Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 639/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 948/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 10. Oktober 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2011, vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2014 und vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2017 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger wurde 1960 geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Agrochemiker und war sodann als Traktorist und bis 1989 als Kranfahrer tätig. Anschließend qualifizierte er sich zum Meister für Pflanzenproduktion/Feldbau sowie zum Silo- und Lagermeister weiter und arbeitete bis 1995 als Hofmeister. Im Rahmen dieser Tätigkeit erlitt er im März 1995 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich den 11. Brustwirbel brach. 1996 arbeitete er als Kraftfahrer. Zuletzt war er bei Firma L GmbH berufstätig, wobei der Arbeitsvertrag eine Tätigkeit als Produktionsarbeiter auswies. Seit Januar 2007 ist er arbeitslos.
Aufgrund orthopädischer Beschwerden hielt sich der Kläger mehrfach stationär in der Reha-Klinik H in R auf, vor Beantragung der Rente zuletzt vom 31. Juli 2007 bis zum 21. August 2007. Nach der dortigen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung konnte der Kläger sowohl seine letzte berufliche Tätigkeit als Silo-Meister als auch körperlich mittelschwere Arbeiten ohne Arbeiten in länger gebückter Haltung und länger anhaltend über Kopf sowie ohne Zeitdruck sechs Stunden und mehr ausüben, wobei wegen des Verdachtes auf psychische Erkrankungen Arbeiten unter Zeitdruck nicht abverlangt werden sollten. Am 19. Dezember 2007 beantragte der Kläger die Rentengewährung und gab als Gesundheitsstörungen, derentwegen er sich für erwerbsgemindert hielt, an: Bewegungs- und Belastungseinschränkungen der gesamten Wirbelsäule, Asthma, Allergie, Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter, beider Ellenbögen, beider Kniegelenke, Karpaltunnelsyndrom, Hüftgelenke, Kopfschmerzen und Migräne, nervöse Beine, Konzentrationsschwierigkeiten, Wortfindungsstörung, Schwierigkeiten im Kurzzeitgedächtnis, Sodbrennen, Schuppenflechte, HWS-Syndrom sowie nervöse Hände/Finger.
Auf Betreiben der Beklagten untersuchte der Facharzt für Orthopädie R den Kläger in orthopädischer Hinsicht. In dessen Gutachten vom 27. Februar 2008 gelangte der Orthopäde zur Einschätzung, der Kläger könne sechs Stunden und mehr mittelschwere Arbeiten ausführen bei zeitweiser Arbeitshaltung im Stehen, Gehen oder Sitzen. Einschränkungen bestünden hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit der Hände, häufigem Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Gang- und Standsicherheit und Zwangshaltungen. Zu vermeiden seien Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen, inhalative Belastungen, Allergene, Lärm, Erschütterungen, Vibrationen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr sowie häufig wechselnde Arbeitszeiten. Es bestehe der Verdacht auf eine psychosomatische Überlagerung, weshalb eine neurologische-psychiatrische Zusatzbegutachtung empfohlen würde. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in der Lage, eine körperlich mittelschwere Tätigkeit in wechselnden Körperhaltungen vollschichtig zu absolvieren. Der Empfehlung des Orthopäden folgend, holte die Beklagte ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W ein. Aufgrund einer Untersuchung am 7. April 2008 gelangte die Sachverständige in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, beim Kläger lagen eine somatoforme Schmerzstörung mit einem Chronifizierungsgrad mit Stadium III nach Gerbershagen bei hypochondrisch-narzisstisch-strukturierter Persönlichkeit vor, ferner Adipositas und Spondylose im LWS-Bereich. Bei dem vorliegenden Beschwerdebild sei der Kläger für schwere körperliche Arbeiten nicht geeignet, könne aber durchaus einer leichteren körperlichen Tätigkeit oder aber auch einer Arbeitstätigkeit in wechselnden Positionen sechs Stunden und mehr täglich nachgehen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung der am 19. Dezember 2007 beantragten Rente ab, weil weder eine teilweise, noch eine volle Erwerbsminderung und schließlich auch keine Berufsunfähigkeit vorlägen. Zwar könne der Kläger nicht mehr dem angelernten Beruf als Agrotechniker nachgehen, wohl aber sei ihm eine Tätigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbar.
Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch holte die Beklagte eine Auskunft des Arbeitgebers zum Beschäftigungsverhältnis ein. Danach sei der Kläger bei der L GmbH seit September 1977 als Kranfahrer sowie mit dem Be- und Entladen von Fahrzeugen und Lagerarbeiten betraut gewesen, wobei es sich um eine Facharbeitertätigkeit mit einer Ausbildungsdauer von 2,5 Jahren gehandelt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung insbesondere in Bezug auf die Frage der Berufsunfähigkeit aus, nach dem beruflichen Werdegang des Klägers habe die Beurteilung unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeiten als Anlagenbediener beim Getreideumschlag, Kranfahrer sowie Lagerarbeiter zu erfolgen. Diese Tätigkeit sei als angelernter Arbeiter im oberen Bereich einzuordnen, so dass dem Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes ohne einfachste Tätigkeiten zuzumuten seien. Aus den eingeholten orthopädischen und neurologischen Gutachten hätte sich ergeben, dass der Kläger zwar nicht mehr als Anlagenbediener, Kranfahrer und Lagerarbeiter arbeiten könne, jedoch unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Pförtner, Warenaufmacher/Versandfertigmacher und als Gabelstapler im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne.
Mit der am 25. November 2008 beim Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiter verfolgt und hierzu vorgebracht, er könne eine Erwerbstätigkeit infolge seiner Erkrankung nicht mehr mit Regelmäßigkeit ausüben. Im Übrigen seien die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten ihm nicht zuzumuten, da er als Facharbeiter einzustufen sei.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt sowie den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dessen Gutachten vom 31. Juli 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 16. November 2009 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger bestünden auf orthopädischem Fachgebiet ein Fehlbelastungssyndrom der Wirbelsäule, Funktionsminderung der Hände und Arme, Belastungsminderung beider Kniegelenke, Reizzustand linkes oberes Sprunggelenk und Fußdeformität mit Senk-/Spreizfuß sowie auf weiteren Fachgebieten eine somatoforme Schmerzstörung und eine hypochondrisch-narzisstisch-strukturierte Persönlichkeit. Diese Störungen resultierten in folgenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit: Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie in starker Rumpfbeugung oder einseitigen körperlichen Belastungen, Arbeiten im überwiegenden Gehen und Stehen sowie im Knien, Kriechen und Hocken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord- oder Fließbandtätigkeiten mit fremdbestimmten Arbeitsrhythmus, Arbeiten mit extremer Kälte, Nässe und Zugluft sowie mit Stauchungen und Rüttelungen der Wirbelsäule, Armvorhaltetätigkeiten von mehr als 2,5 kg sowie Arbeiten in Schulterhöhe und Überkopf, mit Nachtarbeit und besonderen Anforderungen an die Aufmerksamkeit und die Konzentration seien nicht mehr zumutbar. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung sowie überwiegendem Sitzen seien rückwirkend seit Antragstellung sowie gegenwärtig vollschichtig zumutbar. Leichte Büro- oder Verwaltungsaufgaben sowie eine Tätigkeit als Pförtner seien denkbar. Derartige Tätigkeiten könnten wettbewerbsfähig regelmäßig und mindestens sechs Stunden täglich ausgeführt werden, ohne dass hierbei die Restgesundheit gefährdet würde.
Das Sozialgericht hat weiter eine Auskunft der L GmbH zur dortigen Tätigkeit des Klägers eingeholt, wonach die Tätigkeiten des Klägers dort das Bedienen von Geräten und Anlagen sowie die Gesunderhaltung der Lagerbestände umfassten. Das Sozialgericht hat weiter einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik H R vom 11. Juli 2012 beigezogen, wo sich der Kläger vom 31. Mai 2012 bis zum 21. Juni 2012 in stationärer Behandlung aufgehalten hatte. Nach der dortigen Einschätzung konnte der Kläger der letzten beruflichen Tätigkeit als Silo-Meister nicht mehr für mindestens drei Stunden täglich nachgehen. Allerdings könne er leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen vollschichtig in Tagesschicht, Früh/Spätschicht oder auch Nachtschicht versehen. Es seien leichte bis vereinzelt mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne längerdauernde Zwangshaltungen oder Überkopfarbeiten, ohne Leiter- und Gerüstarbeiten und ohne Absturzgefahr ausführbar.
Mit Urteil vom 10. Oktober 2012 hat das Sozialgericht Neuruppin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Er sei vielmehr trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R vom 31. Juli 2009 gestützt und sich darin in der übereinstimmenden Einschätzung der Ärzte der Reha-Klinik H bestärkt gesehen. Entgegen der Ansicht des Klägers habe er auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Beurteilungsmaßstab sei für den Kläger der von ihm in den Jahren 2005 bis 2007 ausgeübte Beruf als Produktionsarbeiter bei der L GmbH. Aufgrund der dortigen Auskünfte vom 2. Juli 2008 und 5. April 2012 habe der Kläger dort die Tätigkeiten verrichtet: Kranfahrer, Be- und Entladen von Fahrzeugen, Lagerarbeiten, Bedienen von Geräten und Anlagen sowie Gesunderhaltung von Lagerbeständen. Trotz der absolvierten Facharbeiter- und Meisterausbildung sei der Kläger entgegen seiner Ansicht nur als angelernter Arbeiter im oberen Bereich einzustufen, da er zuletzt eine seiner Ausbildung bzw. Qualifizierung entsprechende Arbeit nicht mehr verrichtet habe. Vielmehr sei er vorrangig als Anlagenbediener tätig gewesen. Besondere Fach- oder Führungsaufgaben seien ihm hierbei nicht zugekommen. Dem entsprechend sei dem Kläger eine Verweisungstätigkeit als Pförtner zumutbar, wenn auch nicht als – wie von der Beklagten angenommen – als Gabelstaplerfahrer.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren der Rentengewährung weiter und bringt hierzu vor, er sei aufgrund seiner starken Schmerzsymptome und depressiven Zustände derartig in seiner Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, dass ihm eine Pförtnertätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann und er schlichtweg insgesamt einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen könne. Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 10. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2008 zu verurteilen, ihm ab dem 21. Dezember 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben über das Leistungsvermögen des Klägers durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. T. In dessen Gutachten vom 25. August 2013 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger lägen auf seinem Fachgebiet ein depressiv-phobisches Syndrom, eine Somatisierungsstörung sowie eine Zwangsstörung vor. Die psychiatrisch relevante Symptombildung habe bereits sehr lang andauernd Bestand, insbesondere hinsichtlich der depressiv-phobischen Symptombildung. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei aufgrund dieses Störungsverlaufes gefährdet, jedoch nicht gemindert. Es handele sich nicht um eine erhebliche Gefährdung. Die Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens sei im Wesentlichen mit der orthopädischen Erkrankung zu begründen, seitens des psychiatrischen Fachgebietes ergebe sich hingegen eine Einschränkung der Belastbarkeit nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als der Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit begehrt.
1. Der Anspruch auf Zuerkennung einer berufsunabhängigen Erwerbsminderungsrente richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 1827) mit Folgeänderungen. Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs. 1 und Abs. 2, jeweils Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 Satz 1 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1 Satz 2). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 2 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Nach Würdigung der vorliegenden medizinischen Erkenntnisse ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. So hat der durch den Senat mit der Begutachtung des Leistungsvermögens des Klägers beauftragte Sachverständige Dr. T festgestellt, aus psychiatrischer Sicht sei der Kläger uneingeschränkt belastbar, Einschränkungen seines Leistungsvermögens ergäben sich allein aus orthopädischen Erkrankungen. Insoweit haben jedoch sowohl der durch das Sozialgericht mit der Untersuchung und Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. R als auch die mit dem Gesundheitszustand des Klägers aufgrund mehrfachen mehrwöchigen stationären Aufenthaltes vertraute Rehaklinik H festgestellt, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten unter gewissen, nicht als ungewöhnlich zu bezeichnenden qualitativen Einschränkungen vollschichtig versehen.
2. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben auch vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte, die berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit. Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 45/00 R, juris, Rdnr. 20).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Beschluss vom 27. August 2009, B 13 R 85/09 B, juris) gilt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit ein Mehrstufenschema. Dieses erleichtert die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der Tätigkeiten, die (den Versicherten) unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar sind hiernach alle Tätigkeiten auf derselben qualitativen oder der nächstniedrigeren Stufe. Zusammengefasst sind - sowohl für gewerbliche als auch für Angestellten-Berufe - folgende Stufen zu unterscheiden:
1. Stufe: ungelernte Berufe 2. Stufe: Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren 3. Stufe: Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren 4. Stufe: Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrung oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen; zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung 5. Stufe: Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen 6. Stufe: Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht.
Die insoweit steigenden Anforderungen stellen schwergewichtig auf die Ausbildung ab. Es können aber auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich dabei nach der im Rahmen einer Gesamtschau zu ermittelnden Qualität der verrichteten Arbeit. In diese Gesamtschau einzustellende Kriterien sind: Ausbildung, tarifliche Einstufung, Dauer der Berufsausübung, Höhe der Entlohnung und Anforderungen des Berufes.
Zwischen den Beteiligten steht – zu Recht – außer Streit, dass der Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen keine der bislang von ihm ausgeübten Tätigkeiten verrichten kann. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst allerdings nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Auf die dem Kläger noch möglichen Arbeiten als Versandfertigmacher oder Pförtner, die den ungelernten Tätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas zuzuordnen sind, ohne dass es sich um die allereinfachsten des allgemeinen Arbeitsmarktes handelt, muss der Kläger sich jedoch nicht verweisen lassen. Denn dessen "bisheriger Beruf" im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist dem eines Facharbeiters und nicht dem eines angelernten Arbeiters zuzuordnen.
Der Kläger hat mit den Abschlussprüfungen als Agrochemiker und Meister für Pflanzenproduktion/Feldbau die Facharbeiterebene auf der 4. Stufe des Mehrstufenschemas erreicht. Soweit die Beklagte hierzu meint, die Qualifikation zum Meister für Pflanzenproduktion reiche hierfür nicht aus, dringt sie nicht durch. Bereits die dem Kläger durch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg verliehene Urkunde für die Meisterqualifikation vom 1. März 1991 belegt im Zusammenhang mit dem erteilten Zeugnis das Absolvieren der Fachschule. Diese Qualifikation baut ersichtlich auf der zuvor absolvierten Facharbeiterausbildung zum Agrochemiker auf. Auf diesem Niveau hat der Kläger auch die im weiteren Berufsverlauf ausgeübten Tätigkeiten zunächst als Hofmeister, dann als Kraftfahrer und Bediener von Geräten und Anlagen sowie Lagerverwalter mit Aufsichtsfunktion verrichtet. Insofern war zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Hofmeisters in einem landwirtschaftlichen Betrieb von einer Vielzahl von Aufgaben geprägt ist. Dass zu diesen auch Materialwirtschaft, Transport und Umschlag gehören, belegen die Prüfungsfächer der Abschlussprüfungen zum Agrochemiker und zum Meister für Pflanzenproduktion. Dementsprechend handelt es sich bei den durch den Kläger zuletzt ausgeführten Tätigkeiten um Teilbereiche des Berufsbildes, so dass sich der Kläger von seinem Beruf auch nicht gelöst hat. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Veränderung des Aufgabenzuschnitts infolge der gesundheitlichen Einschränkungen nach Erleiden des Wirbelbruches erfolgt ist. Aber selbst wenn die Tätigkeiten des Klägers als Anlagenbediener und Lagerverwalter als einfach angelernte Arbeiten zu qualifizieren sein sollten, wäre dies unbeachtlich, wenn die vorangegangene höherwertige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (vgl. BSG SozR Nr. 33 zu § 1246 RVO). Nach der Überzeugung des Senats war dies bei dem Kläger der Fall. Rentenbeginn und Befristung folgen aus §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 2 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger wurde 1960 geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Agrochemiker und war sodann als Traktorist und bis 1989 als Kranfahrer tätig. Anschließend qualifizierte er sich zum Meister für Pflanzenproduktion/Feldbau sowie zum Silo- und Lagermeister weiter und arbeitete bis 1995 als Hofmeister. Im Rahmen dieser Tätigkeit erlitt er im März 1995 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich den 11. Brustwirbel brach. 1996 arbeitete er als Kraftfahrer. Zuletzt war er bei Firma L GmbH berufstätig, wobei der Arbeitsvertrag eine Tätigkeit als Produktionsarbeiter auswies. Seit Januar 2007 ist er arbeitslos.
Aufgrund orthopädischer Beschwerden hielt sich der Kläger mehrfach stationär in der Reha-Klinik H in R auf, vor Beantragung der Rente zuletzt vom 31. Juli 2007 bis zum 21. August 2007. Nach der dortigen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung konnte der Kläger sowohl seine letzte berufliche Tätigkeit als Silo-Meister als auch körperlich mittelschwere Arbeiten ohne Arbeiten in länger gebückter Haltung und länger anhaltend über Kopf sowie ohne Zeitdruck sechs Stunden und mehr ausüben, wobei wegen des Verdachtes auf psychische Erkrankungen Arbeiten unter Zeitdruck nicht abverlangt werden sollten. Am 19. Dezember 2007 beantragte der Kläger die Rentengewährung und gab als Gesundheitsstörungen, derentwegen er sich für erwerbsgemindert hielt, an: Bewegungs- und Belastungseinschränkungen der gesamten Wirbelsäule, Asthma, Allergie, Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter, beider Ellenbögen, beider Kniegelenke, Karpaltunnelsyndrom, Hüftgelenke, Kopfschmerzen und Migräne, nervöse Beine, Konzentrationsschwierigkeiten, Wortfindungsstörung, Schwierigkeiten im Kurzzeitgedächtnis, Sodbrennen, Schuppenflechte, HWS-Syndrom sowie nervöse Hände/Finger.
Auf Betreiben der Beklagten untersuchte der Facharzt für Orthopädie R den Kläger in orthopädischer Hinsicht. In dessen Gutachten vom 27. Februar 2008 gelangte der Orthopäde zur Einschätzung, der Kläger könne sechs Stunden und mehr mittelschwere Arbeiten ausführen bei zeitweiser Arbeitshaltung im Stehen, Gehen oder Sitzen. Einschränkungen bestünden hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit der Hände, häufigem Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Gang- und Standsicherheit und Zwangshaltungen. Zu vermeiden seien Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen, inhalative Belastungen, Allergene, Lärm, Erschütterungen, Vibrationen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr sowie häufig wechselnde Arbeitszeiten. Es bestehe der Verdacht auf eine psychosomatische Überlagerung, weshalb eine neurologische-psychiatrische Zusatzbegutachtung empfohlen würde. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in der Lage, eine körperlich mittelschwere Tätigkeit in wechselnden Körperhaltungen vollschichtig zu absolvieren. Der Empfehlung des Orthopäden folgend, holte die Beklagte ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W ein. Aufgrund einer Untersuchung am 7. April 2008 gelangte die Sachverständige in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, beim Kläger lagen eine somatoforme Schmerzstörung mit einem Chronifizierungsgrad mit Stadium III nach Gerbershagen bei hypochondrisch-narzisstisch-strukturierter Persönlichkeit vor, ferner Adipositas und Spondylose im LWS-Bereich. Bei dem vorliegenden Beschwerdebild sei der Kläger für schwere körperliche Arbeiten nicht geeignet, könne aber durchaus einer leichteren körperlichen Tätigkeit oder aber auch einer Arbeitstätigkeit in wechselnden Positionen sechs Stunden und mehr täglich nachgehen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung der am 19. Dezember 2007 beantragten Rente ab, weil weder eine teilweise, noch eine volle Erwerbsminderung und schließlich auch keine Berufsunfähigkeit vorlägen. Zwar könne der Kläger nicht mehr dem angelernten Beruf als Agrotechniker nachgehen, wohl aber sei ihm eine Tätigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbar.
Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch holte die Beklagte eine Auskunft des Arbeitgebers zum Beschäftigungsverhältnis ein. Danach sei der Kläger bei der L GmbH seit September 1977 als Kranfahrer sowie mit dem Be- und Entladen von Fahrzeugen und Lagerarbeiten betraut gewesen, wobei es sich um eine Facharbeitertätigkeit mit einer Ausbildungsdauer von 2,5 Jahren gehandelt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung insbesondere in Bezug auf die Frage der Berufsunfähigkeit aus, nach dem beruflichen Werdegang des Klägers habe die Beurteilung unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeiten als Anlagenbediener beim Getreideumschlag, Kranfahrer sowie Lagerarbeiter zu erfolgen. Diese Tätigkeit sei als angelernter Arbeiter im oberen Bereich einzuordnen, so dass dem Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes ohne einfachste Tätigkeiten zuzumuten seien. Aus den eingeholten orthopädischen und neurologischen Gutachten hätte sich ergeben, dass der Kläger zwar nicht mehr als Anlagenbediener, Kranfahrer und Lagerarbeiter arbeiten könne, jedoch unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Pförtner, Warenaufmacher/Versandfertigmacher und als Gabelstapler im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne.
Mit der am 25. November 2008 beim Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiter verfolgt und hierzu vorgebracht, er könne eine Erwerbstätigkeit infolge seiner Erkrankung nicht mehr mit Regelmäßigkeit ausüben. Im Übrigen seien die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten ihm nicht zuzumuten, da er als Facharbeiter einzustufen sei.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt sowie den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dessen Gutachten vom 31. Juli 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 16. November 2009 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger bestünden auf orthopädischem Fachgebiet ein Fehlbelastungssyndrom der Wirbelsäule, Funktionsminderung der Hände und Arme, Belastungsminderung beider Kniegelenke, Reizzustand linkes oberes Sprunggelenk und Fußdeformität mit Senk-/Spreizfuß sowie auf weiteren Fachgebieten eine somatoforme Schmerzstörung und eine hypochondrisch-narzisstisch-strukturierte Persönlichkeit. Diese Störungen resultierten in folgenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit: Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie in starker Rumpfbeugung oder einseitigen körperlichen Belastungen, Arbeiten im überwiegenden Gehen und Stehen sowie im Knien, Kriechen und Hocken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord- oder Fließbandtätigkeiten mit fremdbestimmten Arbeitsrhythmus, Arbeiten mit extremer Kälte, Nässe und Zugluft sowie mit Stauchungen und Rüttelungen der Wirbelsäule, Armvorhaltetätigkeiten von mehr als 2,5 kg sowie Arbeiten in Schulterhöhe und Überkopf, mit Nachtarbeit und besonderen Anforderungen an die Aufmerksamkeit und die Konzentration seien nicht mehr zumutbar. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung sowie überwiegendem Sitzen seien rückwirkend seit Antragstellung sowie gegenwärtig vollschichtig zumutbar. Leichte Büro- oder Verwaltungsaufgaben sowie eine Tätigkeit als Pförtner seien denkbar. Derartige Tätigkeiten könnten wettbewerbsfähig regelmäßig und mindestens sechs Stunden täglich ausgeführt werden, ohne dass hierbei die Restgesundheit gefährdet würde.
Das Sozialgericht hat weiter eine Auskunft der L GmbH zur dortigen Tätigkeit des Klägers eingeholt, wonach die Tätigkeiten des Klägers dort das Bedienen von Geräten und Anlagen sowie die Gesunderhaltung der Lagerbestände umfassten. Das Sozialgericht hat weiter einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik H R vom 11. Juli 2012 beigezogen, wo sich der Kläger vom 31. Mai 2012 bis zum 21. Juni 2012 in stationärer Behandlung aufgehalten hatte. Nach der dortigen Einschätzung konnte der Kläger der letzten beruflichen Tätigkeit als Silo-Meister nicht mehr für mindestens drei Stunden täglich nachgehen. Allerdings könne er leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen vollschichtig in Tagesschicht, Früh/Spätschicht oder auch Nachtschicht versehen. Es seien leichte bis vereinzelt mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne längerdauernde Zwangshaltungen oder Überkopfarbeiten, ohne Leiter- und Gerüstarbeiten und ohne Absturzgefahr ausführbar.
Mit Urteil vom 10. Oktober 2012 hat das Sozialgericht Neuruppin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Er sei vielmehr trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R vom 31. Juli 2009 gestützt und sich darin in der übereinstimmenden Einschätzung der Ärzte der Reha-Klinik H bestärkt gesehen. Entgegen der Ansicht des Klägers habe er auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Beurteilungsmaßstab sei für den Kläger der von ihm in den Jahren 2005 bis 2007 ausgeübte Beruf als Produktionsarbeiter bei der L GmbH. Aufgrund der dortigen Auskünfte vom 2. Juli 2008 und 5. April 2012 habe der Kläger dort die Tätigkeiten verrichtet: Kranfahrer, Be- und Entladen von Fahrzeugen, Lagerarbeiten, Bedienen von Geräten und Anlagen sowie Gesunderhaltung von Lagerbeständen. Trotz der absolvierten Facharbeiter- und Meisterausbildung sei der Kläger entgegen seiner Ansicht nur als angelernter Arbeiter im oberen Bereich einzustufen, da er zuletzt eine seiner Ausbildung bzw. Qualifizierung entsprechende Arbeit nicht mehr verrichtet habe. Vielmehr sei er vorrangig als Anlagenbediener tätig gewesen. Besondere Fach- oder Führungsaufgaben seien ihm hierbei nicht zugekommen. Dem entsprechend sei dem Kläger eine Verweisungstätigkeit als Pförtner zumutbar, wenn auch nicht als – wie von der Beklagten angenommen – als Gabelstaplerfahrer.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren der Rentengewährung weiter und bringt hierzu vor, er sei aufgrund seiner starken Schmerzsymptome und depressiven Zustände derartig in seiner Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, dass ihm eine Pförtnertätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann und er schlichtweg insgesamt einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen könne. Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 10. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2008 zu verurteilen, ihm ab dem 21. Dezember 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben über das Leistungsvermögen des Klägers durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. T. In dessen Gutachten vom 25. August 2013 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger lägen auf seinem Fachgebiet ein depressiv-phobisches Syndrom, eine Somatisierungsstörung sowie eine Zwangsstörung vor. Die psychiatrisch relevante Symptombildung habe bereits sehr lang andauernd Bestand, insbesondere hinsichtlich der depressiv-phobischen Symptombildung. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei aufgrund dieses Störungsverlaufes gefährdet, jedoch nicht gemindert. Es handele sich nicht um eine erhebliche Gefährdung. Die Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens sei im Wesentlichen mit der orthopädischen Erkrankung zu begründen, seitens des psychiatrischen Fachgebietes ergebe sich hingegen eine Einschränkung der Belastbarkeit nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als der Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit begehrt.
1. Der Anspruch auf Zuerkennung einer berufsunabhängigen Erwerbsminderungsrente richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 1827) mit Folgeänderungen. Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs. 1 und Abs. 2, jeweils Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 Satz 1 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1 Satz 2). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 2 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Nach Würdigung der vorliegenden medizinischen Erkenntnisse ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. So hat der durch den Senat mit der Begutachtung des Leistungsvermögens des Klägers beauftragte Sachverständige Dr. T festgestellt, aus psychiatrischer Sicht sei der Kläger uneingeschränkt belastbar, Einschränkungen seines Leistungsvermögens ergäben sich allein aus orthopädischen Erkrankungen. Insoweit haben jedoch sowohl der durch das Sozialgericht mit der Untersuchung und Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. R als auch die mit dem Gesundheitszustand des Klägers aufgrund mehrfachen mehrwöchigen stationären Aufenthaltes vertraute Rehaklinik H festgestellt, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten unter gewissen, nicht als ungewöhnlich zu bezeichnenden qualitativen Einschränkungen vollschichtig versehen.
2. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben auch vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte, die berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit. Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 45/00 R, juris, Rdnr. 20).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Beschluss vom 27. August 2009, B 13 R 85/09 B, juris) gilt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit ein Mehrstufenschema. Dieses erleichtert die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der Tätigkeiten, die (den Versicherten) unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar sind hiernach alle Tätigkeiten auf derselben qualitativen oder der nächstniedrigeren Stufe. Zusammengefasst sind - sowohl für gewerbliche als auch für Angestellten-Berufe - folgende Stufen zu unterscheiden:
1. Stufe: ungelernte Berufe 2. Stufe: Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren 3. Stufe: Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren 4. Stufe: Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrung oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen; zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung 5. Stufe: Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen 6. Stufe: Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht.
Die insoweit steigenden Anforderungen stellen schwergewichtig auf die Ausbildung ab. Es können aber auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich dabei nach der im Rahmen einer Gesamtschau zu ermittelnden Qualität der verrichteten Arbeit. In diese Gesamtschau einzustellende Kriterien sind: Ausbildung, tarifliche Einstufung, Dauer der Berufsausübung, Höhe der Entlohnung und Anforderungen des Berufes.
Zwischen den Beteiligten steht – zu Recht – außer Streit, dass der Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen keine der bislang von ihm ausgeübten Tätigkeiten verrichten kann. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst allerdings nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Auf die dem Kläger noch möglichen Arbeiten als Versandfertigmacher oder Pförtner, die den ungelernten Tätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas zuzuordnen sind, ohne dass es sich um die allereinfachsten des allgemeinen Arbeitsmarktes handelt, muss der Kläger sich jedoch nicht verweisen lassen. Denn dessen "bisheriger Beruf" im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist dem eines Facharbeiters und nicht dem eines angelernten Arbeiters zuzuordnen.
Der Kläger hat mit den Abschlussprüfungen als Agrochemiker und Meister für Pflanzenproduktion/Feldbau die Facharbeiterebene auf der 4. Stufe des Mehrstufenschemas erreicht. Soweit die Beklagte hierzu meint, die Qualifikation zum Meister für Pflanzenproduktion reiche hierfür nicht aus, dringt sie nicht durch. Bereits die dem Kläger durch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg verliehene Urkunde für die Meisterqualifikation vom 1. März 1991 belegt im Zusammenhang mit dem erteilten Zeugnis das Absolvieren der Fachschule. Diese Qualifikation baut ersichtlich auf der zuvor absolvierten Facharbeiterausbildung zum Agrochemiker auf. Auf diesem Niveau hat der Kläger auch die im weiteren Berufsverlauf ausgeübten Tätigkeiten zunächst als Hofmeister, dann als Kraftfahrer und Bediener von Geräten und Anlagen sowie Lagerverwalter mit Aufsichtsfunktion verrichtet. Insofern war zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Hofmeisters in einem landwirtschaftlichen Betrieb von einer Vielzahl von Aufgaben geprägt ist. Dass zu diesen auch Materialwirtschaft, Transport und Umschlag gehören, belegen die Prüfungsfächer der Abschlussprüfungen zum Agrochemiker und zum Meister für Pflanzenproduktion. Dementsprechend handelt es sich bei den durch den Kläger zuletzt ausgeführten Tätigkeiten um Teilbereiche des Berufsbildes, so dass sich der Kläger von seinem Beruf auch nicht gelöst hat. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Veränderung des Aufgabenzuschnitts infolge der gesundheitlichen Einschränkungen nach Erleiden des Wirbelbruches erfolgt ist. Aber selbst wenn die Tätigkeiten des Klägers als Anlagenbediener und Lagerverwalter als einfach angelernte Arbeiten zu qualifizieren sein sollten, wäre dies unbeachtlich, wenn die vorangegangene höherwertige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (vgl. BSG SozR Nr. 33 zu § 1246 RVO). Nach der Überzeugung des Senats war dies bei dem Kläger der Fall. Rentenbeginn und Befristung folgen aus §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 2 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
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