S 16 KA 156/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 16 KA 156/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Berufsausübungsgemeinschaft, die zwischen einem seit zahlreichen Jahren zugelassenen Vertragsarzt und einem erst zum Gründungszeitpunkt zugelassenen Vertragsarzt gegründet wird, stellt keine „junge Praxis“ dar, der entsprechende Vergünstigungen bei der Ermittlungen des Regelleistungsvolumens zu gewähren wären.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die notwendigen Verfahrenskosten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um den RLV-Zuweisungsbescheid und Honorarbescheid für das Quartal I/10 und hierbei um eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für Herrn Dr. med. C., ob diesem die Fallzahl der Fachgruppe zuzuweisen ist.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (ehemals eine Gemeinschaftspraxis) mit zwei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzten für Nuklearmedizin. Die Gemeinschaftspraxis bestand zunächst zwischen Herrn Dr. med. A, zugelassen seit 26.06.2001 mit Praxissitz in A-Stadt und zunächst in Einzelpraxis tätig, und Herrn Dr. med. C., zugelassen seit 1.6.2008 mit Praxissitz in C-Stadt (Z-C-Stadt) durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.05.2008, als überörtliche Gemeinschaftspraxis seit 01.06.2008. Frau Dr. med. A1. kam nach ihrer Zulassung zum 01.08.2008 hinzu. Herr Dr. med. C. befand sich im Zeitraum vom 05.05. bis 31.08.2008 zur Fortbildung am Universitätsklinikum Essen, so dass er vertragsärztlich erst zum 01.09.2008 tätig wurde. Der Zulassungsausschuss gab dem Antrag des Herrn Dr. med. C. auf Verlegung des Vertragsarztsitzes nach D-Stadt zum 01.01.2009 mit Beschluss vom 16.12.2008 statt. Zum 31.3.2012 schied Herr Dr. C. unter Verzicht auf seine Zulassung aus der Berufsausübungsgemeinschaft aus.

In den Quartalen I/09 und I/10 nahm die Beklagte jeweils mit Honorarbescheid folgende Festsetzungen vor:

Quartal I/2009 I/2010
Honorarbescheid vom 20.07.2009 29.06.2010
Widerspruch eingelegt am 03.09.2009 07.10.2010
Nettohonorar gesamt in EUR 313.533,47 326.178,67
Bruttohonorar PK + EK in EUR 321.750,06 330.074,81
Fallzahl PK + EK 3.010 3.299
Honorar Regelleistungsvolumen in EUR 164.969,48 130.306,37
Honorar quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 5.494,83 30.933,52
Fallwertzuschläge zu Regelleistungsvolumen in EUR 0,00 0,00
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 148.385,55 168.834,92
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV 2.900,20 0,00
RLV Obergrenze 170.646,30 134.722,50
RLV angefordert 199.938,53 266.948,59
Überschreitung 29.292,23 132.226,09

Herr Dr. A.
Arztfälle 1.615 1.320
Bruttohonorar PK + EK in EUR 151.052,27 124.022,73
RLV-relevante Fallzahl 2.609 1.379
RLV Obergrenze 89.236.30 63.716,07
RLV angefordert 80.128,90 76.070,97

Herr Dr. C.
Arztfälle 371 1.213
Bruttohonorar PK + EK in EUR 56.259,38 107.490,46
RLV-relevante Fallzahl 875 330
RLV Obergrenze 40.705,00 15.781,42
RLV angefordert 39.164,21 127.242,53

Frau Dr. A1.
Arztfälle 1.398 1.111
Bruttohonorar PK + EK in EUR 114.438,41 98.561,62
RLV-relevante Fallzahl 875 1.226
RLV Obergrenze 40.705,00 55.225,01
RLV angefordert 80.645,42 63.635,08

Gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/10 erhob die Klägerin, wie in der Tabelle angegeben, am 7.10.2010 Widerspruch.

Die Beklagte hatte das Regelleistungsvolumen für das Quartal I/10 mit Bescheid vom 17.12.2009 wie folgt festgesetzt.

Name RLV-Gruppe RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag fachgleiche BAG RLV in EUR
Herr Dr. A. Nuklearmediziner 1.379 42,51 1,0000 0,9881 1,1 63.716,07
Frau Dr. A1. Nuklearmedizinerin 1.226 42,51 1,0000 0,9633 1,1 55.225,01
Herr Dr. C. Nuklearmediziner 330 42,51 1,0000 1,0227 1,1 15.781,42
Gesamt 134.722,50

Hiergegen hatte die Klägerin am 30.12.2009 Widerspruch erhoben. In ihren Widersprüchen stellt die Klägerin darauf ab, dass ihr der Status als "junge Praxis" zuzuerkennen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.1.2013 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

In Ihrem Widerspruchsbescheid führte sie im Besonderen aus, dass eine Sonderregelung für Praxen in der Aufbauphase, bezeichnet als Status "Junge Praxis", bei folgenden Kriterien Anwendung fände: 1. Ärzte, die sich innerhalb von 2 Jahren vor dem Aufsatzquartal niedergelassen haben und 2. deren Fallzahl im Aufsatzquartal unterhalt der Fachgruppenfallzahlen liegt. Diese Regelung käme jedoch nicht in Frage, wenn ein in der Praxis vorhandener Arztsitz nicht die o.g. Kriterien erfülle. Dies sei für Herrn Dr. A. der Fall, der seit 1.10.2001 niedergelassen sei und bei dem zudem, wie im Übrigen bei Frau Dr. A1., die Fallzahl im Aufsatzquartal bereits über der Fallzahl der Fachgruppe liege.

Ferner könne die für das Quartal III/09 in Bezug auf Herrn Dr. C. getroffene Regelung, analog zur Regelung bei einem neu zugelassenen Vertragsarzt die Fallzahl der Fachgruppe zuzuerkennen, für das Quartal I/10 nicht fortgeführt werden, der er im Aufsatzquartal uneingeschränkt vertragsärztlich tätig gewesen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.3.2012 Klage erhoben.

Ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, dass die Gegebenheiten hinsichtlich Herrn Dr. A. nicht dazu führen könnten, dass Herrn Dr. C. die Sonderregel versagt werde, zumal dieser sich innerhalb von zwei Jahren vor dem Aufsatzquartal niedergelassen habe. Dies gelte insbesondere, weil das Regelleistungsvolumen arztbezogen zu ermitteln sei und die Fallzahlen der anderen Ärzte keine Rolle spielten. Hätte sich Herr Dr. C. in einer Einzelpraxis niedergelassen, hätte er ohne weiteres die Sonderreglung für sich beanspruchen können, was insofern, so die Meinung der Klägerin, ein ungerechtfertigter Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wäre. Die Neugründung der Klägerin in 2008 mache sie zu einer "jungen Praxis", der die Sonderregelung zustehe. Weiterhin verweist die Klägerin auf ihre örtliche Ausdehnung. Auch wenn der neue Standort anfangs Anlaufschwierigkeiten gehabt habe, was an der Fallzahl von Herrn Dr. C. im Aufsatzquartal zu sehen sei, habe der Standort in den nachfolgenden Quartalen ausgebaut werden können. Die Sonderregelung der Beklagten stelle im Übrigen dem Wortlaut nach auf Ärzte, nicht aber auf Praxen ab.

Die Klägerin beantragt:

Der Bescheid über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2010 vom 17.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für Herrn Dr. C. für das Quartal I/2010 die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe zuzuerkennen.

Der Honorarbescheid für das Quartal I/2010 vom 20.9.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über das Honorar der Klägerin für das Quartal I/2010 unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie trägt ergänzen zu ihren Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, dass die klägerische Sichtweise dazu führen würde, dass mit der laufende Aufnahme von Ärzten, die die Kriterien der Sonderregelung "junge Praxis" erfüllten, der besondere Status fortlaufend beibehalten werden könne, was vornehmlich den älteren Kollegen zugutekäme.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Behördenvorgänge sowie der Gerichtsakten. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, auch ist das Sozialgericht Marburg zuständig.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Sowohl der Bescheid über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2010 vom 17.9.2009, wie auch der Honorarbescheid für das Quartal I/2010 vom 20.9.2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2013 sind rechtmäßig. Deshalb besteht auch weder ein Anspruch auf Neubescheidung über diesen Bescheid, was ersichtlich Ziel der Klage mit der im Antrag gewählten Formulierung ist noch ein Anspruch auf Neubescheidung über das Honorar der Klägerin für das Quartal I/2010.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Ermittlung der Regelleistungsvolumina für die hier relevanten Quartale I/09 und I/10 ist das SGB V in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (BGBl. I S. 874, im Folgenden: SGB V a.F.), hierbei insbesondere § 87b SGB V a.F. sowie der aufgrund von § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V a.F. gefasste Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses aus seiner 199. Sitzung am 22.09.2009 mit Wirkung zum 01.01.2010 (Amtliche Bekanntmachung: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 106, Heft 39 vom 25.09.2009, A 1907 - A 1919; dort Teil F - im Folgenden: BA199F) und schließlich der Honorarverteilungsvertrag zwischen der Beklagten und den Verbänden der Primärkassen sowie die Ersatzkassen vom 21.12.2009 mit Wirkung für die Zeit vom 1.1 ...2010 bis 31.12.2010 (vgl. Abschnitt IV Ziffer 4 des Vertrages, veröffentlicht in info.doc Nr. 1 März 2010, Bekanntmachungen, S. 26 - im Folgenden HVV) in der Fassung der 1. Nachtragsvereinbarung vom 25.06.2010 (veröffentlicht in info.doc Nr. 4 August 2010, Bekanntmachungen, S. 30 - im Folgenden HVV-Nachtrag).

Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. werden abweichend von § 85 die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 01.01.2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 vergütet.

Nach § 87b Abs. 2 SGB V a.F. sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen (Satz 1). Ein Regelleistungsvolumen nach Satz 1 ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist (Satz 2). Abweichend von Absatz 1 Satz 1 ist die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden (Satz 3). Bei der Bestimmung des Zeitraums, für den ein Regelleistungsvolumen festgelegt wird, ist insbesondere sicherzustellen, dass eine kontinuierliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist (Satz 4). Weitere vertragsärztliche Leistungen können außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist (Satz 7).

Nach § 87b Abs. 3 SGB V a.F. sind die Werte für die Regelleistungsvolumina nach Absatz 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen; bei der Differenzierung der Arztgruppen ist die nach § 87 Abs. 2a SGB V a.F. zugrunde zu legende Definition der Arztgruppen zu berücksichtigen (Satz 1).

Nach § 87b Abs. 4 SGB V a.F. bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten und bestimmt Vorgaben zur näheren Umsetzung (Sätze 1 und 2). Die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen stellen gemeinsam erstmalig bis zum 15. November 2008 und danach jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den vorgenannten Vorgaben des Bewertungsausschusses unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der Regelleistungsvolumina konkret anzuwendende Berechnungsformel fest (Satz 3).

Schließlich obliegt nach § 87b Abs. 5 SGB V a.F. die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens, wobei § 85 Abs. 4 Satz 9 gilt (Sätze 1 und 2).

Der Bewertungsausschuss hat ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben in seinem oben näher bezeichneten Beschluss BA199F unter Abschnitt I.1 bis III.3.2 sowie in den Anlagen 1 bis 3 zum Teil F Regelungen getroffen. Insbesondere ist dort Folgendes beschlossen worden:

"1.2.2 Arztbezogene Ermittlung Die Regelleistungsvolumen werden nach Maßgabe von 2. und 3. je Arzt ermittelt. [ ]

1.2.4 Arztpraxisbezogene Zuweisung der Regelleistungsvolumen und Abrechnung Die Zuweisung der Regelleistungsvolumen erfolgt praxisbezogen. [ ]

2.3 Für Regelleistungsvolumen relevante Fälle Für Regelleistungsvolumen relevante Fälle sind kurativ-ambulante Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1 und Abs. 2 EKV, ausgenommen Notfälle im organisierten Notfalldienst (Muster 19a der Vordruckvereinbarung) und Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen und Fälle, in denen ausschließlich Leistungen und Kostenerstattungen, die gemäß 2.2 nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegen, abgerechnet werden. Zur Umsetzung des Arztbezuges gemäß Nr. 1.2.2 ist die Bemessung des Regelleistungsvolumens mit den RLV-Fällen vorgegeben.
a) [ ...]
b) In Berufsausübungsgemeinschaften [ ] entspricht die Zahl der RLV-Fälle eines Arztes der Zahl der Behandlungsfälle gemäß Satz 1 der Arztpraxis multipliziert mit seinem Anteil an der RLV-relevanten Arztfallzahl der Praxis. Sofern möglich, kann die RLV-Fallzahl je Arztgruppe in einer Arztpraxis ermittelt werden. Die Summe der RLV-Fälle einer Arztpraxis entspricht damit immer der Anzahl der RLV-relevanten Behandlungsfälle gemäß Satz 1 der Arztpraxis.

3.2 Ermittlung der Regelleistungsvolumen je Arzt
3.2.1 Regelleistungsvolumen (RLV) Jeder Arzt einer Arztgruppe gemäß Anlage 1 erhält ein arztgruppenspezifisches Regelleistungsvolumen. Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergibt sich für die in Anlage 1 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes (FWAG) gemäß Anlage 2 und der RLV-Fallzahl des Arztes gemäß 2.3 im Vorjahresquartal. Der für einen Arzt zutreffende arztgruppenspezifische Fallwert nach Satz 2 wird für jeden über 150 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe gemäß 2.3 hinausgehenden RLV-Fall wie folgt gemindert: [ ]"

und vor allem

"3.5 Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge."

Im HVV bzw. HVV-Nachtrag wurden die genannten Regelungen im Wesentlichen übernommen.

Abschnitt 3.5 lautet: "Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform Für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren, wird das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal zugrunde gelegt. Soweit diese Ärzte eine Praxis übernommen haben, werden stattdessen die Fallzahlen des Vorgängers zugrunde gelegt, soweit dies die für den Vertragsarzt günstigere Regelung darstellt."

Unter Zugrundelegung der aufgeführten Vorschriften ist das für die Klägerin für das Quartal I/2010 ermittelte Regelleistungsvolumen nicht zu beanstanden. Dies gilt im Besonderen für die bezogen auf Herrn Dr. C. angenommene RLV-relevante Fallzahl von 330. Es handelt sich nämlich bei dieser um die von Herrn Dr. C. im Quartal I/2009 durchgeführten kurativ-ambulanten Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1 und Abs. 2 EKV, ausgenommen der in Abschnitt 2.3 BA199F bzw. (wortgleich und ebenfalls in) Abschnitt 2.3 HVV ausgenommenen Fälle.

Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin war hier nicht die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe im Umfang von 952 zugrunde zu legen.

Wie oben aufgeführt, wird gem. Ziffer 3.5 des HVV für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren, das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal zugrunde gelegt. Im vorliegend maßgebenden Quartal I/2009 war Herr Dr. C. aber bereits zugelassen.

Auch aus dem Beschluss des Vorstands der Beklagten vom 31.08.2009 folgt nichts anderes. Auf den Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 SGB V in seiner 180. Sitzung am 20.04.2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Regelungen zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 (veröffentlicht: Deutsches Ärzteblatt JG. 105, Heft 38 vom 19.09.2008, A 1992-A1997, Heft 48 vom 28.11.2008, A 2610-A2612 – im Folgenden BA180) hin, hat der Vorstand der Beklagten zur Schaffung einer Sonderregelung für "junge Praxen" beschlossen, Ärzten im Rahmen von Einzelfallentscheidungen statt ihrer tatsächlichen Fallzahl die jeweilige Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe als RLV-relevante Fallzahl, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Es handelt sich um Ärzte, die sich innerhalb von 2 Jahren vor dem betreffenden Aufsatzquartal niedergelassen haben,
2. deren Fallzahl im Aufsatzquartal liegt unterhalb der Fachgruppenfallzahlen.

Unbeachtlich der Frage, inwieweit aus diesem Vorstandsbeschluss gegenüber der Klägerin eine subjektiv-öffentlich-rechtliche Rechtsposition erwächst, unterfällt jedenfalls der vorliegende Fall nicht der Reichweite vorgenannter Sonderregelung.

Es handelt sich bei der Klägerin nämlich nicht um eine "junge Praxis" oder "Aufbaupraxis", für die BA199F und BA180 bzw. der HVV Sonderregelungen vorsehen.

Herr Dr. A. war bereits seit 2001 vertragsärztlich tätig. Dies schließt die Annahme aus, die klagende Berufsausübungsgemeinschaft könne als "junge Praxis" eingeordnet werden.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 17.07.2013, Az. B 6 KA 44 12 R, unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung die Schutzwürdigkeit von umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechenden Praxen, hierbei insbesondere der sog. Aufbaupraxen, betont. So hat der 6. Senat des BSG in der genannten Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass dem Vertragsarzt wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog Honorarverteilungsgerechtigkeit die Chance bleiben muss, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Daher sei allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen, was der Senat dann in zeitlicher Hinsicht näher konkretisiert (BSG aaO).

Zugleich hat der Senat unter Beziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) entschieden, dass der Eintritt eines weiteren Arztes in eine bestehende Berufsausübungsgemeinschaft keine Neuaufnahme vertragsärztlicher Tätigkeit darstellt. Dies gelte beim Eintritt eines neuen Partners unabhängig davon, wie lange dieser schon praktiziert habe. Eine Berufsausübungsgemeinschaft könne sich nicht durch Aufnahme eines jungen Partners "verjüngen" und so die Eigenschaft als Aufbaupraxis länger als fünf Jahre - oder gar durch regelmäßige Neueintritte junger Partner fortwährend - behalten. Vielmehr müssten sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats und des BGH die Berufsausübungsgemeinschaft und der Neueintretende darüber im Klaren sein, dass dieser sich durch den Eintritt in die Berufsausübungsgemeinschaft in diese einbinde. Damit könne der Verlust von bestimmten Vorteilen verbunden sein, wie etwa der bisherigen Position seiner Einzelpraxis als Aufbaupraxis, wenn nämlich die Berufsausübungsgemeinschaft, in die er eintritt, keine Aufbaupraxis mehr sei.

Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

Dem vorliegenden Fall liegt eine andere Konstellation als der Entscheidung des BSG zugrunde. Im Falle des BSG-Urteils bestand die Berufsausübungsgemeinschaft bereits seit mehreren Jahren und ein weiterer Arzt trat in sie ein. Vorliegend wurde die Berufsausübungsgemeinschaft erst durch den Zusammenschluss von dem seit Jahren zugelassenen Herrn Dr. A. und dem neu zugelassenen Herrn Dr. C. 2008 gegründet.

Aus Wertungsgesichtspunkten gilt im Ergebnis aber dieselbe Rechtsfolge (so im Ergebnis für ähnliche Konstellationen auch SG Marburg, Urteil vom 08.04.2015, Az. S 11 KA 332/12, und Gerichtsbescheid vom 06.02.2015, S 12 KA 137/14). Denn der Schutzzweck der Sonderregelungen ist semantisch (freilich nicht rechtsdogmatisch) vergleich mit der eines Existenzgründungszuschusses. Sie soll denjenigen Praxen zu Gute kommen, die ggü. etablierten Praxen einen Wettbewerbsnachteil aufweisen. Auch wenn die Klägerin völlig zu Recht anführt, dass das Regelleistungsvolumen arztbezogen ermittelt wird, erfordert die Beurteilung, ob eine vergütungsmäßig zu begünstigende Aufbaupraxis vorliegt, deshalb zwingend eine Betrachtung der gesamten Praxis, dies jedenfalls sofern, wie vorliegend, die Organisationsform der Berufsausübungsgemeinschaft gewählt wurde.

Das von der Beklagten an die Rechtsprechung des BSG angelehnte Argument, dass es der Zielsetzung nicht entsprechen könne, eine laufende Verjüngung der Praxis zu ermöglichen, was letztlich gerade größeren Organisationseinheiten mit geringem Aufwand möglich wäre, überzeugt auch für die vorliegende Konstellation. Dabei übersieht die Kammer ausdrücklich nicht den Unterschied zur Konstellation des BSG, legt aber die gleiche Wertung an. Der Zusammenschluss des bereits seit Jahren zugelassenen Herrn Dr. A. mit Herrn Dr. C. in einer Gemeinschaftspraxis ermöglichte beiden, die Vorteile einer unternehmerischen Kooperation zu nutzen, wie beispielsweise die wirtschaftliche und rechtliche Aufteilung von Risiken für Investitionen, vertragliche Bindungen, Personalausfälle und dergleichen. Durch den Zusammenschluss mit Herrn Dr. A. trat Herr Dr. C. dabei einer seit etwa sieben Jahren gelingenden Ausübungspraxis vertragsärztlicher Tätigkeit bei. Zugleich verließ Herr Dr. C. damit den Schutzbereich der Sonderregelung für Aufbaupraxen, ein Nachteil, der mit der Inanspruchnahme der genannten Vorteile einherging.

Nicht durchgreifen kann deshalb auch das Argument der Klägerin, Herr Dr. C. wäre unter hypothetischer Annahme der Gründung einer Einzelpraxis dem Status einer Aufbaupraxis unterfallen. Es war ihm unbenommen, diesen Weg zu beschreiten. Es handelt sich bei Nichtberücksichtigung von Herrn Dr. C. mit finanziellen Vorteilen für den eingeschlagenen Weg der Kooperation aber nicht, wie die Klägerin meint, um einen ungerechtfertigten Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet Art. 3 I GG dass wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, dass wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss (vgl. statt vieler: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 – 2 BvG 1/51 –, BVerfGE 1, 14-66). Die Differenzierungsgründe sind vorliegend aber gerade im Schutzzweck gegeben und oben aufgeführt.

Letztlich führt auch die Standorterweiterung der Klägerin nach ZO. zu keiner abweichenden Rechtsfolge. Selbst eine Standortverlegung führt nicht zu einer Einordnung einer Praxis als Aufbaupraxis (BSG aaO). Die bloße örtliche Erweiterung bewirkt dies erst recht nicht. Denn die oben aufgezählten Vorteile bestehen auch in einem solchen Fall fort.

Im Übrigen vermag der spätere Eintritt von Frau A1. auch keine abweichende Auffassung begründen

Auch die übrige Berechnung des Regelleistungsvolumens ist nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 17.9.2009 sowie im Widerspruchsbescheids vom 30.01.2013 Bezug genommen.

Weil die Beklagte dem Honorarbescheid also eine zutreffende RLV-relevante Fallzahl zugrunde gelegt hat und auch sonstige Fehler am Honorarbescheid für das Quartal I/2010 vom 20.9.2010 weder vorgetragen wurden noch erkennbar sind, besteht seitens der Klägerin kein Anspruch auf Neubescheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved