S 4 U 40/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 40/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hat der Versicherte vor, lediglich auf dem Rückweg von seiner Arbeitsstelle eine private Erledigung zu machen, so ist der Hinweg zur Arbeitsstelle jedenfalls vom Versicherungsschutz umfasst.
I. Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2013 den Unfall des Klägers vom 7. Juni 2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers vom 07.06.2011 einen Arbeitsunfall darstellt und ihm deshalb Leistungen von der Beklagten zustehen.

Der Kläger ist 56 Jahre alt. Er war seit 2009 als LKW-Fahrer und Lagerist bei der Firma F. in der Niederlassung in B-Stadt tätig.

Der Kläger hatte seit dem 03.06.2011 Urlaub. Er war von seiner Firma angerufen worden mit der Bitte, einen Dienstschlüssel bis zum 07.06.2011 abzugeben. Dieser wurde benötigt, weil nicht genügend Schlüssel für die Ersatzkräfte vorhanden waren. Der Kläger hatte nach Überzeugung des Gerichts geplant, zuerst den Schlüssel in der Arbeitsstelle abzugeben und auf dem Rückweg zum Reifenhändler zu fahren, was auf dem Weg lag. Der Kläger fuhr deshalb am 07.06.2011 von seiner Wohnung in A-Stadt um etwa 16.10 Uhr mit dem Motorrad in Richtung seiner Arbeitsstelle. Er musste jedoch von seiner üblichen Route abweichen, weil Sanierungsarbeiten die Straße OA32 A-Stadt-L. blockierten. Auf der Kreisstraße OA21 zwischen R. und Sch. wurde der Kläger etwa um 16.00 Uhr in einen Verkehrsunfall verwickelt. Der Kläger erlitt diverse schwere Verletzungen, u.a. musste ihm in Folge dieser Verletzungen das linke Bein oberhalb des Knies amputiert und die Milz entfernt werden.

Mit Bescheid vom 02.02.2012 lehnte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ab. Wegen zum Teil widersprüchlicher Angaben in Bezug auf den Zweck der Unfallfahrt ging sie davon aus, dass der Kläger zunächst geplant hatte, zum Reifenhändler zu fahren. Die konkrete Fahrt sei deshalb vor allem privat motiviert gewesen bzw. ein Nachweis der Dienstbezogenheit sei nicht erbracht worden. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, dass der Kläger zunächst zum Betrieb und dann erst zum Reifenhändler fahren wollte. Die Fahrt sei somit aus seiner Sicht dienstlich gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen richtet sich die Klage des Klägers vom 22.02.2013, eingegangen am gleichen Tag.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen D., E. und C ... Die Zeugen haben zu den Umständen der Unfallfahrt ausgesagt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Klägers vom 07.06.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung des Unfalls vom 07.06.2011 als Arbeitsunfall nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind somit nicht rechtmäßig.

Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Handlung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 - 209 m.w.N.). Der Gesundheitserstschaden (Primärschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung) ist eine den Versicherungsfall begründende Tatbestandsvoraussetzung und daher keine Folge des Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 - 289).

Im vorliegenden Fall ist lediglich über die Frage zu entscheiden gewesen, ob die Unfallfahrt des Klägers nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war, weil alle anderen Merkmale des Arbeitsunfalls mit dem Unfall vom 07.06.2011 zweifelsfrei vorliegen.

Nach Vernehmung des Klägers und aller Zeugen, die jeweils glaubhaft die ihnen bekannten Umstände des Unfalls schilderten, ist das Gericht von der Richtigkeit des im Tatbestand dargestellten Sachverhalts überzeugt. Der Kläger war folglich mit seinem Motorrad auf dem Weg zur Arbeit um den Schlüssel dort vor dem Arbeitsschluss um 17.00 Uhr abzugeben, als der Unfall passierte. Er wollte erst auf dem Rückweg, also nach der Schlüsselabgabe, beim Reifenhändler, dem Zeugen D., Halt machen. Dies wird insbesondere dadurch gestützt, dass der Kläger nach übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen D. erst um 17.30 Uhr bei diesem einen Termin zum Reifenwechsel hatte - also erst nach dem Arbeitsschluss bei der Firma F ...

Nach den Angaben des Zeugen C., dem stellvertretenden Niederlassungsleiter der Filiale der Firma F. in B-Stadt, und des Zeugen E., dem Verkaufsleiter der Firma, war der Kläger als zuverlässiger Mitarbeiter bekannt. Von Seiten der Firma wurde deshalb fest davon ausgegangen, dass der Kläger wie verabredet bis spätestens 07.06.2011, 17.00 Uhr den Firmenschlüssel vorbeibringen würde.

Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei muss es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht um die schnellste/kürzeste Verbindung handeln. Der Versicherte muss aber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine vernünftige, angemessene Wegstrecke wählen. Die Art und Weise zur Streckenbewältigung, also die Fortbewegungsmethode bzw. das Verkehrsmittel, kann der Versicherte nach vernünftiger Überlegung frei wählen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 04.09.2007 - B 2 U 24/06 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 24).

Der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges besteht, wenn die Fortbewegung den Zweck hat, den Ort der Tätigkeit zu erreichen. Dabei müssen objektive Umstände, die auf die versicherte (hier: die auf die Arbeit bezogene/dienstliche) Tätigkeit stützen (Handlungstendenz) (BSG, 18.01.2011, B 2 U 9/10 R, BSGE 107, S. 197 ff., 199; BSG, 02.12.2008, B 2 U 26/06 R, BSGE 102, S. 111 ff., 116 m.). Wenn wegen des Unfalls kein Aufenthalt an einem weiteren Ort oder keine Fortsetzung des beabsichtigten Weges stattgefunden hat, muss eine hypothetische Betrachtung angestellt werden. Es ist also zu fragen, was ohne den Unfall zu erwarten gewesen wäre. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen eines versicherten Weges vorgelegen haben, trägt der Versicherte (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R -, BSGE 102, 111 - 121, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29, SozR 4-2200 § 550 Nr. 2).

Unversichert sind Wegeunterbrechungen, also das Einschieben persönlicher für die Wegzurücklegung nicht erforderlicher Handlungen. Sie sind nur versichert, wenn die Handlungen "im Vorübergehen" erledigt werden können oder wenn der Weg sonst unmöglich fortgesetzt werden kann. Dauert die Unterbrechung länger als zwei Stunden, ist der vorher zurückgelegte Wegteil unversichert. Das Ziel der Unterbrechung ist dann ein sogenannter dritter Ort. Der Versicherungsschutz beginnt dann erst mit der Fortsetzung des Weges. Die Rechtsprechung differenziert zwischen einem sogenannten dritter Ort und einem Zwischenort. Dritter Ort ist ein Ort, der Ausgangspunkt oder Ziel eines für sich allein selbstständigen Weges ist. (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 11/08 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 34). Eine Unterbrechung beginnt mit jedem Verhalten, mit dem der Versicherte nach außen erkennbar seine Handlungstendenz, das versicherte Ziel zu erreichen, zugunsten eigenwirtschaftlicher Zwecke aufgibt (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R -, BSGE 102, 111 - 121, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29, SozR 4-2200 § 550 Nr. 2; BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).

Ebenfalls nicht versichert schon ab dem ersten Meter sind Abwege, also private Wegstrecken, die nicht in die versicherte Zielrichtung führen. Davon abzugrenzen sind versicherte Abweichungen von der versicherten Zielrichtung aus Wegegründen (z.B. Umleitung). (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 8; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 20/03 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 4; BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 32).

Auch Umwege sind unversichert, d.h. Wegstrecken, die generell noch in die Richtung des versicherten Ziels gehen, den direkten Weg aber aus privaten Gründen nicht ganz unerheblich verlängern. Geringfügige Verlängerungen sind dagegen unschädlich. (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 20/03 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 4).

Zu betrachten ist immer der konkrete Weg, also der Streckenabschnitt. Wird dieser aus dienstlichen und gleichzeitig privaten Gründen zurückgelegt, ist entscheidend, was im Vordergrund steht. Nur bei überwiegender dienstlicher Handlungstendenz ist der Weg versichert (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 33; BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII K § 8 Rn. 225 mit Verweis auf Rn. 24 - 25a).

1.) Vom Kläger gewähltes Verkehrsmittel Der Kläger hat als Verkehrsmittel für die Wegstrecke sein Motorrad gewählt. Er hat glaubhaft ausgesagt, dass er auch sonst häufig mit dem Motorrad zur Arbeit gefahren ist. Es handelt sich um ein adäquates Verkehrsmittel, dessen Wahl auch hinsichtlich des Gesichtspunktes einer vernünftigen Überlegung nicht zu beanstanden ist. Ob der Kläger dies auch in seiner Freizeit gerne benutzt oder ob er bei anderer Absprache mit seiner Ehefrau auch den einzigen Familienwagen hätte nehmen können, ist deshalb ohne Belang.

2.) Vom Kläger gewählter Weg Aus den Unterlagen in der Akte und den Angaben des Klägers ergibt sich für das Gericht eindeutig, dass der Kläger die kürzeste Wegstrecke zur Arbeitsstelle in B-Stadt über L., die seinen üblichen Arbeitsweg darstellt, nicht befahren konnte. Die Firma B., die für die Straßensanierung zuständig war, bestätigte die Angaben des Klägers zur Befahrbarkeit der Kreisstraße OA32 mit Schreiben an die Beklagte vom 26.08.2011. Der Kläger hat glaubhaft angegeben, dass für ihn nicht absehbar war, wie lange die OA32 A-Stadt-L. noch unbefahrbar sein würde. Er hat deshalb nachvollziehbar einen anderen als den üblichen Weg gewählt, nämlich von A-Stadt über B., H. und R ... Der Unfall geschah dann auf der OA21 zwischen R. und Sch ... Das Gericht hat anhand des Routenplaners von https://www.google.de/maps mit Stand 28.03.2015 recherchiert, dass diese Wegstrecke etwa 24,5 km beträgt und die Fahrt mit dem Motorrad etwa 32 Minuten dauert. Als kürzeste Alternativstrecken haben dem Kläger unter Berücksichtigung der Unbefahrbarkeit der OA32 nach dieser Recherche zur Verfügung gestanden:

- eine mit dem Weg des Klägers fast identische Route zunächst Richtung Norden mit 25,6 km Länge und der Dauer von 33 Minuten, - eine Route über Westen mit Fahrt auf der St2009 mit einer Länge von 22,6 km und einer Dauer von 31 Minuten.

Die Ausweichstrecken unterscheiden sich folglich nur marginal in Länge und Dauer von der vom Kläger gewählten Strecke. Da der Kläger spontan entscheiden musste und verständlicherweise nicht wie das Gericht ausführlich recherchiert hat, war die Wahl der Route unter allen Gesichtspunkten vernünftig und angemessen.

3.) Dienstbezogenheit des Weges Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Kläger gemäß seiner Aussage zunächst bis 17.00 Uhr den Firmenschlüssel in seine Arbeitsstelle bringen und anschließend auf dem Rückweg zum Reifenhändler D. mit Termin um 17.30 Uhr fahren wollte. Das Abgeben des Dienstschlüssels ist eindeutig als dienstlich anzusehen, da der Kläger von seiner Firma dazu aufgefordert wurde, obwohl er Urlaub hatte. Der Kläger wollte den Schlüssel also zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht abliefern. Dies wird gestützt durch die Angaben der Zeugen C., E. und D ... Wäre alles planmäßig gelaufen, wäre der Kläger, nachdem er etwa um 16.10 Uhr losgefahren war und für den Weg rund 30 Minuten gebraucht hätte, um etwa 16.40 Uhr in seiner Firma angekommen. Dort hätte er den Schlüssel abgegeben und wäre anschließend zum "ReifenService D." in K. gefahren und dort wohl etwas vor 17.30 Uhr angekommen.

Obwohl der Reifenhändler für den Kläger bei der gewählten Fahrtstrecke mit einem Schlenker von nur ca. 100 m sehr komfortabel am Weg liegt, spricht alles dafür, dass der Kläger tatsächlich erst auf der Rückfahrt von der Arbeitsstelle zum Reifenhändler fahren wollte. Die zunächst bestehenden Zweifel an diesem Ablauf wegen der Angaben des Klägers in der polizeilichen Vernehmung vom 05.07.2011 im Krankenhaus, Zweck der Fahrt sei gewesen "zum Reifenhändler nach K." zu fahren, konnten in der mündlichen Verhandlung zerstreut werden. Diese Angaben wurden im Übrigen bereits mit Schreiben der Klägervertreterin an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht B-Stadt vom 05.12.2011, in der Widerspruchsbegründung an die Beklagte vom 05.11.2012 und in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts B-Stadt vom 17.06.2014 zur Strafsache wegen der Unfallverursachung (Aktenzeichen 13 Ds ) richtig gestellt. In allen weiteren Unterlagen zur Unfallfahrt findet sich zudem nur die Angabe des Klägers, er habe sich (wegen der Schlüsselabgabe) auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle befunden:

- Unfallanzeige der Firma F. mit Angaben des Klägers vom 19.07.2011, - Unfallbericht des Klägers für die Beklagte vom 07.06.2011, - Arztbrief von Dr. H. vom G. B-Stadt Oberallgäu an die Beklagte vom 08.08.2011, - Wegeunfall-Fragebogen ausgefüllt vom Kläger , eingegangen bei der Beklagten am 25.06.2011, - Fragebogen der AOK ausgefüllt vom Kläger, eingegangen bei der Krankenkasse am 18.07.2011, - Fragebogen der Deutschen Rentenversicherung ausgefüllt vom Kläger, eingegangen bei der AOK am 21.07.2011, - Entlassungsbericht der Fachklinik O. vom 26.09.2011.

Da der Kläger also direkt (d.h. ohne Wegunterbrechungen, Umwege oder Abwege) von seiner Wohnung in die Arbeit fahren wollte, befand er sich, als er den Unfall erlitt, auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg zu dem Ort seiner Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist wie oben dargestellt immer der konkrete Weg zu betrachten. Es hat somit keine Auswirkungen auf die Versicherung des vom Kläger gewählten Weges, dass für den Rückweg ein Abstecher zum Reifenwechseln (Abweg zu einem dritten Ort mit Wegeunterbrechungen) geplant war. Die Handlungstendenz des konkreten Weges war rein dienstlich.

Der Kläger konnte zudem glaubhaft und gestützt von den Angaben der Zeugen C. und E. darlegen, dass auch bei einer Gesamtbetrachtung der Hin- und Rückfahrt das Wegbringen des Schlüssels und somit der dienstliche Aspekt ganz wesentlich im Vordergrund stand und das Reifenwechseln als privater Aspekt damit lediglich nebenher verbunden werden sollte. Der Kläger hätte somit die Fahrt zum Wegbringen des Schlüssels auch dann vorgenommen, wenn das private Reifenwechseln entfallen wäre. Dies wird gestützt dadurch, dass der Anruf wegen des Schlüssels durch den Zeugen C. am 06.06.2011 nachmittags auch zeitlich vor der Terminvereinbarung mit dem Reifenhändler D. am Unfalltag (07.06.2011) mittags liegt. Auch bei einer Gesamtbetrachtung, die eine gemischte Motivationslage ergeben würde, überwiegt also ganz eindeutig die dienstliche Handlungstendenz.

Nach alledem war der Kläger bei seinem Unfall am 07.06.2011 versichert nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Der Unfall des Klägers vom 07.06.2011 ist somit als Arbeitsunfall anzuerkennen und es sind entsprechend Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.

Der Klage des Klägers war folglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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