L 4 KA 15/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 870/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 15/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 773,80 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachvergütung für 10 psychotherapeutische Therapiestunden.

Die Klägerin war als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in A-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Ihre Zulassung endete durch Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie vom 11. Dezember 2003 wegen des Erreichens der Altersgrenze von 68 Jahren zum 31. Dezember 2003. Mit Beschluss vom 14. Juli 2004 erteilte der Berufungsausschuss der Klägerin die Genehmigung, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln. Mit rechtskräftigem Urteil vom 19. Mai 2010 (Az: L 4 KA 79/09) entschied das Hessische Landessozialgericht im Rahmen eines Streits über die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen zwischen den Beteiligten, dass diese Genehmigung zur Weiterbehandlung zeitlich unbefristet Gültigkeit hat.

Aufgrund eines Antrages vom 17. März 2008 hatte die Krankenkasse DAK mit bestandskräftigem - Anerkenntnisbescheid vom 5. November 2008 für den bei ihr versicherten und bei der Klägerin in Behandlung befindlichen Patienten C. C. die Fortsetzung der Behandlung in einem Umfang von 70 Leistungen nach E-GO Nr. 35210 EBM (analytische Psychotherapie – Einzelbehandlung) und 17 Leistungen nach E-GO Nr. 35210B EBM (analytische Psychotherapie – Einzelbehandlung - unter Einbeziehung der Bezugsperson) genehmigt. Hiervon hatte die Klägerin bis einschließlich Quartal III/10 gegenüber dem Patienten schon 70 Leistungen nach E-GO Nr. 35210 EBM und 16 Leistungen nach E-GO Nr. 35210B EBM erbracht und vergütet bekommen. Einen Antrag auf Genehmigung weiterer Leistungen bei der DAK veranlasste die Klägerin nicht. In dem Zeitraum vom 5. Oktober bis 14. Dezember 2010 behandelte sie den Patienten je einmal wöchentlich mit insgesamt 9 weiteren Behandlungsstunden "analytische Psychotherapie – Einzelbehandlung" und insgesamt 2 weiteren Behandlungsstunden "analytische Psychotherapie – Einzelbehandlung mit Bezugsperson". Mit Abrechnungsschein vom 25. Oktober 2010, auf dessen Inhalt hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten verwiesen wird, beantragte sie bei der Beklagten die Vergütung dieser im Quartal IV/2010 erbrachten Leistungen.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2011 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Vergütung in Höhe von 77,38 EUR für eine Leistung nach Nr. 35210B EBM. Eine Vergütung der weiteren Leistungen verweigerte sie mit der Begründung, diese Therapiestunden überschritten das von der Krankenkasse genehmigte Kontingent. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 10. August 2011 Widerspruch und berief sich darauf, nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Marburg sei die Vergütung der von ihr erbrachten Leistungen nicht an die Bewilligungsbescheide der Krankenkasse gekoppelt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zu vergüten seien nur Leistungen, die ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen erbracht worden seien. Nach § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V bestimme der EBM den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen. Die Leistungen, für die die Klägerin eine Vergütung begehre, seien – wie sich aus dem Abschnitt, unter dem sie sich befänden, ergebe - antragspflichtig. Aus § 11 Abs. 1 der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Vereinbarung) ergebe sich, dass für die entsprechenden psychotherapeutischen Leistungen rechtzeitig während der laufenden Behandlung bei der zuständigen Krankenkasse ein Antrag auf Feststellung der Leistungspflicht zu stellen sei. Die Klägerin habe für die Leistungen keinen solchen Antrag gestellt, so dass es an einer Genehmigung durch die Krankenkasse fehle. Aus der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts von Mai 2010 ergebe sich nicht, dass die Klägerin berechtigt sei, die Behandlungen, um deren Vergütung hier gestritten werde, ohne einen Bewilligungsbescheid durch die Krankenkasse zu erbringen.

Die Klägerin hat am 29. November 2011 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben und vorgetragen, aus dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts folge, dass sie ohne Genehmigung der Krankenkasse anbehandelte Fälle bis zu ihrem Abschluss weiter behandeln dürfe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2013, zugestellt am 16. Januar 2014, abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Nachvergütung der 10 Therapiestunden für den Patienten C. im Quartal IV/10. Zur Begründung werde zunächst nach § 136 Abs. 3 SGG auf die Gründe des Widerspruchsbescheides, die weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden seien, verwiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich aus dem Urteil des Landessozialgerichts vom 19. Mai 2010 nicht, dass der Weiterbehandlungsanspruch uneingeschränkt fortbestehe. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass Weiterbehandlungen ohne zeitliche Einschränkung vorgenommen werden dürften. Dass dadurch die Voraussetzungen der Psychotherapievereinbarung suspendiert werden sollten, sei an keiner Stelle ausgeführt. Dem System der Psychotherapie sei immanent, dass genehmigungspflichtige Leistungen ausschließlich nach Genehmigung durch die Krankenkasse erbracht werden könnten. Es sei nicht ersichtlich, weshalb diese Vorgaben nach Erreichen der Altersgrenze außer Kraft gesetzt sein sollten.

Die Klägerin hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit Schriftsatz vom 13. Februar 2014 Berufung eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr sei uneingeschränkt zugestanden worden, dass sie Behandlungsfälle, die sie vor Zulassungsende begonnen habe, bis zum Ende weiterbehandeln dürfe. Bei dem Patienten C. handele es sich um einen solchen "Altfall". Das ergebe sich aus dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Mai 2010. Sie sei damit auch berechtigt gewesen, bei diesen "Altfällen" die erforderliche und notwendige Behandlung bis zum Ende fortzusetzen und notfalls auch das von der Krankenkasse genehmigte Kontingent zu überschreiten. Sie und ihr Patient hätten darauf vertrauen dürfen, dass die erforderliche und notwendige Behandlung bis zum Ende, ggfs. auch unter Überschreitung des Kontingents, fortgesetzt werden könne. Ihr seien daher die weiteren 10 Therapiestunden, die sie dem Patienten C. erbracht habe, zu vergüten. Ein Überschreiten des Kontingents gebe es im Einzelfall und es sei auch in Notfällen vorgesehen. Bei Herrn C. habe ein Notfall vorgelegen, denn aus psychotherapeutischer Sicht sei eine Weiterbehandlung dringend erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte, unter entsprechender Abänderung ihres Bescheides vom 27. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011, zu verurteilen, der Klägerin 773,80 EUR (für 10 Therapiestunden) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Urteil des Sozialgerichts sei korrekt. Zu vergüten seien nur Leistungen, die von der Krankenkasse genehmigt worden seien. Daran fehle es hier. Diese Vorgaben könnten nicht dadurch, dass der Behandler die Altersgrenze überschritten habe, außer Kraft gesetzt werden.

Mit Schriftsätzen vom 18. August 2014 und 22. August 2014 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte verwiesen. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung war zurückzuweisen. Sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, denn das Sozialgericht hat die Klage völlig zu Recht abgewiesen. Die Klägerin konnte nicht nach § 54 Abs. 1, 4 SGG verlangen, dass das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 teilweise aufhebt und die Beklagte zur Zahlung von 773,80 EUR verurteilt, denn ein solcher Zahlungsanspruch steht ihr nicht zu.

Die weitere Vergütung, die die Klägerin begehrt, betrifft die 10 gegenüber ihrem Patienten C. zwischen dem 12. Oktober und dem 14. Dezember 2010 erbrachten Therapiestunden, für die die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine Zahlung verweigert hat. Nicht angegriffen und damit nicht Gegenstand des Rechtsstreites ist die Höhe der Vergütung für die Therapiestunde vom 5. Oktober 2010, für die von der Beklagten mit Bescheid vom 27. Juli 2011 eine Zahlung in Höhe von 77,38 EUR gewährt worden ist.

Ein Anspruch auf Vergütung für von ihm erbrachte Leistungen hat ein Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeut, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, nur hinsichtlich solcher Leistungen, die er ordnungsgemäß, also ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen, erbracht hat. Dies folgt aus § 106a Abs. 1 SGB V. Der Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen wird durch den EBM bestimmt, § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V sowie durch weitere Regelungen, insbesondere die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, § 92 SGB V.

Die Klägerin kann schon deswegen keine Vergütung für die weiteren 10 Therapiestunden in Höhe von insgesamt 773,80 EUR verlangen, weil sie diese unter Verstoß gegen die Vorgaben des EBM sowie der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Vereinbarung) vom 7. Dezember 1998 erbracht hat. Nach dem EBM, Stand 4. Quartal 2010, sind die Leistungen, um deren Vergütung gestritten wird (Nr. 35210 und Nr. 35210B), gesondert antrags- und genehmigungspflichtig, wie sich auf ihrer systematischen Stellung im EBM sowie aus § 11 Psychotherapie-Vereinbarung ergibt. Die damit erforderliche Genehmigung in Form eines Anerkennungsbescheides, für deren Erteilung die Krankenkasse des betroffenen Patienten zuständig ist (§ 11 Abs. 1 Psychotherapie-Vereinbarung), fehlte hier. Auf den Anerkennungsbescheid vom 5. November 2008 kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie das dort genehmigte Leistungskontingent schon mit der psychotherapeutischen Behandlung des Patienten C. am 5. Oktober 2010 ausgeschöpft hatte; diese Behandlung hat die Beklagte auch vergütet. Eine nachträgliche Erteilung der Genehmigung kommt nicht mehr in Betracht, denn der notwendige Antrag muss vor Erbringung der Leistung gestellt werden. Die Stellung eines solchen – rechtzeitigen - Antrags hat die Klägerin nicht veranlasst. Es kann dahingestellt bleiben, ob und falls ja, unter welchen Voraussetzungen bei Notfällen ein abweichendes Procedere in Betracht kommen kann, denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Patienten C. ein – eine rechtzeitige Antragstellung hindernder - Notfall vorgelegen haben könnte.

Aus der Entscheidung des Senats vom 19. Mai 2010 ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung. Die Klägerin verkennt schon den Streitgegenstand des damaligen Rechtsstreits, wenn sie meint, aus dem Urteil folge, dass sie "Altfälle" auch über das ihr von der Krankenkasse genehmigte Kontingent hinaus behandeln dürfe. Denn gestritten wurde in diesem Verfahren ausschließlich über zulassungsrechtliche Frage, und zwar konkret über die Auslegung einer Genehmigung, die der Berufungsausschuss der Klägerin mit Beschluss vom 14. Juli 2004 erteilt hatte und aufgrund der sie berechtigt war, bestimmte Patienten – trotz Nichtverlängerung der Zulassung nach Erreichens der Altersgrenze – weiter zu behandeln. Hinsichtlich dieser Genehmigung hat der Senat entschieden, sie sei nicht einschränkend dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin nur Patienten weiterbehandeln dürfe, bis das von der Krankenkasse im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze bereits genehmigte Kontingent aufgebraucht sei; vielmehr gelte die Genehmigung zeitlich unbefristet für alle Patienten, die die Klägerin bei Erreichen der Altersgrenze bereits behandelt habe. Dass die Klägerin bei der Leistungserbringung von sonstigen Regeln, die für andere Psychotherapeuten gelten, befreit sei, hat der Senat an keiner Stelle erklärt. Ganz im Gegenteil ergibt sich aus seinen Ausführungen, dass er auch bei der Klägerin von der Notwendigkeit, bei genehmigungsbedürftigen Leistungen diese von der Krankenkasse genehmigen zu lassen, ausging (vgl. hierzu juris, Rn. 21: "Insoweit umfasste der Beschluss des Zulassungsausschusses – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch Behandlungsabschnitte im Rahmen laufender (Langzeit-) Therapien, die erst nach dem Ende der Zulassung der Klägerin aufgrund von Fortsetzungsanträgen von den Krankenkassen genehmigt wurden.").

Eine Auslegung des Beschlusses vom 14. Juli 2004 in der von der Klägerin gewünschten Weise ist im Übrigen auch schon deshalb mehr als fernliegend, weil weder der Zulassungs- noch der Berufungsausschuss berechtigt gewesen wären, die Klägerin von den sonstigen Anforderungen, die sich aus dem EBM, der Psychotherapeuten-Richtlinie oder anderen rechtlichen Vorgaben ergeben, freizustellen. Beide Ausschüsse sind für zulassungsrechtliche Fragen zuständig. Dafür, dass sie eine offensichtlich über ihre Kompetenzen hinausgehend Entscheidung getroffen haben könnten, ist nichts ersichtlich.

Nicht zuletzt gibt es auch keinerlei sachlichen Grund, warum die Klägerin hinsichtlich antragsbedürftiger Leistungen besser behandelt werden sollte als andere an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Psychotherapeuten. Vielmehr wäre es augenscheinlich rechtswidrig, wenn die Klägerin in dieser Form privilegiert würde.

Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin unter diesen Umständen keinesfalls berufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.

Die Entscheidung betreffend die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 40, 47, 52 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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