei (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 25 Abs. 4 BAföG a. F.). Damit verblieb ein anzurechnendes Einkommen des leiblichen Vaters in Höhe von 166,54 EUR monatlich.
Nach einer Gegenüberstellung des Bedarfs des Klägers (509,00 EUR) und dem anzurechnenden Einkommen von ihm und seinem leiblichen Vater ergibt sich ein rechnerischer Anspruch in Höhe von 111,86 EUR (= 509,00 EUR– 230,60 EUR – 166,54 EUR). Unter Berücksichtigung der Rundungsregelung (vgl. § 75 Satz 1 SGB III a. F.) stand dem Kläger damit im Bewilligungszeitraum lediglich eine monatliche Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 112,00 EUR an Stelle der bewilligten 279,00 EUR zu.
Dass die Beklagte hiervon abweichend einen Anspruch in Höhe von 113,00 EUR monatlich errechnete, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn dadurch verringert sich im Gegenzug zu seinen Gunsten die monatliche Erstattungsforderung um jeweils 1,00 EUR.
(2) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass das Einkommen des leiblichen Vaters wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld sowie Erwerbsminderungsrente im Bewilligungszeitraum vom 4. September 2006 bis 28. Februar 2008 tatsächlich geringer als dasjenige des Kalenderjahres 2004 war.
(2.1) Wie bereits ausgeführt wurde, waren nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 1 BAföG a. F. bei der Ermittlung der Berufsausbildungsbeihilfe die Einkommensverhältnisse der Eltern im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. Hierbei kommt es auf den Inhalt eines bestandskräftigen Steuerbescheides an, der nach der ständigen ausbildungsförderrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtlich bindend ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1993 – 11 C 9/92 – BVerwGE 92, 272 [277 f.] = JURIS-Dokument Rdnr. 22 f.; Stopp, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG [5. Aufl., 2014], § 24 Rdnr. 8, m. w. N.). Der Gesetzgeber bezweckt damit für die Gewährung von Ausbildungsförderung die Entlastung der Ämter für Ausbildungsförderung.
Nach Auffassung des Senats gilt für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nichts anderes. Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe verwies § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. ausdrücklich auf die Vorschriften des Vierten Abschnittes des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und damit auf die dort vorgesehene Anknüpfung an das Einkommen der Eltern im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums sowie auf die engere Anlehnung an das Einkommensteuerrecht. Auch insoweit vereinfacht die Regelung nicht nur die Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit, sondern soll auch dem Antragsteller den Nachweis der Einkommensverhältnisse anhand des in der Regel bereits vorliegenden Steuerbescheids erleichtern (vgl. Stratmann, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 71 Rdnr. 5; zu der seit 1. April 2012 geltenden Nachfolgeregelung in § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB III: Hassel, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 67 Rdnr. 4).
(2.2) Soweit eine wesentlichen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse zwischen dem sich nach dem Steuerbescheid ergebenden Berechnungszeitraum und dem Bewilligungszeitraum eintrat, bestand (und besteht) auch im Rahmen des Rechts der Berufsausbildungsbeihilfe die Möglichkeit, einen Aktualisierungsantrag zu stellen (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 3 BAföG). Voraussetzung hierfür war und ist aber ein besonderer Antrag des Auszubildenden (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BAföG). Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG werden nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Anträge nicht berücksichtigt. Dies entspricht auch der ausbildungsförderungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2004 – 5 C 31/03 – BVerwGE 121, 245 = NVwZ 2004, 1511 = JURIS- Dokument, jeweils Leitsatz; BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2010 – 5 C 2/09 – BVerwGE 136, 109 = NVwZ-RR 2010, 608 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz).
Der Senat sieht keine Möglichkeit, hiervon im Rahmen des Rechts des Berufsausbildungsbeihilfe abzuweichen, da für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung in § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. ausdrücklich auf die Vorschriften des Vierten Abschnittes des Bundesausbildungsförderungsgesetz verwiesen wurde. Hieran hat sich nach der Novellierung des SGB III zum 1. April 2012 in der Nachfolgeregelung des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht geändert.
Vorliegend stellte der Kläger einen Aktualisierungsantrag erst nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraums. Demzufolge wurde der Antrag bestandskräftig mit Bescheid vom 2. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2008 abgelehnt.
(2.3) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er bei einer Angabe seines leiblichen Vaters im ursprünglichen Antragsformular Kenntnis von dessen tatsächlichen Einkommensverhältnissen erhalten und rechtzeitig einen Aktualisierungsantrag nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 3 BAföG gestellt hätte.
Mit diesem Argument bemüht der Kläger einen hypothetischen Kausalverlauf. Hypothetische Geschehensabläufe können aber nur berücksichtigt werden, wenn dies, was vorliegend nicht der Fall ist, nach den entscheidungserheblichen Regelungen vorgesehen ist, oder im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Selbst in letzterem Fall können nicht alle Begebenheiten tatsächlicher Art durch eine hypothetische Betrachtungsweise ersetzt werden (vgl. die Beispielsfälle bei Hassel, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 323 Anh Rdnr. 37 f.).
Weitere Erwägungen hierzu müssen vorliegend nicht angestellt werden, weil die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vorliegen. Dieser Anspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zunächst voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung (vgl. § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) und Auskunft (vgl. § 15 SGB I), verletzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 39; m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; Hassel, a. a. O., Rdnr. 30 ff., m. w. N.). Bereits hieran fehlt es. Denn etwaige Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers in Bezug auf seinen leiblichen Vater kamen erst im Zusammenhang mit dem Weiterbewilligungsantrag auf. Nachweislich erhielt die Beklagte erstmals im Rahmen des Telefonats mit dem Kläger am 28. Februar 2008 Kenntnis von der Existenz des leiblichen Vaters und den fehlerhaften Angaben im Antragsformular. Anlass zur Beratung des Klägers in Bezug die Möglichkeit, einen Aktualisierungsantrag stellen zu können, bestand zu diesem Zeitpunkt aber nicht. Denn weder die Beklagte noch der Kläger hatten Kenntnis über die tatsächlichen (oder auch nur ungefähren) Einkommensverhältnisse des leiblichen Vaters. Dies ist aber essentiell für eine Beratung über einen Aktualisierungsantrag. Denn ein Aktualisierungsantrag kann ab Bekanntgabe des Aktualisierungsbescheides nicht mehr zurückgenommen werden (vgl. Stopp, a. a. O., § 24 Rdnr. 32). Damit ist ein Aktualisierungsantrag nur rechtlich vorteilhaft, wenn sich die Einkünfte im Bewilligungszeitraum gegenüber dem vorletzten Kalenderjahr tatsächlich verringert haben. Sollte sich hingegen das Einkommen des Einkommensbeziehers unerwartet erhöhen, kann sich der Auszubildende Rückzahlungsforderungen ausgesetzt sehen (vgl. Stopp, a. a. O., § 24 Rdnr. 33). Eine substanzielle Beratung über Vor- und Nachteile eines Aktualisierungsantrages, die über allgemeine Hinweise zur Rechtslage hinausgeht, ist also erst möglich, wenn Informationen über die Einkommensverhältnisse desjenigen, dessen Einkommen anzurechnen ist, vorliegen. Diese Kenntnislage bestand erst im März 2009 und damit nach Ablauf des Bewilligungszeitraums. Erst jetzt stellte sich heraus, dass der leibliche Vater des Klägers über ein geringeres Einkommen als das bislang angerechnete verfügte. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Antragsfrist nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. i. V. m. § 24 Abs. 3 BAföG bereits abgelaufen. Aus diesem Grund geht auch der Verweis des Klägers auf ein im Sozialrecht geltendes "Meistbegünstigungsprinzip" fehl, da dieses nicht zu einer Begünstigung entgegen der gesetzlichen Regelung führen kann.
b) Der Kläger kann sich in Bezug auf die Rücknahmeentscheidung nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben in Bezug auf seinen leiblichen Vater gemacht hat.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (statt vieler: BSG, Urteil vom 31. August 1976 – 7 RAr 112/74 – BSGE 42, 186 = JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – SozR 4-2500 § 240 Nr. 19 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 30, m. w. N.) kommt es für die Frage der groben Fahrlässigkeit auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Leistungsempfängers sowie auf die besonderen Umstände des Falls an (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). Grobe Fahrlässigkeit setzt hiernach eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv schlechthin unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 = JURIS-Dokument Rdnr. 23, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 14/11 R – SozR 4-1300 § 45 Nr. 15 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 25, m. w. N.)
Hieran gemessen handelte der Kläger grob fahrlässig.
Die Fragestellung im Antragsformular bot bei einer sorgfältigen Lektüre keine Anhaltspunkte für etwaige Unklarheiten. Unter Nummer 11 und 12 des "Antrags auf Berufsausbildungsbeihilfe" wurde gefordert, "Angaben über meine leiblichen Eltern oder meine Adoptiveltern" einzutragen. Die Frage nach den leiblichen Eltern war klar und unmissverständlich formuliert, leicht verständlich und nicht auslegungsbedürftig. Das Antragsformular stellte weder vom Umfang noch von den Fragestellungen oder den betroffenen Inhalten erhöhte Anforderungen. Zudem waren neben dem Antragsformular zusätzliche Erklärungen zum Einkommen und Vermögen der Eltern einzureichen, die geeignet waren, dem Kläger die Bedeutung der Angaben in Bezug auf die Höhe des Einkommens zu verdeutlichen.
Nach dem persönlichen Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2014 vom Kläger verschaffen konnte, war der Kläger nach seiner Urteilsfähigkeit und seinem Einsichtsvermögen in der Lage zu erkennen, dass nicht nach dem "sozialen" Vater oder demjenigen gefragt wurde, der für ihn einen "Vaterrolle" übernommen hatte, sondern dass Angaben zum leiblichen Vater gefordert wurden. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, dass er seit langem zu seinem leiblichen Vater keinen Kontakt mehr gehabt habe und es für ihn deshalb völlig nahe liegend gewesen sei, nicht diesen, sondern seinen Ziehvater zu benennen, hält der Senat dies für eine Schutzbehauptung. Denn selbst wenn zwischen dem Kläger und seinem leiblichen Vater kein persönlicher Kontakt bestanden haben sollte, hatte der Kläger nach seinen eigenen Angaben jedenfalls bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres noch finanzielle Unterstützung von seinem leiblichen Vater erhalten. Im Hinblick darauf, dass der Kläger im Oktober 2002 sein 18. Lebensjahres vollendet und im August 2006 den Antrag auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe gestellt hat, hat er weder plausibel vorgetragen, aus welchen Gründen er in diesen knapp vier Jahren seinen leiblichen Vater gedanklich "verdrängt" haben will, noch sind entsprechende Anhaltspunkte nach Aktenlage festzustellen.
c) Die Beklagte hat auch die Jahresfrist zur Rücknahme der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl. § 45 Abs. 4 SGB X) gewahrt, da sie im März 2008 Kenntnis von den Einkommensverhältnissen des leiblichen Vaters des Klägers erlangte und den Rücknahmebescheid am 11. April 2008 erließ.
3. Schließlich ist auch die auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützte Erstattungsforderung nicht zu beanstanden. Der sich aufgrund der Überzahlung für die Zeit vom 4. September 2006 bis zum 28. Februar 2008 ergebende Betrag in Höhe von 2.971,40 EUR ist rechnerisch korrekt und ergibt sich aus der Differenz der ausgezahlten Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 279,00 EUR monatlich zu den dem Kläger von der Beklagten zuerkannten Anspruch in Höhe von 113,00 EUR.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 198 SGG
IV. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen, weil es zur Frage der Bindungswirkung des Einkommenssteuerbescheides und der Ausschlussfrist bei Stellung eines Aktualisierungsantrags für das Recht der Berufsausbildungsbeihilfe soweit ersichtlich keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt.
Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved