L 5 KA 35/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 195/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 35/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Urteil Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit

hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2015 durch

für Recht erkannt:
Bemerkung
Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. April 2015 ist nur gültig i.V.m. dem Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. April 2015.
1. Die Berufung des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Datum "14. August 2009" im Tenor zu 1 des sozialgerichtlichen Urteils vom 10. Oktober 2012 durch das Datum "14. Oktober 2009" ersetzt wird. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist ein Regress in Höhe von 3.824,95 EUR wegen der Verordnung von Dreiwegehähnen "D." blau – teilweise mit Schlauch – als Sprechstundenbedarf im Quartal I/2007.

Die Klägerin ist eine inzwischen in dieser Form nicht mehr bestehende Berufungsausübungsgemeinschaft, die aus zwei Fachärzten für Innere Medizin gebildet wurde und die im streitgegenständlichen Quartal an der vertragsärztlichen Versorgung in H. teilnahm. Im Rahmen von onkologischen Behandlungen wurden in der Praxis regelmäßig Infusionstherapien zur Verabreichung von Zytostatika nebst Begleitmedikationen durchgeführt.

Im Quartal I/2007 bezog die Klägerin unter anderem Dreiwegehähne "D." blau, teilweise mit Schlauch, als Sprechstundenbedarf. Die streitbefangenen Verordnungen hatten einen Nettowert von insgesamt 3.824,95 EUR.

Dreiwegehähne sind Verbindungsstücke aus Kunststoff, die unmittelbar oder über eine Verlängerungsleitung in ein Infusionssystem integriert werden können. Sie dienen insbesondere dazu, die gleichzeitige oder nachgeschaltete Zuführung zweier verschiedener Infusionsflüssigkeiten zu ermöglichen.

Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1, zu deren Lasten der Sprechstundenbedarf in H. verordnet wird, beantragte mit Schreiben vom 20. März 2008 die sachlich-rechnerische Richtigstellung bei der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. (im Folgenden: Gemeinsame Prüfungsstelle).

Die Gemeinsame Prüfungsstelle entschied ohne Anhörung der hinter der Klägerin stehenden Ärzte mit Bescheid vom 14. Oktober 2009, einen Regress in Höhe des Nettowerts festzusetzen. Dreiwegehähne könnten nicht als Sprechstundenbedarf verordnet werden, weil sie nicht in der Anlage 2 zur Sprechstundenbedarfsvereinbarung (SSB-V) aufgeführt seien.

Zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs brachte die Klägerin vor, Dreiwegehähne seien als Einmal-Infusionsbesteck zu qualifizieren, das nach der SSB-V als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig sei. Der Begriff Einmal-Infusionsbesteck werde nicht definiert und sei daher auszulegen. Da sich dem Wortlaut keine Beschränkung auf bestimmte Bestandteile entnehmen lasse, umfasse der Begriff jedes Teil, das objektiv für die ärztliche Durchführung einer Infusion benötigt werde. Die medikamentöse Versorgung über einen Dreiwegehahn sei schließlich nicht patientenindividuell, sondern Standard in der zystostatischen Therapie. Die Klägerin bezog sich auf die Urteile des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 25. November 1998 (L 11 KA 69/98) und des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 23. Juni 2004 (S 14 KA 160/02).

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Dreiwegehähne seien in der Anlage 2 zur SSB-V nicht als zulässige Mittel aufgeführt. Der Beklagte führte weiter aus, Dreiwegehähne seien auch nicht als Einmal-Infusionsbesteck anforderbar. Dazu würden nur die integralen Bestandteile Dorn, Tropfkammer mit oder ohne Belüftung, Infusionsschlauch, Rollklemme und Konnektor (Luer-Lock) zählen. Die für eine Infusion weiter erforderlichen Einmal-Infusionskatheter und Einmal-Infusionsnadeln würden gesondert in der SSB-V aufgeführt. Beim Dreiwegehahn handele es sich hingegen um Sonderzubehör, das nicht als Sprechstundenbedarf verordnet werden könne. Die Beschlussausfertigungen für die beiden hinter der Klägerin stehenden Ärzte wurden jeweils am 7. November 2011 zur Post gegeben.

Am 6. Dezember 2011 hat die Klägerin beim SG H. Klage erhoben und ihr Begehren bezüglich des Regresses wegen der verordneten Dreiwegehähne weiter verfolgt. Soweit im Verwaltungs- und Vorverfahren auch eine Verordnung von Reinigungssets (Zytostatika Spill Kit) mit einem Nettowert von 76,33 EUR im Streit gewesen ist, ist hierzu in den erstinstanzlichen Schriftsätzen zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden, und der ursprünglich umfassende Aufhebungsantrag ist in der mündlichen Verhandlung dahingehend beschränkt worden, dass der Beschluss des Beklagten nur insoweit aufgehoben werden soll, wie er die Verordnung von Dreiwegehähnen betrifft.

Der Beklagte hat an seiner Entscheidung festgehalten und ergänzt, ein Bezug als Sprechstundenbedarf scheide auch deswegen aus, weil es sich, soweit die Dreiwegehähne bei der Infusionstherapie von Zytostatika und Begleitmedikation in der Onkologie verwendet würden, um eine geplante ärztliche Behandlung handele, die ausdrücklich nicht den Regeln der SSB-V unterfalle. Nach Abschnitt III Nr. 1 SSB-V in der jeweils gültigen Fassung gölten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet würden oder die zur Notfall- bzw. Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich seien. Bei anschließender Therapie bzw. geplanten Eingriffen sei nur die Einzelverordnung auf den Namen des Patienten zulässig. In H. würden Vertragsärzten seit Jahren – auch zur hier strittigen Zeit – die Kosten für den Bezug von Dreiwegehähnen erstattet, wenn sie die Erstattung auf den Namen des jeweiligen Patienten bezogen geltend machten. Schließlich sei zur Klarstellung in der aktuellen Fassung der SSB-V die Verordnung von Dreiwegehähnen in die Negativliste aufgenommen worden.

Die Klägerin hat erwidert, dass ihr die behauptete Praxis, dass Dreiwegehähne auch im streitigen Zeitraum patientenindividuell hätten verordnet werden können, nicht bekannt gewesen sei. Der entsprechende Vortrag des Beklagten werde bestritten. Im Übrigen wäre eine solche Praxis auch völlig unwirtschaftlich. Wie sich aus den Verordnungen ergebe, würden die Dreiwegehähne in großen Mengen zwischen 350 und 750 Stück verordnet. Auch sei nicht erkennbar, dass die angebliche Möglichkeit der abrechenbaren Erstattung über die Beigeladene zu 2 die Verordnung als Sprechstundenbedarf ausschließe. Schließlich bestünde die Möglichkeit, die Mittel, die eigentlich Sprechstundenbedarf seien, immer über einen Patienten abzurechnen, indem der Vertragsarzt diese Mittel einem Patienten zuordne. Die Klägerin hat zur Untermauerung ihres Begriffsverständnisses von Infusionsbesteck auf eine Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim R.-Institut (R.) zur Prävention gefäßkatheterassoziierter Infektionen hingewiesen (Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 11·2002, 907 – 924), in der es in der es unter Abschnitt 8 (Infusionstherapie) im Unterabschnitt 8.2 (Infusionssysteme) heißt: "Das Infusionssystem stellt die Verbindung zwischen dem Infusionslösungsbehälter und der peripheren intravenösen Verweilkanüle bzw. dem zentralen Venenkatheter dar. Zum Infusionssystem zählen die Tropfkammer, der Infusionsschlauch, die Abklemmvorrichtung sowie gegebenenfalls Dreiwegehähne oder Hahnenbänke."

Die Beigeladene zu 1 hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht zur Sache geäußert. Anträge haben die Beigeladenen nicht gestellt.

Das SG hat am 10. Oktober 2012 sieben Parallelverfahren gleichzeitig verhandelt und hiervon vier entschieden, so dass jede der – in hier interessierender Hinsicht gleichen – betroffenen Fassungen der SSB-V Gegenstand einer Entscheidung geworden ist. In drei Verfahren sind Unterwerfungsvergleiche geschlossen worden.

Der vorliegenden Klage hat das SG mit Urteil stattgegeben, den allein den Klagegegenstand bildenden Beschluss des Beklagten vom 19. Oktober 2011 aufgehoben, soweit er die Verordnung von Dreiwegehähnen betrifft, und den Beklagten verurteilt, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss der Gemeinsamen Prüfungsstelle vom "14. August 2009" zu entscheiden. Zur Anwendung komme die SSB-V zwischen der Beigeladenen zu 2 und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie dem Sozialhilfeträger vom 18. Januar 2006 (SSB-V a.F.). Diese sei für die Beteiligten verbindlich und habe im streitgegenständlichen Quartal gegolten. Als einzige Ermächtigungsgrundlage komme Abschnitt V Nr. 1 SSB-V a.F. in Betracht. Danach seien, wenn andere als die nach der SSB-V zulässigen Mittel verordnet würden, die dafür entstandenen Kosten im Verfahren der sachlichen Berichtigung vom Vertragsarzt zu erstatten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Sprechstundenbedarfsregresses lägen jedoch nicht vor. Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Quartal noch Dreiwegehähne als Sprechstundenbedarf verordnen dürfen. Nach Abschnitt III Nr. 2 Satz 1 SSB-Vereinbarung a.F. seien bei der Anforderung von Sprechstundenbedarf nur die in der Anlage 2 aufgeführten Mittel verordnungsfähig. Ausdrücklich würden Dreiwegehähne dort nicht aufgelistet. Sie ließen sich aber als Einmal-Infusionsbestecke begreifen, die gemäß Anlage 2 zur SSB-V a.F. Nr. 5, 6. Aufzählungszeichen zum Sprechstundenbedarf zählten. Des Weiteren hat das SG Bezug genommen auf seine Ausführungen im Urteil in dem Parallelverfahren S 3 KA 192/11 (späteres Berufungsaktenzeichen L 5 KA 34/12), wonach die SSB-Vereinbarung a.F. keine Definition des Begriffs "Einmal-Infusionsbesteck" enthalte. Er bedürfe daher der Auslegung. Diese habe sich wegen des besonderen vertraglichen Charakters der SSB-V am Wortlaut und an einer zurückhaltenden systematischen Interpretation zu orientieren. Eine historische Auslegung scheide hier aus, weil entstehungsgeschichtliche Dokumente der Vertragspartner der SSB-V nicht zur Verfügung stünden. Es sei für die sachkundig besetzte Kammer gerichtsbekannt, dass in der medizinischen Fachsprache mit Infusionsbesteck der Teil des gesamten Infusionssystems bezeichnet werde, der den Infusionsbehälter mit dem Zugang verbinde. Es gebe hingegen kein gefestigtes medizinisches Vorverständnis, unter den Begriff lediglich Dorn, Tropfkammer mit oder ohne Belüftung, Infusionsschlauch, Rollklemme und Konnektor (Luer-Lock) zu subsumieren und alle weiteren Bestandteile auszuschließen. Die einschlägige ISO 8536 sei für das Begriffsverständnis unergiebig. Dort werde der englischsprachige Oberbegriff "Infusion Equipment" verwendet, was sich etwa mit "Infusionsausrüstung" übersetzen lasse, und die sicherheitstechnischen Vorgaben würden in 12 Teile aufgespalten. Dreiwegehähne fänden sich im Teil 10 "Accessories for fluid lines for use with pressure infusion equipment", was sich etwa mit "Zubehör für Übertragungsleitungen zur Anwendung in Druckinfusionsgeräten" übersetzen lasse. Ein Begriff wie "infusion sets", der ein enges Verständnis des Begriffs Infusionsbesteck in Abgrenzung zum Zubehör möglicherweise stützen würde, werde im Zusammenhang mit den hier betroffenen Druckinfusionsgeräten gerade nicht benutzt. Dass der Begriff "Infusionsbesteck" demnach weiter zu verstehen sei als die Gesamtheit der Teile des Infusionssystems, die nicht Katheter und nicht Zugang seien, werde durch den systematischen Zusammenhang innerhalb der SSB-V a.F. gestützt. Anlage 2 zur SSB-V a.F. Nr. 5, 6. Aufzählungszeichen nenne gesondert neben dem Infusionsbesteck nur noch Infusionskatheter und Infusionsnadeln. Dass gleichwohl bestimmte (Zubehör-)Teile nicht zum Infusionsbesteck gehören sollten, lasse sich den übrigen Regelungen in der SSB-V a.F. nicht einmal andeutungsweise entnehmen. Insbesondere fänden sich Dreiwegehähne nicht in der Anlage 3, in der beispielhaft Materialien und Artikel aufgelistet würden, die nicht über den Sprechstundenbedarf bezogen werden dürften. In diese seien Dreiwegehähne erst mit Wirkung zum 1. Juli 2012 ausdrücklich als nicht verordnungsfähig aufgenommen worden (SSB-V vom 18. Januar 2012 in der Fassung des 5. Nachtrags ab 1. Juli 2012). Diese Neuregelung entfalte jedoch keine Rückwirkung und bleibe insbesondere ohne Auswirkung auf die bisherige Auslegung des Begriffs Infusionsbesteck. Angesichts der Weite des Begriffs könne die Neuregelung von einem objektiven Dritten nicht lediglich als Klarstellung verstanden werden, sondern bewirke eine echte Einschränkung, die die Vertragsärzte rückwirkend nicht mehr beachten könnten. Auf die Frage, ob die streitbefangenen Dreiwegehähne im bezogenen Umfang zur Notfall- bzw. Sofortbehandlung im Sinne des Abschnitts III Nr. 1 Satz 1 SSB-V a.F. erforderlich gewesen seien, komme es an dieser Stelle nicht an. Im Rahmen der sachlichen Berichtigung von Sprechstundenbedarfsanforderungen werde nur geprüft, ob andere als die zulässigen Mittel verordnet würden. Ob die streitbefangenen Verordnungen wirtschaftlich gewesen seien, insbesondere, ob die Dreiwegehähne auch in der bezogenen Menge noch der Notfall- bzw. Sofortbehandlung gedient hätten, hätte nur im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung untersucht werden können.

Mit seiner am 5. Dezember 2012 eingelegten Berufung gegen dieses ihm am 23. November 2012 zugestellte Urteil wiederholt und vertieft der Beklagte seinen bisherigen Vortrag. Wegen der außerhalb der SSB-V eingeräumten Abrechnungsmöglichkeit bestehe kein Bedürfnis dafür, die Abrechnung über den Sprechstundenbedarf zu ermöglichen. Die vom Sozialgericht betriebene Auslegung der SSB-V bezüglich der Dreiwegehähne als in ihr integrierter Bezugsartikel lasse die gebotene richterliche Zurückhaltung bei der Interpretation der hier strittigen Vertragsnormen vermissen. Die SSB-V nenne nur marktgängige Produkte. Marktgängige Infusionsbestecke nach DIN EN ISO 8536-4/DIN 58362 enthielten hingegen keine Dreiwegehähne. Der von der Klägerin angeführte Auszug aus der Stellungnahme des R. widerspreche der Vorstellung der SSB-V. Da die Klägerin vortrage, immer etwa 750 Dreiwegehähne in der Praxis bereit zu halten, handele es sich insoweit um Praxisbedarf, der selbstverständlich nicht über Sprechstundenbedarf abgerechnet werden dürfe. Schließlich trägt der Beklagte vor, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum an der Vereinbarung über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der onkologischen Versorgung (Onkologievereinbarung) teilgenommen habe und dass danach mit den Behandlungspauschalen die Kosten für Dreiwegehähne als abgegolten anzusehen seien. Ausweislich der näher benannten abgerechneten Leistungen sowie der Zahl der verordneten Dreiwegehähne sei auch davon auszugehen, dass letztere für geplante onkologische Behandlungen verbraucht worden seien. Da zur gleichen Rechtsfrage noch mindestens 31 offene Widerspruchsverfahren anhängig seien, rege der Beklagte die Zulassung der Revision an.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und widerspricht dem Beklagten. Aus der SSB-V ergebe sich nichts dazu, dass lediglich marktgängige Artikel Sprechstundenbedarf sein könnten. Auch aus der Onkologievereinbarung ergebe sich kein einziger Hinweis, dass Sachkosten im Rahmen der Leistungserbringung, die mit Kostenpauschalen vergütet würden, ebenfalls abgegolten seien. Es handele sich um eine Vergütung für eine hoch qualifizierte Dienstleistung und nicht für die im Rahmen dieser Betreuung aufgewandten Sachkosten. Würde man der Auffassung der Beklagten folgen, wären sämtliche im Rahmen der nach der Onkologievereinbarung anfallenden Sachkosten von diesen Pauschalen gedeckt, also nicht nur Dreiwegehähne, sondern die gesamten in diesem Rahmen benötigten Sachkosten wie Biopsienadeln, Schläuche, das gesamte Infusionsbesteck etc.

Die Beigeladene zu 1 schließt sich der Rechtsauffassung des Beklagten an, ohne einen Antrag zu stellen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes eine Definition des Infusionsbestecks enthalte, wonach dieses aus Einsteckteil, (ggf.) Tropfkammer mit Belüftung, Schlauch mit Rollenklemme und einem Anschlussstück mit Luer-Lock-Verbindung bestehe (Gruppe 03 – Applikationshilfen: Infusionsbesteck zur Schwerkraftapplikation bzw. Infusionsbesteck zur Pumpenapplikation). Dort würden Dreiwegehähne und Absperrhähne in einer anderen Produktgruppe geführt als Infusionsbestecke.

Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Sitzungsniederschrift vom 1. April 2015 sowie den Inhalt der darin aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Die Klägerin ist als ehemalige Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig; eine Gemeinschaftspraxis ist in vertragsarztrechtlicher Hinsicht als fortbestehend anzusehen, solange sie noch Pflichten aus ihrem Status zu erfüllen hat oder ihr Rechte hieraus zustehen (st. Rspr., s. nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. Februar 2007 – B 6 KA 6/06 R, BSGE 98, 89; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 70 Rn. 2a; jeweils m.w.N.).

Die Berufung ist jedoch mit der Maßgabe unbegründet, dass der als Datum des Beschlusses der Gemeinsamen Prüfstelle den 14. August 2009 anstelle des 14. Oktober 2009 nennende Tenor des SG-Urteils hinsichtlich dieses Schreibfehlers im Sinne einer offenbaren Unrichtigkeit zu korrigieren ist. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, den allein streitgegenständlichen, soweit er die Verordnung von Dreiwegehähnen betrifft, rechtswidrigen Beschluss des Beklagten vom 19. Oktober 2011 in diesem Umfang aufgehoben und die Beklagte verurteilt, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Widerspruch der Klägerin gegen den vorgenannten Beschluss der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. zu entscheiden, wobei diese Entscheidung in Form einer Abhilfe des Widerspruchs und Aufhebung jenes Beschlusses wird ergehen müssen.

Ein Regress wegen der streitgegenständlichen Verordnungen von Dreiwegehähnen ist nicht gerechtfertigt. Denn diese sind nach der SSB-V vom 18. Januar 2006 (a.F.) grundsätzlich verordnungsfähig, sodass die vorgenommene sachlich-rechnerische Berichtigung (Abschnitt V Nr. 1 SSB-V a.F.) rechtswidrig ist. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Mit der Berufung hat der Beklagte nichts vorgetragen, was Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts begründen könnte. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass sich aus der SSB-V nicht ergibt, dass nur "marktgängige Produkte" verordnungsfähig seien, und dass vor diesem Hintergrund Dreiwegehähne nicht als marktgängiges Infusionsbesteck zu verstehen sein könnten. Vielmehr ist anhand einer am Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang orientierten Auslegung der SSB-V zu fragen, ob Dreiwegehähne unter den Begriff Infusionsbesteck subsumiert werden könnten. Da sich einerseits in der SSB-V keine abschließende Bestimmung darüber befindet, welche Einzelteile zu einem Einmal-Infusionsbesteck gehören, insbesondere keine Beschränkung der möglichen Bestandteile auf Dorn, Tropfkammer, Infusionsschlauch, Rollklemme und Konnektor, andererseits Dreiwegehähne unstreitig ein Zubehör für Infusionssysteme zwischen dem Zugang (Infusionskatheter bzw. Infusionsnadeln) und dem Infusionsbehältnis darstellen, ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, diese als Teil eines Infusionsbestecks zu begreifen, wie es auch in der von der Klägerin angeführten Empfehlung des R. unter dem Begriff "Infusionssystem" erfolgt (vergleiche auch zu einem vergleichbaren Sachverhalt: Urteil des LSG NRW vom 25. November 1998 – L 11 KA 69/98, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Auch die Beklagte räumt ein, dass es Infusionsbestecke gibt, die bereits mit einem Dreiwegehahn versehen sind, wie es in der Begriffsdefinition der PflegeWiki (www.pflegewiki.de/wiki/Infusionsbesteck) erwähnt wird. Es wäre jedoch an dem darlegungs- und beweisbelasteten, einen Regress festsetzenden Beklagten, darzutun, dass die beteiligten Kreise von einer einheitlichen Begriffsdefinition des Infusionsbestecks ausgehen konnten, die die Subsumtion von Dreiwegehähnen ausschloss.

Entsprechendes lässt sich auch nicht aus der von der Beigeladenen zu 1 erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung am 1. April 2015 in Bezug genommenen Beschreibung von Infusionsbestecken im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes herleiten. Dabei kann offen bleiben, ob diese im streitgegenständlichen Quartal auch schon so im Hilfsmittelverzeichnis enthalten war. Denn eine normative Verbindung zwischen diesem und der SSB-V besteht nicht; insbesondere wird in der SSB-V nicht auf diese Beschreibung Bezug genommen. Im Übrigen ist es nicht richtig, dass Dreiwegehähne im Hilfsmittelverzeichnis in einer anderen Produktgruppe geführt werden als Infusionsbestecke. Vielmehr werden diese ebenfalls in der Gruppe 03 – Applikationshilfen als Abrechnungsposition für Zubehör genannt.

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag des Beklagten, es handele sich bei Dreiwegehähnen um Praxis- und nicht um Sprechstundenbedarf. Nach Abschnitt II Nr. 2 SSB-V a.F. ist nur die zu Beginn der vertragsärztlichen Tätigkeit erforderliche Beschaffung der Grundausstattung der Praxis nicht als Sprechstundenbedarf bezugsfähig. Die Ersatzbeschaffung ist hingegen der Paradeanwendungsfall für die Verordnung von Sprechstundenbedarf.

Ebenso wenig zu folgen ist der Ansicht des Beklagten, dass Dreiwegehähne nach Abschnitt III Nr. 1 SSB-V a.F. nicht als Sprechstundenbedarf gelten könnten. Diese sind zwar nicht zur Notfall- bzw. Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich (Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SSB-V a.F.), aber werden ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet (Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SSB-V a.F.). Die Regelung nach Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 SSB-V a.F., wonach bei anschließender Therapie bzw. geplanten Eingriffen nur die Einzelverordnung auf den Namen des Patienten zulässig ist, kann sich nur auf die Abgrenzung zur Notfall- bzw. Sofortbehandlung beziehen. Anderenfalls wären, worauf auch die Klägerin zu Recht hinweist, bei vertragsärztlichen Behandlungen, die nicht im Rahmen eines Notfalls erfolgen, der Einsatz von Sprechstundenbedarf und die Abrechnung nach der SSB-V insgesamt undenkbar. In Konsequenz der Auffassung des Beklagten dürften selbst Infusionsbestecke nach seinem Begriffsverständnis, also ohne Dreiwegehähne, nur insoweit als Sprechstundenbedarf verordnet werden, wie sie bei nicht planbaren Behandlungen eingesetzt werden, im Übrigen jedoch nicht.

Demnach folgt die Verordnungsfähigkeit von Dreiwegehähnen als Sprechstundenbedarf im streitgegenständlichen Quartal aus Abschnitt III Nr. 2 SSB-V a.F. in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 5 (diagnostische und therapeutische Mittel zur Anwendung in der Praxis) in der die Einmal-Infusionsbestecke genannt werden.

Ein Ausschluss nach Abschnitt III Nr. 7 SSB-V a.F., wonach die in der Anlage 2 als verordnungsfähig aufgeführten Mittel dann nicht bezugsfähig sind, wenn sie für solche ärztlichen Verrichtungen verwendet werden, bei denen die Kosten dieser Mittel aufgrund einer besonderen Regelung in der Leistungslegende oder aufgrund einer Sachkostenpauschale mit dem Honorar oder der Sachkostenpauschale abgegolten sind, besteht nicht. Die von dem Beklagten angeführte Onkologievereinbarung enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass danach gezahlte Pauschalen auch die Sachkosten abdecken sollten. Angesichts der Auslegung vertraglicher Vergütungsbestimmungen grundsätzlich nur nach dem Wortlaut wäre dies aber erforderlich, damit der Beklagte sich darauf berufen könnte. Hier gilt, was der Einheitliche Bewertungsmaßstab ausdrücklich in den Allgemeinen Bestimmungen unter Ziffer 7.3 regelt, dass nämlich unter anderem Kosten für Einmal-Infusionsbestecke nicht in den Gebührenordnungspositionen enthalten seien, soweit nichts anderes bestimmt sei. Auch insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass unter Zugrundelegung der Auffassung des Beklagten keinerlei Sachkosten abrechnungsfähig sein dürften, wovon jedoch auch der Beklagte selbst nicht ausgeht, der sich im Übrigen selbst widerspricht, wenn er einerseits die pauschale Abgeltung behauptet, andererseits immer wieder vorträgt, dass es im streitgegenständlichen Zeitraum Praxis gewesen sei, Dreiwegehähne vorzuhalten, bei der Behandlung einzusetzen und anschließend durch patientenbezogene Verordnung die Kostenerstattung von den jeweiligen Krankenkassen zu erhalten. Es kann offen bleiben, ob diese Praxis tatsächlich so bestand, denn mangels ausdrücklicher und verbindlicher vertraglicher Regelung in der SSB-V a.F. oder an anderer Stelle würde dies nichts an der Abrechenbarkeit als Sprechstundenbedarf ändern, zumal diese Möglichkeit der Klägerin nach deren unwidersprochenem Vortrag nicht bekannt war.

Auch ein Ausschluss nach Abschnitt III Nr. 8 SSB-V a.F. besteht nicht. Weder sind Dreiwegehähne gemäß Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen Ziff. 7.1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten noch waren Dreiwegehähne vor dem 1. Juli 2012 in der Negativliste der Anlage 3 zur SSB-V aufgeführt.

Dass es sich bei der Aufnahme der Dreiwegehähne in die Anlage 3 zur SSB-V um eine bloße Klarstellung der schon vorher bestehenden Rechtslage gehandelt haben soll, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Näher liegt der Gedanke, dass die Vertragsparteien Dreiwegehähne von dem Anwendungsbereich ausnehmen wollten, nachdem sie festgestellt hatten, dass die bisherige Begrifflichkeit weiter war, als möglicherweise gewollt. Jedenfalls würde auch ein bloßer Klarstellungsbedarf illustrieren, dass es vor dem 1. Juli 2012 in den beteiligten Verkehrskreisen kein eindeutiges und allseits anerkanntes Begriffsverständnis vom Einmal-Infusionsbesteck gab, was zulasten des Beklagten geht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere vermag der Hinweis des Beklagten auf noch mindestens 31 offene Widerspruchsverfahren zur gleichen Rechtsfrage nicht die Annahme grundsätzlicher Bedeutung zu begründen. Zum einen ist die Auslegung der im streitgegenständlichen Quartal nur in H. geltenden SSB-V nicht revisibel (§ 162 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 6 KA 41/03 R, MedR 2005, 421, juris-Rn. 29; BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 10/06 B, juris), zum anderen gilt sie in dieser Form nicht mehr, weil mittlerweile Dreiwegehähne ausdrücklich von der Verordnung als Sprechstundenbedarf ausgenommen worden sind.
Rechtskraft
Aus
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